TE Lvwg Erkenntnis 2018/11/27 LVwG-2018/43/0897-1

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Veröffentlicht am 27.11.2018
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Entscheidungsdatum

27.11.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §49 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Schmalzl über die Beschwerde des AA, vertreten durch RA BB, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 14.03.2018, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach der StVO,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird als stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

In der im vorliegenden Verfahren zunächst ergangenen Strafverfügung vom 26.02.2018, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:

„1. Sie sind am 08.11.2017 um 11:18 Uhr in Z, Adresse 2, der PKW *** (A) stand parkend abgestellt am Kurzparkzonen Streifen vor dem Haus Adresse 2 als Lenker(in) des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen *** mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl Sie und die Person(en) in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben.

2. Sie sind am 08.11.2017 um 11:18 Uhr in Z, Adresse 2, der PKW *** (A) stand parkend abgestellt am Kurzparkzonen Streifen vor dem Haus Adresse 2 als Lenker(in) des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen *** mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben ihr Fahrzeug nicht sofort eingehalten.

3. Sie sind am 08.11.2017 um 11:18 Uhr in Z, Adresse 2, der PKW *** (A) stand parkende abgestellt am Kurzparkzonen Streifen vor dem Haus Adresse 2 als Lenker(in) des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen *** mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, da sie es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht haben, ihre körperliche und geistige Verfassung zum Unfallzeitpunkt festzustellen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 4 Abs. 5 StVO

2. § 4 Abs. 1 lit. a StVO

3. § 4 Abs. 1 lit. c StVO“

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen bzw Freiheitsstrafen gemäß folgenden Vorschriften verhängt:

zu 1. € 100 (2 Tage) gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO

zu 2. € 300 (6 Tage) gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO

zu 3. € 300 (6 Tage) gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO

Daraufhin langte eine Eingabe des Beschwerdeführers unter dem Betreff „Ansuchen um Strafmilderung“ bei der belangten Behörde ein, in welchem dieser ua ausführte, er habe nicht bemerkt, dass er nämlichen Außenspiegel touchiert hätte, und sei nur deshalb nicht unverzüglich stehen geblieben.

Das nunmehr angefochtene Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol, enthält folgenden Spruch:

„II. „Einspruch wird keine Folge gegeben“

Ihrem Einspruch vom 13.03.2018 gegen die Strafverfügung vom 26.02.2018 (siehe obige GZ) wird keine Folge gegeben und das Ausmaß der über sie verhängten Strafe (Geldstrafe mit dem € 100; Ersatz Freistrafe von 14 Tage(n), 0 Stunde(n), 0 Minute(n) bestätigt.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen:

€ 70 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % für jede einzelne verhängte Strafe, jedoch mindestens € 10 (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100 angerechnet);

Delikt:                            Strafe neu:

§ 4 Abs. 5 StVO          € 100

§ 4 Abs. 1 lit. a StVO € 300

§ 4 Abs. 1 lit. c StVO          € 300

der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Barauslagen) beträgt daher

                                    € 770

Rechtsgrundlage:

§ 49 Abs. 2 VStG 1991

§ 64 Abs. 1 u 2 VStG 1991“

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde.

II.      Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

In der vorliegenden Strafverfügung vom 26.02.2018 wird der Beschwerdeführer mehrfaches Fehlverhalten vorgeworfen, nachdem er mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden habe.

Der vom Beschwerdeführer daraufhin erhobene Einspruch weist zwar den Betreff „Ansuchen um Strafmilderung“ auf, enthält jedoch auch Ausführungen dazu, dass der Beschwerdeführer einen Verkehrsunfall nicht wahrgenommen habe.

III.     Beweiswürdigung:

Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde.

IV.      Rechtslage:

Die hier relevante Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) BGBl Nr 52/1991, idF BGBl I Nr 58/2018, lautet:

„§ 49

(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, dann ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

[…]“

Die hier relevante Bestimmung des Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl Nr 159/1960, idF BGBl I Nr 42/2018, lautet:

„§ 4. Verkehrsunfälle

(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben

a)   wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b)   wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c)   an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

(2) Sind bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden, so haben die im Abs. 1 genannten Personen Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizeidienststelle sofort zu verständigen. Wenn bei einem Verkehrsunfall, an dem ein Schienenfahrzeug oder ein Omnibus des Kraftfahrlinienverkehrs beteiligt ist, sich erst nach dem Wegfahren des Schienenfahrzeuges bzw. des Omnibusses nach dem Unfall eine verletzte Person meldet, kann auch das Unternehmen, dem das Schienenfahrzeug bzw. der Omnibus gehört, die Polizeidienststelle verständigen.

(3) Auch der Zeuge eines Verkehrsunfalles hat, sofern die nach Abs. 2 verpflichteten Personen nicht für erforderliche Hilfe sorgen, den verletzten Personen die ihm zumutbare Hilfe zu leisten. Die Hilfeleistung ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn sie nur unter erheblicher eigener Gefährdung oder Verletzung anderer wichtiger Interessen möglich wäre. Ist der Zeuge zur Hilfeleistung nicht fähig, so hat er unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Die gleichen Verpflichtungen wie der Zeuge eines Verkehrsunfalles haben auch Personen, die am Ort eines Verkehrsunfalles dessen Folgen wahrnehmen, es sei denn, daß nach den Umständen am Unfallsort die eigene Hilfeleistung oder die Besorgung fremder Hilfe offensichtlich nicht mehr erforderlich ist.

(4) Jedermann ist unter den im Abs. 3 bezeichneten Voraussetzungen verpflichtet, die Herbeiholung einer Hilfe bei einem Verkehrsunfall zu ermöglichen.

(5) Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

[…]“

V.       Erwägungen:

Wie oben zu Punkt II. festgehalten, focht der Beschwerdeführer mit seinem Einspruch gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vom 26.02.2018 nicht nur die Strafhöhe an sondern bezog sich dieser auch auf den Tatvorwurf. Es treten nämlich die in § 4 Abs. 1 und 5 StVO normierten Pflichten nur dann ein, wenn die Person vom betreffenden Verkehrsunfall weiß oder zumindest wissen musste (Keplinger/Wimmer, Straßenverkehrsordnung12 40). Der Beschwerdeführer stellte in seinem Einspruch gegen die Strafverfügung in Abrede, den nämlichen Unfall überhaupt bemerkt zu haben. Bei objektiver Betrachtungsweise dessen Gesamtinhalts ist daher zweifellos festzustellen, dass sich der Einspruch des Beschwerdeführers – trotz des Betreffs „Ansuchen um Strafmilderung“ - gegen die gesamte Strafverfügung und nicht lediglich gegen Höhe der verhängten Strafe richtete (vgl Lewisch/Fister/Weilguni, VStG (2013) § 49 Rz 9).

Da sich der Einspruch gegen die gesamte Strafverfügung richtete und diese daher gemäß § 49 Abs. 2 VStG zur Gänze außer Kraft trat, hätte die belangte Behörde nicht von einer Rechtskraft des Schuldspruches ausgehen und nur mehr über die Strafhöhe entscheiden dürfen. Indem sie dies verkannte, nahm sie eine Entscheidungsbefugnis in Anspruch, die ihr nicht zustand. Diese Unzuständigkeit war vom Landesverwaltungsgericht wahrzunehmen, weshalb das angefochtene Straferkenntnis spruchgemäß zu beheben war (vgl VwGH 88/03/0161 vom 21.9.1988).

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Weiters besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Schmalzl

(Richterin)

Schlagworte

Einspruch gegen Strafverfügung nicht nur auf die Strafhöhe; belangte Behörde nur über die Strafhöhe jedoch nicht über Schuldspruch abgesprochen; nahm Entscheidungsbefugnis in Anspruch, die ihr nicht zukam;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.43.0897.1

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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