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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags wegen Versäumung derBeschwerdefristSpruch
Dem Wiedereinsetzungsantrag wird stattgegeben.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit ihrem am 19. Juli 2007 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz beantragt die Fritz Hatschek Privatstiftung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist und erhebt gleichzeitig Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, Z RV/0459-L/05 vom 27. April 2007. Dem Beschwerdevorbringen nach wurde dieser Bescheid der antragstellenden Gesellschaft am 2. Mai 2007 zugestellt, die sechswöchige Beschwerdefrist endete sohin am 13. Juni 2007. Mit dem bekämpften Bescheid wurde der antragstellenden Gesellschaft Schenkungssteuer vorgeschrieben.
2. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird vorgebracht, dass die vom Rechtsanwalt am 4. Juni 2007 unterfertigte Beschwerde durch ein Versehen der langjährigen, verlässlichen Sekretärin entgegen seiner Anweisung nicht noch am selben Tag zur Post gegeben wurden; vielmehr habe die Sekretärin die Originalschriftsätze nach Löschung der Frist aus dem Fristenbuch irrtümlich unter die von ihr angefertigten Kopien gelegt und das gesamte Konvolut auf den Ablagestapel gelegt, auf dem sich grundsätzlich nur bereits abgefertigte Schriftsätze befinden, anstatt die Schriftsätze zu kuvertieren. Dieser erstmalige Fehler habe der ansonsten sehr zuverlässigen und sorgfältigen Sekretärin nur passieren können, weil sie in ihrem sonst problemlos funktionierenden Abfertigungsprozedere wohl unterbrochen worden sei.
Der Irrtum sei auch bei der Ablage des Schriftsatzkonvolutes in den Kanzleiakt nicht bemerkt worden, da die oben aufliegenden Kopien den Eindruck erweckten, es handle sich bei den Unterlagen lediglich um kopierte Beilagen. Da eine neuerliche Vorlage des Kanzleiaktes anlässlich der Abfertigung nicht vorgesehen sei und sich der Rechtsanwalt noch am 4. Juni 2007 von der Löschung der Frist aus dem Fristenbuch überzeugt habe, habe er den Irrtum erst bei nächster Vorlage des Kanzleiaktes am 13. Juli 2007 (die durch eine Anfrage des steuerlichen Vertreters der Privatstiftung veranlasst worden war) bemerken können.
II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist ist begründet.
1.1. Da das VfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden. Danach ist einer Partei, so weit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11.706/1988).
1.2. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von 14 Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Offenbar verspätet eingebrachte Anträge sind ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen (§148 Abs3 ZPO).
Die Frist - sie begann am 13. Juli 2007 zu laufen - wurde im gegenständlichen Fall gewahrt.
1.3. Es kam nicht hervor, dass den in der vorliegenden Sache bevollmächtigten Rechtsanwalt der antragstellenden Privatstiftung - für welchen die Verschuldensregel des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt (§39 ZPO) - ein leichte Fahrlässigkeit übersteigender Verschuldensgrad trifft. Dem Parteienvertreter ist ein Verschulden seiner Kanzleimitarbeiter nur dann anzulasten, wenn man ihm selbst Nachlässigkeit bei der Kontrolle, Überwachung oder Belehrung vorwerfen kann. Der Verfassungsgerichtshof sieht nach Lage des Falles keinen Grund, das - durch Erklärungen an Eides Statt bescheinigte - Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, dass die Fristversäumung auf einem weisungswidrigen irrtümlichen Verhalten einer bis zu diesem Zeitpunkt zuverlässigen Kanzleiangestellten beruhte. Dieses Fehlverhalten kann dem Prozessbevollmächtigten nicht angelastet werden, weil aufgrund des bisherigen Arbeitsverhaltens der Kanzleikraft keine Veranlassung zu intensiver Überwachung oder Kontrolle bestand.
2. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher - gemäß §33 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung - Folge zu geben.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B1311.2007Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009