TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/24 97/19/1551

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Veröffentlicht am 24.09.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der 1954 geborenen DW, W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Mai 1997, Zl. 305.231/4-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, welche zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit vom 8. August 1994 bis 12. September 1995 verfügte, beantragte am 28. Juli 1995 die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Februar 1996 im Instanzenzug abgewiesen.

Am 26. März 1996 beantragte die Beschwerdeführerin neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Aufenthaltszweck der unselbstständigen Erwerbstätigkeit. Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 16. Dezember 1996 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Mai 1997 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z 4 FrG abgewiesen. Nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesbestimmungen stellt die belangte Behörde fest, die Beschwerdeführerin sei im August 1988 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 7. August 1989 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet. Nach dieser Eheschließung sei ihr über ihren Antrag der Befreiungsschein ausgestellt sowie ein Sichtvermerk erteilt worden. Die Beschwerdeführerin sei vor Erhalt des Befreiungsscheines keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit in Österreich nachgegangen. Darüber hinaus sei die Ehe nach einer sehr kurzen Bekanntschaft (zwei bis drei Monate) geschlossen worden, obwohl keiner der Partner die Sprache des anderen beherrscht habe und keine gemeinsame Unterkunft zur Verfügung gestanden sei. Dem Eheabschluss komme in Bezug auf die Arbeitsmöglichkeit für einen Ausländer in Österreich entscheidende Bedeutung zu, weil hiefür nach § 3 AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung oder ein Befreiungsschein Voraussetzung sei. Für den Erwerb des Befreiungsscheines, der den Wegfall einer Vielzahl erschwerender Voraussetzungen bewirke, genüge es, wenn der Ausländer mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sei und seinen Wohnsitz im Bundesgebiet gehabt habe. Es sei also für die Möglichkeit eines Ausländers, im Inland einer offiziellen Erwerbstätigkeit nachzugehen, der Eheabschluss mit einem österreichischen Partner noch immer von wesentlicher Bedeutung, insbesondere, um die ursprünglichen Intentionen des Gesetzgebers, nämlich unerwünschte Ausländerbeschäftigung in Österreich zu verhindern, bzw. unter Kontrolle zu halten, zu verwirklichen.

Aus obigen Gründen werde von einer rechtsmissbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger ausgegangen. Das Eingehen einer Ehe nur zum Zweck der Beschaffung einer Aufenthaltsbewilligung und eines Befreiungsscheines stelle einen evidenten Rechtsmissbrauch dar, welcher als gravierende Beeinträchtigung des geordneten menschlichen Zusammenlebens und solcherart als Gefährdung der öffentlichen Ruhe zu werten sei.

Die Beschwerdeführerin sei geschieden und Mutter von zwei erwachsenen Söhnen, welche für Österreich jeweils ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot hätten. Im Hinblick auf die angenommene rechtsmissbräuchliche Eingehung der Ehe könne sich die Beschwerdeführerin nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 MRK auf das Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses berufen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Verlängerung der der Beschwerdeführerin zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligung rechtskräftig abgewiesen worden war, weshalb der danach gestellte, verfahrensgegenständliche Antrag vom 26. März 1996 nicht als Verlängerungsantrag zu qualifizieren ist. Der angefochtene Bescheid ist daher - entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz - auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z 4 FrG lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

Im Gegensatz zur Behörde erster Instanz stützte die belangte Behörde ihre Annahme, die Beschwerdeführerin verwirkliche den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG nicht mehr (auch) auf den unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin, sondern nur auf das - ihrer Ansicht nach gegebene - Vorliegen einer Scheinehe.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Es rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG gefährden.

Diese Prognose setzt aber auch eine Bedachtnahme auf die Länge des seit Verwirklichung dieses Fehlverhaltens verstrichenen Zeitraumes und auf das in diesem Zeitraum gesetzte Verhalten des Antragstellers voraus. So hat der Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/19/3068, bei Vorliegen eines Zeitraumes von 7 Jahren und ca. zwei Monate zwischen dem Zeitpunkt der Eheschließung und dem der Erlassung des angefochtenen Bescheides die genannte Gefährdungsprognose (noch) als gegeben angesehen. Im hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1997, Zl. 97/18/0097, vertrat der Verwaltungsgerichtshof hingegen die Ansicht, die belangte Behörde hätte angesichts eines Zeitraumes von 7 Jahren und ca. 6 Monaten und des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers nicht mehr zum Ergebnis gelangen dürfen, der besagte Rechtsmissbrauch rechtfertige die Gefährdungsprognose des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG.

Diese Überlegungen haben auch für den Beschwerdefall zu gelten, wobei es dahinstehen kann, ob die Beschwerdeführerin eine Scheinehe eingegangen ist. Im Beschwerdefall liegt zwischen dem Zeitpunkt der (gegebenenfalls) missbräuchlichen Eingehung der Ehe (7. August 1989) und dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Zustellung am 3. Juni 1997) ein Zeitraum von 7 Jahren und 10 Monaten. Dass sich die Beschwerdeführerin in diesem Zeitraum nicht wohlverhalten hätte, wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt. Angesichts des genannten langen Zeitraumes, der den obzitierten Zeitraum von 7 Jahren und ca. 2 Monaten erheblich übersteigt, und fehlender Feststellungen über ein Fehlverhalten der Beschwerdeführerin in der Zwischenzeit erweist sich die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe durch die (allenfalls) eingegangene Scheinehe die Gefährdungsprognose des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG erfüllt, als rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997191551.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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