TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/28 W184 2195034-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.08.2018
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Entscheidungsdatum

28.08.2018

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W184 2195034-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2018, Zl. 1181492509/180162030, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005, § 61 FPG und § 21 Abs. 5 BFA-VG als unbegründet abgewiesen. Es wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei, eine weibliche Staatsangehörige der Russischen Föderation, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 14.02.2018 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.

Eine EURODAC-Abfrage ergab aufgrund unzureichender Fingerabdruckqualität keinen Treffer.

Bei der Erstbefragung am 15.02.2018 gab die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen an, dass sie in Österreich und in Deutschland je eine Tochter habe. Sie sei vor vier Tagen aus Deutschland mit dem PKW ausgereist. Sie brachte bezüglich ihres Gesundheitszustandes vor, dass sie nicht mehr klar denken könne und sehr vergesslich sei. Zudem nehme sie starke Schmerzmittel und Medikamente wegen Herzproblemen ein. Wegen zahlreicher Krankheiten sei sie seit fünf Jahren auf den Rollstuhl angewiesen und ihr Zustand verschlechtere sich. In Deutschland habe sie einen Asylantrag gestellt, wisse jedoch nichts über den genauen Stand des Verfahrens. Sie wolle nicht nach Deutschland zurückkehren, weil ihre Tochter im 6. Stock gewohnt habe und es in diesem Haus keinen Lift gegeben habe. Der Fluchtgrund aus ihrem Herkunftsstaat sei ihre Pflegebedürfitgkeit gewesen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 22.02.2018 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Deutschland, und mit einem am 28.03.2018 eingelangten Schreiben stimmte die deutsche Dublin-Behörde dem Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung ausdrücklich zu.

Bei der Einvernahme durch das Bundesamt am 10.04.2018 gab die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen an, dass ihr ständig schwindlig sei und sie Probleme mit den Nieren habe. Zudem sei ihre Leber aufgebläht und leide sie unter Gallensteinen. Am 11.04.2018 werde sie einer allgemeinen Untersuchung unterzogen. Weiters sitze sie im Rollstuhl und habe Kopfschmerzen, zudem sehe sie aufgrund einer Erkrankung mit grauem Star nicht so gut. Im österreichischen Bundesgebiet lebe ihre Tochter, die sie jeden Tage sehe und welche sie von der Pension abhole und wieder zurückbringe. Da sich ansonsten niemand um sie kümmern könne, sei sie vollkommen von ihrer Tochter abhängig. Auf Aufforderung, ihre Beziehung zu ihrer in Deutschland aufhältigen Tochter zu beschreiben, erklärte die beschwerdeführende Partei, dass diese im sechsten Stock ohne Aufzug wohne und sie immer von fremden Menschen habe getragen werden müssen, weil sie im Rollstuhl sitze. Zudem habe sie kein gutes Verhältnis zu ihrem Schwiegersohn. In Deutschland habe sie mit ihrer in Österreich aufhältigen Tochter einmal in der Woche telefoniert, in Österreich telefoniere sie nunmehr auch einmal pro Woche mit ihrer in Deutschland aufhältigen Tochter. Die beschwerdeführende Partei wolle nicht nach Deutschland zurückkehren, weil sie bei ihrer dort aufhältigen Tochter nicht eigenständig das Haus verlassen könne und auf fremde Hilfe angewiesen sei. Zudem sei die medizinische Versorgung in Österreich wesentlich besser als in Deutschland.

Die beschwerdeführende Partei legte eine Aufenthaltsbestätigung eines österreichischen Landesklinikums vom 20.02.2018 samt Blutbildern vom 21.02.2018 vor, wonach sie von 16.02.2018 bis 21.02.2018 in Behandlung gestanden sei. Weiters wurde ein Echokardiographie-Befund vom 20.02.2018 mit der Diagnose "akutes Nierenversagen" vorgelegt. Aus einem ärztlichen Entlassungsbrief des Landesklinikums vom 21.02.2018 geht hervor, dass die beschwerdeführende Partei bei Entlassung an akutem Nierenversagen, metabolischer Azidose, cardialer Dekompensation, arterieller Hypertonie sowie Adipositas permagna leide. Unter Behandlung sei es zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik gekommen und die Entlassung sei respiratorisch stabil erfolgt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrags zuständig ist, sowie II. die Außerlandesbringung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

Dieser Bescheid legt in der Begründung insbesondere auch ausführlich dar, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung sowie die Grund- und Gesundheitsversorgung unbedenklich sind und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen. Im Einzelnen lauten die Länderfeststellungen folgendermaßen (unkorrigiert, gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

"Allgemeines zum Asylverfahren

In Deutschland existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 16.11.2015; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle). Im Jahr 2016 hat das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 695.733 Asylanträge entschieden. Das ist ein Anstieg von ca. 146% gegenüber 2015 (282.726 Entscheidungen). 2016 wurden 745.545 Asylanträge entgegengenommen, 268.869 mehr als im Vorjahr. Insgesamt 256.136 Personen erhielten 2016 internationalen Schutz (36,8% der Antragsteller), 153.700 Personen (22,1%) erhielten subsidiären Schutz und 24.084 Personen (3,5%) Abschiebeschutz (BAMF 11.1.2017).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):

National Country Report Germany ...;

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (11.1.2017):

Jahresbilanz 2016 ...

Dublin-Rückkehrer

Es gibt keine Berichte, dass Dublin-Rückkehrer in Deutschland Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren hätten (AIDA 16.11.2015).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):

National Country Report Germany ...

Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable

Gemäß dem Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher werden unbegleitete Kinder und Jugendliche auf Grundlage einer bundes- und landesweiten Aufnahmepflicht gleichmäßig in Deutschland verteilt. Das Mindestalter zur Begründung der Handlungsfähigkeit im Asylverfahren wurde von 16 auf 18 Jahre hinaufgesetzt (BR 26.10.2015).

Im deutschen Asylverfahren gelten Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ohne Begleitung als Unbegleitete Minderjährige (UM). Unbegleitete Minderjährige, die nach dem 1. November 2015 in Deutschland eingereist sind, werden zunächst durch das vor Ort zuständige Jugendamt in Obhut genommen. Im Rahmen dieser vorläufigen Inobhutnahme werden sie bei einer geeigneten Person (Verwandte oder Pflegefamilien) oder in einer geeigneten Einrichtung (sogenannte Clearinghäuser, die auf die Betreuung von Unbegleiteten Minderjährigen spezialisiert sind, oder Jugendhilfeeinrichtungen) untergebracht. Im Zuge der vorläufigen Inobhutnahme findet auch das sogenannte Erstscreening des Gesundheitszustands statt und wird auch das Alter der Minderjährigen festgestellt. Die dafür verwendeten Methoden reichen von einer reinen Altersschätzung über körperliche Untersuchungen bis hin zu radiologischen Untersuchungen der Handwurzel, des Gebisses oder des Schlüsselbeins. Darüber hinaus schätzt das zuständige Jugendamt ein, ob die Durchführung des späteren Verteilungsverfahrens in physischer oder psychischer Hinsicht das Kindeswohl gefährden könnte. In diesem Zusammenhang wird auch die Möglichkeit einer Familienzusammenführung mit in Deutschland lebenden Verwandten geprüft. Bestehen enge soziale Bindungen zu anderen Unbegleiteten Minderjährigen, prüft das Jugendamt, ob eine gemeinsame Unterbringung sinnvoll ist. Um eine dem Kindeswohl entsprechende Unterbringung, Versorgung, Betreuung und Unterstützung der Unbegleiteten Minderjährigen sicherzustellen, gibt es ein bundesweites Verteilungsverfahren, das innerhalb von 14 Tagen durchgeführt wird. Nach dieser Verteilung ist das neue Jugendamt für die weitere Inobhutnahme zuständig. Die Unterbringung erfolgt wieder bei einer geeigneten Person oder in einer geeigneten Einrichtung (siehe oben). Im Anschluss daran werden die Beantragung einer Vormundschaft, weitere medizinische Untersuchungen, die Ermittlung des Erziehungsbedarfs sowie eine Klärung des Aufenthaltsstatus veranlasst. Für Unbegleitete Minderjährige muss vom Familiengericht ein Vormund oder Pfleger bestellt werden. Eine Vormundschaft besteht in der Regel bis zur Volljährigkeit. Dabei orientiert sich die Volljährigkeit an dem Recht im Herkunftsland des Minderjährigen und nicht am deutschen Recht. Tritt also nach diesem Recht die Volljährigkeit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahrs ein, endet die Vormundschaft auch erst zu diesem Zeitpunkt. Im anschließenden Clearingverfahren werden weitere Schritte im Bereich des Jugendhilferechts oder des Aufenthaltsrechts eingeleitet. Es umfasst unter anderem die Klärung des Aufenthaltsstatus. Auf dessen Basis wird entschieden, ob ein Asylantrag gestellt wird. Ist ein Asylverfahren nicht erfolgversprechend, kann die zuständige Ausländerbehörde auch eine Duldung ausstellen. Kommt auch dies nicht in Frage, berät die Ausländerbehörde über andere aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten. Falls ein Asylantrag gestellt werden soll, ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BMF) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Innerhalb des Asylverfahrens gelten für die Bestimmung der Volljährigkeit die nationalen Vorschriften. Das heißt: Asylwerber müssen mit Vollendung des 18. Lebensjahrs ihren Asylantrag selbst stellen. Ein etwaiger Vormund kann in diesem Fall aber weiterhin das Asylverfahren begleiten. Asylwerber unter 18 Jahren sind im Asylverfahren nicht handlungsfähig und ein Asylantrag muss vom Jugendamt oder Vormund schriftlich gestellt werden. Da Unbegleitete Minderjährige als besonders schutzbedürftige Personengruppe mit besonderen Garantien für ihr Asylverfahren gelten, werden ihre Asylverfahren von Sonderbeauftragten betreut, die für eine sensibilisierte Herangehensweise geschult wurden. Anhörungen finden grundsätzlich in Anwesenheit des Vormunds statt. Zusätzlich kann auch ein Beistand, z. B. eine Betreuerin oder ein Betreuer, bei den Anhörungen anwesend sein. Unterbringung, Versorgung - hierzu gehört auch die sozialpädagogische Begleitung und Betreuung, Gesundheitsversorgung sowie Rechtsberatung - sind gesetzlich sichergestellt (BAMF 1.8.2016a; vgl. IAM 30.5.2016).

In Deutschland wurden 2015 42.309 UM in staatliche Obhut genommen,

22.255 davon stellten Asylanträge. 2016 gab es rund 50.300 Inobhutnahmen und 35.939 Asylanträge von UM (BAMF 31.12.2016; vgl. FRA 1.2017). Vergleicht man die Zahl der Inobhutnahmen von UM mit der Anzahl der von ihnen gestellten Asylanträge, wird deutlich, dass ein relevanter Teil der Minderjährigen auf einen Asylantrag verzichtet und sie (bzw. ihre gesetzlichen Vertreter) einen anderen aufenthaltsrechtlichen Weg suchen (BAMF 31.12.2016).

Es gibt keine gesetzliche Vorschrift zur Identifizierung Vulnerabler, mit Ausnahme von unbegleiteten Minderjährigen. Alle Asylwerber (AW) durchlaufen eine medizinische Untersuchung, die aber mehr dem Aufspüren ansteckender Krankheiten dient. Manchmal melden medizinisches Personal oder andere Mitarbeiter in den Unterbringungszentren, dass sie Anzeichen von Traumata entdeckt haben, das ist aber keine systematische Prüfung. Einige Bundesländer haben Pilotprojekte für die Identifizierung vulnerabler Asylwerber eingeführt. Vom BAMF erlassene Richtlinien sehen vor, dass insbesondere UM, Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung sowie Opfer von Folter und traumatisierte Asylwerber besonders sensibel und bei Bedarf von speziell ausgebildeten Referenten behandelt werden sollen. Die Einführung dieser Spezialisten (80 für UMA, 40 für Traumatisierte und 40 für Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung) hat die Handhabung derartiger Verfahren etwas verbessert, wobei es aber auch Beispiele gibt, wonach Hinweise auf Traumata bzw. sogar Folter nicht zur Konsultierung solcher Spezialisten geführt haben (AIDA 16.11.2015; vgl. FRA 1.2017).

Medizinische Spezialbehandlung für Traumatisierte und Folteropfer kann durch einige Spezialisten und Therapeuten in verschiedenen Behandlungszentren für Folteropfer gewährleistet werden. Da die Plätze in diesen Zentren begrenzt sind, ist der Zugang nicht immer garantiert. Da die Behandlungskosten von den Behörden nur teilweise übernommen werden (Übersetzerkosten werden etwa nicht gedeckt), sind die Zentren zu einem gewissen Grad auf Spenden angewiesen. Große geographische Distanzen zwischen Unterbringung und Behandlungszentrum sind in der Praxis auch oft ein Problem (AIDA 16.11.2015).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):

National Country Report Germany ...;

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.8.2016a):

Unbegleitete Minderjährige ...;

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (31.12.2016):

Unbegleitete Minderjährige (UM) ...;

BR - Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland (26.10.2015):

Effektive Verfahren, frühe Integration ...;

FRA - European Union Agency for Fundamental Rights (1.2017): Monthly data collection: January 2017 ...;

IAM - Informationsverbund Asyl und Migration (30.5.2016): Die Rechte und Pflichten von Asylsuchenden. Aufenthalt, soziale Rechte und Arbeitsmarktzugang während des Asylverfahrens ...

Non-Refoulement

Im Oktober 2015 wurden Albanien, Montenegro und Kosovo der Liste sicherer Herkunftsstaaten hinzugefügt, was auch Kritik hervorrief, besonders im Hinblick auf Personen aus der Gruppe der Roma. Deutschland gewährt Personen, die sich nicht für internationalen Schutz qualifizieren, mitunter auch subsidiären oder humanitären Schutz. Freiwilligen Rückkehrern wird Hilfe gewährt (USDOS 13.4.2016).

Kann weder Asyl noch Flüchtlingsschutz gewährt werden, dann prüft das BAMF im Asylverfahren auch, ob subsidiärer Schutz gewährt wird oder ein Abschiebungsverbot vorliegt. Außerhalb eines Asylverfahrens werden mögliche Abschiebungsverbote durch die zuständige Ausländerbehörde, die eine fachliche Stellungnahme des BAMF einholt, geprüft (BMdI o.D.).

Quellen:

BMdI - Bundesministerium des Innern (o.D.): Asyl- und Flüchtlingspolitik in Deutschland ...;

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Germany ...

Versorgung

Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen erhalten AW Verpflegung, Unterkunft, Krankenversorgung und Verbrauchsartikel. Der notwendige Bedarf wird durch Sachleistungen gedeckt. Wenn das nicht möglich ist, werden Wertgutscheine oder ähnliches bis hin zu Geldleistungen gewährt. Werden alle notwendigen persönlichen Bedürfnisse durch Geldleistungen gedeckt, so beträgt der Geldbetrag zur Deckung aller notwendigen persönlichen Bedarfe monatlich:

Für alleinstehende Leistungsberechtigte 135 €.

...

Anstelle der Geldleistungen können auch Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, Wertgutscheinen oder Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat wird gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht. Es gibt Leistungen für Bildung, etc. (AsylbLG 23.12.2016, §3).

In Deutschland gibt es grundsätzlich 3 verschiedene Arten der Unterbringung: Erstaufnahmezentren, Gemeinschaftsunterkünfte und dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen. Der Betrieb dieser Einrichtungen ist Ländersache. In den Jahren 2014 und 2015 waren aufgrund der zahlreichen Migranten auch Notunterkünfte gebräuchlich (AIDA 16.11.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Zum Teil sind Notunterkünfte immer noch in Verwendung (Pro Asyl 10.1.2017).

Asylwerber müssen bis zu 6 Monate in den Erstaufnahmezentren bleiben. Wenn die Pflicht zum Aufenthalt im Erstaufnahmezentrum endet, werden AW normalerweise in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, das sind generell Unterbringungszentren im selben Bundesland. AW müssen während des gesamten Asylverfahrens in der Gemeinde aufhältig sein, die von der Behörde festgelegt wurde. Die Verantwortung für diese Art der Unterbringung wurde von den Bundesländern oftmals den Gemeinden und von diesen wiederum auf NGOs oder Privatunternehmen übertragen. Manche Gemeinden bevorzugen dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen (AIDA 16.11.2015; vgl. auch BAMF 10.2016).

Deutschland verfügt mittlerweile bundesweit über 24 Ankunftszentren. Dort werden viele bis dahin auf mehrere Stationen verteilte Schritte im Asylverfahren gebündelt. Nach Möglichkeit findet das gesamte Asylverfahren unter dem Dach des Ankunftszentrums statt - von der ärztlichen Untersuchung über die Aufnahme der persönlichen Daten und der Identitätsprüfung, der Antragstellung und Anhörung bis hin zur Entscheidung über den Asylantrag. Bei Menschen mit sehr guter Bleibeperspektive sowie Antragstellenden aus sicheren Herkunftsländern mit eher geringen Bleibeaussichten kann in der Regel vor Ort innerhalb von 48 Stunden angehört und über den Asylantrag entschieden werden (BAMF o.D.a). Neben der Bearbeitung von neuen Anträgen werden in den Ankunftszentren seit Sommer 2016 auch ältere Verfahren bearbeitet und Anhörungen durchgeführt. Somit werden die BAMF-Außenstellen in der jeweiligen Region entlastet. Asylsuchende werden schon während der Bearbeitung ihres Antrags über die Teilnahme an Integrationskursen des Bundesamtes am jeweiligen Wohnort informiert. Sie erhalten ebenfalls eine Beratung zum möglichen Arbeitsmarktzugang durch die örtliche Bundesagentur für Arbeit (BAMF 1.8.2016b).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):

National Country Report Germany ...;

AsylbLG - Asylbewerberleistungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl. I S. 2022), das durch

Artikel 20 Absatz 6 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3324) geändert worden ist (23.12.2016): § 3 Grundleistungen ...;

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2016): Ablauf des deutschen Asylverfahrens ...;

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.a):

Ankunftszentren ...;

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.8.2016b):

Ankunftszentren ...;

Pro Asyl (10.1.2017): Ein Leben ohne Privatsphäre?

Sammelunterbringung darf nicht zum Dauerzustand werden ...;

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Germany ...

Medizinische Versorgung

NGOs kritisieren, dass die medizinische Versorgung von Asylwerbern nur bei akuten Erkrankungen oder Schmerzen kostenlos ist. Einige Gemeinden und private Gruppen initiierten zusätzliche Gesundheitsprojekte. Einige Bundesländer stellen Krankenversicherungskarten zur Verfügung (USDOS 13.4.2016).

Die Gesetze sehen medizinische Versorgung für AW in Fällen akuter Erkrankung oder Schmerzen vor, welche Behandlung (auch Zahnbehandlung), Medikation, etc. umfasst. Schwangere und Wöchnerinnen sind eigens im Gesetz erwähnt. Deutsche Gerichte haben sich in verschiedenen Fällen der Sichtweise angeschlossen, dass von diesen Bestimmungen auch chronische Erkrankungen abgedeckt werden, da auch diese Schmerzen verursachen können. Krankenscheine bekommen AW beim medizinischen Personal der Erstaufnahmeeinrichtung oder später auf dem zuständigen Sozialamt. Bei letzteren wird von Problemen aufgrund von Inkompetenz des Personals berichtet. Unabdingbare medizinische Behandlung steht auch Personen zu, die - aus welchen Gründen auch immer - kein Recht auf Sozialunterstützung mehr haben. Nach 15 Leistungsmonaten im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes haben AW Zugang zu Versorgung nach dem Sozialgesetzbuch. Das beinhaltet auch Zugang zu Gesundheitsversorgung nach denselben Bedingungen wie für deutsche Staatsbürger (AIDA 16.11.2015).

Deutschland garantiert allen AW ein Mindestmaß an Gesundheitsversorgung. Das gilt auch für zurückgewiesene AW bis zum Tag ihres Transfers. Die Bundesländer können autonom die elektronische Gesundheitskarte für Asylwerber einführen. Die gesetzlichen Krankenkassen können demnach von den Ländern verpflichtet werden, gegen Kostenerstattung die Krankenbehandlungen bei Asylwerbern zu übernehmen. Der Leistungsumfang und die Finanzierung der medizinischen Versorgung erfolgt unverändert im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes (BMdI 29.9.2015; vgl. BMG 3.11.2015).

Die medizinische Versorgung von Asylwerbern ist zwischen den verschiedenen Kommunen und Bundesländern unterschiedlich organisiert. Während in manchen Ländern fast alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für Antragsteller zur Verfügung stehen, muss in anderen Ländern vor vielen Untersuchungen beim Amt um Kostenübernahme angefragt werden. In dringenden Notfällen dürfen Ärzte immer behandeln, unabhängig von den Papieren. Meistens aber müssen Asylsuchende ins zuständige Sozialamt, bevor sie einen Arzt aufsuchen dürfen. Dort erhalten sie einen Behandlungsschein, mit dessen Hilfe Ärzte ihre Kosten abrechnen können. Hinzu kommt, dass der Behandlungsschein in manchen Kommunen nur für den Hausarzt gültig ist. Wollen die Betroffenen zum Facharzt, müssen sie vor jeder Überweisung die Zustimmung des Amts einholen. In manchen Ländern erhalten Asylwerber eine elektronische Gesundheitskarte einer Krankenkasse, mit der sie direkt zum Arzt gehen können. Die Krankenkasse organisiert nur die medizinische Versorgung der Antragsteller, die Kosten tragen trotzdem die Behörden. Wenn Asylwerber länger als 15 Monate in Deutschland sind, können sie sich eine gesetzliche Krankenversicherung aussuchen, die Behörden bezahlen die Beiträge. Bis auf wenige Ausnahmen (z. B. freiwillige Zusatzleistungen der Krankenkassen) werden sie dann behandelt wie alle gesetzlich Versicherten. Erst wenn die Antragsteller eine Arbeit finden und selbst einzahlen, klinkt sich der Staat aus ihrer medizinischen Versorgung aus (SO 22.3.2016; vgl. BMG 6.2016).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):

National Country Report Germany ...;

BMdI - Bundesministerium des Innern (29.9.2015): Änderung und Beschleunigung von Asylverfahren beschlossen ...;

BMG - Bundesministerium für Gesundheit (3.11.2015): Verbesserung der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen ...;

BMG - Bundesministerium für Gesundheit (6.2016): Ratgeber Gesundheit für Asylwerber in Deutschland ...;

SO - Spiegel Online (22.3.2016): So werden Flüchtlinge medizinisch versorgt ...;

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Germany ...

Schutzberechtigte

Personen mit internationalem Schutz erhalten zunächst eine Niederlassungserlaubnis, befristet auf 3 Jahre. Danach wird geprüft ob Gründe für eine Aberkennung vorliegen. Wenn dem nicht so ist, wird die Niederlassungserlaubnis permanent vergeben. Sie haben dann im Sozialversicherungssystem denselben Status wie deutsche Bürger und uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Sozialleistungen und zu Integrationshilfe, darunter auch zu Sprachkursen. Personen mit subsidiärem Schutz erhalten zunächst eine Niederlassungserlaubnis, befristet auf Jahre, manchmal auch befristet auf 1 Jahr. Sie sind verlängerbar und können nach 5 Jahren in eine permanente Niederlassungserlaubnis umgewandelt werden. Betroffene müssen um eine Arbeitserlaubnis ansuchen, die üblicherweise gewährt wird. Sie haben eingeschränkten Zugang zu Sozialleistungen. Familienzusammenführung wird strenger gehandhabt. Geduldete fallen unter die Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AIDA 16.11.2015).

Das Integrationsgesetz vom 31.7.2016 soll dazu beitragen, die Integration durch mehr Angebote an Integrationskursen, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten zu verbessern. Gleichzeitig beschreibt es die Pflichten Asylsuchender und Schutzberechtigter. Lehnen Asylbewerber Integrationsmaßnahmen oder Mitwirkungspflichten ab, werden Leistungen gekürzt. Geduldete bekommen ein Bleiberecht für die gesamte Dauer der Berufsausbildung und die anschließende Beschäftigung. Da Integration schwierig ist, wenn zu viele Flüchtlinge in Ballungszentren ziehen, können die Länder ihnen in den ersten drei Jahren einen Wohnsitz zuweisen. Außerdem verzichtet die Bundesagentur für Arbeit für drei Jahre unter bestimmten Voraussetzungen auf die Vorrangprüfung (Vorrang von Einheimischen und EU-Bürgern bei der Arbeitsplatzbesetzung). Eine unbefristete Niederlassungserlaubnis bekommt künftig nur, wer als anerkannter Flüchtling Integrationsleistungen erbracht hat (BR 8.8.2016).

Quellen:

AIDA - Asylum Information Database (European Council on Refugees and Exiles and Informationsverbund Asyl und Migration) (16.11.2015):

National Country Report Germany ...;

BR - Bundesregierung (8.8.2016): Integrationsgesetz setzt auf Fördern und Fordern ..."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass der Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Der äußerst schlechte Gesundheitszustand spreche jedenfalls gegen eine Überstellung der beschwerdeführenden Partei nach Deutschland. Die Behörde habe sich im angefochtenen Bescheid nicht hinreichend damit beschäftigt, ob eine Überstellung der beschwerdeführenden Partei zu einer Intensivierung ihrer Beschwerden führen könnte. Das Ermittlungsverfahren sowie die Beweiswürdigung seien mit groben Mängeln belastet worden.

Mit Schriftsatz vom 17.04.2018 wurde vom bevollmächtigten Vertreter der beschwerdeführenden Partei ein psychologischer Befund übermittelt, aus dem hervorgeht, dass die beschwerdeführende Partei an einer schwer ausgeprägten depressiven Symptomatik sowie einer Angststörung leide. Eine medikamentöse Therapie zur Schlafförderung und Angstlinderung sei eingeleitet worden und eine Psychotherapie sei dringend empfohlen worden.

Mit Schriftsatz vom 14.05.2018 wurden vom bevollmächtigten Vertreter der beschwerdeführenden Partei Kurzarztbriefe eines Landeskrankenhauses vom 04.05.2018 sowie vom 08.05.2018 übermittelt, wonach die beschwerdeführende Partei wegen eines hochsitzenden Uretersteins sowie beidseitigen Nierenstaus von 01.05.2018 bis 04.05.2018 sowie von 07.05.2018 bis 08.05.2018 in stationärer Behandlung gewesen sei. Eine medikamentöse Therapie sei angeraten worden.

Die beschwerdeführende Partei wurde aufgrund ihrer schweren Krankheiten unter Beiziehung einer Allgemeinmedizinerin am 16.07.2018 nach Deutschland abgeschoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführende Partei reiste im Jahr 2017 auf einem unbekannten Weg illegal in das Gebiet der Mitgliedstaaten ein und war rund ein Jahr in Deutschland aufhältig, wo sie auch einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. In der Folge begab sich die beschwerdeführende Partei illegal in das österreichische Bundesgebiet und brachte am 14.02.2018 den vorliegenden Asyl auf internationalen Schutz ein. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 22.02.2018 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Deutschland, welchem dieser Mitgliedstaat mit Schreiben vom 28.03.2018 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung ausdrücklich zustimmte.

Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Deutschlands wieder beendet hätte, liegt nicht vor. Die beschwerdeführende Partei wurde am 16.07.2018 nach Deutschland abgeschoben.

Besondere, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Deutschland sprechen, liegen nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.

Zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei wird festgestellt, dass diese wegen ihres hohen Alters sowie zahlreicher schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigungen, wie Nierenversagen, metabolischer Azidose, kardialer Dekompensation, arterieller Hyperthonie sowie Adipositas, eine medikamentöse Behandlung und regelmäßige ärztliche Kontrollen benötigt. Sie ist zudem auf einen Rollstuhl angewiesen und leidet unter psychischen Beeinträchtigungen, weswegen eine Therapie angeraten wurde.

Eine Tochter und eine Enkelin der beschwerdeführenden Partei sind in Österreich bereits seit 2005 bzw. 2009 aufhältig, die Tochter verfügt seit 2016 über einen gültige Aufenthaltstitel und der Enkelin der beschwerdeführenden Partei wurde 2012 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Die beschwerdeführende Partei befand sich in Österreich aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit in einer Sonderbetreuungseinrichtung und lebte von der Grundversorgung. Ein gemeinsamer Haushalt mit ihrer in Österreich aufhältigen Tochter oder Enkelin bestand nicht. Irgendwelche Merkmale der Abhängigkeit zwischen der beschwerdeführenden Partei und ihrer Tochter oder Enkelin können nicht festgestellt werden. Weitere beachtliche private oder berufliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet bestehen nicht. Eine andere Tochter der beschwerdeführenden Partei lebt in Deutschland und unterstützte sie während ihres Aufenthaltes in diesem Mitgliedstaat.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes, insbesondere den Niederschriften.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.

Der Gesundheitszustand ist aus zahlreichen medizinischen Unterlagen, insbesondere vorgelegten Kurzarztbriefen vom 04.05.2018 und vom 08.05.2018 sowie einem ärztlichen Entlassungsbrief eines Landesklinikums vom 21.02.2018, ersichtlich.

Das Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Partei und deren mangelnde Abhängigkeit von ihren in Österreich aufhältigen Verwandten ergibt sich aus deren eigenen Angaben sowie einem aktuellen Auszug aus dem Grundversorgungsregister vom 05.04.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 145/2017 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) lauten:

Art. 3:

"(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) ..."

Art. 7 Abs. 1 und 2:

"(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt."

Art. 17 Abs. 1:

"(1) Abweichend von Art. 3 Abs. 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt."

Art. 18 Abs. 1:

"(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen."

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens pflichtet das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Deutschlands ergibt. Dies folgt aus den Bestimmungen der Art. 3 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung.

Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 17 Abs. 2 Dublin III-Verordnung lauten:

"Art. 16

Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Abs. 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

...

Art. 17

Ermessensklauseln

...

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Art. 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen."

Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich, Rn. 57, sollen die Souveränitätsklausel (nunmehr: Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung) und die humanitäre Klausel (nunmehr: Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 und Art. 16 Abs. 1 Dublin III-Verordnung) "die Prärogativen der Mitgliedstaaten wahren, das Recht auf Asylgewährung unabhängig von dem Mitgliedstaat auszuüben, der nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien für die Prüfung eines Antrags zuständig ist. Da es sich dabei um fakultative Bestimmungen handelt, räumen sie den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen ein" (Hinweis auf EuGH 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, Rn. 65; 06.11.2012, C-245/11, K/Bundesasylamt, Rn. 27; vgl. VwGH 17.11.2015, Ra 2015/01/0114).

Die Voraussetzungen der Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 17 Abs. 2 Dublin III-Verordnung liegen im gegenständlichen Fall nicht vor, weil das geforderte besondere Abhängigkeitsverhältnis bzw. die humanitären Gründe im Sinn dieser Bestimmungen fehlen.

In einem Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 18 Dublin III-Verordnung findet eine neuerliche Überprüfung der Richtigkeit der seinerzeit erfolgten Zuständigkeitsbestimmung nicht mehr statt, es ist vielmehr primär zu prüfen, ob die Zuständigkeit inzwischen wieder erloschen ist (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, K 6 zu Art. 18). Es ist allerdings eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung diese Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.06.2012, U 462/12). Im vorliegenden Fall gibt es für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates als Deutschland keine Anhaltspunkte. Deutschland leitete kein Aufnahme- oder Wiederaufnahmeverfahren mit einem anderen Mitgliedstaat ein.

Zu einer Verpflichtung Österreichs, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung Gebrauch zu machen, wird bemerkt:

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Fremdenrechtspaket 2005 führen zu der damals geschaffenen Bestimmung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 Folgendes aus (952 BlgNR, 22. GP):

"Es ist davon auszugehen, dass diese Staaten Asylwerbern ein faires, den rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen Vorschriften entsprechendes Asylverfahren einräumen. Im zweiten Erwägungsgrund der Präambel zur Dublin-Verordnung ist ausdrücklich festgehalten, dass sich die Mitgliedstaaten als "sichere Staaten" - insbesondere die Grundsätze des Non-Refoulements beachtend - für Drittstaatsangehörige ansehen. Daher normiert Abs. 3 eine Beweisregel, nach der der Asylwerber besondere Gründe vorbringen muss, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes sprechen. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.02.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Im Erkenntnis des VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582, führt dieser - noch zum AsylG 1997 - aus, dass es für die Frage der Zulässigkeit einer Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat aufgrund des Dublin-Übereinkommens nicht darauf ankommt, dass dieser Mitgliedstaat dem Asylwerber alle Verfahrensrechte nach Art. 13 EMRK einräumt. Verlangt sei statt einer detaillierten Bewertung der diesbezüglichen Rechtslage des anderen Mitgliedstaats lediglich eine ganzheitliche Bewertung der möglichen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch Österreich durch die Überstellung. Dabei ist auf die "real risk"-Judikatur des EGMR abzustellen. Die Gefahrenprognose hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen zu beziehen. Dies wird durch die neue Beweisregel des Abs. 3 für Verfahren nach § 5 hervorgehoben, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Behörde entweder notorisch von solchen Umständen - die nur nach einer entscheidenden Änderung zum jetzigen Zustand im jeweiligen Staat vorliegen können - weiß oder diese vom Asylwerber glaubhaft gemacht werden müssen."

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z. B. VfGH 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 17.11.2015, Ra 2015/01/0114; 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären, etwa durch eine Kettenabschiebung.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat (Rn. 82 bis 85), sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86).

Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall Folgendes erwogen:

Gemäß Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr rechnen muss, im Zielstaat einer dem Art. 3 widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 30; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 124-125).

Es ist auch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ; es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, etc. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 29; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 134).

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu führen. Die Entscheidung, einen an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leidenden Ausländer in ein Land rückzuführen, in dem die Einrichtungen für die Behandlung dieser Krankheit schlechter als im Vertragsstaat sind, kann ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen, aber nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die gegen die Rückführung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"). Im Fall D./Vereinigtes Königreich ("St. Kitts"), EGMR 02.05.1997, 30240/96, lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass der Beschwerdeführer schwerkrank war und dem Tod nahe schien, für ihn in seinem Herkunftsstaat eine Pflege oder medizinische Versorgung nicht gewährleistet werden konnte und er dort keine Familie hatte, die ihn pflegen oder auch nur mit einem Mindestmaß an Lebensmitteln, Unterkunft oder sozialer Unterstützung versorgen hätte können (z. B. EGMR 30.06.2015, 39350/13, A.S., Rn. 31; 26.02.2015, 1412/12, M.T., Rn. 47; Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 42).

Der EGMR schloss nicht aus, dass es "andere ganz außergewöhnliche Fälle" geben kann, in denen die humanitären Erwägungen ähnlich zwingend sind. Er hielt es jedoch für geboten, die im Fall D./Vereinigt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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