TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/7 W112 2202115-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.09.2018
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Entscheidungsdatum

07.09.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1

Spruch

W112 2202115-1/28E

Schriftliche Ausfertigung des am 02.08.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA AFGHANISTAN, vertreten durch XXXX , dieser vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2018, Zl. 1090869705/180623142/RDNÖ, und die Anhaltung in Schubhaft seit 04.07.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.07.2018 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von 04.07.2018 bis 02.08.2018 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Verfahrensgang stellte sich auf Grund der vorliegenden

Asylverfahrensakten wie folgt dar:

1.1. Der Beschwerdeführer stellte nach erkennungsdienstlicher Behandlung in GRIECHENLAND am 28.09.2015 am 13.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich unter dem im Spruch genannten Namen und gab als sein Geburtsdatum den 01.01.1999 an. Er wurde in der Betreuungsstelle XXXX , in die Grundversorgung aufgenommen.

Am 14.10.2015 wurde der Beschwerdeführer zu seinem Antrag polizeilich erstbefragt. Er gab an, gut DARI und FARSI zu sprechen, PASCHTU nur mittelmittelmäßig. Die Erstbefragung wurde in der Sprache DARI durchgeführt. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er und seine Brüder von einer Gruppe, die Waffen geliefert und für die XXXX gearbeitet haben, aufgefordert worden sei sich dieser Gruppe anzuschließen. Da sich der Beschwerdeführer und seine Brüder geweigert haben, sei einer seiner Brüder umgebracht worden. Die Familie des Beschwerdeführers sei daraufhin nach PAKISTAN gezogen. Da der Beschwerdeführer illegal in PAKISTAN aufhältig gewesen und festgenommen worden sei, habe er nach seiner Freilassung PAKISTAN in Richtung Europa verlassen. Er sei ca. ein Jahr vor seiner Asylantragstellung illegal ausgereist, wo seine TAZKIRA sei, wisse er nicht, einen Reisepass habe er nie besessen. In XXXX sei er nur kurz gewesen, danach ACHT Monate lang in XXXX , er habe manchmal in einem Restaurant als Helfer gearbeitet. In GRIECHENLAND sei es nicht gut gewesen, er wolle hierbleiben, sein Bruder lebe hier.

Auf Grund von Zweifeln an der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers beauftragte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 30.10.2015 die Bestimmung seines Knochenalters durch ein Röntgen der linken Hand, welches darauf hindeutete, dass er bereits volljährig war. Am 05.11.2015 wurde der Beschwerdeführer in die Sonderbetreuungsstelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in XXXX überstellt. Sein Verfahren wurde am 11.11.2015 durch Ausstellen einer Aufenthaltsberechtigungskarte zugelassen.

1.2. Der Beschwerdeführer kam der Ladung vom 27.01.2016 für den 26.02.2016, zugestellt an seinen gesetzlichen Vertreter, zur Untersuchung im Zuge der Altersfeststellung nicht nach. Er wurde mit Ladung vom 26.02.2016 für den 14.03.2016 nochmals zur Begutachtung geladen. Diesem - nach Ablauf der Frist des Art. 21 Dublin III-VO gelegenen - Termin kam der Beschwerdeführer nach. Er wurde am 11.02.2016 in ein Grundversorgungsquartier der XXXX in XXXX überstellt.

Das vom Bundesamt in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung vom 27.04.2016 nannte betreffend den Beschwerdeführer den 14.03.1997 als spätestmöglichen "fiktiven" Geburtstag und den 14.03.2015 als spätestmöglichen "fiktiven" 18. Geburtstag, sodass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Asylantragstellung am 13.10.2015 jedenfalls bereits volljährig war; das wahrscheinliche Alter des Beschwerdeführers im Untersuchungszeitpunkt sei jedoch 23,2 Jahre gewesen, das von ihm angegebene Alter sei ZWEI Jahre unter dem festgestellten Mindestalter und über SECHS Jahre unter seinem wahrscheinlichen Alter gelegen. Auf Grund dieses Gutachtens stellte das Bundesamt mit Verfahrensanordnung vom 23.05.2016 die Volljährigkeit des Beschwerdeführers fest und setzte als sein Geburtsdatum den 14.03.1997 fest. Am 01.06.2016 wurde der Beschwerdeführer in ein Grundversorgungsquartier in XXXX überstellt. Am 12.10.2016 ersuchte der Beschwerdeführer um die Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigungskarte mit seinem richtigen Geburtsdatum, dem 14.03.1997.

1.3. Am 15.02.2017 brachte der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht ein. Weiters erhob er Beschwerde an die Volksanwaltschaft. Am 21.02.2017 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Am 10.04.2017 wurde der Beschwerdeführer im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts vom Bundesamt niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Nach Erhalt der Ladung gab der Beschwerdeführer in einem Schreiben an die belangte Behörde an, dass seine Muttersprache PASCHTU sei. Bei der Erstbefragung sei ein Dolmetscher für die Sprache DARI/FARSI anwesend gewesen, den er nicht vollständig verstanden habe. Er ersuche um die Verdolmetschung in seine Muttersprache PASCHTU. Die Einvernahme vor dem Bundesamt erfolgte daher in Anwesenheit einer Vertrauensperson des Beschwerdeführers in der Sprache PASCHTU. Der Beschwerdeführer bracht im Wesentlichen vor, dass sein Vater aufgrund von Streitigkeiten mit XXXX (auch XXXX ) um ein Grundstück von dessen Sohn getötet worden sei. Daraufhin habe der Bruder des Beschwerdeführers zwei Söhne von XXXX getötet. Es sei zu einer XXXX gekommen und die Familie des Beschwerdeführers habe 400.000 RUBIN Entschädigung an die Familie von XXXX zahlen müssen. Da es jedoch danach weiterhin Probleme mit der Familie XXXX gegeben habe, sei die Familie des Beschwerdeführers nach XXXX übersiedelt. Eines Tages sei der älteste Bruder des Beschwerdeführers vom Sohn von XXXX angeschossen worden. Dann seien zwei Söhne von XXXX von der Regierung verhaftet worden, weil sie Waffen für die XXXX gekauft haben. Die Familie XXXX habe den Beschwerdeführer und seine Brüder verdächtigt, sie an die Regierung verraten zu haben. Der Beschwerdeführer sei deshalb entführt und 19 Tage festgehalten worden. Er sei durch eine Polizeioperation freigekommen, habe sich drei Tage bei seinem Onkel versteckt und habe dann AFGHANISTAN verlassen. Seine TAZKIRA sei bei der Ausreise irgendwo im Chaos zurückgeblieben. Er legte die Kopie des Konventionsreisepasses seines Bruders XXXX , ausgestellt am 07.02.2017, vor.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 01.09.2017 und am 04.09.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde u.a. ausführlich zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat, seinen Fluchtgründen und seiner Integration in Österreich befragt. Ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung nicht teil. In der Verhandlung gab u.a. der Bruder des Beschwerdeführers als Zeuge an, dass er und der Beschwerdeführer ca. zwei bis vier Mal pro Monat mit ihrem Onkel in AFGHANISTAN telefonieren und über ihn mit ihrer Mutter Kontakt haben.

Den Parteien wurde Parteiengehör zu den Länderberichten eingeräumt. Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme. Das Bundesamt nahm Stellung zu den Länderberichten und den Verfahrensergebnissen.

Mit Erkenntnis vom 04.01.2018, dem Beschwerdeführer zugestellt zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters am 05.01.2018, wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat AFGHANISTAN gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG erließ es gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach AFGHANISTAN zulässig war. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG räumte ihm das Bundesamt eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein.

1.4. Am 12.01.2018 wurde die Meldeadresse des Beschwerdeführers in XXXX abgemeldet und er begründete eine Meldeadresse in XXXX .

Mit Schreiben vom 13.02.2018 legte der XXXX Vollmacht gegenüber der belangten Behörde. Der Beschwerdeführer stellte Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe an den Verfassungsgerichtshof zur Erhebung einer Beschwerde gegen dieses Erkenntnis und an den Verwaltungsgerichtshof zur Erhebung einer Revision gegen dieses Erkenntnis.

Nach Abweisung seines Antrages durch den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.02.2018, dem Beschwerdeführer zugestellt am 13.03.2018, erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 05.04.2018 durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Diese wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 30.05.2018, dem Beschwerdeführer zugestellt zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters am 19.06.2018, als unzulässig zurück.

1.5. Der Beschwerdeführer wurde am 03.07.2018, 13:30 Uhr, bei der U-Bahnstation XXXX in WIEN XXXX im öffentlichen Raum polizeilich betreten und einer Identitätskontrolle unterzogen. Der Beschwerdeführer, der wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet angezeigt wurde, wurde festgenommen und nach der Rücksprache mit dem Journaldienst des Bundesamtes in das Polizeianhaltezentrum XXXX eingeliefert.

2. Das Bundesamt verhängte mit Bescheid vom 04.07.2018, dem Beschwerdeführer zugestellt um 14:30 Uhr durch persönliche Übernahme, über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung.

Zum Verfahrensgang führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser sei "in erster und zweiter Instanz negativ" entschieden worden. Eine außerordentliche Revision sei vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen worden. Mehrmals sei versucht worden, des Beschwerdeführers habhaft zu werden, wobei er zu keiner Zeit an der Meldeadresse aufgegriffen werden habe können. Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag sei ihm ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt worden.

Das Bundesamt stellte fest, dass der Beschwerdeführer AFGHANISCHER Staatsangehöriger sei, seine Identität nicht feststehe und dass er nicht an lebensbedrohlichen Krankheiten leide. Eine Rückkehrentscheidung gegen ihn sei durchsetzbar. Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen werde er zur Ausreise verhalten werden. Er sei illegal nach Österreich eingereist und habe einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der "in erster und zweiter Instanz" negativ entschieden worden sei. Er gehe seit seiner illegalen Einreise keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und besitze kein gültiges Reisedokument. Er könne Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen und verfügen nicht über ausreichend Barmittel, um seinen Unterhalt zu finanzieren. Er sei in keinster Weise integriert. Er sei in Österreich weder beruflich noch sozial verankert und habe keine nennenswerten Freunde oder Verwandten in Österreich. Seine Identität stehe nicht fest. Es könne nicht festgestellt werden, dass in seinem Fall schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen.

Zur Beweiswürdigung verwies es auf seinen Akt.

Begründend führte das Bundesamt aus, dass im Fall des Beschwerdeführers "die Punkte 1, 3 und 9" erfüllt seien. Entsprechend seines bisherigen Verhaltens haben folgende Kriterien in seinem Fall eine Fluchtgefahr begründet: Er sei de facto mittellos gewesen. Es habe eine aufrechte und durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestanden, nachdem sein Asylantrag "in zwei Instanzen" negativ entschieden worden sei. Er sei nicht ausgereist, noch sei er für eine freiwillige Rückkehr gemeldet gewesen. Er sei unstet aufhältig gewesen. Aufgrund der Zusammenschau der einzelnen von ihm vorgebrachten Umstände sei seitens des Bundesamtes festzustellen gewesen, dass mit das Risiko des Untertauchens seiner Person definitiv zu rechnen gewesen sei. Daher sei die Entscheidung auch verhältnismäßig gewesen. Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung sei erforderlich gewesen, da er sich aufgrund seines Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen habe. Es sei davon auszugehen gewesen, dass er auch hinkünftig nicht gewillt gewesen wäre, die Rechtsvorschriften einzuhalten. Aus seiner Wohn- und Familiensituation, aus seiner fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund seines bisherigen Verhaltens habe geschlossen werden können, dass bezüglich seiner Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorgelegen sei. Einem geordneten Fremdenwesen sei im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und das wirtschaftliche Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zugekommen. Es habe die Verpflichtung Österreichs bestanden, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit habe daher in seinem Fall ergeben, dass sein privates Interesse an der Schonung seiner persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanstehen habe müssen. Dabei sei auch berücksichtigt worden, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme dargestellt habe. Es sei daher zu prüfen gewesen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich gewesen wäre. In Betracht sei dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gekommen. Dabei sei die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund seiner finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht gekommen. Doch auch was die Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betroffen habe, habe in seinem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden können. Es habe sich seit seiner Ankunft in Österreich gezeigt, dass er sich somit in keiner Weise an die gesetzlichen Bestimmungen der Republik Österreich halten habe wollen. Es sei daher nicht davon auszugehen gewesen, dass er im gegenständlichen Fall - sofern eine periodische Meldeverpflichtung verhängt worden wäre - nicht unter Missachtung der gesetzlichen Bestimmungen versucht hätte, unterzutauchen. Es sei somit nicht erkennbar gewesen, dass er einem gelinderen Mittel Folge geleistet hätte. Es habe daher in seinem Fall aufgrund seiner persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund seines bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens bestanden. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt gewesen. Es sei somit eine ultima - ratio - Situation vorgeleben, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert habe und eine Verfahrensführung, während derer er sich in Freiheit befunden hätte, ausgeschlossen habe. Es sei weiters aufgrund seines Gesundheitszustandes davon auszugehen gewesen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie seine Haftfähigkeit, gegeben gewesen seien. Dass eine wie bei dem Fremden vorliegende fehlende soziale Verankerung in Österreich bei der Prüfung der Notwendigkeit der Schubhaft in Betracht zu ziehen gewesen sei, entspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Für die Bejahung eines Sicherungsbedarfs sei daher insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht gekommen, was die Befürchtung, es habe das Risiko des Untertauchens eines Fremden bestanden, rechtfertigen habe können. Im vorliegenden Fall habe er über keinerlei Integration in Österreich verfügt, da diese zu einem Zeitpunkt entstanden sei, wo er sich über einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht sicher sein habe können. Seine Integrationsbemühungen seien durch das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis in seinem Asylverfahren gewertet, ein Überwiegen der im Bundesgebiet entstandenen Bindungen sei zu verneinen gewesen. Vor allem hinsichtlich seiner am 11.05.2018 geplanten Verlegung sei festzuhalten, dass dadurch ein beträchtlicher Bruch dieser Bindungen anzunehmen gewesen sei. Zudem sei bei Prüfung des Sicherungsbedarfs freilich auch das bisherige Verhalten in Betracht zu ziehen. Wiederholtes Nichtbeachten von (gesetzlichen) Regeln und behördlichen Anordnungen habe ebenso wie der Umstand, dass sich der Fremde nicht unmittelbar nach seiner Einreise in das Bundesgebiet mit den österreichischen Behörden in Kontakt gesetzt habe, auf einen erhöhten Sicherungsbedarf hindeuten können. In seinem Fall sei eine Mehrzahl an Faktoren gegeben gewesen, die für sich alleine noch nicht den Schluss gerechtfertigt hätten, dass er sich dem Verfahren durch Untertauchen entzogen hätte, die aber in der Gesamtschau sehr wohl einen Sicherungsbedarf ergeben hätten: Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sei festgestanden, dass er in Österreich keiner legalen Beschäftigung in Österreich nachgegangen sei und keine Verwandten noch nennenswerte Bekannte in Österreich gehabt habe. Auch sonst seien keine relevanten Anknüpfungspunkte mit Österreich entdeckt worden. Er habe über geringe Barmittel verfügt. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes habe die Behörde durchaus annehmen müssen, dass er sich dem Verfahren durch Untertauchen entzogen hätte und somit ein dringender Sicherungsbedarf bestanden habe, nachdem er sich bereits dem Verfahren entzogen habe, indem er nicht an der Meldeadresse aufhältig gewesen sei. Im Falle des Beschwerdeführers haben sich aus dem Sachverhalt keinerlei Umstände, die eine Anordnung gelinderer Mittel nahelegen, ergeben. Aufgrund des aufgezeigten Sachverhalts, insbesondere des illegalen Aufenthaltes, nicht vorhandener finanzieller Mittel, der fehlenden Möglichkeit einer legalen Erwerbsausübung, der nicht vorhandene Möglichkeit der sozialen und wirtschaftlichen Integration, der fehlenden gesicherten Unterkunft und aufgrund des bisher gezeigten Verhaltes sei die Anwendung von gelinderen Mitteln im Fall des Beschwerdeführers nicht in Betracht gekommen. Die Behörde sei daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorgelegen seien, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis gestanden und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten gewesen sei. Die Schubhaftverhängung sei daher jedenfalls verhältnismäßig, gerechtfertigt und notwendig gewesen und habe den gesetzlichen Vorgaben des Fremdenpolizeigesetzes entsprochen.

3. Am selben Tag buchte das Bundesamt den Flug für die Abschiebung des Beschwerdeführers.

4. Am 04.07.2018 um 14:30 Uhr stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Zu seinem Folgeantrag wurde der Beschwerdeführer am 05.07.2018 polizeilich erstbefragt. Dabei gab er an, seit der Entscheidung in seinem ersten Asylverfahren Österreich nicht verlassen zu haben. Er stelle erneut einen Asylantrag, weil er in AFGHANISTAN niemanden mehr habe. Er habe eine jüngere Schwester, die in AFGHANISTAN lebe, mit der er aber keinen Kontakt mehr habe, sie habe sehr früh geheiratet. Außerdem habe er einen Bruder hier, einen anderen in der TÜRKEI. Er habe weiterhin Probleme mit den Personen, mit denen er Probleme gehabt habe, das seien die XXXX . Es bestehe weiterhin Gefahr für ihn. Er könne dort nicht leben. Es gebe dort keine Sicherheit, er habe sich hier integriert und seinen Pflichtschulabschluss nachgeholt. Außerdem habe er den Deutschkurs B1 abgeschlossen, Außerdem lebe sein Bruder hier. Der habe ein Geschäft, könne ihn anmelden und versichern. Er könne auch bei ihm arbeiten. Die XXXX suchen ihn überall. Sie schicken ihm noch immer Drohbriefe. Diese werden an eine Adresse in XXXX geschickt, wo der ONKEL mütterlicherseits lebe, der dies bestätigen könne. Vor kurzem, ca. 25 Tagen, habe er mit seinem ONKEL telefoniert. Der habe ihm gesagt, dass seine Mutter gestorben sei und auch Drohbriefe geschickt werden.

Mit Verfahrensanordnung vom 10.04.2018, dem Beschwerdeführer zugestellt am selben Tag um 12:45 Uhr durch persönliche Übernahme, bei der der Beschwerdeführer die Unterschrift verweigerte, teilte das Bundesamt dem Beschwerdeführer mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und seinen faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben. Unter einem wurde ihm mitgeteilt, dass er einer Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 unterliege. Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde er verpflichtet, bis 13.07.2018 ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

5. Die begleitete Flugabschiebung des Beschwerdeführers wurde vom Bundesministerium für Inneres am 10.07.2018 für den 05.08.2018 organisiert.

Am selben Tag trat der Beschwerdeführer in den Hungerstreik, den er noch am selben Tag freiwillig wieder beendete.

6. Am 13.07.2018 wurde der Beschwerdeführer in seinem Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Rechtsberaters - sein rechtsfreundlicher Vertreter war nicht erschienen - u.a. an, dass er ein paar Dokumente in AFGHANISTAN habe, die er sich schicken lassen könne. Auf den Vorhalt, warum er das nicht während des dreijährigen Asylverfahrens gemacht habe, gab er an, dass das neue Dokumente seien, die Sterbeurkunde der Mutter und ein Drohbrief, dass er von den XXXX gesucht werde. Seine Mutter sei vor ca. EINEM Monat gestorben, die genauen Daten habe er nicht. Sein Bruder lebe in Österreich, weiters weit entfernte Verwandte in XXXX . Er lebe nicht ein einer eheähnlichen Gemeinschaft und habe bisher nie Probleme mit den Behörden, der Polizei oder dem Militär seines Herkunftsstaates gehabt. Er spreche Deutsch, sei nicht Mitglied in einem Verein, habe den Pflichtschulabschluss und den Deutschkurs auf dem Niveau B1 gemacht und ein gutes Leben in Österreich gehabt. Seit sechs Monaten bekomme er keine Unterstützung mehr von der Behörde. Im Herkunftsstaat leben fünf Onkel mütterlicherseits und eine Schwester, weiters Tanten väterlicherseits, die woanders wohnen. Mit seiner Schwester habe er nicht gesprochen, aber als seine Mutter bei seinem Onkel gelebt habe, habe die Schwester auch dort gelebt. Sie sei jetzt glaublich verheiratet und lebe mit einem Cousin zusammen. Er habe die gleichen Probleme wie im ersten Verfahren nach wie vor. Befragt nach Neuigkeiten gab der Beschwerdeführer an, dass er dort nicht leben könne. Er habe neue Drohbriefe von den XXXX bekommen, das habe ihm sein Onkel erzählt, er habe dort keine Familie. Das Haus seiner Familie und zwei weitere Häuser seien vermietet; bisher seien die Mieten an seine Mutter geflossen, er wisse nicht, wer jetzt das Geld nehme, vielleicht ein Onkel, darüber habe er nicht mit dem Onkel gesprochen. Die XXXX wissen, dass er ins Ausland gegangen sei, wenn er zurückkehre, werden sie festnehmen und umbringen. Die XXXX sagen, dass sie Spione seien, er habe ein paar Probleme mit Personen wegen eines Grundstücks gehabt. Diese Personen haben für die XXXX Waffen gekauft. Die XXXX haben gemeint, dass sie Spione für die Regierung seien, weil die Polizei diese Personen festgenommen habe. Seine Verwandten in AFGHANISTAN seien unbehelligt geblieben, weil sie an dem Vorfall nicht beteiligt gewesen seien, das Grundstück habe nur ihnen gehört. Die XXXX haben das Grundstück nicht benutzen können, obwohl seine Mutter unterschrieben habe, weil die Polizei beteiligt gewesen sei. Er sei entführt und durch das Einschreiten der Polizei entlassen worden. Die XXXX wollen Rache nehmen, weil sie die Macht haben und ihn deshalb nehmen wollen. Auf den Vorhalt der entschiedenen Sache gab der Beschwerdeführer an, dass er hierbleiben und hier leben wolle, hier lebe sein Bruder. In AFGHANISTAN könne er nicht leben. Sein Bruder habe einen Supermarkt und er könne mit ihm zusammenarbeiten und eine Abendschule besuchen. Er habe die Prüfung für das Gymnasium bestanden, als er den negativen Bescheid bekommen habe, sei er dann nicht mehr hingegangen. Er habe keine Versicherung gehabt; er hätte ein Schreiben der Sozialversicherung bringen sollen, dies aber nicht können. Sein Bruder habe seit SIEBEN oder ACHT Monaten einen Supermarkt, der XXXX heiße. Er wisse aber nicht, wo dieser Supermarkt sei. Sein Bruder unterstützte ihn, seit er in der Schubhaft sei, habe er ihm 100 Euro gegeben.

Mit dem im Anschluss an die Einvernahme mündlich verkündeten Bescheid hob das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf. Darin führte das Bundesamt unter anderem aus, dass sich aus seinem neuen Vorbringen kein neuer Sacherhalt ergebe und dieses nicht glaubhaft sei und führte Länderberichte an, wonach man in AFGHANISTAN gefälschte Drohbriefe kaufen könne und die XXXX idR davon abgegangen seien, Drohbriefe zu schicken.

Im Anschluss an die Rechtsmittelbelehrung fragte das Bundesamt den Beschwerdeführer, ob er mit dieser Entscheidung einverstanden sei oder er gegen diesen Bescheid Beschwerde erheben wolle, woraufhin der Beschwerdeführer antwortete, dass er Beschwerde erhebe, weil er gegen diese Entscheidung sei, er wolle nicht nach AFGHANISTAN zurück.

Das Bundesamt protokollierte, dass die Aktenvorlage als Beschwerde gelte und es dem Beschwerdeführer jederzeit freistehe, die Beschwerde zu ergänzen. Die Verwaltungsakten wurden auch auf Grund der vom Beschwerdeführer erhobenen und protokollierten Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

Das Bundesamt legte den Akt dem Bundesverwaltungsgericht mit Anschreiben vom 16.07.2018, hg. eingelangt am 18.07.2018, vor.

Am selben Tag erstattete der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsberater eine Stellungnahme. Darin führte er aus, dass er am 13.07.2018 beantragt habe, dass ihm eine angemessene Frist für die Vorlage entsprechender Unterlagen eingeräumt werde. Er lege hiermit Handyfotos von der Sterbeurkunde der Mutter des Beschwerdeführers aus dem APRIL 2018 und von zwei XXXX -Drohbriefen vor. Es handle sich um neue Beweismittel und neue Tatsachen, die geeignet seien, einen anderen Verfahrensausgang zu bewirken. Es könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Beurteilung des gegenständlichen Antrages zur Zulassung des Verfahrens und zu einem anderen Verfahrensausgang führen würde. Dass die vorgelegten Unterlagen gefälscht sein könnten, bedeute nicht, dass die belangte Behörde das Ergebnis einer solchen Prüfung bereits vorwegnehmen dürfe. Der Beschwerdeführer habe erst vor ca. EINEM Monat und somit kurz vor der neuerlichen Asylantragstellung zuletzt mit seinem Onkel Kontakt gehabt und dabei erst vom Tod der Mutter erfahren. Sollten sich bei der Prüfung der Unterlagen keine Hinweise auf eine Verfälschung oder Unrichtigkeit ergeben, bestehe für den Beschwerdeführer zweifellos die Gefahr, in AFGHANISTAN getötet zu werden. Auf den Gesetzesprüfungsantrag des Verwaltungsgerichtshofes werde verwiesen. Das Bundesverwaltungsgericht möge feststellen, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes zu Unrecht erfolgt sei.

Mit Beschluss vom 24.07.2018 stellte das Bundesverwaltungsgericht einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof.

7. Am 19.07.2018 organisierte das Bundesamt die Vorführung des Beschwerdeführers vor die AFGHANISCHE Botschaft am folgenden Tag zur Erlangung eines Heimreisezertifikates. Die Vorführung erfolgte ohne Zwischenfälle.

8. Mit Schriftsatz vom 28.07.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter "Haftbeschwerde" und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge den Schubhaftbescheid und die Anhaltung ab Asylantragstellung am 04.07.2018 bis laufend als rechtswidrig feststellen, sowie feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Unter Hinweis auf § 35 VwGVG beantragte er ferner den Zuspruch von Eingabegebühr und Aufwandsersatz im gesetzlichen Umfang, wobei die Eingabegebühr wohl als ersatzfähige Barauslage gemäß § 35 Abs. 4 Z 3 VwGVG anzusehen sei.

Im Schriftsatz führte der Beschwerdeführer aus, er komme aus AFGHANISTAN. Erstmals habe er in Österreich am 14.10.2015 einen Asylantrag gestellt, dieser Antrag sei mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.01.2018 für ihn negativ erledigt worden, es sei gegen ihn eine Rückkehrentscheidung nach AFGHANISTAN erlassen worden. Er habe in Österreich einen asylberechtigten Bruder, bei dem er lebe und der ihn versorge und er sei auch nach dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Österreich geblieben, weil er in AFGHANISTAN niemanden habe und dort unversorgt leben müsste. Mittlerweile habe sich aber die Berichtslage zu AFGHANISTAN verändert, die dortigen Lebens- bzw Überlebensbedingungen sowie die Sicherheitslage haben sich verschlechtert, sodass er am 04.07.2018 einen Folgeasylantrag gestellt habe. Am 13.07.2018 habe die Behörde gegen ihn durch mündliche Verkündung einen den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufhebenden Bescheid erlassen. Dieser Bescheid sei gemäß § 22 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung übermittelt worden; diese Überprüfung gelte dem Gesetzeswortlaut nach als Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof habe vor dem Verfassungsgerichtshof beantragt u.a. § 12a AsylG 2005 und § 22 BFA-VG als verfassungswidrig aufzuheben und dies u.a. damit begründet, dass das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner verfassungsgemäßen Grundlage nur zur Behandlung von Beschwerden zuständig sei und eine Überprüfung nicht als Beschwerde gelte. Aufgrund der in seinem Folgeverfahren erfolgten Vorlage habe das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 24.7.2018 ebenfalls Aufhebungsanträge gestellt. Eine inhaltliche Entscheidung dergestalt, ob die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig sei oder nicht, habe das Bundesverwaltungsgericht nicht getroffen. Verfahrensgegenständlich sei er fest- und mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 04.07.2018 in noch andauernde Schubhaft genommen worden.

Die gegen diese erhobene Haftbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht begründete der Beschwerdeführer wie folgt:

Er sei Asylwerber. In seinem Urteil vom 19.6.2018, Rs C-181/16, "Gnandi", habe der Gerichtshof der Europäischen Union festgestellt, dass Asylwerber bis nach dem gerichtlichen Rechtsschutz und damit bis zur Beendigung des Verfahrens nicht abgeschoben und damit auch nicht in Abschiebehaft angehalten werden dürfen. Das Urteil selbst sei zwar noch nicht in deutscher Sprache veröffentlicht, die vom Gerichtshof der Europäischen Union herausgegebene Pressemitteilung Nr. 88/18 erkläre aber:

"Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass die Mitgliedstaaten zu gewährleisten haben, dass es einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz gibt, wobei der Grundsatz der Waffengleichheit zu wahren ist, so dass während der Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs und, falls er eingelegt wird, bis zur Entscheidung über ihn u.a. alle Wirkungen der Rückkehrentscheidung auszusetzen sind. Insoweit genügt es nicht, dass der betreffende Mitgliedstaat von einer zwangsweisen Vollstreckung der Rückkehrentscheidung absieht. Vielmehr darf insbesondere die Frist für die freiwillige Ausreise nicht zu laufen beginnen, solange der Betroffene ein Bleiberecht hat, und er darf während dieses Zeitraums nicht in Abschiebehaft genommen werden. Zudem behält er, solange noch nicht endgültig über seinen Antrag entschieden wurde, seinen Status als Person, die internationalen Schutz beantragt hat. Im Übrigen müssen die Mitgliedstaaten dem Antragsteller die Geltendmachung einer nach Erlass der Rückkehrentscheidung eingetretenen Änderung der Umstände ermöglichen, sofern sie erheblichen Einfluss auf die Beurteilung seiner Situation haben kann."

Gegenständlich sei noch nicht endgültig über seinen Antrag entschieden worden, und zwar insbesondere auch, ob die seit Abschluss des Erstasylverfahrens eingetretenen Änderungen in AFGHANISTAN nicht zumindest eine Subsidiärschutzzuerkennung an ihn rechtfertigen. Derartige Änderungen seien u.a. aus dem Lagebericht des dt. Auswärtigen Amtes vom 31.5.2018 zu erkennen. Demnach sei die Grundversorgung für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Für 2018 werde eine Dürre mit erheblichen Auswirkungen auf die Landwirtschaft und Versorgung der Bevölkerung vorhergesagt, schon jetzt gelten dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt. Der Mangel an Arbeitsplätzen stelle für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hänge maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Es gelte: Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Auch der Bericht der Staatendokumentation Fact Finding Mission Report AFGHANISTAN, April 2018, bestätige in Pkt 3.2., dass ohne soziales Netz eine Arbeit finden und überleben nicht möglich sei. Rückkehrer werden auf die Bettelei verwiesen. Zu meinen Angehörigen könne er nicht mehr zurück, denn diese leben entweder bereits in PAKISTAN oder in der sehr volatilen Provinz XXXX , in der er als Rückkehrer aus Europa schon deshalb extrem gefährdet wäre, weil sich dort neben den XXXX auch der , XXXX ' niedergelassen habe, der auch die im Vergleich weniger konservativen XXXX ums Leben bringe. Alleinstehend in KABUL oder einer anderen Großstadt AFGHANISTANS würde er von Bettelei leben müssen. Er habe daher einen iS o.a. EuGH-Judikatur zweifellos zulässigen Asylantrag gestellt, welchem zu Unrecht der faktische Abschiebeschutz aberkannt worden sei. Ich könne aber gegen die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes als solche keine Beschwerde erheben, sondern die Vorlage des Bescheides (samt Aktes) "vor dem BVwG" gelte nach derzeitiger Gesetzeslage als Beschwerde. Aufgrund der oben dargelegten Gesetzesprüfung habe das Bundesverwaltungsgericht über diese fiktive Beschwerde inhaltlich nicht entschieden und werde dies wohl vorerst auch nicht tun. Aus dem Umstand, dass er ohne richterliche Überprüfung seines Folgeantrags nicht abgeschoben werden dürfe, folge, dass die nunmehrige Schubhaft ihren Zweck nicht erfüllen könne, zumal weder bekannt sei, wann (Herbstsession?) der Verfassungsgerichtshof entscheiden werde und inwieweit er die gesetzliche Möglichkeit der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nicht ohnehin, wie hilfsweise auch in seinem Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht beantragt, überhaupt bestehen lassen werde. Gegen die Möglichkeit der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes spreche jedenfalls das "o.a. EuGH-U ‚Gnandi'". Unionsrechtskonform sei daher der Abschiebeautomatismus nach § 22 Abs. 2 Satz 2 BFA-VG nicht mehr anwendbar. Eine Gerichtsentscheidung könne er auch nicht durch die ihm grundsätzlich mögliche "Ergänzung" zur Beschwerdevorlage erreichen, weil diese nach österreichischer Gesetzeslage nicht als Beschwerde gelte. Aus dem Gesagten folge, dass die Behörde im Bewusstsein, dass aufgrund des "Antrags des VwGH zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Verein mit EuGH ‚Gnandi'" im Rahmen ihrer Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 1 Abs. 3 BVG PersFr zu seiner unverzüglichen Enthaftung nach Asylantragstellung verpflichtet gewesen wäre. Die Verhängung und Aufrechterhaltung der Haft ab Asylantragstellung am 04.07.2018 sei daher rechtswidrig gewesen. Auch setze die Schubhaft "alleine die gerechtfertigte Annahme voraus, der Fremde werde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. nach dere[n] Vorliegen der Abschiebung (insbesondere) durch Untertauchen entziehen oder sie zumindest wesentlich erschweren. Fehlende Ausreisewilligkeit vermag für sich allein diese Annahme nicht zu rechtfertigen". Angesichts dessen, dass er bei seinem Bruder wohne und bei ihm auch beschäftigt sei, sei ein Untertauchen von ihm nicht zu erwarten. Insofern seien auch die Feststellungen der Behörde im Schubhaftbescheid zu seinem Privat- und Familienleben und damit auch die Beweiswürdigung rechtswidrig, insbesondere, weil zur Sicherung des Asylverfahrens auch die Verhängung eines gelinderen Mittels ausgereicht hätte.

9. Am 30.07.2018 legte das Bundesamt den Akt vor und beantragte, den Bescheid zu bestätigen und festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen. Eine darüber hinausgehende Stellungnahme wurde vom Bundesamt nicht erstattet.

10. Am 31.07.2018 wurden die amtsärztlichen Unterlagen des Beschwerdeführers vorgelegt. Laut dem polizeiamtsärztlichen Gutachten vom 04.07.2018 war der Beschwerdeführer uneingeschränkt haftfähig; der Beschwerdeführer wollte bei der Gesundheitsbefragung nichts angeben.

Laut Krankenblatt nahm der Beschwerdeführer in der Schubhaft zwei Antidepressiva, ein Entspannungsmittel und Baldrian. Er habe über gelegentliche Schulterschmerzen und Kribbeln im Arm geklagt, einmal über Halsschmerzen und im Übrigen über eine Stresssymptomatik mit Albträumen und Panikattacken. Vor der Inschubhaftnahme habe ihn die Hausärztin zu einem Psychiater überwiesen, diesen Termin habe er aber wegen Beendigung der Grundversorgung nicht mehr wahrgenommen.

Am 02.08.2018 fand die hg. mündliche Verhandlung unter Verdolmetschung in die Sprache PASCHTU statt, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Die Verhandlung gestaltete sich wie folgt:

"R: Geben Sie für das Protokoll Vor- und Familiennamen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit an!

BF: Ich heiße XXXX , ich bin XXXX geboren, das ist das fiktive

Alter, eigentlich bin ich XXXX geboren. Ich korrigiere: der XXXX ist mein fiktives festgestelltes Geburtsdatum, mein richtiges Geburtsdatum ist der XXXX . Als Geburtsdatum habe ich damals XXXX angeben, das fiktive Geburtsdatum ist der XXXX .

R: Was ist Ihr richtiges Geburtsdatum?

BF: Ich habe es selbst nicht gewusst, was ich für ein Alter habe. Meine Familie sagte mir, dass ich 1999 geboren bin.

R: Wann sind Sie nach Österreich eingereist?

BF: Das war Oktober 2015.

R: Sie stellten am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. In der Erstbefragung am folgenden Tag gaben Sie an, dass Sie ca. ein Jahr vorher ausgereist seien und ca. acht Monate lang in GRIECHENLAND, ATHEN, gelebt haben. Laut EURODAC sind Sie in GRIECHENLAND aber erst seit 2[8].09.2015, also weniger als einen Monat zuvor registriert worden. Können Sie das erklären?

BF: Als ich nach GRIECHENLAND kam, hat man nicht meine Fingerabdrücke genommen. Mein Bruder hat in der TÜRKEI gelebt, ich habe auf ihn gewartet, ob er auch kommt. Ich habe ungefähr SIEBEN oder ACHT Monate dort gewartet, mein Bruder konnte aber nicht kommen. Danach habe ich beschlossen, nach Österreich zu gehen.

R: Und wo kam es dann zur Abnahme der Fingerabdrücke?

BF: Ich habe die Information bekommen, dass mein Bruder auf eine GRIECHISCHE INSEL kommt. Ich bin zu dieser Insel gefahren, als ich dort ankam, hat mich die Polizei erwischt.

R: Das heißt, Sie sind von den griechischen Behörden unbemerkt eingereist und haben sich SIEBEN Monate unbemerkt in XXXX aufgehalten, ist das richtig?

BF: Ja.

R: Wie sind Sie nach GRIECHENLAND gekommen?

BF: Über die TÜRKEI bin ich nach GRIECHENLAND gekommen, am Meer.

R: Also nicht über den XXXX ?

BF: Schon, ich bin mit dem Boot über das Meer gekommen.

R: Der E[V]ROS ist ein Fluss.

BF: Es sah wie ein Meer aus, aber nicht so groß.

R: Wie lange haben Sie mit dem Boot das Gewässer überquert?

BF: Ich weiß nicht. Wir haben überhaupt nicht mitgerechnet, wie lange wir brauchen.

R: Wie und wovon haben Sie dann in GRIECHENLAND gelebt?

BF: In GRIECHENLAND habe ich in einem Lokal gearbeitet.

R: Hatten Sie Zugang zum Arbeitsmarkt?

BF: Nein.

R: Warum sind Sie nach Österreich weitergereist?

BF: Das Leben war für mich als Flüchtling in GRIECHENLAND nicht einfach und außerdem mein Bruder wollte auch kommen, deswegen bin ich dann nach Österreich gekommen.

R: In der Erstbefragung gaben Sie an, dass Sie am XXXX geboren sind; sohin wären Sie bei Antragstellung 16 Jahre alt gewesen. Eine TAZKIRA legten Sie nicht vor. Im Aktenvermerk vom 23.10.2015 hielt das Bundesamt seine Zweifel an Ihrer Minderjährigkeit fest. Dann wurde am 30.10.2015 ein Handwurzelröntgen durchgeführt. Für den 27.01.2016 wurden Sie zur Altersbegutachtung geladen. Warum sind Sie dem Termin nicht nachgekommen?

BF: Ich habe eine Ladung vom Arzt bekommen, dass ich in XXXX zum Arzt gehen muss. Diese Ladung war auf Deutsch, ich konnte sie nicht lesen. Ich sah, dass die Adresse von XXXX auf dieser Ladung stand. Ich bin daraufhin nach XXXX gefahren. Dort sagte man mir, dass ich nicht nach TRAISKIRCHEN, sondern nach XXXX zum Arzt gehen muss. Es war aber bereits 08:00 Uhr, der Termin wäre um 09:00 Uhr gewesen, ich wäre nicht mehr rechtzeitig hingekommen. Ich habe einen zweiten Termin bekommen, den zweiten Termin habe ich wahrgenommen.

R: Sie galten damals als minderjährig und hatten daher einen gesetzlichen Vertreter. Die Ladung ging an ihn. Hat der Ihnen nicht gesagt, wo Sie hinmüssen?

BF: Ich habe damals in XXXX gelebt. Das war ein Heim. Dort hat mir eine Betreuerin gesagt, dass ich nach XXXX gehen soll.

R: Was war mit Ihrem gesetzlichen Vertreter, der muss Ihnen ja die Ladung gegeben haben?

BF: Diese Ladung hat meine Rechtsvertreterin nicht bekommen. Ich bekam dann von XXXX einen Transfer nach XXXX .

R: Sie wurden für den 14.03.2016 erneut zur Altersfeststellung geladen. Das Gutachten ergab, dass das von Ihnen angegebene Geburtsdatum XXXX medizinisch nicht möglich war und Ihr spätest mögliches Geburtsdatum XXXX ist. Das wurde Ihnen mit Verfahrensanordnung vom 23.05.2016 mitgeteilt. Was sagen Sie dazu?

BF: Es hat sehr lange gebraucht, ich habe nicht erwartet, dass es so lange dauert, dass mir der Arzt das fiktive Datum sagt, fast ein Jahr später, ungefähr zumindest.

R: Am 15.02.2017 erhoben Sie Säumnisbeschwerde, unter einem Beschwerde an die Volksanwaltschaft. Am 10.04.2017 wurden Sie vom Bundesamt im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts einvernommen. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 01.09.2017 und 05.09.2017 eine mündliche Verhandlung in Ihrem Verfahren durch. Mit Erkenntnis vom 04.01.2018 wies das Bundesverwaltungsgericht Ihren Antrag auf internationalen Schutz sowohl im Hinblick auf den Status eines Asylberechtigten, als auch im Hinblick auf den Status eines subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte Ihnen keinen Aufenthaltstitel, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass Ihre Abschiebung nach AFGHANISTAN zulässig ist. Es räumte Ihnen eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ein. Dieses Erkenntnis wurde Ihnen zu Handen Ihres rechtsfreundlichen Vertreters am 05.01.2018 zugestellt. Sie waren sohin ab 22.01.2018 zur Ausreise verpflichtet. Sind Sie dieser Verpflichtung nachgekommen?

BF: Ich meine, vom BFA habe ich keine negative Antwort bekommen.

R: Nein, Sie wurden nur vom Bundesamt im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichtes einvernommen.

BF: Das Leben ist für mich in AFGHANISTAN nicht möglich. Es ist das fünfte Mal, dass ich in einem Interview sitze. Ich habe immer gesagt, dass ich dort niemanden habe. Ich habe dort nur eine Mutter gehabt, sie ist gestorben. Ich habe eine Schwester, sie ist verheiratet. Mein Bruder lebt in Österreich, er hat hier ein Geschäft, er braucht mich auch und ich brauche ihn auch. In AFGHANISTAN habe ich Feinde, sie haben Kontakt mit den XXXX . Ich habe Angst um mein Leben, wenn ich nach AFGHANISTAN zurückkehre, töten sie mich. Ich komme aus der Provinz XXXX , aus der Stadt XXXX und Sie wissen schon, dass die politische Situation dort für Menschen zurzeit nicht normal ist.

R: Sie sind Ihrer Ausreiseverpflichtung also nicht nachgekommen?

BF: Nein.

R: Warum nicht?

BF: Ich habe gesagt, dass mein Leben dort in Gefahr ist. Ich bin hier in Sicherheit, ich habe hier auch die Schule besucht.

R: Haben Sie sich um die Ausstellung eines AFGHANISCHEN Heimreisezertifikates, Ausweises, Reisepasses oder ähnliches bemüht?

BF: Von der Schubhaft aus wurde ich auf die AFGHANISCHE Botschaft gebracht und dort hat man gesagt, dass ich noch Zeit brauche und irgendwann dann werde ich freikommen.

R: Wer hat das gesagt?

BF: Sie haben mir gesagt, dass ich freikomme, sie haben gesagt, sie haben mit der Polizei geredet und ihnen gesagt, dass ich freikommen soll, weil ich hier auch in die Schule gegangen bin und mein Bruder auch hier arbeitet und hier ein Geschäft hat. Ich habe damals einen Revisionsantrag gestellt.

R: Meine Frage war, ob Sie zwischen Jänner 2018 und Juli 2018 sich von selbst um ein AFGHANISCHES Dokument bemüht haben?

BF: Nein.

R: Warum nicht?

BF: Ich wollte nicht nach AFGHANISTAN gehen und ich will nicht nach AFGHANISTAN zurück.

R: Das Bundesamt leitete am 16.01.2018 das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für Sie ein. Sie stellten einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser wies den Antrag mit Beschluss vom 28.02.2018 ab. Dieser Beschluss wurde Ihnen zu Handen Ihres Vertreters am 13.03.2018 zugestellt. Sie erhoben am 24.04.2018 eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser erkannte der Revision die aufschiebende Wirkung nicht zu und wies sie mit Beschluss vom 30.05.2018 zurück. Dieser Beschluss wurde am 03.07.2018 zugestellt. Möchten Sie dazu Angaben machen?

BF: Ich habe mich hier sehr bemüht, ich habe sehr viele Kontakte. Ich habe immer versucht, in Österreich zu bleiben. Ich wollte nirgendwo hin anders gehen, auch nicht nach AFGHANISTAN. Ich habe die Möglichkeiten, die ich hatte, alle ausgenutzt, um hier zu bleiben, aber sie haben mir keine Chance gegeben.

[...]

R: Am 03.07.2018, 13:20 Uhr, wurden Sie in WIEN XXXX im Zuge einer Suchtmittelkontrolle im öffentlichen Raum betreten und Ihre Identität festgestellt. Sie wurden um 13:30 Uhr gemäß § 40 BFA-VG festgenommen und ins Polizeianhaltezentrum XXXX eingeliefert, wo Sie um 14:52 Uhr eintrafen. Schildern Sie mir ihre Festnahme und was am folgenden Tag, dem 04.07.2018 passierte!

BF: Ich weiß nicht, warum sie mich festgenommen haben und mich zur Polizeistation gebracht haben. Ich bin unschuldig gewesen, am Anfang hat man gesagt, du kommst wieder frei, später haben sie gesagt, nein, du kommst in Schubhaft. Von dort an haben sie mich in die Schubhaft gebracht.

R: Schildern Sie mir Ihren ersten vollen Tag in Schubhaft.

BF: Ich habe dort nur gesagt, ich stelle eine Revision, sonst nichts.

R: Was genau haben Sie gesagt?

BF: Ich stelle einen neuen Asylantrag.

R: Wann und wem haben Sie das gesagt?

BF: Ich glaube, das war ein oder zwei Nächte nach meiner Festnahme.

R: Wann wurden Sie von wem einvernommen?

BF: Ich weiß nicht ganz genau, wer diese Einvernahme gemacht hat, aber die Polizei ist gekommen und hat mir gesagt, dass ich mit ihnen zum Referenten kommen soll. Dort war auch ein Dolmetscher, danach bin ich zurück ins Zimmer gegangen. Einige Tage später ist dann wieder jemand gekommen und hat mir geredet.

R: Sie hatten am 04.07.2018 eine Einvernahme, was ist noch passiert?

BF: Ich kann mich nicht erinnern, das neue Problem ist, dass ich schnell vergesse.

R: Am 04.07.2018 wurden Sie amtsärztlich untersucht und ab 14:05 Uhr von Ihrem Rechtsanwalt betreut. Ab 14:00 Uhr ist eine Einvernahme verzeichnet. Wann haben Sie jetzt Ihren Asylantrag gestellt?

BF: Mir sind keine andere Möglichkeiten geblieben, als einen neuen Asylantrag zu stellen.

R: Meine Frage war[: W]ann haben Sie diesen neuen Asylantrag gestellt?

BF: Als mein Anwalt gekommen ist. Ich habe auch vorgehabt, vor meiner Festnahme nach TRAISKIRCHEN zu gehen und dort einen neuen Asylantrag zu stellen.

R an BF[V]: Wann genau stellten Sie den Antrag auf internationalen Schutz?

BF: Ich weiß es nicht, ich war nicht dabei, ich substituiere hier nur meinen Kollegen.

R: Mit Bescheid vom 04.07.2018, Ihnen zugestellt um 14:30 Uhr, wurde die Schubhaft über Sie verhängt. Unter einem wurde Ihnen ein Rechtsberater beigegeben. Am selben Tag buchte das Bundesamt das Flugticket für Sie für den 05.08.2018. Gleichzeitig mit der Bescheidzustellung stellten Sie einen Antrag auf internationalen Schutz. Was war zuerst?

BF: Zuerst habe ich den Bescheid bekommen und dann habe ich den Asylantrag gestellt.

R: Am 05.07.2018 wurden Sie zu Ihrem Asylantrag polizeilich erstbefragt, am 10.07.2018 um 12:45 Uhr wurden Ihnen die Verfahrensanordnungen übergeben, wonach Sie Rückkehrberatung in Anspruch nehmen müssen und Ihnen mitgeteilt wurde, dass die belangte Behörde vom Vorliegen entschiedener Sache ausgeht. Zeitgleich traten Sie in den Hungerstreik, den Sie am Abend freiwillig beendeten. Warum?

BF: Ich war in einem Zimmer, wo am Tag drei, vier Personen gekommen sind und wieder gegangen sind. Ich habe damals gesagt, bitte wechseln sie mein Zimmer, hier ist es für mich sehr schwer, zu warten. Das Zimmer war auch 24 Stunden am Tag zugesperrt, wir durften nicht hinausgehen, unten waren die Zimmer schon offen. Ich konnte auch nicht essen, ich habe keinen Appetit gehabt.

R: Das heißt, Sie wollten in den offenen Vollzug verlegt werden, verstehe ich Sie richtig?

BF: Ja, dort bin ich fast bewusstlos und ohnmächtig geworden, ist wollte ein anderes Zimmer. Deswegen habe ich den Hungerstreik gemacht. Als ich das neue Zimmer bekommen habe, dann habe ich wieder normal gegessen und getrunken.

R: Am 10.07.2018 organisierte das Bundesamt Ihre begleitete Abschiebung. Am 13.07.2018 wurden Sie im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Mit dem mündlich verkündeten Bescheid vom selben Tag wurde Ihnen der faktische Abschiebeschutz aberkannt. Nach der Verkündung des Bescheides wurden Sie gefragt, ob Sie Beschwerde gegen diesen Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht erheben wollen. Darauf antworteten Sie: "Ich erhebe Beschwerde, ich bin gegen diese Entscheidung. Ich will nicht nach AFGHANISTAN zurück." Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF: Ja, ich kann nicht nach AFGHANISTAN. Ich habe hier auch Dokumente auch vorgelegt, dass ich in AFGHANISTAN Feinde habe, sie töten mich dort, ich kann nicht nach AFGHANISTAN zurückgehen.

R: Am 16.07.2018 legte das Bundesamt Ihren Akt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo er am 18.07.2018 einlangte. Am selben Tag erstatteten Sie eine Stellungnahme. Am 20.07.2018 wurden Sie der AFGHANISCHEN Botschaft vorgeführt. Mit Beschluss vom 24.07.2018 stellte das Bundesverwaltungsgericht einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof betreffend § 22 Abs. 10 dritter und vierter Satz AsylG 2005. Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF: Ich habe es nicht verstanden. Ich habe hier immer einen negativen Bescheid bekommen, dass, obwohl ich von meinem Problem erzählt habe und niemand hat das ernst genommen, obwohl ich immer die Wahrheit gesagt habe.

R: Laut amtsärztlichem Gutachten sind Sie abgesehen von Schulterschmerzen und Schlafstörungen gesund und uneingeschränkt haftfähig; sie nehmen in Haft ein Beruhigungs- und Schlafmittel. Möchten Sie dazu etwas angeben?

BF: Wenn ich traurig bin, wird mein Arm krampfig und schmerzt. Wenn ich ganz gesund bin, warum bekomme ich dann vier Tabletten am Tag? Ich besuche den Psychiater und ich bekomme diese Medikamente von diesem Psychiater und niemand anderen.

R: Sind das Beruhigungs- und Schlafmittel?

BF: Ja, das sind Beruhigungs- und Schlaftabletten.

R: Sie sind strafgerichtlich unbescholten. Wo haben Sie seit der Erlassung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Jänner 2018 gewohnt und was haben Sie gemacht?

BF: Ich habe in XXXX gelebt, dort habe ich eine Wohnadresse.

R: Was haben Sie in XXXX gemacht, festgenommen wurden Sie ja in WIEN?

BF: In XXXX wurde ich nicht festgenommen. Ich wurde in der XXXX festgenommen.

R: Diese Straße ist in XXXX .

BF: Dort ist das Geschäft meines Bruders.

R: Gab es Festnahmeversuche in der Zeit zwischen JÄNNER und JUNI 2018?

BF: Ich weiß es nicht, aber einmal war die Polizei bei uns in der Wohnung oder im Zimmer, ich weiß nicht, was das genau ist. Meine Freunde haben mir gesagt, die Polizei war da, hat aber keine Papiere und keinen Zettel mitgebracht.

R: Wegen wem war die Polizei in der Wohnung?

BF: Ich weiß nicht, vielleicht wegen mir?

R: Wo wohnt Ihr Bruder?

BF: Er lebt in WIEN.

R: Haben Sie in Ihrer Wohnung in XXXX übernachtet oder bei Ihrem Bruder in WIEN?

BF: Nein, ich habe in XXXX übernachtet.

R: Mit welchem Geld sind Sie zwischen WIEN und XXXX hin- und hergefahren? Die Zug-Tickets sind nicht so billig?

BF: Ich hatte einen Schülerausweis.

R: Der gilt in den Ferien aber nicht mehr.

BF: Ja, es liegt bei der Polizei, da können sie es sich anschauen.

R an BFV: Möchten Sie Fragen an den Beschwerdeführer stellen?

BFV: Hat sich etwas an Ihrer Situation bezüglich AFGHANISTAN seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtshofes seit JÄNNER 2018 verändert?

BF: Ja, ich wurde danach auch sehr viel bedroht. Ich habe auch Briefe bekommen.

D: Der BF hat nicht "Drohbrief" gesagt, sondern nur von Briefen gesprochen.

BFV: Keine weiteren Fragen.

[...]

R: Aus § 22 Abs. 2 iVm Abs. 3 BFA-VG ergibt sich, dass die Entscheidung des BVwG über die Rechtmäßigkeit der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes für die Abschiebung nicht erforderlich ist; der Bescheid ist gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit Verkündung durchsetzbar, mit der Durchführung ist bis zum Ablauf des 3. Arbeitstages nach Einlangen zuzuwarten. Möchten Sie dazu etwas angeben?

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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