TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/28 I419 2164020-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.09.2018
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Entscheidungsdatum

28.09.2018

Norm

AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I419 2164030-1/21E

I419 2164020-1/22E

I419 2164026-1/20E

I419 2164021-1/21E

I419 2164034-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, StA. Irak, vertreten durch die Rechtsanwalts-Partnerschaft MARSCHALL & HEINZ, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 20.06.2017, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Status eines

subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

Ihm wird gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 eine für ein Jahr gültige befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem erteilt.

Die Spruchpunkte II., III. und IV. des angefochtenen Bescheids werden aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, StA. IRAK, vertreten durch die Rechtsanwalts-Partnerschaft MARSCHALL & HEINZ, gegen den Bescheid des BFA vom 20.06.2017, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Status eines

subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

Ihr wird gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 eine für ein Jahr gültige befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt.

Die Spruchpunkte II., III. und IV. des angefochtenen Bescheids werden aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch die Mutter XXXX, StA. IRAK, vertreten durch Rechtsanwalts-Partnerschaft MARSCHALL & HEINZ, gegen den Bescheid des BFA vom 20.06.2017, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Status eines

subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

Ihm wird gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 eine für ein Jahr gültige befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem erteilt.

Die Spruchpunkte II., III. und IV. des angefochtenen Bescheids werden aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, StA. IRAK, vertreten durch die Mutter XXXX, vertreten durch Rechtsanwalts-Partnerschaft MARSCHALL & HEINZ, gegen den Bescheid des BFA vom 20.06.2017, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Status eines

subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

Ihm wird gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 eine für ein Jahr gültige befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem erteilt.

Die Spruchpunkte II., III. und IV. des angefochtenen Bescheids werden aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, StA. IRAK, vertreten durch die Mutter XXXX, vertreten durch Rechtsanwalts-Partnerschaft MARSCHALL & HEINZ, gegen den Bescheid des BFA vom 20.06.2017, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Status eines

subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

Ihr wird gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 eine für ein Jahr gültige befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt.

Die Spruchpunkte II., III. und IV. des angefochtenen Bescheids werden aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer, auch als BF und gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als BF1 bis BF5 bezeichnet, sind irakischer Staatsangehörigkeit und gehören der arabischen Volksgruppe an.

BF3 und BF4 sind die minderjährigen Söhne, BF5 ist die minderjährige Tochter des Ehepaares BF1, Vater, und BF2, Mutter.

2. BF1 bis BF4 beantragten im September 2015, die später geborene BF5 am 05.09.2017 internationalen Schutz. BF1 sei in Bagdad von Milizionären zur Mittäterschaft an einer Entführung gedrängt worden. Darauf sei er zunächst mit BF2 und BF3 nach Kerbala zurück gezogen und habe ein Haus gekauft. Ein Freund, dem er sein Auto überlassen habe, sei damit Taxi gefahren und habe ihn am Erlös beteiligt, wovon sie gelebt hätten. Wegen Schikanen und möglicher Denunzierung als Sunnit seien sie dann auch bei diesem Freund eingezogen und hätten etwa sieben Monate dort gewohnt, BF1 versteckt, bis BF4 zur Welt gekommen sei.

Nachdem er 20 Tage später Reisepass und Personalausweis besorgt und das Auto verkauft gehabt habe, seien sie in die Türkei ausgereist.

3. Mit den bekämpften Bescheiden wies das BFA die Anträge sowohl betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (jeweils Spruchpunkt I.) als auch betreffend jene des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Irak ab (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte (in Spruchpunkt III.) keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die BF jeweils eine Rückkehrentscheidung, erklärte deren Abschiebung in den Irak für zulässig und stellte die Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) mit 14 Tagen fest.

4. Über die dagegen erhobenen Beschwerden ergingen gänzlich abweisende Erkenntnisse dieses Gerichts vom 30.11.2017. Diese behob der Verfassungsgerichtshof am 11.06.2018 mit dem Erkenntnis E4469/2017 ua insoweit, als sie die Beschwerden gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Irak, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (§ 57 Asylgesetz 2005), gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch, dass die Abschiebung in den Irak zulässig sei und gegen die Festsetzung einer vierzehntätigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen haben.

Die BF waren im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden. Konkret habe das Verwaltungsgericht seine Entscheidung betreffend die Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes mit Willkür belastet, indem es eine Auseinandersetzung mit den Länderberichten und der Frage unterlassen habe, ob BF3, BF4 und BF5, die im Entscheidungszeitpunkt acht und zwei Jahre sowie fünf Monate jung waren, nach Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung ihrer in Art. 2 f EMRK gewährleisteten Rechte droht.

Außer Acht gelassen habe des BVwG, dass die BF nicht nur gesunde, arbeitsfähige Erwachsene mit ausreichender mehrjähriger Schulbildung seien, sondern eine Familie mit drei minderjährigen Kindern. Die Entscheidung sei daher BF 3 bis BF 5 gegenüber begründungslos ergangen.

5. Am 09.01.2018 haben die BF Folgeanträge gestellt. BF1 sei zuletzt Soldat gewesen und habe sich deshalb versteckt, weil er sich dem Dienst entzogen und das Sturmgewehr verkauft habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der VfGH hat ausgeführt, dass der angeführte Mangel der Willkür bei der Bestätigung der Entscheidungen betreffend BF3, BF4 und BF5 gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 auf die Entscheidung betreffend den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin durchschlägt, weshalb das Erkenntnis des VwG auch betreffend die beiden anderen BF im selben Umfang aufzuheben war.

Ausgehend vom teil-aufhebenden Erkenntnis des VfGH ist die Beschwerde betreffend Spruchpunkt I. der bekämpften Bescheide erledigt. Das Gericht hat sich mit diesem Spruchpunkt daher nicht mehr zu befassen und geht von einer anhängigen Beschwerde gegen die jeweiligen Spruchpunkte II. bis IV. aus.

Diesbezüglich bringt die (für alle BF gleichlautende) Beschwerde vor, die allgemeine Sicherheitslage im Herkunftsland lasse keine Rückkehr der BF zu, da unverändert der Bürgerkrieg tobe, den BF wegen der schlechten Sicherheitslage die reale Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung drohe, und über die allgemeine Sicherheits- und Menschenrechtssituation hinaus Gefahr bestehe, dass BF1 und BF2 sowie die drei Kinder mangels familiärem und sozialem Auffangnetz in eine existenzbedrohende Notlage gerieten.

Die BF seien trotz der Aufenthaltsdauer bereits beeindruckend und erfolgreich integriert, hätten Deutsch gelernt und Sozialkontakte geknüpft. Die BF (gemeint BF1 und BF2) seien arbeitsfähig und -willig und könnten daher für die Familie aufkommen, die Kinder (gemeint BF3) in der Schule erfolgreich.

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zu den Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern

Die Identität der Beschwerdeführer steht fest. Sie sind Araber, stammen (außer BF5) aus Kerbala (Kerbela, Karbala) und lebten auch dort, von 2009 bis 2012 aber in Bagdad. BF1 und BF2 sprechen Arabisch und ihrer Aufenthaltsdauer entsprechend ein wenig Deutsch. BF3 bis BF5 sprechen dem Alter entsprechend Deutsch. Die Eltern von BF1, Sunnit und Schiitin, beide 66, wohnten bis Mitte 2016 in Kerbala, zogen dann zunächst in dessen Onkels Haus und schließlich in das seiner Tante, jeweils in Bagdad. Er hat mit ihnen etwa monatlich Kontakt.

Ein Bruder von BF1 lebt in Deutschland, ein Cousin in Österreich, wobei zu diesem in keine Richtung Abhängigkeit besteht. Seine Schwester lebt im Irak, seine beiden weiteren Brüder sind (für ihn) unbekannten Aufenthalts und waren laut BF1 zuletzt arbeits- und wohnungslos. In Österreich leben keine anderen Verwandten der Beschwerdeführer. BF1 ist Sunnit, BF2 ist Schiitin. Die BF1 bis BF4 wurden im Herkunftsstaat als Sunniten betrachtet.

BF2 pflegt spätestens seit der Zeit in Bagdad Jeans und andere Hosen, jedoch keine Kopftücher zu tragen, und sie schminkt sich. In Kerbala musste sie wegen der Anwesenheit der Milizen der Al-Hashd Al-Shaabi (PMF) und der Ablehnung durch andere Einwohner davon Abstand nehmen. Die Eltern von BF2, Rentner, 57, und Hausfrau, 47, leben nach wie vor in Kerbala und dort in schlechten finanziellen Verhältnissen. Sie hat einmal monatlich mit ihnen Kontakt. Im Herkunftsstaat leben auch ihre vier Brüder.

BF1 und BF2 haben dort Universitätsstudien begonnen, BF1 seines an der Universität für Elektrotechnik auch absolviert. Anschließend war der im Irak in verschieden Berufen tätig, um den Lebensunterhalt für die Familie zu sichern, unter anderem in einer Limonadenfabrik, in der Gebäudereinigung und als Kraftfahrer. BF2 schloss ihr Studium nicht ab, sondern organisierte den Haushalt der Familie. Beide sind gesund und arbeitsfähig.

Die Beschwerdeführer leben von der Grundversorgung. BF1 und BF2 sind in Österreich noch keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Die BF sind strafrechtlich unbescholten und halten sich, außer BF5 seit rund drei Jahren in Österreich auf.

BF3 besucht die Volksschule und spielt in der U8-Mannschaft des örtlichen Fußballvereins. Nach Angaben von BF2 spricht er als das älteste Kind kein Arabisch. Es kann nicht festgestellt werden, dass der dreijährige BF4 oder die zweijährige BF5 Arabisch sprächen.

BF1 bis BF3 nehmen an Integrationsprojekten der Wohngemeinde teil, BF3 an der schulischen Nachmittagsbetreuung, BF1 und BF2 an Deutschkursen. Der BF1 verfügt über eine Einstellungszusage einer Pizzeria. Die Beschwerdeführer pflegen nachbarschaftliche soziale Kontakte und helfen z. B. in Haus und Garten mit.

1.2 Zur Situation im Herkunftsstaat:

In Bezug auf das (im zweiten Rechtsgang noch relevante) Vorbringen, den BF drohe die reale Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung, und sie seien als Eltern mit drei Kindern gefährdet, mangels familiärem und sozialem Auffangnetz in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten, sind die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

1.2.1 Relevante Bevölkerungsgruppen

1.2.1.1 Frauen

In der Verfassung ist die Gleichstellung der Geschlechter festgeschrieben und eine Frauenquote von 25 Prozent im Parlament (Autonomieregion Kurdistan: 30%) verankert. Dadurch sind im irakischen Parlament derzeit 82 Frauen vertreten (von insgesamt 328 Abgeordneten). Allerdings sind Frauen in den bedeutenden Ausschüssen, wie dem für Verteidigung und Sicherheit oder dem Komitee für Nationale Versöhnung, nicht vertreten. Die geschätzte Erwerbsquote von Frauen lag 2014 bei nur 14%, der Anteil an der arbeitenden Bevölkerung bei 17 %. Laut Art. 14 und 20 der Verfassung ist jede Art von Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes verboten. Art. 41 bestimmt jedoch, dass Iraker Personenstandsangelegenheiten ihrer Religion entsprechend regeln dürfen. Viele Frauen kritisieren diesen Paragraphen als Grundlage für eine Re-Islamisierung des Personenstandsrechts und damit eine Verschlechterung der Stellung der Frau. Zudem findet auf einfachgesetzlicher Ebene die verfassungsrechtlich garantierte Gleichstellung häufig keine Entsprechung. Defizite bestehen insbesondere im Familien-, Erb- und Strafrecht sowie im Staatsangehörigkeitsrecht. Frauen werden noch immer zur Ehe gezwungen, rund 20% der Frauen werden vor ihrem 18. Lebensjahr (religiös) verheiratet, viele davon im Alter von 10 - 14 Jahren. Kinderheirat wie auch sexuelle Ausbeutung werden dadurch begünstigt, dass 10% der irakischen Frauen Witwen, viele davon Alleinversorgerinnen ihrer Familien sind (AA 7.2.2017). Frauen und Mädchen werden durch Gesetze und im täglichen Leben diskriminiert und sind nicht ausreichend gegen sexualisierte und andere geschlechtsspezifische Gewalt geschützt (AI 22.2.2017). Paragraph 41 des Strafgesetzbuches gibt Ehemännern das Recht, ihre Frauen zu bestrafen, was im gesamten Irak zu einem extremen Ausmaß an häuslicher Gewalt führt. Frauen, die Misshandlungen oder Missbrauch ausgesetzt sind, haben das Problem, dass sie keinen sicheren Zufluchtsort haben (Lattimer 26.4.2017). Sexuelle Gewalt ist zwar per Gesetz verboten, diesbezügliche Anschuldigungen können nach Paragraph 398 aber fallen gelassen werden, sofern der Täter das Opfer heiratet (HRW 12.1.2017). Die Stellung der Frau hat sich im Vergleich zur Zeit des Saddam-Regimes teilweise deutlich verschlechtert. Die prekäre Sicherheitslage und wachsende fundamentalistische Tendenzen in Teilen der irakischen Gesellschaft haben negative Auswirkungen auf das Alltagsleben und die politischen Freiheiten von Frauen. Vor allem im schiitisch geprägten Südirak werden islamische Regeln, z. B. Kopftuchzwang an Schulen und Universitäten, stärker durchgesetzt. Frauen werden unter Druck gesetzt, ihre Freizügigkeit und Teilnahme am öffentlichen Leben einzuschränken (AA 7.2.2017). Unverheiratete oder verwitwete Frauen sind dabei einem besonders großen Risiko ausgesetzt, Opfer von sexuellen Schikanen zu werden (IISS 15.5.2017).

Das irakische Gesetz, sowie auch die irakischen Sitten respektieren das Recht auf Bewegungsfreiheit für Frauen grundsätzlich nicht. Zum Beispiel verbietet es das Gesetz auch, dass Frauen ohne Zustimmung ihres Mannes, Vormundes oder gesetzlichen Vertreters einen Reisepass beantragen. Frauen war es auch nicht möglich, ohne Zustimmung eines männlichen Angehörigen das "Civil Status Identification Document" zu beantragen, das für die Inanspruchnahme von öffentlichen Dienstleistungen, Nahrungsmittelhilfe, Gesundheitsversorgung, Zugang zum Bildungssystem, etc. notwendig ist (USDOS 3.3.2017).

In den vom IS kontrollierten Gebieten sind Frauen und Mädchen vom öffentlichen Leben weitgehend ausgeschlossen. Sie dürfen das Haus nur in männlicher Begleitung verlassen und müssen sich einem strengen Kleidungs- und Sittenkodex unterwerfen. Berichten zufolge werden Regelverstöße streng bestraft, u. a. durch Geldbußen, Prügelstrafen für die Frau oder ihren männlichen Begleiter, Folter und Hinrichtung. Frauen, insbesondere gut ausgebildete und berufstätige Frauen wie Ärztinnen, Rechtsanwältinnen Politikerinnen, wurden laut Berichten vom IS attackiert, gefoltert und hingerichtet (UNHCR 14.11.2016). Diejenigen Frauen, denen die Flucht gelang oder die von Verwandten durch Zahlung eines Lösegeldes freigekauft wurden, erhielten weder angemessene psychologische Hilfe noch ausreichende materielle Unterstützung (AI 22.2.2017).

IDPs: Viele Frauen und Mädchen sind durch Flucht und Verfolgung besonders gefährdet. Es gibt vermehrt Berichte, dass minderjährige Frauen in Flüchtlingslagern zur Heirat gezwungen werden. Dies geschieht entweder, um ihnen ein vermeintlich besseres Leben zu ermöglichen oder um ihre Familien finanziell zu unterstützen. Häufig werden die Ehen nach kurzer Zeit wieder annulliert, mit verheerenden Folgen für die betroffenen Frauen (AA 7.2.2017)

Genitalverstümmelung: In Teilen des stark patriarchalisch strukturierten Nordirak kommt es immer noch zu Genitalverstümmelung bei Frauen. Genitalverstümmlung ist kein ausschließlich kurdisches Problem. Seit 2011 stellt ein Gesetz in der Region Kurdistan-Irak die Genitalverstümmelung unter Strafe (AA 7.2.2017).

Häusliche Gewalt: Es gibt wenige Rechtsvorschriften und Schutzmechanismen, die Frauen vor häuslicher Gewalt schützen. Das irakische Strafgesetzbuch enthält zwar einige Bestimmungen zu körperlichen An-/Übergriffen, jedoch fehlt es an der expliziten Nennung des Problems der häuslichen Gewalt (HRW 12.1.2017). Es kann geschätzt werden, dass im Irak pro Jahr ungefähr 1.000 Frauen oder mehr durch häusliche Gewalt umkommen (Lattimer 26.4.2017)

Ehrenverbrechen an Frauen:

Ehrenverbrechen bleiben im ganzen Land weiterhin ein ernstzunehmendes Problem (USDOS 3.3.2017), das sich derzeit sogar zunehmend verschärft. Die Gründe dafür sind u.a. die schwachen Strafverfolgungsbehörden, die Milizen, die stark an Macht gewonnen haben, sowie die zunehmende Verbreitung besonders strenger und konservativer religiöser Werte (IISS 15.5.2017). Ehrenmorde werden meist begangen, nachdem eine Frau eines der folgenden Dinge getan hat, oder dessen verdächtigt wird: eine Freundschaft oder voreheliche Beziehung mit einem Mann einzugehen, sich zu weigern einen von der Familie ausgewählten Mann zu heiraten, gegen den Willen der Familie zu heiraten, Ehebruch, oder das Opfer einer Vergewaltigung oder Entführung zu sein. Solche Verletzungen der Ehre werden in der irakischen Gesellschaft als unverzeihlich angesehen und können aus Sicht dieser häufig nur getilgt werden, im dem man die Frau tötet. Ehrenverbrechen passieren in allen Gegenden des Irak und bei allen ethnischen und religiösen Gruppen. Es ist jedoch schwer, das wahre Ausmaß von Ehrenverbrechen im Irak zu erfassen, da viele Fälle nicht angezeigt werden (MRG 4.11.2015). Selbst wenn es zur Anzeige kommt, werden Täter selten zur Rechenschaft gezogen und das Gesetz erlaubt es, dass Strafen milder ausfallen können, wenn das Verbrechen einen "Ehren"-Aspekt hat (USDOS 3.3.2017). In der Region Kurdistan haben die Behörden Berichten zufolge Paragrafen, die eine solche Milderung ermöglichen, abgeschafft. Nach der neuen Gesetzeslage gelten Morde, die aus Gründen der "Ehre" begangen worden sind in der Region Kurdistan nunmehr als Morde. Dieses Verbot von Ehrenmorden hat in dieser Region allerdings dazu geführt, dass sie häufiger als Unfall oder Selbstmord kaschiert werden, um eine Strafverfolgung zu vermeiden. Berichten zufolge gab es bisher nur sehr wenige Fälle, die vor Gericht kamen, seit das neue Gesetz in Kraft trat (AIO 12.6.2017). Ehrenverbrechen sind in der KRI nach wie vor ebenso weit verbreitet wie im Rest-Irak, einigen Meinungen zufolge sogar weiter verbreitet. Ehrenmorde sind in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in städtischen (IISS 15.5.2017) und es gibt in unterschiedlichen Gebieten verschiedene Ausprägungen. Das Verbrennen von Frauen scheint besonders in der Region Kurdistan vorherrschend zu sein, während "fasiliya" (s.u.) oder der Handel mit Frauen eher in anderen Gebieten des Irak vorherrschend zu sein schein (Lattimer 23.6.2017). In der KRI werden pro Jahr ungefähr 300-400 Frauen bei lebendigem Leib verbrannt (Lattimer 26.4.2017).

Per Definition werden Ehrenmorde von einem Familienmitglied ausgeführt, es kann aber auch sein, dass die Großfamilie, der Clan, die Gemeinde, der Stamm, eine bewaffnete Gruppe oder anderen externe Akteure Druck auf die Familie ausüben, ein Familienmitglied zu töten, das vermeintliche Schande über die Familie gebracht hat (AIO 12.6.2017, vgl. IISS 15.5.2017). In anderen Fällen begehen Frauen Selbstmord, u.a. durch Selbstverbrennung, weil sie befürchten, von ihrer Familie getötet zu werden, oder sie werden zum Selbstmord gezwungen oder genötigt (AIO 12.6.2017).

Im Allgemeinen gibt es keine Zufluchtsstätten für von Ehrenverbrechen bedrohten Frauen (Lattimer 23.6.2017, vgl. IISS 15.5.2017). In der Kurdenregion existieren jetzt drei offizielle Frauenhäuser, aber um in einem solchem unterkommen zu dürfen, ist ein Gerichtsbeschluss erforderlich, was ein beträchtliches Hindernis für eine Frau darstellt, die bedroht wird (Lattimer 23.6.2017). Darüber hinaus kommt es häufig vor, dass die Behörden ohne Zustimmung des Opfers den Täter zu dem Frauenhaus bringen und auf Kosten des Opfers versuchen eine Lösung auszuhandeln (UKHO 8.2016). Im Rest des Iraks gibt es keine offiziellen Unterkünfte. Einige Frauenrechtsorganisationen versuchen im Geheimen inoffizielle Unterkünfte zu betreiben, jedoch sind die Betreiber oder die Bewohnerinnen dieser unter großer Gefahr, weil solche Unterkünfte häufig das Ziel von Angriffen verschiedener Milizen sind (Lattimer 23.6.2017). Darüber hinaus werden sie oft von den Behörden geschlossen, die solche Einrichtungen scheinbar teilweise als Bordelle betrachten (AIO 12.6.2017). Es ist nicht unüblich, dass Frauen für längere Zeit in Polizei-Gefängniszellen sitzen, weil sie von ihren Familien bedroht werden und keine andere Unterkunftsmöglichkeit haben (Lattimer 23.6.2017).

Fasiliya: Vertreter der Regierung, sowie internationale und lokale NGOs berichteten, dass die traditionelle Praxis "fasiliya" weiterhin ein Problem darstellt, insbesondere in südlichen Provinzen. "Fasiliya" bezeichnet jene Praxis, bei der mit Familienmitgliedern, einschließlich Frauen und Kindern, gehandelt wird, um damit Stammeskonflikte zu bereinigen (USDOS 3.3.2017).

Zwangsheirat / Frühehen / temporäre Ehen:

Im Irak gibt es einen Anstieg an Kinderehen, insbesondere bei IDPs. Heirat wird häufig als Möglichkeit gesehen, Frauen und Mädchen zu beschützen (AIO 12.6.2017). Das gesetzliche Mindestalter für die Eheschließung liegt bei 15 Jahren mit elterlicher Zustimmung und bei 18 Jahren ohne elterliche Zustimmung. Die Regierung unternahm wenige Anstrengungen zur Durchsetzung dieser gesetzlichen Vorschriften. Traditionelle Zwangshochzeiten von Mädchen im Alter von beispielsweise 11 Jahren wurden weiterhin durchgeführt, insbesondere in ländlichen Gebieten. Gemäß UNICEF wurden im Jahr 2016 ungefähr 975.000 Mädchen vor Ihrem 15. Geburtstag verheiratet, doppelt so viele wie im Jahr 1990. (Kinderehen und Zwangsehen waren in vom IS kontrollierten Gebieten stärker verbreitet.) Auch kommt es immer wieder zur sexuellen Ausbeutung von Frauen im Rahmen von sogenannten temporären Ehen ("Ehen auf Zeit"), eine Praxis, die in schiitischen Gebieten üblicher ist, als in sunnitischen (Ausnahme IS-Gebiet, wo dies auch verstärkt vorkommt). Dabei gibt ein Mann der Familie eines Mädchens oder einer Frau Ehegeld, damit er sie für eine bestimmte Dauer "ehelichen" darf (USDOS 3.3.2017).

Übertragung der Staatsbürgerschaft:

Laut Gesetz können sowohl Mutter als auch Vater gleichermaßen ihre irakische Staatsbürgerschaft auf ihre Kinder übertragen. Dies gilt aber nur für Kinder, die im Irak geboren sind. Bringt eine irakische Staatsbürgerin im Ausland ein Kind zur Welt, liegt es im Ermessen des Staates, ob das Kind die Staatsbürgerschaft erhält (AIO 12.6.2017). Unverheiratete Frauen und Witwen hatten häufig Probleme dabei, ihre Kinder zu registrieren, selbst wenn sie im Irak geboren worden waren. In den meisten Fällen stellten die Behörden die entsprechenden Geburtsurkunden aus, nachdem die Geburt registriert wurde, allerdings waren das Berichten zufolge langwierige und zum Teil komplizierte Prozeduren. Scheitert eine Frau beim Versuch die Geburt eines Kindes registrieren zu lassen, kann dies dazu führen, dass der Zugang zu öffentlichen Diensten wie Bildung, Nahrungsmittelsystemen und zum Gesundheitssystem verwehrt werden (USDOS 3.3.2017). In folgenden Fällen können Frauen beispielsweise Probleme haben, ihre Staatsbürgerschaft auf ihre Kinder zu übertragen: Wenn das Kind außerehelich geboren wurde, die Heirat nie offiziell registriert wurde, oder kein gültiger Eheschließungsvertrag zustande gekommen ist (z. B. zwischen einer muslimischen Mutter und einem nicht-muslimischen Vater kann es keinen gültigen Eheschließungsvertrag geben). In solchen Fällen müsste die Frau ihre Staatsbürgerschaft auf das Kind übertragen können, dies kann in der Praxis jedoch schwierig bzw. strukturellen Barrieren unterworfen sein. Für Frauen, deren Ehemann verhaftet oder getötet wurde, oder Frauen, die Kinder zur Welt gebracht haben, nachdem sie von IS-Mitgliedern vergewaltigt worden waren, kann es ebenfalls schwierig sein, ihre Kinder zu registrieren, geschweige denn ihre Staatsbürgerschaft auf diese Kinder zu übertragen (AIO 12.6.2017).

Westlicher bzw. "nicht-konservativer" Lebens- und Kleidungsstil

Durch den steigenden Einfluss von besonders konservativen Kräften, einschließlich der schiitischen Milizen, von denen viele mit politischen Akteuren verlinkt sind, geht der Trend deutlich in Richtung Einschränkung der persönlichen Freiheit der Bevölkerung. Die Milizen führen Regelungen ein, die sie für den "richtigen" islamischen Lebensstil halten (AIO 12.6.2017). Der Kleidungsstil, der von Frauen erwartet wird, ist im Irak über die letzten zwei Dekaden konservativer geworden. Dieses Phänomen hat sich nach 2003 dadurch beschleunigt, dass sunnitische und schiitische religiöse Kräfte im Irak auf dem Vormarsch sind. Im IS-Gebiet gibt es einen strengen Dress Code, der strikt durchgesetzt wird. In schiitischen Gebieten, einschließlich Basra und Bagdad versuchen schiitische Milizen ebenfalls strikte Bekleidungsvorschriften durchzusetzen und sind für gewalttätige Übergriffe auf Frauen verantwortlich, deren Kleidungsstil als unangebracht angesehen wird. Über das Jahr 2006-2007 ist bekannt, dass Milizen in Basra und Diyala hunderte Frauen töteten, weil sie den Dress Code nicht eingehalten hatten. Es gibt Befürchtungen, dass ein solches Ausmaß erneut droht (Lattimer 23.6.2017)

Frauen in von (schiitischen) Milizen kontrollierten Gebieten:

In Gebieten, in denen es eine starke Präsenz von Milizen gibt (wie z. B. jenen der Volksmobilisierung - PMF), kommt es vor, dass diese Milizen in Bezug auf Frauen (aber auch ganz allgemein) konservativere kulturelle Normen und Konventionen einführen bzw. sogar gewaltsam erzwingen (AIO 12.6.2017). In von diesen Milizen kontrollierten Gebieten werden die Rechte von Frauen eingeschränkt. Einige Milizen tun dies systematisch (IISS 15.5.2017). Ob und wie weit dies geht, hängt nicht nur von der jeweiligen Miliz ab, sondern auch von den jeweiligen lokalen Kommandanten. Die Milizen schränken die Rechte von Frauen nicht nur in jenen Gebieten ein, die unter ihrer Kontrolle stehen, sondern auch in den Städten wie z.B. Bagdad und Basra, in denen der Einfluss der Milizen sehr groß ist. Die Milizen operieren diesbezüglich ungestraft, zum Teil auch in Komplizenschaft mit den lokalen Behörden (Lattimer 23.6.2017). Es wird z. B. auch von Übergriffen auf bzw. Morden an Frauen berichtet, die in Bordells arbeiten, oder die die "falsche" Kleidung tragen (Lattimer 24.7.2017).

1.2.1.2 Kinder

Die Hälfte der Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Kinder waren und sind Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre. Sie sind nach Angaben der Vereinten Nationen in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind von Gewaltakten betroffen, sei es direkt, oder dadurch, dass ihre Familienmitglieder zu Opfern von Gewalt wurden (AA 7.2.2017). Laut einem UNICEF-Bericht von 2016 wird der Irak als eines der tödlichsten Länder für Kinder erachtet. 3,6 Millionen Kinder seien dort der Gefahr ausgesetzt, getötet, verletzt, ausgebeutet oder Opfer sexueller Gewalt zu werden (HRW 12.1.2017). Tötungen und Verstümmelungen sind die am häufigsten gemeldeten Formen von Gewalt gegen Kinder. Kinder werden durch militärische Operationen verletzt und getötet, und Berichten zufolge sind sie von den sich verschlechternden humanitären Bedingungen unverhältnismäßig stark betroffen (UNHCR 14.11.2016).

Laut UNICEF sind Kinder im Irak seit der Intensivierung der Kämpfe in einer endlosen Schleife von Gewalt und Armut gefangen. Mehr als fünf Millionen Kinder sind auf dringende humanitäre Hilfe angewiesen. Seit 2014 sind1.075 Kinder getötet worden, mehr als 150 Kinder in den ersten sechs Monaten des Jahres 2017 (UN 22.6.2017).

Der IS veröffentlicht regelmäßig Videos von Kindersoldaten in seinen Reihen. Es liegen Berichte über Umerziehungskampagnen an mehreren Tausend Kindern in den vom IS beherrschten Gebieten vor (AA 7.2.2017). Darüber hinaus wurde gemeldet, dass bewaffnete Gruppen, die gegen den IS kämpfen, einschließlich der Volksmobilisierungskräften (PMF), sunnitischer Stämme, Kurdischer Arbeiterpartei (PKK) und sonstiger bewaffneter kurdischer Gruppen sowie turkmenischer und jesidischer Selbstverteidigungsgruppen, Kinder für Unterstützungs- und Kampfhandlungen rekrutieren (UNHCR 14.11.2016, vgl. USDOS 3.3.2017).

Zahlreiche Jugendliche sind nach Angaben der Vereinten Nationen wegen Terrorvorwürfen angeklagt oder verurteilt. Es fehlt an Jugendstrafanstalten; laut IKRK werden jugendliche Häftlinge mittlerweile meist getrennt von erwachsenen Straftätern inhaftiert, ihnen wird aber oft der regelmäßige Kontakt zu ihren Familien verwehrt (AA 7.2.2017). Eine große und Berichten zufolge steigende Zahl von Kindern wird willkürlich festgenommen, für terroristische Handlungen verantwortlich gemacht und teilweise für lange Zeit ohne Kontakt zur Außenwelt in Hafteinrichtungen, Polizeistationen und Rehabilitationszentren der irakischen Regierung und der KRG-Behörden untergebracht (UNHCR 14.11.2016).

Die Sicherheitslage, die Einquartierung von Binnenvertriebenen und die große Zahl zerstörter Schulen verhindern mancherorts den Schulbesuch, sodass die Alphabetisierungsrate in den letzten 15 Jahren drastisch gefallen ist, besonders in ländlichen Gebieten. Im Unterschied dazu sind in der Region Kurdistan fast alle Menschen des Lesens und Schreibens mächtig. In den vom IS beherrschten Gebieten findet kein regulärer Schulunterricht statt (AA 7.2.2017). Über 3,7 Millionen Kinder im Schul-Alter sind von der derzeitigen Krise im Irak betroffen. Am Ende des Schuljahres 2016 hatten nur 60 Prozent der vom Konflikt betroffenen Kinder Zugang zu irgendeiner Art von Bildung (OCHA 7.3.2017).

UNICEF schätzt, dass sich die Zahl der arbeitenden Kinder seit 1990 verdoppelt hat, und nunmehr 575.000 beträgt (HRW 12.1.2017).

1.2.2 Grundversorgung / Wirtschaft

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-Irak schwierig. Nach Angaben des Programms "Habitat" der Vereinten Nationen gleichen die Lebensbedingungen von 57% der städtischen Bevölkerung im Irak denen von Slums (AA 7.2.2017). Das Land befindet sich in einer anschwellenden humanitären Krise, die durch anhaltende Konflikte, beschränkten Zugang zu humanitären Hilfsleistungen, zunehmendes Versagen bestehender Bewältigungsmechanismen und finanzielle Engpässe gekennzeichnet ist. Durch den Konflikt und die anhaltende Vertreibung und Unterbrechung der Grundversorgung ist der Bedarf an humanitärer Hilfe laut Berichten schnell eskaliert. Schätzungsweise über 10 Mio. Menschen, d. h. fast ein Drittel der Bevölkerung, benötigen derzeit humanitäre Hilfe im Irak, einschließlich Binnenvertriebener, Rückkehrer, Flüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern sowie der Menschen, die in Gebieten leben, die vom IS kontrolliert werden (UNHCR 14.11.2016). Es gibt derzeit im Irak mehr schutzbedürftige Menschen und mehr Menschen, die auf humanitäre Unterstützung angewiesen sind, als zu irgendeinem Zeitpunkt der letzten Jahre (OCHA 7.3.2017). Dennoch erreichen die humanitären Hilfsorganisationen derzeit nur 7,3 Mio. Menschen (UNHCR 14.11.2016). Aufgrund des Ausmaßes und der Komplexität der humanitären Krise haben die Vereinten Nationen im August 2014 die "Notstandstufe 3" - die höchste Stufe - für den Irak ausgerufen und seitdem jedes Jahr bestätigt (UNHCR 14.11.2016; aktuell s. OCHA o. D.). ACAPS kategorisiert die humanitäre Krise im Irak als "severe humanitarian crisis" - dies stellt innerhalb dieser Kategorisierung ebenfalls die höchste Stufe dar.

Wasser, Sanitäreinrichtungen und Hygiene

Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen. Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr (AA 7.2.2017). Das Fehlen eines kontinuierlichen und gerecht verteilten Zugangs zu sicherem Wasser und sicheren sanitären Einrichtungen sowie zu notwendigen Hygieneartikeln hat einen negativen Einfluss auf die allgemeine Gesundheit im Land. Im Jahr 2011 hatten 91 Prozent der irakischen Bevölkerung Zugang zu einer verbesserten Trinkwasserquelle, aber seit damals haben Entwicklungen wie politische Instabilität, andauernde Gewalt und interne Vertreibung zur Zerstörung, zum Zusammenbruch und zu massiver Überlastung von Wasser-/ Sanitär- und Hygieneeinrichtungen im ganzen Land geführt. Derzeit befinden sich im Irak 6,3 Millionen Menschen bezüglich ihrer Versorgung mit sicherem Wasser und ihrer sanitären sowie Hygieneversorgung in kritischer Notlage (OCHA 7.3.2017). Laut Auswärtigem Amt verfügt heute im ganzen Land nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser (AA 7.2.2017).

Einkommen/Arbeitsplätze

Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat. Über 4 Mio. der 36 Mio. Iraker erhalten reguläre Gehälter von der Regierung, die 2015 und 2016 aufgrund der schlechten Haushaltslage teilweise erst mit mehrmonatiger Verspätung gezahlt wurden. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig. Rund 90% der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor (AA 7.2.2017).

Der Anteil jener Männer von 18 bis 59 Jahren, die keinen Zugang zu Einkommen haben, liegt in Kerbala bei 15 %, in Bagdad bei 59 % und in acht von 17 Provinzen bei 50 % oder höher. (OCHA 7.3.2017)

1.2.3 Schiitische Milizen - Popular Mobilization Forces

Genese und Entwicklung seit 2014

Der Name "Volksmobilisierungseinheiten" bzw. Al-Hashd al-Shaabi, englisch: Popular Mobilization Units (PMU) oder Popular Mobilization Forces bzw. Front (PMF) bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig fast ausschließlich schiitische Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Schätzungen zufolge haben die Volksmobilisierungseinheiten zwischen 60.000 und 140.000 Mann unter Waffen. Die Entstehung des Milizenbündnisses kann als Reaktion auf die irakische Offensive des sog. "Islamischen Staates" (IS) verstanden werden und ist somit eng mit dessen militärischen Erfolgen und territorialen Gewinnen verquickt: Im Sommer 2014 drang die Terrororganisation in den Irak ein und nahm am 10. Juni erst Mossul und danach weite Teile der Provinzen Ninewah, Salahuddin, Anbar, Diyala und Kirkuk ein; wenig später waren auch die Städte Erbil und Bagdad in Gefahr (Süß 21.8.2017).

Die reguläre irakische Armee war dem IS nicht gewachsen, weshalb der damalige Ministerpräsident Nuri al-Maliki am 11. Juni zur Mobilisierung einer "Reservearmee" aufrief. Außerdem ließ der führende irakische schiitische Gelehrte Ayatollah Ali Sistani am 13. Juni ein islamisches Rechtsgutachten (fatwa) verlautbaren, in dem er alle jungen Männer dazu aufrief, sich den Sicherheitskräften zum Schutz von Land, Volk und heiligen Stätten des Irak anzuschließen. Infolge der Fatwa schrieben sich tausende junge schiitische Männer auf Freiwilligenlisten ein, schlossen sich jedoch nicht Armee oder Polizei, sondern bereits existierenden oder neu formierten schiitischen Milizen an. Zwei Tage später bildete die irakische Regierung ein Komitee der Volksmobilisierung, das dem Ministerpräsident Haidar al-Abadi untersteht und vom Nationalen Sicherheitsberater Falih al-Fayyad geleitet wird. Die wahren Kräfteverhältnisse sind allerdings schon daran abzusehen, dass die Gründung durch das irakische Innenministerium verkündet wurde:

Dieses unterstand bis Juli 2016 der Führung des "Badr-Politikers" Muhammad al-Ghabban, die dominante Kraft im Innenministerium und damit der eigentliche irakische Führer des Milizenbündnisses ist jedoch Hadi al-Amiri. Mehrere Milizen stehen außerdem politischen Parteien nahe.

Innerhalb der zahlreichen, meist lokal organisierten Gruppen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten können im Wesentlichen drei Gruppen ausgemacht werden: Erstens schon länger aktive Milizen, die infolge der Fatwa tausende neue Rekruten hinzugewannen (Badr-Organisation, Asa'ib Ahl al-Haqq, Kata'ib Hizbullah und Saraya as-Salam). Zweitens gibt es solche schiitischen Formationen, die ab Juni 2014 entstanden (bspw. Kata'ib al-Imam Ali) und drittens einige kleinere sunnitische Milizen (Süß 21.8.2017).

Die wichtigsten Milizen innerhalb der PMF

Die Badr-Organisation ist die älteste schiitische Miliz im Irak und gleichermaßen die mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran. Sie orientiert sich an der Tradition Khomeinis und der Staatsdoktrin Irans. Hervorgegangen ist sie aus dem Badr-Korps, das 1983/84 als bewaffneter Arm des "Hohen Rates für die Islamische Revolution im Irak" gegründet wurde und von Beginn an den iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) unterstellt war. Mit der Namensänderung in Badr-Organisation wurde das Korps zum politischen Akteur. Als sich der Rat in "Irakischer Islamischer Hoher Rat" umbenannte und sich gleichzeitig vom Iran distanzierte, gelang es Badr, sich als wichtigster Verbündeter Irans im Irak zu etablieren und trennte sich 2009 schließlich vom Hohen Rat. Die Badr-Organisation wird von Hadi al-Amiri angeführt und gilt heute als die bedeutendste Teilorganisation und dominierende Kraft des Milizenbündnisses. Sie ist besonders mächtig, weil sie Kontrolle über das irakische Innenministerium und damit auch über die Polizeikräfte besitzt; ein Großteil der bewaffneten Kräfte der Organisation wurde ab 2005 in die irakische Polizei aufgenommen. Sie soll über etwa 20.000 bis 50.000 Mann verfügen und arbeitet mit Kata'ib Hizbullah zusammen. Unklar ist jedoch, ob die genannten Zahlen ausschließlich Kämpfer oder auch sonstiges Personal umfassen, denn die Badr-Organisation ist Miliz und politische Partei in einem. Badr war bisher an allen wichtigen militärischen Auseinandersetzungen in den Provinzen Diyala, Salah ad-Din, Anbar und Ninewah beteiligt; ihr militärisches Hauptquartier befindet sich im Militärlager Camp Ashraf nördlich von Bagdad. In Diyala verfügt Badr außerdem über ein Territorium, das sich zu einer eigenständigen Machtbasis im Sinne eines "Staates im Staate" ausbauen lässt (Süß 21.8.2017).

Die Kata'ib Hizbullah (Bataillone der Partei Gottes, Hizbullah Brigades) entstanden im Zuge der Umbenennung des Badr-Korps in Badr-Organisation und bekämpften im Gegensatz zu diesem die US-Truppen. Sie wurden 2007 von Abu Mahdi al-Muhandis gegründet und werden auch von diesem angeführt. Die Miliz kann als Eliteeinheit begriffen werden, die häufig die gefährlichsten Operationen übernimmt und vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv ist. Ihre Personalstärke ist umstritten, teilweise ist die Rede von bis zu 30.000 Mann. Die Ausrüstung und militärische Ausbildung ihrer Mitglieder sind besser als die der anderen Milizen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten. Kata'ib Hizbullah arbeiten intensiv mit Badr und der libanesischen Hizbullah zusammen und gelten als Instrument der iranischen Politik im Irak. Die Miliz wird von den USA seit 2009 als Terrororganisation geführt (Süß 21.8.2017).

Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Asa'ib Ahl al-Haqq unternahm den Versuch, sich als politische Kraft zu etablieren, konnte bei den Parlamentswahlen 2014 allerdings nur ein einziges Mandat gewinnen. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist wie die Badr-Oganisation und Kata'ib Hizbullah vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, weil besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Ihr Befehlshaber Khaz'ali ist einer der bekanntesten Anführer der Volksmobilisierungseinheiten (Süß 21.8.2017).

Saraya as-Salam (Schwadronen des Friedens, Peace Brigades) wurden im Juni 2014 nach der Fatwa Sistanis auf Anweisung von Muqtada as-Sadr gegründet und sollten möglichst viele der Freiwilligen vereinigen. Die Gruppierung kann de facto als eine Fortführung der ehemaligen Mahdi-Armee bezeichnet werden. Diese ist zwar 2008 offiziell aufgelöst worden, viele ihrer Kader und Netzwerke blieben jedoch aktiv und konnten 2014 leicht wieder mobilisiert werden. Quellen sprechen von einer Gruppengröße von 50.000, teilweise sogar 100.000 Mann, ihre Schlagkraft ist jedoch mangels ausreichender finanzieller Ausstattung und militärischer Ausrüstung begrenzt. Dies liegt darin begründet, dass Sadr politische Distanz zu Teheran wahren will, was in einer nicht ganz so großzügigen Unterstützung Irans resultiert. Das Haupteinsatzgebiet der Miliz liegt im südlichen Zentrum des Irak, wo sie vorgibt, die schiitischen heiligen Stätten zu schützen. Ebenso waren Saraya as-Salam aber auch mehrfach an Kämpfen nördlich von Bagdad beteiligt (Süß 21.8.2017).

Auch Kata'ib al-Imam Ali (Bataillone des Imam Ali, Imam Ali Batallions) ist eine der Milizen, die im Juni 2014 neu gebildet wurden. Sie sticht hervor, weil sie sich rasant zu einer schlagkräftigen Gruppe entwickelte, die an den meisten wichtigen Auseinandersetzungen im Kampf gegen den IS beteiligt war. Dies lässt auf eine beträchtliche Kämpferzahl schließen. Die Funktion des Generalsekretärs hat Shibl az-Zaidi inne, ein früherer Angehöriger der Sadr-Bewegung. Zaidi steht in engem Kontakt zu Muhandis und den Pasdaran, weshalb die Miliz intensive Beziehungen zur Badr-Organisation, Kata'ib Hizbullah und den iranischen Revolutionsgarden unterhält. Die Miliz betreibt außerdem wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit, wodurch ihr Bekanntheitsgrad schnell gestiegen ist. Vor allem der Feld-kommandeur Abu Azrael erlangte durch Videos mit äußerst brutalen Inhalten zweifelhafte Berühmtheit. Die Gruppe scheint Gefangene routinemäßig zu foltern und hinzurichten (Süß 21.8.2017).

Überblick über die wichtigsten PMF:

Anm.: Die folgende Darstellung ist nicht als abschließende Liste aufzufassen. Die angegebenen regionalen Eingrenzungen stellen lediglich eine Momentaufnahme dar, sind laufenden Änderungen unterworfen und ebenfalls nicht als abschließend anzusehen.

-Name

*Gründung-Anführer und

Gruppengröße-Verbindungen,

Zusammenarbeit-Bekannte regionale

Aktivität

1-Badr-Organisation

*1983/84-Hadi al-Amiri

20.000 - 50.000-Kata'ib Hizbullah -stark in Kirkuk, Tuzkhurmato, Amerli, Salah ad-Din, Diyala; milit. Hauptquartier im Militärlager Camp Ashraf nördlich von Bagdad

2-Kata'ib Hizbullah

(Bataillone der Partei Gottes, Hizbullah Brigades)

*2007-Abu Mahdi

al-Muhandis

ca. 30.000-Badr, Kata'ib Sayyid Shuhada, Kata'ib al-Imam Ali, Haraqat al-Nujaba-vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv

3-Asa'ib Ahl al-Haqq

(Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous)

*2006-Qaiz al-Khaz'ali

mind. 3.000-unbekannt-Einfluss in neun Provinzen, u.a. Bagdad, Siyala, Tuzkhurmato, Südirak; einflussreichste Gruppe in Basra, Najaf, Kerbela, Muthanna

4-Saraya as-Salam

(Schwadronen des Friedens, Peace Brigades)

*2014-Muqtada as-Sadr

mind. 50.000 -unbekannt-Haupteinsatzgebiet im südlichen Zentrum des Irak

5-Kata'ib al-Imam Ali

(Bataillone des Imam Ali, Imam Ali Batallions)

*2014-Shibl az-Zaidi

-Badr, Kata'ib Hizbullah-bedeutend um Tuzkhurmato

6-Saraya Tali'a al-Khorasani

(Khorasan Brigade)

*2013-Ali Yasiri

mind. 3.000-unbekannt-Kommandozentrum in Qadir Kerem, aktiv in Kirkuk und Salah ad-Din

7-Kata'ib Sayyid ash-Shuhada

(Bataillone der Märtyrer Sayyids, Martyrs of Sayyid Batallions)

*2013-Hajj Abu Ala

-Badr, Kata'ib Hizbullah, Asa'ib Ahl al-Haqq-Unterstützungsbasis vor allem im Südirak, aktiv in Salah ad-Din

8-Harakat (Hizbullah)

an-Nujaba

(Bewegung der Edlen)

*2013-Eqrem al-Qaibi

-Asa'ib Ahl al-Haqq, Kata'ib Hizbullah-aktiv in Babel, Samarra und um Bagdad

9-Liwa Abu al-Fadel

al-Abbas

(Abu Fadel Abbas Brigade)

*2012-10.000-unbekannt-Kommandozentrum in Kerbela; aktiv in Bagdad und Umgebung sowie Salah ad-Din

10-Hizbullah al-Mujahidun f-il Iraq

(Kämpfer der Partei Gottes im Irak)

*2014-Abbas al-Muhammadawi

-unbekannt-unbekannt

11-Faylaq al-Wa'ad

as-Sadiq

(Legion des wahren Versprechens)-Mohammad

Hamza at-Tamimi

-unbekannt-unbekannt

12-Kata'ib al-Imam al-Hussein

(Bataillone des Imam Hussein)

*2014-unbekannt-unbekannt-aktiv in Salah ad-Din

13-Kata'ib al-Imam al-Gha'ib

(Bataillone des abwesenden Imam)-unbekannt-Splittergruppe von Kata'ib Hizbullah

-aktiv in Falluja und Samarra

14-Kata'ib Ansar al-Hijja

(Bataillone der Unterstützer von al-Hijja)-Mohammad

al-Qinani

-Kata'ib Martyr Sadr-aktiv in Salah ad-Din und Anbar

15-Kata'ib al-Ghadab

(Bataillone der Wut)

*2014-Abu Fakkar

ash-Shammari

-unbekannt-aktiv in Bagdad, Tikrit und Samarra

16-Kata'ib Ruhallah

(Bataillone der Seele Allahs)-Abu Talib

al-Mayahi

-Kata'ib Ahrar

al-Iraq-aktiv im Norden Bagdads und in Salah ad-Din

17-Kata'ib Ahrar al-Iraq

(Bataillone der freien Männer Iraks)

*2014-Abbas al-Maliki

-Kata'ib Ruhallah-unbekannt

18-Saraya Ansar al-Aqida

(Brigade der Unterstützer des Glaubensbekenntnisses)

*2014-Jalal ad-Din

Sagir-unbekannt-um Bagdad und Samarra, am aktivsten in Dhi Qar and Kerbela

19-Saraya al-Jihad

(Brigade des Heiligen Krieges)

*2014-Hasan as-Sari-unbekannt-Kommandozentrum in Wasit

20-Liwa Youm al-Qaim

(Brigade des Tages des Auferstehenden)-unbekannt-Kata'ib al-Mawt

al-Istishariyya-Bagdad

21-Liwa Dhu al-Fiqar

(Zulfiqar-Brigade)

*2013-Abu Shahad

al-Juburi-unbekannt-Schutz eines Heiligen Schreins in Syrien

22-Liwa Assadullah

al-Ghalip

(Brigade der erobernden Löwen Gottes)-Suhail al-Araji-unbekannt-aktiv in Wasit und Bagdad

23-Liwa al-Muntadar

(Brigade der Erwarteten)-Daghir al-Musavi

-Kata'ib Sayyid

al-Shuhada-Kommandozentrum in Basra

24-Liwa al-Youm al-Mau'ud

(Brigade des versprochenen Tages)

*2008-unbekannt-Saraya as-Salam-unbekannt

-Weitere Milizen:

Harakat al-Abdal, Hizbollah as-Sairun, Hizbullah al-Abrar, Kata'ib ad-Difa al-Muqaddas/Quwwa Shaheed al-Sadr, Kata'ib al-Fatah al-Mobin, Kata'ib al-Shaheed al-Awal, Kata'ib al-Shaheed al-Awal:

Quw w-al-Buraq, Kata'ib at-Tayyar ar-Risali, Liwa al-Imam al-Hasan al-Mujtaba, Liwa al-Imam al-Qaim, Liwa al-Qa'im, Liwa al-Qaria, Saraya Ashura, Liwa Ammar ibn Yasir, Liwa ash-Shabab ar-Risali, Liwa as-Sadeqeyn, Saraya az-Zahra.

(Süß 21.8.2017)

Führung und Rechtsstellung der PMF

Generell kann innerhalb der Volksmobilisierung eine Dominanz der älteren Milizen und ihrer Anführer Amiri, Muhandis und Khaz'ali ausgemacht werden. Die personelle Führung des Milizenbündnisses übernimmt dabei eine Trias: Anführer ist Abu Mahdi al-Muhandis, Kommandeur der Kata'ib Hizbullah und enger Verbündeter Badrs und der iranischen Revolutionsgarden. Als eigentlicher starker Mann hinter Muhandis gilt allerdings Hadi al-Amiri, Anführer der Badr-Organisation. Einfluss übt außerdem Qasim Suleimani aus, umstrittener Kommandeur der zu den iranischen Revolutionsgarden gehörigen Quds-Brigaden. Der Iran versorgt die irakischen Milizen mit Geld und Waffen und bildet ihre Kämpfer gemeinsam mit der libanesischen Hizbullah im Iran, im Irak und im Libanon aus. Viele der Milizen vertreten deshalb folgerichtig eine islamistische Ideologie, die sich an jener des Irans orientiert. Der Iran nutzte die Gründung der Volksmobilisierung 2014 auf diese Weise dafür, ihren Einfluss im Irak erheblich zu steigern. Die größten Milizen innerhalb der Volksmobilisierung hängen dabei so stark vom Iran bzw. den iranischen Revolutionsgarden ab, dass sie als Instrument des Nachbarstaates bezeichnet werden können. Auch eine personelle Verbundenheit ist vorhanden: Muhandis und Amiri haben ihre engen Beziehungen zum Iran mehrmals selbst bestätigt. Allerdings gibt es neben besonders eng an den Iran angebundenen Milizen (Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah) auch solche, die zwar ressourcenmäßig vom Iran abhängig sind, aber eine gewisse Distanz zum Iran aufweisen (Saraya as-Salam).

Obwohl das Milizenbündnis unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die Volksmobilisierung dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Ministerpräsidenten als Oberkommandierendem unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017).

In der Tat scheint es sich so zu verhalten, dass innerhalb der PMF die radikal-schiitischen Gruppen mit Bindungen zum Iran die dominierenden Kräfte sind (Posch 8.2017).

Konfessionelle Zusammensetzung der PMF

Der absolute Großteil der PMF- Milizen besteht aus Schiiten, es gibt jedoch

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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