Entscheidungsdatum
01.10.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W 124 2198947-1/6E
W124 2198903-1/7E
W 124 2198942-1/7E
W 124 2198944-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerden von
1.) XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX ,
2.) XXXX , geb. XXXX , StA: Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX ,
3.) XXXX , geb. XXXX , StA: Afghanistan, vertreten durch die Kindesmutter XXXX als gesetzliche Vertreterin, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX ,
4.) XXXX , geb. XXXX , StA: Afghanistan, vertreten durch die Kindesmutter XXXX als gesetzliche Vertreterin, geben den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX ,
beschlossen:
A)
Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufgehoben und zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Die Erst- bis Viertbeschwerdeführer (BF1 bis BF4) gelangten am XXXX mit Hilfe eines Schleppers unberechtigt in das Bundesgebiet und stellten am selben Tag gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.
Bei der Einvernahme der BF 1 durch die Landespolizeidirektion Oberösterreich am XXXX gab diese an, dass man ihr und ihrem Ehegatten BF 2 mit dem Tod gedroht habe.
In der mit der BF 1 am XXXX vor dem BFA aufgenommenen Niederschrift führte die BF 1 im Wesentlichen aus, dass sie ihr Cousin väterlicherseits und ihre Brüder töten hätten wollen. Wenn man sie und den BF 2 erwischen würde, würde man sie beide sofort umbringen. So wie sich jetzt in Österreich kleiden würde, würde es ihr gefallen sich anzuziehen, auch wenn es vielleicht nicht den Regeln des Islams entsprechen würde.
Die BF 1 hätte ihren Cousin XXXX väterlicherseits heiraten sollen. Als der BF 2 um die Hand der BF 1 angehalten habe, sei sie darüber informiert worden, dass man sie XXXX geben hätte wollen. Hochzeitsvorbereitungen seien diesbezüglich noch nicht getroffen worden. Man habe nur gesagt, dass man die BF 1 den XXXX geben wolle. Versprochen sei diese ihm schon geworden. Das Versprechen an XXXX sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die Familie des BF 2 das erste Mal zu ihnen gekommen sei. Den Grund weshalb man den BF 2 als Ehemann für BF 1 nicht gewollt habe, wisse diese nicht. Über die Hartnäckigkeit der Familie des Mannes des BF 2 sei man erstaunt gewesen, weswegen die BF 1 mit ihrem Mann BF 2 schließlich geflüchtet sei.
Am Ende ihres Verbleibes in Afghanistan habe ihre Mutter schon gewusst, dass sie mit BF 2 in Kontakt gewesen sei, allerdings nicht im Detail. Man habe die BF 1 bei einem Telefonat erwischt. Ihre Mutter habe zwar ihren Vater nicht informiert, doch sei sie von ihrer Mutter zur Rede gestellt worden und habe diese ihr gesagt, dass sie ihn und nicht ihren Cousin XXXX lieben und heiraten wolle. Daraufhin sei diese geschlagen worden. Diese Vorgehensweise sei in Afghanistan völlig normal gewesen. Außerdem sei der BF 1 das Telefon weggenommen worden. Unter einem Vorwand habe sie sich dieses aber wieder verschafft.
Von den Drohungen gegen ihre Person und BF 2 habe sie über ihren Schwager erfahren, der den BF 2 informiert und ihm gesagt habe, dass man ihnen drohen würde bzw. es nicht gut ausschauen würde, wenn man sie erwischen oder aufgreifen würde. Die Frage, ob es einen Konflikt zwischen der Familie der BF 2 und der Familie des BF 1 gegeben habe, beantwortete diese damit, dass man den Familienmitgliedern des BF 2 gegenüber Drohungen ausgesprochen habe.
Nach Afghanistan könnten sie nicht zurück, weil sie und ihr Mann nicht dort sein könnten. Außerdem herrsche dort keine Sicherheit.
BF 2 führte hinsichtlich seiner Fluchtgründe zu Afghanistan im Wesentlichen aus, dass man ihnen mit dem Tod gedroht habe und er gefürchtet habe, dass man sie umbringen würde.
In der mit dem BF 2 vor dem BFA am XXXX aufgenommenen Niederschrift, führte dieser im Wesentlichen aus, dass sie Afghanistan wegen der Schwierigkeiten mit seinen Schwiegereltern verlassen hätten. Der BF 2 habe um die Hand seiner Frau angehalten, welche man ihn aber nicht gegeben habe. Im Zuge von Auseinandersetzungen sei dieser am rechten Unterarm und rechten Oberschenkel verletzt worden. Zudem würden sie in Afghanistan wegen der dortigen Anschläge nicht zur Ruhe kommen.
Begonnen habe die Beziehung damit, dass er die Tante der BF 1 kontaktiert und um ihre Nummer gebeten habe. Zuerst habe diese verneint, dass der Vater der BF 1 damit nicht einverstanden sein würde. Später habe er dann doch die Telefonnummer bekommen und mit seiner Frau gesprochen. Zuvor sie diese aber von ihrer Tante darüber informiert worden.
In Afghanistan sei es nicht üblich, dass man die Nummer von Mädchen einfach haben könne und müsse dort nach den Vorgaben des Vaters leben. Die Frage, weshalb BF 1 nicht mit dem Vater der BF 1 gesprochen habe, beantwortete dieser damit, dass er sich in sie verliebt habe und ihre Nummer bekommen habe.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründet wurde dies insbesondere damit, dass sich die Feststellung zu ihrer inneren Überzeugung daraus ergeben würde, dass sich die BF 1 erst seit sechs Monaten in Österreich aufhalten würde. Die Behörde gehe daher nicht davon aus, dass diese in kurzer Zeit eine Einstellung verinnerlicht habe, die einer Rückkehr nach Afghanistan entgegenstehen würde. Auch aus ihren Angaben haben sich keine derartige Einstellung erkennen lassen. So habe diese angegeben, dass sie in Österreich einen einstündigen Deutschkurs besuchen würde, die Sprache gerne lerne wolle, diese aber sehr schwer sein würde. Auf die Frage nach den konkreten Plänen in Österreich habe diese keine konkreten Angaben gemacht. Darüber hinaus würde die BF 1 weiterhin ein Kopftuch und traditionelle Kleidung tragen. Die Feststellung zur Lage in XXXX würde sich ebenso aus den Länderinformationen ergeben.
Den Großteil ihres Lebens habe die BF 1 in XXXX verbracht, wo auch die Familie des BF 2 wohnen würde. Ebenso habe der BF 2 eingeräumt, dass seine Mutter und Geschwister in XXXX leben würden. Darüber hinaus habe dieser auch noch seine Onkel und Tanten, welche in XXXX leben würden. Dass der BF 2 die BF 1 und deren Kinder bei einer Rückkehr nach XXXX versorgen könne, würde sich daraus ergeben, dass diese über ein familiäres Netz in XXXX verfügen würden und BF 2 auf Grund seiner langjährigen Berufserfahrung in der Lage sei zu arbeiten. BF 2 habe in diesem Zusammenhang angegeben, dass sein Bruder als Mechaniker und Autohändler arbeiten würde, sodass auch der BF 2 in diesem Bereich wieder eine Arbeit finden und so seine Familie versorgen könnte.
Bezüglich der von der Behörde getätigten Feststellungen zur allgemeinen Situation in Afghanistan sei festzuhalten, dass diese Kenntnisse als notorisch vorauszusetzen seien. Gemäß § 45 AVG würden nämlich Tatsachen keines Beweises bedürfen, die offenkundig sein würden. Zu den notorischen Tatsachen würden auch Tatsachen zählen, die in einer Vielzahl von Massenmedien in einer der Allgemeinheit zugänglichen Form über Wochen hin im Wesentlichen gleichlautend und oftmals auch für einen Durchschnittsmenschen leicht überprüfbar publiziert werden würden, wobei sich die "Allgemeinnotorietät" nicht auf die bloße Verlautbarung beschränken würde, sondern allgemein bekannt sei, dass die in den Massenmedien verbreiteten Tatsachen auch der Wahrheit entsprechen würde.
Zur Aktualität der Quellen, die für die Länderinformationsblätter herangezogen werden würden, sei angeführt, dass diese soweit sich die erkennende Behörde auf älteren Datums beziehe auf Grund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuelle bezeichnet werden könnten. Der BF 1 und BF 2 seien im Rahmen der Einvernahme am XXXX die Länderinformationen zur Stellungnahme ausgehändigt worden, worauf bis dato jedoch keine Stellungnahme eingelangt sei.
Rechtlich wurde zu BF 1 und BF 2 im Wesentlichen ausgeführt, dass wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert worden sei, den behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vorn herein ausgeschlossen werden könne.
Die Tatsache, dass die BF 1 eine afghanische Frau sei, reiche für sich alleine genommen ohne Berücksichtigung ihrer konkreten und individuellen Lebensumstände im Herkunftsstaat, ihrer persönlichen Einstellung und Wertehaltung, ihrem bisherigen Verhalten, sowie ohne gesamtheitliche Beurteilung ihres Fluchtvorbringens, jedenfalls nicht aus, um mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgung der BF 1 ausschließlich auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgehen zu können (W XXXX ). In der Judikatur des BVwG sei mehrfach festgestellt, dass man die Rechtsprechung des VwGH hinsichtlich "westlicher Orientierung" keinesfalls derart exzessiv auslegen dürfe, dass man letztlich zu dem Schluss käme, dass allein der Umstand eine Frau zu sein, automatisch den Flüchtlingsstatus bedinge (vgl. dazu W 123 2132337-1, vom 26.05.2017, W 123 2140717 vom 30.06.2017).
Es habe nicht festgestellt werden können, dass die BF eine neue innere Überzeugung gewonnen habe, die einer Reintegration in Afghanistan entgegenstehen würde und auf Grund derer die BF 1 mit einer Verfolgung zu rechnen hätte. Eine Außerlandesbringung der BF 1 nach Afghanistan würde diese nicht in unzulässiger Weise einschränken. Vielmehr könne die BF 1 sowohl ihr familiäres als auch ihr soziales Leben, welches diese in Österreich führen würde, in XXXX fortführen.
Soweit die BF 1 und der BF 2 geltend machen der Volksgruppe der Tadschicken anzugehören, wurde in diesem Zusammenhang auf das Erk. des VwGH vom 23.05.1995, Zl. 94/29/0816, hingewiesen. Nachteile die auf allgemein politische, wirtschaftliche oder soziale Lebensbedingungen in einem Staat zurückführen seien, würden keine Verfolgung im Sinne des AsylG darstellen (vgl. VwGH vom 16.06.1994, Zl: 94/19/0183). Bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur seien hinzunehmen, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe haben würde vor allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die in Folge des Krieges, Bürgerkrieges, Revolution oder sonstigen Unruhen entstehen würden.
Zu Spruchpunkt II. wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF 1 in XXXX über ein familiäres und soziales Netz verfügen würde, welches sie bei ihrer Rückkehr nach Afghanistan unterstützen könne. BF 2 sei gesund und in der Lage die BF 1 in Afghanistan, wie er dies vor seiner Ausreise aus dem Iran gemacht habe, zu versorgen. Dem BF 2 sei es des weiteren zumutbar gem. § 52a BFA-VG bei einer freiwilligen Rückkehr Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Zudem würden in Afghanistan Hilfsorganisationen existieren, die dem BF, wenn auch in nur geringen Maße, bei einer Rückkehr Hilfestellung geben könnten.
Hinsichtlich des Privat-, und Familienlebens der BF 1 und BF2 wurde ausgeführt, dass sich diese erst seit Februar XXXX in Österreich aufhalten würde. Bei der Bewertung des Privatlebens würde die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle spielen, da eine von Art 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen sei (vgl. Thym, Eu GRZ 2006, 541). Ausgehend davon, dass der VwGH bei einem dreijährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer kürzeren Aufenthaltsdauer ausgehe (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf die Erk. vom 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378), sei im Falle der BF 1 jedenfalls anzunehmen, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet zu kurz sie, als dass ein Eingriff in das genannte Recht anzunehmen sei.
Die BF haben in Österreich noch nicht Deutsch gelernt und bestreiten ihren Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Hinsichtlich der strafrechtlichen Unbescholtenheit wurde auf die Erk. des VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253). Außerdem würde sich die BF erst seit wenigen Monaten in Österreich aufhalten. Nach der Rechtsprechung des VwGH komme einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren keine maßgebende Bedeutung für die Interessensabwägung gemäß Art 8 EMRK zu (vgl. etwa VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055).
Gegen die gegenständlichen Bescheide des BFA erhoben die BF 1 bis 4 fristgerecht Beschwerden. Dabei wurde im Wesentlichen die Fluchtgeschichte der BF 1 und des BF 2 neuerlich wiederholt. Zudem wurde ausgeführt, dass diese keinen Schutz vor etwaigen Übergriffen, Belästigungen erfahren würden und mit weiteren Lebenseinschränkungen zu rechnen hätten. Die gesamte Sicherheitslage in Afghanistan sei nach wie vor sehr prekär und würde eine etwaige Abschiebung nach Afghanistan eine massive Verletzung nach Art 3 EMRK bedeuten.
Des weiteres wurde auszugsweise auf Berichte zur Menschrechts-, und Gefährdungslage von Frauen und Mädchen der SFH-Länderanalyse vom 14.09.2017 verwiesen und dabei hervorgehoben, dass Frauen und Mädchen in Afghanistan nach wie vor Diskriminierungen ausgesetzt sein würden und absehbar sei, dass sich die Lage in näherer Zukunft nicht ändern würde. Durch die aktuell zunehmende Schwächung der Regierung und Stärkung der radikalisierten Taliban würde sich die menschenrechtsunwürdige und diskriminierende Situation der Frauen und Mädchen weiterhin verschärfen. Die Behörde habe über die prekäre Lage der Frauen und Mädchen in Afghanistan mangelhafte Ermittlungen durchgeführt, welche sich auf teilweise veraltete Länderberichte stützen würde. Auf Grund der nach wie vor prekären Lebenssituation von Frauen und Mädchen in Afghanistan und des Umstandes, dass der afghanische Staat nicht gewillt bzw. fähig sei, ausreichenden Schutz zu bieten, stelle eine etwaige Abschiebung nach Afghanistan eine massive Verletzung nach Art 3 EMRK dar.
Dass die Stadt XXXX den Ausführungen der Behörde nach als "ausreichend sicher" einzustufen sei, entspreche keinesfalls den Tatsachen. In der Folge wurde in diesem Zusammenhang auszugsweise auf diesbezüglich verschiedene Länderberichte hingewiesen. Demnach sei es nicht nachvollziehbar, wie angesichts dieser Sicherheitslage in XXXX die Erstbehörde die Ansicht vertreten könne, dass XXXX relativ stabil und sicher über einen Flughafen zu erreichen sei. Abgesehen von der Möglichkeit der Anreise, sei in Betracht zu ziehen gewesen, ob eine Abschiebung nach Afghanistan im Blickwinkel der EMRK möglich sei.
Die Erstbehörde habe den maßgeblichen Sachverhalt entgegen den § 37 AVG bloß ansatzweise ermittelt und sei daher von gravierenden Ermittlungslücken auszugehen gewesen.
Wenn für die Erstbehörde Zweifel hinsichtlich der Asylrelevanz offen geblieben seien, hätte die Erstbehörde jedenfalls weitere, individuell auf die BF vorgebrachten Vorbringen abgestellten Ermittlungen treffen müssen. Die Erstbehörde habe es verabsäumt den vorgebrachten Hinweisen von Amts wegen weiter nachzugehen.
Den BF hätte jedenfalls der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommen müssen, weil auf Grund der geschilderten Gefahr und der bekannten prekären Lage eine reale Verletzung gem. Art 3 EMRK drohen würde.
Nicht nachvollziehbar sei, wie die Erstbehörde zu dem Schluss komme, dass trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage eine Rückkehr nach Afghanistan zumutbar sei, obwohl hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung, die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse sehr eingeschränkt möglich sei. Laut Aktualisierung der Kurzinformationen der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 25.09.2017 wechsele die Kontrolle mehrere Distriktzentren zwischen der Regierung und den Taliban. Es würden dabei drei Prozent mehr sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen registriert werden. Dass ein Leben in Afghanistan trotz der angespannten Sicherheitslage möglich sei, würde jeglicher Grundlage entbehren. Wenn die Behörde pauschal auf Rückkehrhilfe bezüglich finanzieller und materieller Unterstützung verweise, so sei diesbezüglich anzumerken, dass dies nicht zwingend jedem Rückkehrer zustehe, sondern an diverse Voraussetzungen und Kontigente gebunden sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.1. Gemäß § 7 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren gegeben.
Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde
1.2. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt:
"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommenden Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."
1.3. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung (vgl. Erkenntnis vom 24.02.2009, Zl. U 179/08-14 u. a.) ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit dem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhalts (vgl. VfSlg.15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m.w.N., 14.421/1996, 15.743/2000).
2. In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063-4 hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in Hinblick auf die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit ausgesprochen, dass prinzipiell eine meritorische Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte bestehe und von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen beziehungsweise besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden könne. Diesbezüglich führte er aus, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
3. Die belangte Behörde hat die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderten Maßstäbe eines umfassend ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens in den gegenständlichen Verfahren missachtet. In den gegenständlichen Verfahren wurde ebenso gegen die in § 18 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 18 AsylG 2005 bestimmt nämlich, dass das Bundesamt in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 iVm. § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, hat die belangte Behörde in diesem Verfahren jedoch missachtet.
Das Bundesamt hat betreffend mehrerer wesentlicher Verfahrensfragen den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht, bzw. nicht ausreichend ermittelt, hat verfahrenswesentliche Feststellungen nicht getroffen und entsprechende Länderfeststellungen den gegenständlichen Bescheiden nicht zu Grunde gelegt.
Auch unter Verweis auf die jüngste Entscheidung des VfGH (etwa E 3507/2017-15 vom 27. Februar 2018) ist festzuhalten, dass die im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Länderberichte unter anderem nur allgemeine Ausführungen zur Situation von Kindern in Afghanistan enthalten. Wenn das BFA in seiner rechtlichen Würdigung zu Spruchpunkt I. zu BF 3 und BF 4 ausführt, dass sich die Situation der Kinder nach den aktuellen Länderinformationen in den vergangenen Jahren verbessert habe, als rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult werden würden und Mädchen während der Talibanherrschaft vom Bildungssystem völlig ausgeschlossen gewesen seien, wird gleichzeitig darauf verwiesen, dass das BFA übersieht, dass aus den in den gegenständlichen Bescheiden zu Grunde gelegten Länderfeststellungen insbesondere hervorgeht, dass die Menschenrechtssituation von Kindern in Afghanistan insgesamt Anlass zur Sorge gebe. So wird ausgeführt, dass körperliche Züchtigungen und Übergriffe im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei verbreitet seien und der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in weiten Teilen Afghanistans nach wie vor ein großes Problem sei. Der sexuelle Missbrauch von Jungen sei weit verbreitet, eine polizeiliche Aufklärung finde nicht statt. Die Länderberichte nennen Kinderarbeit als Problem. Die Regierung zeige auch nur geringe Bemühungen, Kinderarbeit zu verhindern oder Kinder aus ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien. Rund 22% der Kinder in Afghanistan würden einer Arbeit nachzugehen haben. Betreffend der Ausbildungssituation wären Defizite zu erkennen. Den gegenständlichen Länderinformationen ist insbesondere des weiteres auch zu entnehmen, dass viele Kinder in Afghanistan unterernährt seien und ca. 10% der Kinder vor ihrem fünften Lebensjahr sterben würden.
In seiner Begründung, insbesondere zur Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten, setzt sich das BFA jedoch nicht weiter mit der Situation von Minderjährigen in Afghanistan (bzw. in XXXX ) insgesamt und diesbezüglich auch nicht mit den in den angefochtenen Bescheiden zitierten Länderberichten auseinander, bzw. würdigt auch die Informationen der den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten Länderfeststellungen aufbauend, nicht ausreichend die individuelle konkrete Situation der Familie bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan. Vielmehr beschränkt sich das BFA in diesem Zusammenhang auf eine allgemeine Ausführung, dass die BF 3 bzw. der BF 4 und seine Familie nichts zu befürchten hätten, als die BF 3 und der BF 4 in XXXX über ein familiäres und soziales Netz verfügen würden, welches sie bei einer Rückkehr nach Afghanistan unterstützen könnte. Außerdem würde BF 2 in der Lage sein diese bei einer Rückkehr nach Afghanistan versorgen zu können. Dafür, dass der BF 3 und dem BF 4 bzw. deren Eltern auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens bei Berücksichtigung sämtlicher sonstiger Tatsachen, subsidiärer Schutz zu erteilen gewesen wäre, hätten sich im gesamten Verfahren keine Anhaltspunkte für die Erteilung eines solchen ergeben.
Insofern geht das BFA aber auf die Minderjährigkeit der Dritt-, und des Viertbeschwerdeführers nicht ausreichend ein. Es unterlässt jegliche vertiefende bzw. individuelle Auseinandersetzung mit den in den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten kinderspezifischen Länderberichten und der Frage, ob den zwei Kindern, es handelt sich zum Zeitpunkt der Entscheidung um ein einjähriges Kind, bzw. um ein Kind im Alter von drei Jahren, im Falle einer Rückkehr eine Verletzung ihrer gemäß Art. 2 und Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte droht (vgl. hiezu jüngst VfGH 21.9.2017, E 2130/2017 ua.; 11.10.2017 E 1734/2017 ua.; 11.10.2017 1803/2017 ua.). Die Entscheidungen betreffend die minderjährige Drittbeschwerdeführerin bzw. des Viertbeschwerdeführers sind somit begründungslos ergangen.
Weiters ist festzuhalten, dass auch hinsichtlich des von der BF1 im Zuge der Befragung vor dem BFA erstatteten Vorbringens wesentliche verfahrensrelevante Abklärungen unterlassen worden sind. So stellt das BFA zur Situation im Falle der Rückkehr der BF 1 zwar fest, dass deren Aufenthalt in Europa nicht dazu geführt hätte, dass diese auf Grund einer neu gewonnen inneren Überzeugung bei einer Reintegration in Afghanistan mit einer Verfolgung zu rechnen hätte. Allerdings kann die vom BFA diesbezüglich gezogene Schlussfolgerung, dass die BF 1 auf Grund ihres relativ kurzen Aufenthaltes in Österreich noch keine Einstellung verinnerlicht haben kann, die einer Rückkehr nach Afghanistan entgegen stehen würde, nicht nachvollzogen werden, als es das BFA beispielsweise völlig unterlassen sich mit der Führung der alltäglichen Lebensweise der BF 1 in Österreich zum Vergleich einer solchen in Afghanistan entsprechend ausreichend auseinanderzusetzen und wurden diese Umstände weder mit der BF 1 bzw. noch mit dem BF 2 erläutert. Unabhängig davon lassen sich auch auf Grund der in der Beweiswürdigung herangezogenen Aussage, dass die BF 1 einen einstündigen Deutschkurs besuchen würde keine näheren Rückschlüsse über diesen ziehen, als dabei nicht hervorkommt, ob es sich dabei um einen einmaligen Besuch gehandelt hat oder dieser etwa in regelmäßigen Intervallen mit einer Dauer von einer Stunde besucht wird bzw. aber etwaige Hinderungsgründe aus Sicht der BF 1 vorliegen würden, die ihr den Besuch eines solchen nicht oder nicht ermöglichen würden. Die bloße Aussage der BF 1, dass das Erlernen einer Fremdsprache für die BF 1 schwer sein würde, lässt im Übrigen für sich genommen noch nicht erkennen, dass diese sich grundsätzlich weigern würde, die deutsche Sprache zu erlernen. Erst die genauen Beweg-, und Hintergründe, die entsprechend zu hinterfragen sein werden, lassen eine entsprechende Beurteilung dessen zu und mögen auch bei der Beurteilung einer entsprechenden Lebensweise Einfluss haben.
Zwar wird vom BFA auch ausgeführt, dass die BF 1 weiterhin ein Kopftuch und eine eher traditionelle Kleidung tragen würde, doch lässt sich dies nur bedingt mit den in der Niederschrift vom XXXX festgehaltenen Inhalt in Einklang bringen. Vielmehr bejahte die BF 1 demnach zunächst die Frage, ob sie sich immer so wie zur heutigen Einvernahme kleiden würde und gab in der Folge an, dass es ihr so gefallen würde, wenngleich dies vielleicht auch nicht den Regeln des Islams entsprechen würde. Aus welchen näheren Gründen ihre zum Zeitpunkt der Einvernahme getragenen Kleider nicht dem Islam entsprechen sollten, geht aus der mit der BF 1 aufgenommen Niederschrift nicht hervor. Vielmehr wurde es unterlassen diesen Umstand mit dieser näher zu erläutern. Die Antwort auf eine offenbar in diesem Zusammenhang gestellte Nachfrage, dass Frauen sich freizügig anziehen würden, lässt für das BVwG einen weiteren Interpretationsspielraum offen, der aber jedenfalls durch entsprechende Erörterung mit der BF 1 bzw. BF 2 einer Klarstellung bedurft hätte, als dieser gerade im Hinblick der Überprüfbarkeit der Nachvollziehbarkeit der Begründung des BFA eine wichtige Rolle spielt und die BF 1 in diesem Zusammenhang gleichzeitig ausführt, dass man in Afghanistan längere Kleider bis zum Knie trägt. Auf Grund der in der Einvernahme vom XXXX festgehaltenen Beschreibung der BF 1 von Seiten des BFA, dass diese eine Winterjacke tragen würde, kann im Hinblick der sonstigen Ausführungen der BF 1 dem BFA unter Berücksichtigung, dass die Einvernahme im XXXX stattfand, jedenfalls nicht gefolgt werden, dass diese eine traditionelle Kleidung entsprechend der afghanischen Gepflogenheiten getragen hätte. Im Übrigen geht aus dem Erk. des VwGH vom 22.03.2017, Zl. 2016/18/0388 klar hervor, dass auf Grund des bloßen Erscheinens zur mündlichen Verhandlung mit einem Kopftuch und traditioneller Bekleidung zur mündlichen Verhandlung nicht davon ausgegangen werden kann, dass dies einen "westlichen Lebensstil" widersprechen würde. Umso wichtiger wäre es unter Berücksichtigung des angeführten Erkenntnisses im gegenständlichen Fall gewesen, wie bereits oben angeführt, die Lebensführung der BF 1 und des BF 2 näher zu hinterfragen und zu beleuchten, um beurteilen zu können, inwieweit die Lebensweise der BF 1, die Anerkennung, Inanspruchnahme oder die Ausübung der Grundrechte zum Ausdruck bringt bzw. von dieser auf Grund ihrer geführten Lebensweise nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und /oder religiösen Normen zu entgehen.
Insofern konnte im gegenständlichen Verfahren auch gar nicht auf Basis konkreter Feststellungen zur aktuellen Lebensweise der BF1 bzw. des BF 2 - unter Heranziehung aktueller Länderberichte - die zu erwartende Reaktion in Afghanistan auf eine von ihr u.U. angestrebte Lebensweise geprüft (etwa VwGH, Zlen Ra 2014/20/0017 und 0018-9, 28.05.2014). Wenn das BFA in Hinblick der Ausführungen der BF 1 hinsichtlich der Unterdrückungen der Frauen in Afghanistan sich auf die herangezogenen Länderfeststellungen beruft, wonach sich die Situation der Frauen nach der Herrschaft der Taliban erheblich verbessert hat, so übersieht das BFA, dass die BF 1 in der mit ihr aufgenommenen Niederschrift vom XXXX vor dem BFA von massiven Problemen als Frau bzw. Mädchen und Jungen in Afghanistan gesprochen hat. Ihren Ausführungen nach geht es dabei offenbar auch um die allgemeine Sicherheit dieser, als diese mehrmals die Befürchtung äußert, dass es diesen gegenüber in Afghanistan zu Vergewaltigungen kommen könnte, welche sich u.a. auch in den Moscheen zutragen sollen. Der BF 1 selbst wäre es zudem verwehrt geblieben eine Schulausbildung zu machen, als die Familien ihre Mädchen nicht hinausgehen lassen würden. Wenn in den vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen zu entnehmen ist, dass die Verteidigung der Rechte der Frauen in einem Land, indem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt ist und von der traditionellen Stammeskultur bestimmt ist, nur eingeschränkt möglich sei bzw. staatliche Akteuere nicht gewillt seien die Rechte der Frauen zu schützen, Richter durch die Gemeinschaft unter Druck gesetzt werden würden Täter freizulassen, so übersieht das BFA, dass dieses bei offensichtlichen Zweifeln der Aussagen der BF 1 an dieser Situation aufgrund seiner Ermittlungspflicht noch entsprechende Nachforschungen und Nachfragen in Verfahren zu tätigen gehabt hätte.
Bereits im erstinstanzlichen Verfahren ist zu ermitteln und festzuhalten, inwieweit aus insbesondere solcherart Aussagen, aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes und eines Ausbildungswunsches eine verfahrensrelevante fundierte westliche Gesinnung oder ein relevanter westlicher Lebensstil abzuleiten ist. Das Unterlassen jeglicher weiterer hierauf bezogenen Abklärungstätigkeit stellt im gegenständlichen Verfahren einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Das BFA wird somit die oben angeführten Ermittlungen nachzuholen haben.
Die Vornahme solcherart verfahrenswesentlicher Abklärungen kann nicht gänzlich zur erstmaligen bzw. vollständigen Ermittlung im Beschwerdeverfahren an das BVwG delegiert werden. Eine solcherart gänzliche erstmalige Vornahme in den angeführten Punkten verfahrenswesentlich durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine solcherart auch darauf aufbauende erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann jedenfalls nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dies insbesondere auch unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und eine sämtliche verfahrensrelevanten Aspekte abdeckende Prüfung des Antrages nicht erst beim BVwG beginnen und zugleich enden soll.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteiverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes- nicht ersichtlich.
Da der maßgebliche Sachverhalt in den gegenständlichen Verfahren somit nach wie vor in verfahrensrelevant wesentlichen Punkten nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen den Anträgen der Beschwerdeführer die angefochtenen Bescheide zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen stattzugeben.
Auf Grundlage der neuen Ermittlungsergebnisse wird das BFA nach Vornahme von entsprechenden Abklärungen und unter Zugrundelegung von aktuellen, die oben angeführten Punkte abklärenden Länderfeststellungen, neue Bescheide zu erlassen haben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil der gegenständliche Fall rein tatsachenlastig ist und keinerlei Rechtsfragen - schon gar nicht von grundsätzlicher Bedeutung - aufwirft. Der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass die Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG in ihrem Kernbereich auf § 28 Abs. 3 VwGVG anzuwenden ist und diesbezüglich seit jeher Einheitlichkeit gegeben ist.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W240.2198903.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.12.2018