TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/2 W169 2107333-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W169 2107333-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Nepal, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.04.2015, Zl. 831341410-2373687, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.04.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und der Beschwerdeführerin gemäß §§ 58 Abs. 2 iVm 55 Abs. 2 AsylG idgF ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" erteilt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Gang des Verfahrens:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige aus Nepal, reiste mit ihrem damaligen Ehegatten, XXXX, illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 20.10.2006 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.07.2007, Zl. 06 11.221-BAG, bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und sowie bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal abgewiesen wurde. Zudem wurde die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nepal ausgewiesen.

Die Anträge ihres damaligen Ehegatten und des gemeinsamen, am 20.09.2008 in Österreich geborenen Sohnes, XXXX, wurden vom Bundesasylamt ebenfalls negativ entschieden und wurden beide nach Nepal ausgewiesen.

Mit Verfahrensanordnungen des Asylgerichtshofes vom 15.12.2010, Zlen. C17 713.645-1/2008/9E und C17 402.643-1/2008/8E, wurden die Anträge der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes auf internationalen Schutz gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 als gegenstandslos abgelegt, zumal die Beschwerdeführerin und ihr Sohn freiwillig, unter Gewährung von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet ausgereist und nach Nepal zurückgekehrt sind.

2. Nach erneuter illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte die Beschwerdeführerin am 17.09.2013 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie im Oktober 2010 freiwillig nach Nepal zurückgekehrt sei und sich die ganze Zeit bis Juni 2013 in Kathmandu aufgehalten habe. Weiters gab die Beschwerdeführerin an, dass es die alten Fluchtgründe nicht mehr gäbe, sie aber neue Fluchtgründe habe. Nach ihrer Rückehr im Jahr 2010 habe sie nicht mehr zu ihrer Familie fahren können, weil diese gegen die Beziehung zu ihrem Exmann gewesen sei. Sie hätten damals heimlich geheiratet und ihre Familie habe von der Heirat erst im Nachhinein erfahren. Ihr Exmann habe zu ihr gesagt, dass sie bei seiner Familie in XXXX in Nepal wohnen könne. Sie habe dort ca. drei Wochen gewohnt; danach sei sie misshandelt, ausgestoßen und aus dem Haus "geschmissen" worden. Dies deshalb, zumal ihr Exmann wieder geheiratet habe und er mit seiner jetzigen Frau auf Besuch hätte kommen wollen. Ihr Exmann habe ihr vorgeworfen, dass das gemeinsame Kind nicht von ihm sei. Somit habe sie mit ihrem Kind das Haus der Eltern ihres Exmannes verlassen müssen und habe in einem Büro gearbeitet. Dort sei sie von ihrem Chef sexuell belästigt worden. Danach sei sie in ein anderes Dorf gegangen, wo sie auch von der Familie ihres Exmannes und von unbekannten Männern bedroht worden sei. Man habe ihr gedroht sie umzubringen, wenn sie das Dorf nicht verlassen würde. Da sie nirgends hätte hingehen können, sei sie erneut geflüchtet. Ihr Kind habe sie bei ihrer Mutter gelassen. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst um ihr Leben und das Leben ihres Kindes.

3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 16.09.2014 führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie gesund sei und keine Medikamente nehmen müsse. Sie sei geschieden, ihr Exgatte lebe in Österreich und habe eine Österreicherin geheiratet. Sie habe einen Sohn, welcher in Nepal bei ihrer Mutter lebe. Ihr Exgatte habe keinen Kontakt zu ihrem Sohn. Sie selbst habe regelmäßigen Kontakt zu ihrem Sohn, sie rufe ihn einmal in der Woche an. In Nepal würde ihre Mutter leben. Sie sei Hausfrau und lebe von den Pachterlösen aus der Landwirtschaft. Wo sich ihr Vater aufhalte, wisse sie nicht. Weiters lebe ein Bruder in Nepal, eine Schwester in England und ein Bruder in Österreich. Der Bruder in Nepal betreibe ein eigenes Restaurant. Nach ihrer Rückkehr aus Österreich habe sie bei der Familie ihres Exgatten gelebt, und zwar so lange, bis sie von dieser bzw. den Dorfbewohnern "rausgeworfen" worden sei. Dies deshalb, da ihr Exgatte mit seiner neuen Frau nach Nepal zurückgekehrt sei. Nach ihrer Rückkehr von Österreich nach Nepal habe sie nicht gearbeitet, die Familie ihres Exgatten habe sie versorgt. In Nepal habe sie keine Probleme mit den Behörden, Gerichten oder Sicherheitsbehörden gehabt. Sie stelle einen neuen Asylantrag, da ihr Leben und ihre Sicherheit in Nepal gefährdet gewesen sei. Die Familie ihres Exgatten hätte Leute geschickt, um sie umzubringen. Dies deshalb, weil sie gefürchtet hätte, dass ihr Kind irgendwann einen Anspruch auf seinen Erbanteil stellen werde. Nach Aufforderung, die Situation konkret zu schildern, wie sie bedroht worden sei, führte die Beschwerdeführerin an: "Nach meiner Rückkehr nach Nepal war die Familie meines Exgatten zuerst sehr nett zu mir. Nach einiger Zeit haben sie angefangen mich zu schlagen. Ich weiß nicht, was mein Exgatte ihnen damals am Telefon erzählt hat, dass sie mich danach aus dem Haus rausgeworfen und die Leute engagiert haben, die mich umbringen sollten." Ihre Schwiegereltern hätten ihr persönlich gesagt, dass sie sie umbringen würden, zumal sie Angst hätten, dass sie Anspruch auf ihre Immobilien stellen könnte. Auf die Frage, warum sie dann bei dieser Familie gewohnt habe, gab die Beschwerdeführerin an: "Wo hätte ich mich sonst aufhalten sollen?"

Auf die Frage, warum sie nicht bei ihrer Mutter gelebt habe, führte die Beschwerdeführerin aus, dass dies in ihrer Kultur nicht üblich sei; nach der Heirat würden die Mädchen bei den Schwiegereltern bleiben. Auch sei sie von den Dorfbewohnern geschlagen worden. Auf die Frage, warum sie ihren Sohn in Nepal zurückgelassen habe, wenn die Familie des Exgatten Angst davor habe, dass ihr Sohn Anspruch auf seinen Anteil stellen könnte, gab die Beschwerdeführerin an, dass ihre Mutter sehr weit weg wohne und sie nach Österreich gekommen sei, um ihren Sohn nachzuholen. Auf die Frage, warum sie dann nicht zu ihrer Mutter gezogen sei, gab die Beschwerdeführerin an: "Ich bin dort eine verheiratete Frau und als solche kann ich dort nicht bei meiner Mutter leben. Das wird dort nicht akzeptiert."

Ihre Mutter sei in den Nachbarort gezogen, welcher ca. einen Kilometer vom Heimatort entfernt sei. Weiters führte die Beschwerdeführerin an, dass sie sich vier Monate vor ihrer Ausreise in Kathmandu aufgehalten habe. Sie habe dort Arbeit gefunden. Sie habe als Rezeptionistin gearbeitet. Sie sei aber von ihrem Arbeitgeber "begrapscht" worden. Eine Anzeige habe sie nicht erstattet. Daraufhin habe sie beschlossen, das Land zu verlassen. Sie habe nicht versucht, eine andere Arbeitsstelle zu erlangen. Erneut aufgefordert, konkret darzulegen, zu welchen Zeitpunkten sie welcher Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, führte die Beschwerdeführerin an, dass sie von der Familie ihres Exgatten bedroht worden sei. Sie habe mit den Exschwiegereltern in Dorf XXXX gelebt. Nachdem sie aus dem Haus geworfen worden sei, sei sie mit ihrem Sohn nach Sinja gezogen. Die Schwiegereltern hätten aber Leute dorthin geschickt, die Steine auf ihr Fenster geworfen hätten. Darüber hinaus hätte der Cousin ihres Exgatten sie telefonisch mit dem Umbringen bedroht. Diese Vorfälle habe sie nicht zur Anzeige gebracht. Sie hätten ihr gesagt, wenn sie irgendetwas gegen sie unternehmen würde, würden sie ihren Sohn oder sie "lebendig in der Erde eingraben". Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst um ihr Leben. Sie gehöre zur Volksgruppe der Brahmin (höchste indische Kaste) an. In dieser Kaste würden nur arrangierte Ehen akzeptiert werden. Da sie aus Liebe geheiratet habe, sei sie von ihrer Familie verstoßen worden. Die Frage, ob sie von ihrer Familie mit irgendeiner Unterstützung rechnen könne, verneinte die Beschwerdeführerin und führte aus, dass ihre Mutter schon eine ältere Frau sein. Bei einer Rückkehr hätte sie in Nepal nicht einmal eine Unterkunft.

4. Am 01.10.2014 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin ein, in welcher er die erneute Einvernahme der Beschwerdeführerin beantragte und darüber hinaus den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür stellte, dass die Beschwerdeführerin als geschiedene Alleinerzieherin aus der Kaste der Brahmanen auf Grund ihrer familiären Gegebenheiten in Nepal zusammen mit ihrem minderjährigen Sohn keinerlei Fortkommen fände und in eine ausweglose und existenzbedrohende Notlage geraten würde.

5. Am 30.10.2014 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Anfrage an die Staatendokumentation hinsichtlich der Lage und des Ansehens von geschiedenen Frauen mit Kind, die mit einem Mann einer niedrigeren Kaste verheiratet gewesen waren, hinsichtlich der Frage der staatlichen oder sonstigen Unterstützungen für geschiedene Frauen mit Kind und ihrer Situation am Arbeitsmarkt, ob geschiedene Frauen von ihren Familien verstoßen werden, wenn sie gegen den Willen ihrer Familie geheiratet hätten, sowie hinsichtlich des Schutzes der Sicherheitsbehörde von (geschiedenen) Frauen vor Übergriffen.

6. Am 12.12.2014 langte eine diesbezügliche Anfragebeantwortung der Staatendokumentation beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

7. Am 12.03.2015 wurde die Beschwerdeführerin neuerlich vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, wobei die Beschwerdeführerin nach Wiederholung der bisher getätigten Angaben ausführte, dass sie im Heimatland fünf Jahre die Volksschule und fünf Jahre die Mittelschule besucht und in Kathmandu an der Rezeption gearbeitet habe. In Österreich sei sie als Marktfahrerin tätig, sie verkaufe Kleidung am Viktor-Adler-Markt. Sie lebe in Österreich mit ihrem Bruder zusammen. Sie sei jedoch nicht von ihm abhängig und verdiene ihr eigenes Geld. Sie habe bereits einen A1-Deutschkurs absolviert. Vorige Woche habe sie die A2-Prüfung gemacht, das Zeugnis werde sie nachreichen. Sie habe keine österreichischen Freunde. Sie sei Mitglied im Volksgruppenverein "Nesas" und im Verein der im Ausland lebenden Nepalesen. Im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland habe sie Angst, von der Familie ihres Exmannes umgebracht zu werden. Ihre Schwiegereltern würden ihre Besitztümer nicht ihrem Enkel geben wollen. Sie sei schon einmal nach Nepal zurückgekehrt und habe 14 Tage bei ihren Schwiegereltern gewohnt. Sie sei bedroht worden und anschließend sei jemand engagiert worden, um sie zu schlagen. Die Schwiegereltern hätten ihren Sohn gar nicht als Enkel anerkannt. Ihr Exmann habe hier in Österreich wieder geheiratet und mit der neuen Frau zurück nach Nepal wollen. Als er erfahren habe, dass sie bei den Schwiegereltern wohne, habe er versucht, sie mit Hilfe eines Cousins und dessen Freunde "rauszuschmeißen". In Nepal sei es so, dass eine Frau nach der Heirat bei den Schwiegereltern wohne. Weiters führte die Beschwerdeführerin an, dass sie Ende Mai 2013 in Kathmandu an der Rezeption in einem Gasthaus zu arbeiten begonnen habe. Nach einem Monat sei sie von ihrem Arbeitgeber vergewaltigt worden. Als alleinstehende Frau habe sie das niemandem sagen können und sei auch deswegen nicht bei der Polizei gewesen. Anschließend sei sie nicht mehr zur Arbeit gegangen und habe versucht, nach Österreich zu kommen. Auch habe sie ihrem Bruder nichts von diesem Vorfall erzählt. Sie hoffe, dass sie in Österreich bleiben und ihr Kind nachholen könne.

Im Rahmen der Einvernahme legte die Beschwerdeführerin einen Auszug aus dem Gewerberegister vom 26.01.2015 sowie das A1-Prüfungszeugnis vor.

8. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nepal (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Der Beschwerdeführerin wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.).

9. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben und ist den beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesamtes für Fremdenwesen substantiiert entgegengetreten. Nach Wiederholung des Fluchtvorbringens wurde die ergänzende Einvernahme der Beschwerdeführerin sowie ein psychologisches Gutachten hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin erlittenen Vergewaltigung beantragt.

10. Am 17.05.2018 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin dem Bundesverwaltungsgericht einen aktuellen Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria betreffend die Beschwerdeführerin, sowie Unterstützungserklärungen.

11. Am 11.04.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher die Beschwerdeführerin und ihr rechtsfreundlicher Vertreter teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist bei der Verhandlung nicht erschienen. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde die Beschwerdeführerin ausführlich zu ihren Fluchtgründen, ihren Rückkehrbefürchtungen sowie ihren Integrationsbemühungen in Österreich befragt (siehe Verhandlungsprotokoll OZ 7Z). Im Rahmen der Verhandlung legte die Beschwerdeführerin ihr A1-Diplom vom 12.12.2014, ein Zertifikat über die nichtbestandene B1-Prüfung, ihre E-Card, eine Mietvereinbarung mit Einzahlungsbestätigung, die Aufenthaltskarte des Sohnes der Beschwerdeführerin, eine Schulbesuchsbestätigung vom 06.03.2018, ZMR Auszug des Sohnes der Beschwerdeführerin sowie Einkommensteuerbescheide der Beschwerdeführerin aus den Jahren 2015 und 2016 vor.

Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nepal vom 27.03.2018 zur Abgabe einer Stellungnahme ausgehändigt und dem rechtsfreundlichen Vertreter mitgeteilt, dass eine neuerliche Anfrage an ACCORD bezüglich der Situation von alleinstehenden Frauen gestellt wurde und nach Einlangen der diesbezüglichen Anfragebeantwortung diese dem rechtsfreundlichen Vertreter zur Stellungnahme übermittelt werde.

12. Am 17.05.2018 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin einen Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria vom 15.01.2018 betreffend die Beschwerdeführerin, ein Empfehlungsschreiben vom 07.05.2018, eine Kopie des Reisepasses des österreichischen Lebensgefährten der Beschwerdeführerin und eine Unterschriftenliste.

13. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.06.2018 wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin die aktuelle Anfragebeantwortung von ACCORD vom 15.05.2018, sowie die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 03.05.2018 (Nepal, Lage der Frauen, NGO¿s in Kathmandu) und vom 13.04.2017 zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme übermittelt.

14. Am 28.06.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine diesbezügliche Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerin ein. Darin wurde ausgeführt, dass die übermittelten Länderberichte zur Kenntnis genommen werden. Es sei durchwegs von einer schwierigen ökonomischen Lage und von häuslicher Gewalt gegenüber alleinstehenden Frauen auszugehen. Die Beschwerdeführerin lebe mit ihrem aufenthaltsberechtigten minderjährigen Kind im gemeinsamen Haushalt, genauso mit dem aufenthaltsberechtigten Lebensgefährten. Die Beschwerdeführerin sei seit Jahren selbsterhaltungsfähig und aus eigenen Mitteln krankenversichert. Zumal sie formell nicht das Sorgerecht über den Sohn habe, müsste sie sich bei einer Ausreise von ihrem Sohn trennen. Der Kindesvater würde einer Rückkehr des Sohnes nicht zustimmen. Gleichzeitig kümmere sich der Kindesvater - wie in der Verhandlung glaubwürdig geäußert - nicht um seinen Sohn.

15. Am 13.09.2018 langten beim Bundesverwaltungsgericht weitere Unterlagen ein (Mietvertrag des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin vom 10.08.2018, Meldebestätgiungen der Beschwerdeführerin, ihres Sohnes und des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nepal. Sie wurde im Dorf Charpani, im Bezirk Jhaba, geboren, und lebte mit ihren Eltern bis zu ihrem 14. Lebensjahr im Elternhaus. Mit 14 Jahren zog sie zu ihrer Schwester nach Kathmandu und besuchte dort weiter die Schule (insgesamt zehn Jahre). Für den Lebensunterhalt in Kathmandu sorgte der Vater der Beschwerdeführerin, welcher als Landvermesser arbeitete. Nach Beendigung der Schule heiratete die Beschwerdeführerin und lebte mit ihrem Ehegatten weiter in Kathmandu; ihr damaliger Ehegatte arbeitete dort als Tanzlehrer. Danach zog sie mit ihrem damaligen Ehegatten zu ihrer Schwiegermutter nach XXXX, wo sie drei bis vier Monate lebte. Anschließend ging sie mit ihren damaligen Ehegatten wieder nach Kathmandu, wo sie für ein Jahr lebten und ihr Mann wieder als Tanzlehrer arbeitete. Die Beschwerdeführerin ging dort keiner Arbeit nach. Im Jahr 2006 reiste die Beschwerdeführerin mit ihrem damaligen Ehegatten erstmals nach Österreich, wo beide einen Asylantrag stellten. Der erste Asylantrag der Beschwerdeführerin (und des damaligen Ehegatten) wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.07.2007 negativ entschieden und wurde die Ausweisung der Beschwerdeführerin nach Nepal verfügt. Am 20.09.2008 wurde der gemeinsame Sohn der Beschwerdeführerin und ihres damaligen Ehegatten, XXXX, in Österreich geboren. Auch sein Asylantrag wurde vom Bundesasylamt negativ entschieden und wurde er ebenfalls nach Nepal ausgewiesen.

Mit Verfahrensanordnungen des Asylgerichtshofes vom 15.02.2010 wurden die Anträge der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes als gegenstandslos abgelegt, da beide am 02.12.2010 freiwillig nach Nepal zurückgekehrt sind.

Wo die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn nach der Rückkehr aus Österreich im Jahr 2010 bis zur neuerlichen Ausreise im Jahr 2013 in Nepal lebte, kann nicht festgestellt werden. Im Juni 2013 verließ die Beschwerdeführerin ohne ihren Sohn Nepal und reiste erneut illegal in das Bundesgebiet ein, wo sie ihren zweiten, den gegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Die Beschwerdeführerin hatte nach ihrer Rückkehr von Österreich nach Nepal im Jahr 2010 keine Probleme mit den Behörden in Nepal, sowie auch keine Probleme auf Grund ihrer Rasse, Religion oder Ethnie. Die Fluchtgründe der Beschwerdeführerin nach ihrer Rückkehr nach Nepal im Jahr 2010 sind nicht glaubwürdig und werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt.

Im Heimatdorf leben im Elternhaus die Mutter und der Vater der Beschwerdeführerin. Im selben Dorf lebt auch ein Bruder der Beschwerdeführerin mit seiner Ehegattin, welcher ein Restaurant betreibt. Die Eltern der Beschwerdeführerin besitzen eine Landwirtschaft und leben von den Erträgen. Weiters leben in Nepal eine Cousine der Beschwerdeführerin und ihre Ex-Schwiegereltern. Die Beschwerdeführerin hat Kontakt zu ihrer Mutter und ihrem Bruder in Nepal. Eine Schwester der Beschwerdeführerin lebt mit ihrem Ehegatten in England. Der Ehegatte der Schwester der Beschwerdeführerin arbeitet bei der Post.

Im Falle einer Rückkehr nach Nepal könnte die Beschwerdeführerin, eine junge, arbeitsfähige und gesunde Frau wieder in ihrem Heimatdorf bei ihren Eltern bzw. bei ihrem Bruder wohnen und von diesen auch finanziell unterstützt werden. Darüber hinaus könnte die Beschwerdeführerin im Restaurant des Bruders mitarbeiten bzw. auch eine Unterstützung seitens ihrer in England lebenden Schwester erhalten. Durch die Abschiebung der Beschwerdeführerin in ihren Heimatstaat würde diese somit - unter Beachtung der Lage im Herkunftsstaat und ihrer individuellen Situation - nicht in ihren Rechten gemäß Artikel 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt oder würde diese für sie als Zivilperson nicht eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen.

Die Beschwerdeführerin wurde am 14.10.2010 von ihrem Ehegatten in Österreich geschieden. Der Exgatte der Beschwerdeführerin heiratete erneut im Bundesgebiet (eine Österreicherin) und lebt mit dieser im gemeinsamen Haushalt.

Die Beschwerdeführerin lebt in Österreich mit ihrem Sohn, welcher über einen Aufenthaltstitel verfügt, und ihrem österreichischen Lebensgefährten im gemeinsamen Haushalt. Sie besitzt seit 2014 eine Gewerbeberechtigung als Marktfahrerin, betreibt einen eigenen Marktstand in Wien und kann somit für ihren Lebensunterhalt und den ihres Sohnes sorgen. Der Exmann der Beschwerdeführerin zahlt keinen Unterhalt für den gemeinsamen Sohn. Seit Juli 2016 hat der Exgatte die Obsorge für den gemeinsamen Sohn. Dieser hat wenig Kontakt zum gemeinsamen Sohn. Die Beschwerdeführerin spricht sehr gut Deutsch, hat mehrere Deutschkurse besucht, besitzt das A1-Diplom und ist Mitglied in einem nepalesischen Verein in Österreich. Sie verfügt über einen österreichischen Freundeskreis, ist gesund, strafgerichtlich unbescholten und nimmt keine Leistungen von der Grundversorgung in Anspruch. Sie ist selbsterhaltungsfähig.

Ein weiterer Bruder der Beschwerdeführerin, Herr XXXX, lebt in Wien. Dessen Asylantrag wurde ebenfalls negativ entschieden und seine Ausweisung nach Nepal verfügt. Dieser Bruder stellte am 24.09.2014 einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel in Österreich, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.06.2018 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde ist beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Politische Lage

Nepal hat ca. 147.181 km² Fläche und ca. 29,5 Mio. Einwohner. Die Hauptlandessprache ist Nepalesisch (AA 2.2018). Regierungsform ist eine parlamentarische Mehrparteien-Demokratie, die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996-2006) entstand. Staatsoberhaupt ist seit 28.10.2015 die Präsidentin Bidya Devi Bhandari (AA 2.2018; vgl. AA 3.2018).

Nepal war 240 Jahre lang ein hinduistisches Königreich. Die ersten freien Parlamentswahlen im Mai 1991 gelten als Geburtsstunde der parlamentarischen Demokratie in Nepal. Die oftmals rasch wechselnden Koalitions- und Minderheitsregierungen konnten die Erwartungen der breiten Bevölkerung jedoch nicht erfüllen. Der Unmut führte schließlich im Februar 1996 zur Aufnahme des bewaffneten Kampfes der maoistischen Rebellenbewegung unter Führung der Unified Communist Party of Nepal (UCPN-M) gegen das bestehende politische System mit dem Ziel der Etablierung einer Volksrepublik. Der Konflikt zwischen Sicherheitskräften und Maoisten eskalierte nach 1999 landesweit und forderte im Verlauf von zehn Jahren rund 13.000 Todesopfer auf beiden Seiten. Mehr als 1.200 Menschen gelten noch immer als vermisst. Die nach dem zehnjährigen Bürgerkrieg (1996 - 2006) Anfang April 2008 gewählte erste verfassungsgebende Versammlung erklärte in ihrer konstituierenden Sitzung Nepal zur Demokratischen Bundesrepublik. Die zweite verfassungsgebende Versammlung wurde in allgemeinen Wahlen am 19.11.2013 gewählt. Die endgültige Staatsform, das Regierungs- und Wahlsystem sowie die künftige föderale Gliederung (sieben Provinzen) regelt die neue Verfassung, die am 16.9.2015 durch die verfassungsgebende Versammlung verabschiedet und am 20.9.2015 verkündet wurde. Mit Verkündung der Verfassung hatte sich die verfassungsgebende Versammlung aufgelöst. Die Funktion übernahm in Folge das Parlament. Das Parlament und die sieben neu eingerichteten Provinzparlamente sind am 7.12.2017 gewählt worden (AA 3.2018).

In den im November und Dezember 2017 abgehaltenen Parlaments- und Provinzwahlen erhielten die Vereinte Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (CPN-UML) und ihr Bündnispartner, die Kommunistisch-Maoistische Zentrumspartei (CPN-MC), 121 bzw. 53 Sitze im Unterhaus, das über 275 Sitze verfügt. Bei der bislang stärksten Partei Nepali Congress (NC) verfehlten dagegen viele Politiker den Wiedereinzug ins Parlament. In der südlichen Provinz Nr. 2 erhielten zwei Parteien, die die Minderheit der Madhesi vertreten, eine parlamentarische Mehrheit. Das linke Bündnis der Kommunisten verstärkte seine Position noch, indem es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat erhielt. Die CPN-UML und die CPN-MC gewannen dort 27 bzw. 12 Sitze von insgesamt 59. Nach dem überwältigenden Wahlsieg des linken Bündnisses hat der Führer der CPN-UML Khadga Prasad Sharma Oli das Amt des Premierministers Nepals als Nachfolger von Sher Bahadur Deuba angetreten.

Die verfassungsmäßigen Vorschriften und neuen Mehrheitsverhältnisse machen es wahrscheinlich, dass Nepal, anders als in der Vergangenheit, von Premierministern regiert wird, die mehrere Jahre im Amt bleiben werden. Nach den erfolgreichen Wahlen sind jetzt auf der Gemeinde-, der Provinz- und der Bundesebene gewählte Volksvertreter dabei, die Exekutive zu kontrollieren (GIZ 3.2018b; vgl. DS 14.2.2018).

Auf nationaler Ebene wird Nepal ein Bestehen von demokratischen Institutionen attestiert. Doch sind diese instabil, etwas umstritten und wegen fortwährender politischer Kontroversen wenig effektiv (BTI 2018). Diese ersten nationalen, regionalen und lokalen Wahlen, welche unter einer neuen Verfassung mit einer hohen Wahlbeteiligung stattfanden, bedeuten trotz einiger Gewaltmeldungen einen Aufwärtstrend für Nepal (FH 2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2018): Nepal, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepal/221214, Zugriff 5.3.2018

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2018): Nepal - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/-/221262, Zugriff 26.3.2018

-

BTI - Bertelsmann Stiftung¿s Transformation Index (2018): Nepal Country Report,

http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

-

DS - Der Standard (15.2.2018): Marxist als neuer Ministerpräsident in Nepal vereidigt,

https://derstandard.at/2000074349937/Marxist-als-neuer-Ministerpraesident-in-Nepal-vereidigt, Zugriff 5.3.2018

-

FH - Freedom House (2018): Freedom in the World 2018, Nepal, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/nepal, Zugriff 26.3.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018b): Nepal - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 5.3.2018

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage bleibt vor allem in urbanen Zentren wie Kathmandu und Pokhara angespannt. Unruhen, Streiks und Anschläge sind zu keiner Zeit auszuschließen (BMEIA 28.3.2018). Nepal befindet sich in einer politischen Übergangsphase. Seit Inkrafttreten der Verfassung am 20.9.2015 haben sich die politischen Spannungen erhöht, da sie nicht von allen politischen Parteien und Gesellschaftsgruppen akzeptiert wird. Zwischen Herbst 2015 und Frühjahr 2016 führten zahlreiche Proteste und Generalstreiks auf nationaler, regionaler und Distrikt-Ebene zu mehrmonatigen Versorgungsengpässen; vor allem die Treibstoffversorgung war stark eingeschränkt. Erneute Ereignisse dieser Art sind jederzeit möglich. Im ganzen Land, einschließlich Kathmandu, werden sporadisch Anschläge mit kleineren Sprengsätzen verübt. Sie haben vereinzelte Todesopfer und Verletzte sowie Sachschaden verursacht (EDA 18.12.2017). Im jetzigen politischen Umfeld kommt es in Nepal nur noch gelegentlich zu kurzfristig ausgerufenen "Bandhs" (Zwangsstreiks jedweder Art, auch im Kathmandu-Tal, mit Blockaden/Straßensperren); manchmal werden diese auch gewaltsam durchgesetzt. Letzteres gilt auch für sog. Transportstreiks. Nach den bisherigen Erfahrungen können diese Protestaktionen das öffentliche Leben empfindlich stören. Besonders im Terai ist mit Protestaktionen und gewaltsamen, unter Umständen gefährlichen Auseinandersetzungen zu rechnen (AA 20.3.2018).

Kriminelle Organisationen und andere Gruppierungen erpressen in vielen Landesteilen nationale und internationale Organisationen, Geschäftsleute und Einzelpersonen und setzen Forderungen teilweise mit Gewalt durch. Auf Grund der politischen Instabilität und der Unzuverlässigkeit des Rechtssystems ist eine steigende Gewaltbereitschaft und Kriminalität im ganzen Land feststellbar (AA 20.3.2018).

Bedenken bestehen hinsichtlich Aktivitäten von indischen Grenzsicherheitskräften, welche außerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche agieren. Darüber hinaus sollen chinesische Grenztruppen an der nördlichen Grenze zur Autonomen Region Tibet gelegentlich auf nepalesischem Territorium operieren (BTI 2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (20.3.2018): Nepal - Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216, Zugriff 26.3.2018

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (28.12.2017): Reiseinformation - Nepal, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nepal/, Zugriff 5.3.2018

-

BTI - Bertelsmann Stiftung¿s Transformation Index (2018): Nepal Country Report,

http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (18.12.2017): Reishinweise für Nepal, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/nepal/reisehinweise-nepal.html, Zugriff 5.3.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Gerichtsbarkeit ist unabhängig und gemäß internationalen Maßstäben des Rechtsdenkens ausgerichtet. Das Justizwesen ist jedoch anfällig für politischen Druck, Bestechung und Drohungen. Das Gerichtswesen ist dreistufig: an der Spitze steht der Oberste Gerichtshof, darunter rangieren Berufungs- und Distriktgerichte. Der Oberste Gerichtshof ist für die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zuständig (GIZ 3.2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Durch den Obersten Gerichtshof wurden mehrere politische Führer wegen Korruption anklagt und mutige Entscheidungen mit Bezug auf Übergangsjustiz, Staatsbürgerschaft und Quoten getroffen (BTI 2018).

Die Behörden setzen Gerichtsbeschlüsse, einschließlich Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, nicht konsequent um. Der Respekt für die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen und das Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane sind erodiert. Die formelle Justiz ist in Nepal für Konfliktparteien oft kaum erreichbar, unzuverlässig und zu teuer. Die weit verbreitete Korruption der Polizeibehörden und der Staatsverwaltung trägt dazu bei, dass die Bevölkerung kein Vertrauen in die bestehenden Rechtsorgane setzt (GIZ 3.2018; vgl. USDOS 3.3.2017).

Unsichere Eigentumsrechte stellen für Einkommensschwache ein besonderes Problem dar, da es diesem Personenkreis oft an einer geeigneten Dokumentation mangelt, um einen Anspruch auf Grund und Boden bei der Verwaltung und bei örtlichen Gerichten durchzusetzen (BTI 2018).

Bei der Umsetzung und Mittelausstattung für die beiden Übergangsmechanismen der Justiz, der Wahrheitskommission (Truth and Reconciliation Commission - TRC) und der Untersuchungskommission für Verschwindenlassen / verschwundene Personen (Commission on the Investigation of Enforced Disappeared Persons - CIEDP), kommt es zu Verzögerungen. Während der Konfliktzeit begangene Verbrechen werden nur ungenügend strafverfolgt (USDOS 3.3.2017).

Die Regierung hat das vom Obersten Gerichtshof in den Jahren 2014 und 2015 angeordnete Gesetz zur Untersuchung von Fällen verschwundener Personen, Wahrheit und Versöhnung nicht abgeändert. Bis Ende des Jahres hatten die TRC und die CIEDP über 60.000 bzw. 3.000 Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen wie Mord, Folter und Verschwindenlassen durch staatliche Sicherheitskräfte und Maoisten während des Konflikts von 1996 bis 2006 gesammelt. Effektive Untersuchungen fanden nicht statt. Ein akuter Mangel an Ressourcen und Kapazitäten beeinträchtigt die Fähigkeit der beiden Organe, Aufklärung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu erbringen (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 6.3.2018

-

BTI - Bertelsmann Stiftung¿s Transformation Index (2018): Nepal Country Report,

http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018): Nepal - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 5.3.2018

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,

https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2018

Sicherheitsbehörden

Die Aufgabe der Nepal Police (NP) ist die Durchsetzung von Recht und Ordnung, während die Armed Police Force (APF) für die Terrorismusbekämpfung, für die Gewährleistung der Sicherheit während Ausschreitungen und öffentlichen Unruhen, für die Unterstützung bei Naturkatastrophen und für den Schutz wichtiger Infrastruktur zuständig ist. NP und APF können Fahndungs- und Haftbefehle ohne gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Überprüfung erlassen. Beide Einheiten verfügen, genauso wie die Armee (Nepal Army - NA), über eine Menschenrechtskommission, aber nur die Kommissionen von NP und NA verfügen über unabhängige Ermittlungsbefugnisse. Alle Sicherheitskräfte erhalten eine Menschenrechtsschulung. Von der NP wurde festgestellt, dass die Missbrauchsvorwürfe bezüglich der Zeit des Bürgerkriegs durch die Truth and Reconciliation Commission (TRC) behandelt werden sollten. Die Menschenrechtskommission der Nepal Police berichtete zwischen Juli 2015 und Juli 2016 über drei Beschwerden, die sich alle auf Foltervorwürfe bezogen und zur Bestrafung von zehn Polizeibeamten führten. Sieben Offiziere erhielten offizielle Rügen und drei wurden nicht befördert. Zusätzlich rügte die nepalesische Polizei in drei Folterfälle aus dem abgelaufenen Jahr fünf Beamte und mahnte einen anderen Beamten ab. Die NGO Terai Human Rights Defenders Alliance (THRDA) und das Advocacy Forum (AF) berichten jedoch unabhängig voneinander, dass sie seit August 2016 mehrere Beschwerden wegen Polizeigewalt bei den Bezirksgerichten einreichten, die alle noch anhängig sind. AF informiert weiters, dass es keine Beschwerden mehr an die Menschenrechtskommission der NP richtet, da diese auf keine der über 100 Beschwerden, welche AF seit 2010 eingereicht hat, reagiert hat. Die Polizeikorruption, vor allem bei unterbezahlten niederen Polizeibeamten, und die mangelhafte Bestrafung polizeilichen Missbrauchs bleiben weiterhin Probleme (USDOS 3.3.2017).

Bemühungen, die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen zu gewährleisten, werden weiterhin dadurch stark untergraben, dass die Polizei die zur Einleitung von Ermittlungen erforderlichen Berichte (First Information Reports) nicht anfertigt, keine Untersuchungen einleitet und gerichtliche Anweisungen nicht befolgt. Dies gilt selbst in Fällen von mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen, Menschenhandel, geschlechtsspezifischer Gewalt sowie von Folter und anderen Misshandlungen (AI 24.2.2016).

Angebliche unangemessene Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte bei den Protesten zwischen August 2015 und Februar 2016 - besonders in der Region Terai - werden kritisiert und als erhebliches Menschenrechtsproblem betrachtet (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 3.5.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,

https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2018

Allgemeine Menschenrechtslage

Nach dem verheerenden Erdbeben am 25.4.2015 wurde innerhalb weniger Monate eine neue Verfassung verabschiedet, welche im September 2015 in Kraft trat. Sie wies zahlreiche Defizite in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte auf und sah eine föderalistische Staatsstruktur vor, die von den ethnischen Gruppen in der Terai-Region abgelehnt wurde. Der Verfassungsänderung folgten gewalttätige Zusammenstöße zwischen Protestierenden und Polizei - besonders in den Gebieten der Terai, und führte von August 2015 bis Februar 2016 zu zahlreichen Toten (AI 22.2.2017; vgl. AI 24.2.2017, AI 22.2.2018, BTI 2018). Im August 2016 genehmigte jedoch die Regierung die Gründung einer unabhängigen Juristischen Kommission, um Menschenrechtsverletzungen während der Unruhen bezüglich der Verfassungsänderung zu untersuchen. Aber seit September wurde die Arbeit noch nicht aufgenommen (USDOS 3.3.2017).

Durch eine ungleiche Verteilung der Katastrophenhilfe nach dem Erdbeben wurden benachteiligte Gruppen diskriminiert; in allen betroffenen Gebieten kam es zu Verzögerungen beim Wiederaufbau (AI 22.2.2017; vgl. AI 24.2.2017). Hunderttausende Überlebende des Erdbebens von 2015 (fast 70% der Betroffenen) leben noch immer in Notunterkünften. Die Regierung hat einen Nachweis des Grundbesitzes als Bedingung für den Erhalt einer Wiederaufbauförderung festgelegt. Da jedoch bis zu 25% der Bevölkerung dieses Kriterium nicht erfüllt haben, sind zehntausende der Überlebenden des Erdbebens nicht förderfähig. Die Situation betrifft vor allem marginalisierte und benachteiligte Gruppen, darunter Frauen, Dalits, wie auch andere ethnische Minderheiten und Kasten (AI 22.2.2018; vgl. BTI 2018).

Weitere Menschenrechtsprobleme sind die Schikanierung von Medien und die Einschränkung der Presse durch Selbstzensur. Die Regierung begrenzte die Versammlungsfreiheit vor allem in den Gebieten, wo die gewalttätigen Proteste gegen die Verfassungsänderung stattfanden. Die Freiheitsrechte von Flüchtlingen, insbesondere tibetischer Herkunft, wurden teilweise eingeschränkt. Die Staatsbürgerschaftsgesetze und -regelungen sind diskriminierend und tragen zur Entstehung von Staatenlosigkeit bei. Früh- und Zwangsehen sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt gegen Frauen, einschließlich Mitgiftmorde, sind nach wie vor ernste Probleme. Es wird weiterhin über Gewalt gegen Kinder, auch in Waisenhäusern, berichtet; die Vorfälle werden jedoch selten gerichtlich verfolgt. Menschenhandel von Kindern und Erwachsenen zu Zwecken sexueller Ausbeutung kommt häufig vor. Personen mit Behinderung und einige ethnische Minderheiten leiden unter Diskriminierung (USDOS 3.3.2017). Jegliche Diskriminierung auf der Basis der Kastenzugehörigkeit ist von der nepalesischen Verfassung verboten. Trotzdem werden Angehörige "unberührbarer Kasten" (Dalits) vielfach ausgegrenzt (GIZ 3.2018). Die Schikanierung aufgrund von Geschlecht oder Zugehörigkeit zu sexuellen Minderheiten ist nach wie vor verbreitet. Die Arbeitnehmerrechte werden teilweise eingeschränkt. Bei der Bekämpfung von Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft gibt es nur geringe Fortschritte. Trotz Verbots sich diese weiterhin gebräuchlich. Bei der Bekämpfung von Kinderarbeit gibt es moderate Fortschritte (USDOS 3.3.2017).

Menschenrechtsorganisationen in Nepal fordern von der Regierung das Schicksal der im Bürgerkrieg verschwundenen, verschleppten und ermordeten Menschen aufzuklären (GIZ 3.2018). Diesbezüglich wurden bereits die ersten Initiativen ergriffen. Die Untersuchungskommission zum erzwungenen Verschwinden von Personen (Commission of Investigation on Enforced Disappeared Persons - CIEDP), hat eine Gesetzesvorlage erarbeitet, die darauf zielt, Verschwindenlassen unter Strafe zu stellen. Daneben möchte die CIEDP auch solche Fälle untersuchen, in denen die Opfer des Verschwindenlassens auch gefoltert wurden oder anderen Verbrechen ausgesetzt waren. Die o.g. Forderungen wurden jedoch bis jetzt von der Regierung ignoriert. Die Regierung hatte die Kommission gebildet, ohne ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden, das das Verschwindenlassen von Personen kriminalisiert, womit sie Vorgaben des Obersten Gerichts ignorierte, den Transitional Justice Act entsprechend zu überarbeiten. Sie sah sich deshalb dem Vorwurf von Zivilgesellschaft, Menschenrechtsorganisationen und internationaler Gemeinschaft ausgesetzt, eine zahnlose Übergangsjustiz etablieren zu wollen, bei der die schweren Verbrechen aus der Konfliktzeit nicht mehr strafrechtlich aufgearbeitet würden. Laut CIEDP dienen die Maßnahmen der Regierung nur dazu, die Erlassung der erforderlichen Gesetze und die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen verzögern zu können (SAB 1.2016; vgl. THT 26.3.2017).

Bis Juni 2017 erhielt der CIEDP 3.093 Beschwerden über Verschwindenlassen. Eine weitere Aufsichtsbehörde, die Wahrheits- und Versöhnungskommission (Truth and Reconciliation Commission - TRC) nahm trotz fehlender Ressourcen bereits ihre Arbeit auf; sie ist in sieben Provinzen anwesend und bis Juni 2017 erhielt sie 58.000 Beschwerden bezüglich Menschenrechtsverletzungen vor allem aus der Zeit des Bürgerkriegs. Der Vorsitzende der TRC berichtet, dass Gerechtigkeit für die Opfer von außergerichtlicher Tötung, Verschwindenlassen, Vergewaltigung und Folter aufgrund der mangelhaften Gesetzeslage nicht gewährleistet werden kann (THT 8.7.2017).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425587.html, Zugriff 5.3.2018

-

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Nepal, http://www.ecoi.net/local_link/336579/479257_de.html, Zugriff 5.1.2018

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nepal, https://www.ecoi.net/local_link/319778/466805_de.html, Zugriff 5.1.2018

-

BTI - Bertelsmann Stiftung¿s Transformation Index (2018): Nepal Country Report,

http://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/NPL/, Zugriff 26.3.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018): Nepal - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/nepal/geschichte-staat/, Zugriff 5.3.2018

-

SAB - Südasienbüro (1.2016): Nepal: Untersuchungskommission zum erzwungenen Verschwinden von Personen, http://www.suedasienbuero.de/index.php/suedasien-bestellen/99-meldungen/nepal-meldungen/964-1-2016-untersuchungskommission-zum-erzwungenen-verschwinden-von-personen, Zugriff 5.3.2018

-

THT - The Himalaya Times (8.6.2017): Transnational justice bodies await revision of related acts, https://thehimalayantimes.com/kathmandu/transitional-justice-bodies-await-revision-related-acts/, Zugriff 5.3.2017

-

THT - The Himalaya Times (26.3.2017): CIEDP handicapped as legally there's very little it can do,

https://thehimalayantimes.com/nepal/commission-of-investigation-on-enforced-disappeared-persons-handicapped-legally/, Zugriff 5.3.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Nepal,

https://www.ecoi.net/local_link/337161/479925_de.html, Zugriff 5.3.2018

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Frauen, werden im öffentlichen Leben regelmäßig diskriminiert und sind vom Zugang zu Ressourcen und Machtpositionen ausgeschlossen (BTI 2018). Allerdings errangen Frauen bei den Kommunalwahlen aufgrund von Quotenregelungen 41% der Sitze. Höhere Posten bleiben jedoch überwiegend von Männern besetzt. Während die Verfassung ein Drittel der Sitze im Parlament für Frauen vorsieht, waren nur 7% der Direktwahlkandidaten für die Parlamentswahlen Frauen (HRW 2.2018)

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten