Entscheidungsdatum
05.10.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W183 2178347-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER aufgrund der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG) von XXXX, geb. XXXX, StA. Somalia, vertreten durch den RA Edward W. DAIGNEAULT, betreffend den Antrag auf internationalen Schutz vom 20.04.2016, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.08.2018 zu Recht:
A)
I. Der Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.
II. Der Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.
III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.
IV. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wird gegen XXXX eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist.
V. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 20.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.
Ein Sachverständigengutachten betreffend das Alter des BF wurde erstellt (datiert 26.06.2016, AS 103ff.) und ergibt sich daraus der XXXX als fiktives Geburtsdatum. BF behauptete, am XXXX geboren zu sein (AS 1).
Am 18.08.2017 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), der gegenständlich belangten Behörde, eine Beschwerde des BF wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG ein.
Am 04.10.2017 wurde BF von der belangten Behörde zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen. Im behördlichen Verfahren gab BF als Fluchtgrund im Wesentlichen Krieg sowie in der Folge eine Bedrohung durch al Shabaab an.
Im Akt befindet sich die Kopie eines Arztbriefes vom 02.12.2016, worin bei BF psychogene Anfälle bei posttraumatischer Belastungsstörung diagnostiziert wurden. Ein vom BFA beauftragtes neurologisch-psychiatrisches Gutachten (datiert 04.11.2016) kommt zu dem Ergebnis, dass der Verdacht auf psychogene Anfälle und DD Synkope bestehe. Von einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit sei nicht auszugehen. Von einer Verschlechterung sei im Falle einer Abschiebung und einem Verbleib im Herkunftsstaat nicht auszugehen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass BF in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten könnte oder sich die Krankheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtere. BF sei zudem zeitlich, örtlich und situativ orientiert und könne schlüssige, widerspruchsfreie Abgaben tätigen. In einer Einvernahme vor dem BFA am 27.11.2017 wird BF dieses Gutachten zur Kenntnis gebracht und gab BF an, gesund zu sein.
2. Das BFA entschied nicht über den Antrag des BF, sondern legte mit Schriftsatz vom 28.11.2017 (eingelangt am 30.11.2017) die Säumnisbeschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
3. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 16.05.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (dort eingelangt am 22.05.2018).
Das Bundesverwaltungsgericht stellte dem BF mit Beschluss vom 12.06.2018 einen Rechtsberater zur Seite.
4. Mit Schreiben vom 06.08.2018 wurden der BF sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.08.2018 geladen und wurde darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia, Wien am 12.01.2018 (aktualisiert am 03.05.2018)" (in der Folge LIB 2018), dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia-Somaliland (Wien am 12.01.2018, aktualisiert am 03.05.2018)", dem "Fact Finding Mission Report Somalia - Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM (August 2017)", dem Bericht "Focus Somalia - Clans und Minderheiten" des Schweizer Staatssekretariats für Migration vom 31. Mai 2017 sowie der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu "Humanitäre Hilfe, Arbeitsmarkt, Versorgungslage in Mogadischu" vom 11. Mai 2018 als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Somalia heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Das BFA entschuldigte sich für die Nichtteilnahme an der Verhandlung. Schriftliche Stellungnahmen wurden von keiner der Parteien dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 28.08.2018 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Somali eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen. BF wurde ausführlich zu seiner Person und den Fluchtgründen befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen. Ein Strafregisterauszug wurde am Tag der Verhandlung eingeholt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
BF ist ein XXXX geborener, volljähriger somalischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens aus dem Clan der Jaaji. BF stammt aus Mogadischu. Er besuchte sechs Jahre eine Schule und spricht und schreibt neben Somali auch ein bisschen Arabisch.
In Somalia leben die Mutter und ein Bruder des BF, der Vater und die übrigen Geschwister leben in Äthiopien.
BF leidet an keiner physischen oder psychischen Erkrankung.
1.2. Zum Fluchtvorbringen
Es wird festgestellt, dass BF im Falle einer Rückkehr nach Somalia keine asylrelevante Verfolgung durch al Shabaab droht.
Es wird festgestellt, dass BF auch aus anderen Gründen etwa aufgrund der Clanzugehörigkeit keine asylrelevante Verfolgung in Somalia droht.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia
Aus den ins Verfahren eingeführten Länderberichten ergibt sich Folgendes:
1.3.1. Mogadischu bleibt weiterhin unter der Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 22.2.2017). Die Stadtverwaltung von Mogadischu ist verhältnismäßig präsent und aktiv (BFA 8.2017). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt (vgl. EASO 2.2016). Al Shabaab verfügt aber eindeutig über eine Präsenz in der Stadt (BFA 8.2017).
Jilib (Middle Juba) befindet sich unter Kontrolle der al Shabaab (BFA 8.2017).
1.3.2. Ziel der al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Außerdem verfolgt al Shabaab auch eine Agenda des globalen Dschihads und griff im Ausland Ziele an (EASO 2.2016).
(Zwangs-)Rekrutierungen kommen in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten vor, doch ist vorwiegend die Gruppe der 10-15 Jährigen betroffen und werden diese in Schulen und Moscheen angeworben. Häufig setzt al Shabaab auf ökonomische Anreize.
Rekrutierungsgesuche richten sich nicht an Einzelpersonen. In Mogadischu gibt es kein Risiko von Zwangsrekrutierungen. Das Erbringen von Ersatzleistungen ist möglich. Aktuell ist kein Fall einer Exekution eines Rekrutierungsverweigerers bekannt. (BFA 8.2017)
Al Shabaab rekrutiert Kämpfer gezielt in Moscheen (ÖB 9.2016). Außerdem hat die Gruppe als Rekrutierungswerkzeug ein eigenes Madrassen-System aufgezogen. Diese ‚Bildungsmaßnahme' für Kinder und Erwachsene soll mögliche Rekruten frühzeitig indoktrinieren und ausbilden. Das System zeigt für die al Shabaab gute Erfolge. So befinden sich in den sieben Madrassen in Jilib jeweils ca. 600 15-20jährige in Ausbildung; (SEMG 8.11.2017).
Al Shabaab verfügt über die Kapazitäten, menschliche Ziele - auch in Mogadischu - aufzuspüren. Unklar ist allerdings, für welche Person al Shabaab bereit ist, diese Kapazitäten auch tatsächlich aufzuwenden. Außerdem unterliegt auch al Shabaab den Clan-Dynamiken, ist die Gruppe bei der Zielauswahl an gewisse Grenzen gebunden. Durch die Verbindungen mit unterschiedlichen Clans ergeben sich automatisch Beschränkungen. Zusätzlich möchte die al Shabaab mit jedem begangenen Anschlag und mit jedem verübten Attentat auch ein entsprechendes Publikum erreichen (BFA 8.2017). Auch wenn al Shabaab einige Menschen in Somalia als "legitime Ziele" erachtet, so gilt dies für die meisten Zivilisten nicht. Dass normale Zivilisten in von der Regierung und AMISOM kontrollierten Gebieten zum Ziel der al Shabaab werden, ist unwahrscheinlich. Auch "low level"-Ziele (z.B. lokale Mitarbeiter von internationalen oder nationalen NGOs) sind keine Priorität der al Shabaab, sie werden nicht generell angegriffen. Andererseits können high profile Personen, die etwa die Regierung oder die internationale Gemeinschaft repräsentieren, einem hohen Risiko ausgesetzt sein. Auch Personen, die als Unterstützer der somalischen Regierung wahrgenommen werden, können - je nach persönlichen Umständen - einem Risiko ausgesetzt sein. Dies gilt auch für Journalisten oder Mitarbeiter von NGOs, je nachdem, wie sehr sich ihre Aktivitäten gegen al Shabaab wenden (UKHO 7.2017).
Insgesamt scheint sich die al Shabaab bei der Durchführung von Attentaten von Quantität auf Qualität verlegt zu haben. Dabei sucht die al Shabaab ihre Ziele v.a. im Bereich der Regierung. Für die Zivilbevölkerung ist das größte Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (DIS 3.2017). Ob Mogadischu als sicher oder unsicher bezeichnet wird, hängt maßgeblich von der subjektiven Wahrnehmung und von persönlichen Erfahrungen ab (BFA 8.2017). Die Situation in Mogadischu ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre (EGMR 10.9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014).
1.3.3. Die somalische Gesellschaft ist in Clans aufgeteilt und kennen Somalis in der Regel ihre exakte Position im Clan. Der Clan spielt eine wichtige politische, rechtliche und soziale Rolle und funktioniert der Clanschutz in der Regel besser als jener durch Staat oder Polizei (SEM 31.5.2017).
Der Clan der Jaaji (Fischer in Zentral- und Nordsomalia) ist eine "Berufsständige Gruppe". Die Situation der berufsständigen Minderheiten (Gabooye) hat sich gebessert und gibt es keine gezielten Angriffe oder Misshandlungen (SEM 31.5.2017). Die Menschen in Mogadischu und anderen großen Städten wissen nicht automatisch, welchem Clan eine Person angehört (LI 4.4.2016).
1.3.4. Betreffend die Versorgungslage zeigt sich aktuell eine Entspannung der Situation, weil es zu überdurchschnittlichen Regenfällen kam. Mogadischu wird bei der Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung in der Stufe 1 (minimal) verzeichnet und ist die Bevölkerung in den Städten besser versorgt, als jene auf dem Lande (FAO 2018). Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten (FEWS 3.2018).
Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Süd-/Zentralsomalia fällt gänzlich (bis auf IDP-Konzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).
1.3.5. Rückkehrer nach Mogadischu haben üblicherweise einen guten Zugang zu Geld- oder sonstiger Hilfe von Hilfsagenturen (BFA 11.05.2018, S 9; ReDSS 3.2017). In Mogadischu besteht ein erheblicher Anteil der Stadtbevölkerung aus gesunden jungen Männern im arbeitsfähigen Alter. Es liegen keine Informationen darüber vor, wonach es allen diesen Männern an einer Existenzgrundlage mangeln würde, oder dass alle diese Männer keine Unterkunft haben würden (BFA 11.05.2018, S 18).
1.3.6. Verzeichnis der oben zitierten Quellen
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia
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BFA (11.05.2018) - Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Humanitäre Hilfe, Arbeitsmarkt, Versorgungslage in Mogadischu
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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM
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DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):
South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016
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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation
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FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018
-
FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (3.2018): Somalia
-
Food Security Outlook February to September 2018, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook/february-2018, Zugriff 2.5.2018
-
FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia
-
Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018
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LI - Landinfo (4.4.2016): Somalia: Praktiske forhold og sikkerhetsutfordringer knyttet til reisevirksomhet i Sør-Somalia
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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia
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ReDSS - The Regional Durable Solutions Secretariat (ReDSS) / NRC / DRC (3.2017): Local Integration Focus: Benadir region
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SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten
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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia
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UKHO - UK Home Office (7.2017): Country Policy and Information Note Somalia (South and Central): Fear of Al Shabaab
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UKUT - United Kingdom Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) (3.10.2014): UK Country Guidance Case. MOJ & Ors (Return to Mogadishu) (Rev 1) (CG) [2014] UKUT 442 (IAC)
1.4. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr
Es kann nicht festgestellt werden, dass BF im Falle einer Rückkehr nach Somalia in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation gelangen würde und BF über keine verwandtschaftlichen Kontakte in Somalia verfügt.
1.5. Zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich
BF stellte am 20.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. BF legte zu keinem Zeitpunkt im Verfahren Dokumente betreffend seine Integration in Österreich vor. BF verfügt über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. BF spricht ein paar Worte Deutsch. BF ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig. BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.6. Zur Säumnis der belangten Behörde
BF stellte am 20.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 18.08.2017 brachte BF mangels Entscheidung des BFA eine Säumnisbeschwerde ein. Das BFA traf keine Entscheidung über den Antrag des BF.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (20.04.2016) und durch das BFA (04.10. und 27.11.2017) sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (28.08.2018), das neurologisch-psychiatrische Gutachten (datiert 04.11.2016), die Säumnisbeschwerde, das LIB 2018 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.05.2018 und der Strafregisterauszug vom 28.08.2018.
2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:
2.2.1 Zur Person des Beschwerdeführers
Die Identität konnte mangels Vorlage (unbedenklicher) Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich Name und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet BF betreffend seine Staatsangehörigkeit und Clanzugehörigkeit für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Der Gesundheitszustand des BF ergibt sich zum einen aus dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten (datiert 04.11.2016) und insbesondere aus den beiden Einvernahmen vom 27.11.2017 und 28.08.2018, wo der BF glaubhaft versicherte, gesund zu sein.
Betreffend das Alter des BF liegt ein Sachverständigengutachten (datiert 26.06.2016) vor, welches unwidersprochen blieb. BF gab in der Einvernahme vor dem BFA sowie BVwG schließlich selbst an, am XXXX geboren worden zu sein.
Zur Herkunftsregion des BF ist festzuhalten, dass BF auf die konkrete Frage zu seiner Wohnsitzadresse im Herkunftsland "Mogadischu" angab (AS 5). In der Erstbefragung nannte er zu keinem Zeitpunkt Jilib als seinen Wohnort. Erst bei der Einvernahme vor dem BFA gab BF an, in Mogadischu lediglich geboren worden zu sein, aber dann als kleines Kind nach Jilib übersiedelt zu sein. Es ist deshalb nicht glaubhaft, dass der BF bis zuletzt bzw. im Wesentlichen in Jilib lebte, weil er in der Einvernahme vor dem BFA auch erstmals angab, Probleme mit al Shabaab gehabt zu haben. Da gerade Jilib unter der Kontrolle der al Shabaab steht und somit der nun neue Fluchtgrund auch in einem örtlichen passenden Bezug gestellt wurde, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass eine asylrelevante Fluchtgeschichte mit passendem Handlungsort konstruiert wurde. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung antwortete BF zwar auf Fragen zu den örtlichen Gegebenheiten in Jilib, doch waren alle Antworten sehr kurz gehalten und war BF in der Erzählweise wenig authentisch. Er begnügte sich mit knappen Antworten und versuchte nicht von sich aus, die Gegebenheiten detailreich und lebensnah zu schildern (Niederschrift S 7). Das Bundesverwaltungsgericht schließt zwar nicht aus, dass sich der BF schon einmal in Jilib aufgehalten hat oder dort verwandtschaftliche Wurzeln hat, aufgrund der Chronologie seiner Schilderungen geht das Bundesverwaltungsgericht jedoch davon aus, dass der BF aus Mogadischu stammt. Angesprochen auf die widersprüchlichen Angaben zum Herkunftsort, gab BF in der mündlichen Verhandlung wenig glaubhaft an, dass er meinte, gefragt worden zu sein, wo er geboren wurde (Niederschrift S 15). Im Protokoll ist aber explizit vermerkt, dass die Wohnsitzadresse im Herkunftsland Mogadischu ist (AS 5). Dieses Protokoll wurde BF rückübersetzt und machte er keine Korrekturen dazu.
Schließlich ist noch auf den Umstand hinzuweisen, dass BF in der Erstbefragung angab, sechs Jahre die Grundschule besucht zu haben, wohingegen er in der weiteren Folge stets angab, die Koranschule besucht zu haben. Der Besuch einer Koranschule wird allerdings erst zu jenem Zeitpunkt angegeben, als BF auch eine Zwangsrekrutierung als Fluchtgrund nennt. Vor dem Hintergrund, dass sich aus den Länderberichten ergibt, dass in Jilib in Madrassen, also religiösen Schulen, bestehen, gelangt das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund zu dem Schluss, dass es sich um eine konstruierte Fluchtgeschichte handelt.
2.2.2. Zum Fluchtvorbringen
Das Fluchtvorbringen des BF ist insofern nicht glaubhaft, als es zum einen an der persönlichen Glaubwürdigkeit und Konsistenz im Hinblick auf eine potentielle Verfolgung mangelt. Einleitend wird auf obige Ausführungen verwiesen, wonach der BF sowohl hinsichtlich seines Alters eine falsche Angabe machte, indem er sich bei der Erstbefragung als rund zwei Jahre jünger darstellte, als auch betreffend den Herkunftsort. Weiter unten wird ausgeführt, dass BF auch in Bezug auf seine Kontakte in Somalia falsche Angaben machte. Widersprüchlich war BF in seinen Angaben, wer die Flucht organisierte. So sagte er bei der Erstbefragung an zwei Stellen, er selber habe die Reise organisiert und habe Geld gehabt (AS 9). Später jedoch gab er an, seine Mutter habe die Flucht organisiert und habe die Mutter den Schlepper nach seiner Ausreise bezahlt (AS 191, 193; mündliche Verhandlung Niederschrift S. 8, 11). Auch anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass der BF keine nachvollziehbaren bzw. überprüfbaren Angaben zu seiner Flucht machen möchte. Indem er im späteren Verlauf des Verfahrens angibt, nicht er selbst, sondern seine Mutter habe alles organisiert und habe er zudem keinen Kontakt zu ihr, bleiben seine Angaben nicht überprüfbar. BF war somit im Hinblick auf mehrere Sachverhaltselemente widersprüchlich und unglaubwürdig und erwecken seine Einvernahmen insgesamt den Eindruck, er wolle eine im Hinblick auf die Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz günstige Sachverhaltslage schaffen.
Auch die Angaben zum Fluchtvorbringen selbst waren widersprüchlich und insgesamt nicht glaubhaft. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass der BF bei der Erstbefragung "keine Zukunft, Krieg und keine Sicherheit in Somalia" nennt, und er im Falle einer Rückkehr nach Somalia Angst vor dem Krieg habe (AS 9). Bei der Einvernahme vor dem BFA hingegen gab er einen gänzlich neuen Fluchtgrund an, und zwar eine Zwangsrekrutierung durch die al Shabaab (AS 193). Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass gem. § 19 AsylG 2005 die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung von Identität und Reiseroute dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, es ist aber doch festzuhalten, dass die Angaben des BF in der Erstbefragung nicht gänzlich unbeachtlich sind (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0189). Auch wenn nicht die näheren Fluchtgründe zu erfragen sind, so ist doch zu berücksichtigen, dass ein gänzlich neues Fluchtvorbringen die Glaubwürdigkeit des BF massiv erschüttert.
Der Widerspruch betreffend den Fluchtgrund wurde auch auf konkreten Vorhalt nicht aufgeklärt und gab BF lediglich an, er könne es sich auch nicht erklären (AS 194). Die Angaben zum Fluchtgrund sind somit in keinster Weise stringent. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung referierte der BF zwar abermals den Vorfall einer Zwangsrekrutierung durch al Shabaab, steigerte sein Vorbringen aber noch zusätzlich um die Betätigung seines Bruders bei den al Shabaab (Niederschrift S 14). Dieser Umstand wurde im Verfahren bislang nie erwähnt. Auch in der Verhandlung wurde BF auf die widersprüchlichen Angaben zu seinem Fluchtgrund befragt und gab er dort bloß pauschal an, dass er gesagt habe, er sei wegen der al Shabaab geflüchtet. Auch sei die Erstbefragung nur kurz gewesen und habe er keine Rückübersetzung erhalten (Niederschrift S 14). Dem ist entgegenzuhalten, dass es eine Rückübersetzung der Einvernahme gab (AS 11) und dem BF die konkrete Frage nach dem Fluchtgrund gestellt wurde, welche er zwar knapp beantwortete aber letztlich doch drei Gründe (keine Zukunft, keine Sicherheit, Krieg) nannte. Selbst wenn die Erstbefragung nur kurz gehalten sein soll, so war es BF nicht verwehrt, die al Shabaab und eine Zwangsrekrutierung durch diese anzuführen. Im Protokoll ist explizit festgehalten, dass der Antragsteller in eigenen Worten antworten soll. Die Frage nach dem Fluchtgrund ist auch in Zusammenschau mit der Frage nach den Befürchtungen im Falle einer Rückkehr zu sehen und antwortete BF auch hier abermals mit "Angst vor dem Krieg" (AS 9). Der BF hätte somit auch an dieser Stelle die Möglichkeit gehabt, al Shabaab und Zwangsrekrutierung - wenn auch nur stichwortartig - anzuführen. Indem der BF bei der Erstbefragung in keinster Weise die al Shabaab als Fluchtgrund nannte und der im späteren Verlauf des Verfahrens angegebene Fluchtgrund (Zwangsrekrutierung) potentiell eher asylrelevant ist und BF auch erst zu diesem späteren Zeitpunkt Jilib, einen unter der Kontrolle der al Shabaab stehenden Ort, als seinen Herkunftsort nennt, ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht, dass es sich bei der behaupteten Verfolgung durch al Shabaab um ein Konstrukt handelt. Eine tatsächliche Verfolgung konnte nicht glaubhaft gemacht werden, und erscheint es naheliegender, dass die allgemein schlechte Sicherheitslage fluchtauslösend war.
Die Angaben des BF waren - abgesehen davon, dass eine Bedrohung durch al Shabaab bereits aus oben genannten Gründen nicht glaubhaft ist - auch in Bezug auf die Fluchtgeschichte nicht plausibel. Bereits bei der Behörde blieb der BF in seinen Aussagen vage und konnte etwa nicht angeben, bis wann er die Koranschule besucht hat (AS 191). Gänzlich unplausibel ist es aber, dass es dem BF möglich gewesen sein soll, aus dem Ausbildungslager der al Shabaab zu flüchten, indem er seine Notdurft verrichten wollte und dann einfach weglaufen konnte (AS 193). Bereits das BFA zeigte auf, dass es nicht nachvollziehbar ist, warum die größten Personen als Selbstmordattentäter ausgesucht wurden (AS 194).
Pauschal und unsubstantiiert sind die Angaben des BF, was ihn im Falle einer Rückkehr erwarten würde (AS 193: die Männer der AS). Er weiß auch nicht, warum er von besonderem Interesse für die al Shabaab sein sollte (AS 194) und meint bloß allgemein, dass ihn die al Shabaab auch in Mogadischu finden könnte. Ein ernsthaftes Interesse der al Shabaab an BF ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil BF angab, nicht politisch tätig gewesen zu sein (AS 193). In der Einvernahme vor dem BFA gab BF an, dass nach seiner Ausreise bis zum Zeitpunkt, als er in Libyen war, die al Shabaab nicht nach ihm bei seiner Mutter gesucht hätten (AS 194). Wäre er tatsächlich von großem Interesse für die al Shabaab gewesen, ist davon auszugehen, dass nach ihm gefragt worden wäre, zumal ja auch andere Schulkollegen von dem Vorfall der Rekrutierung gewusst hätten. In der mündlichen Verhandlung korrigierte der BF zwar seine bisherige Aussage und gab an, bereits vor dem BFA gesagt zu haben, er wisse nicht, ob die Mutter nach ihm gefragt worden sei. Vor dem Hintergrund aber, dass der BF bereits mehrfach (in der Beweiswürdigung widerlegte) Angaben machte, welche allesamt die Wahrscheinlichkeit eines für ihn günstigen Verfahrensausgangs erhöhen und vor allem aufgrund der Tatsache, dass die Einvernahme vor dem BFA rückübersetzt wurde (AS 195), ist davon auszugehen, dass es keine weiteren Vorfälle nach der Flucht des BF gab. Auf die diesbezügliche Frage in der mündlichen Verhandlung gab der BF lediglich eine ausweichende Antwort (Niederschrift S 14: "ich war nicht mehr in Jilib").
Äußerst allgemein und vage waren die Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung zu seinen Begegnungen mit al Shabaab und sein Wissen darüber (vgl. Niederschrift S 13) und wäre - wenn er wirklich aus Jilib stammen würde - zu erwarten, dass er detailliertere Ausführungen hätte machen können. Nicht nachvollziehbar ist weiters, dass er bzw. seine Mutter sich mit den Problemen nicht an den Clan wandten und er auch keine Hilfe erhalten hätte. Dies steht im Widerspruch zu den eingeführten Länderberichten, welche von einem funktionierenden Clanschutz ausgehen. Auch die Fragen, warum al Shabaab weiterhin ein Interesse an ihm haben sollte und warum man ihn auch in Mogadischu suchen würde, wurden bloß allgemein mit Stehsätzen beantwortet (Niederschrift S 15).
Bei einer Gesamtbetrachtung der Einvernahmen des BF vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht fällt auch auf, dass die Frage nach dem Fluchtgrund ausführlicher beantwortet wurde als alle weiteren Fragen, welche aber gleichfalls für die Beurteilung des Antrags auf internationalen Schutz relevant sind. So erzählte BF zwar eine "Fluchtgeschichte", kann aber nicht nachvollziehbar darlegen, warum er aktuell einer asylrelevanten Verfolgung in Somalia ausgesetzt wäre. Während die Antworten auf Fragen zu anderen Themen als dem Fluchtgrund sowie auch auf Nachfragen zum Fluchtgrund in der Regel knapp und vage gehalten sind, ist die "Fluchtgeschichte" ausführlicher, was dafür spricht, dass es sich um eine konstruierte und vorab einstudierte "Fluchtgeschichte" handelt. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung lässt der persönliche Eindruck des BF nicht auf ein tatsächliches Erleben der geschilderten Ereignisse schließen.
Abgesehen von der persönlichen Unglaubwürdigkeit ist eine drohende Verfolgung auch vor dem Hintergrund der aktuellen Situation im Herkunftsland nicht objektivierbar. So ist al Shabaab zwar in der Region des BF präsent, doch ist die Stadtverwaltung in Mogadischu funktionierend. AMISOM Truppen sind stationiert. Ziel der al Shabaab sind die Regierung und ihre Einrichtungen oder offenkundige Kollaborateure. BF hat aber kein Verhalten gesetzt, das ihn vor dem Hintergrund der Länderberichte als Ziel erscheinen lässt. Abgesehen davon sind selbst "low level" Ziele keine Priorität der al Shabaab. Wenn BF vorbringt, dass er sich vor einer Rekrutierung durch al Shabaab fürchte, so steht dies im Widerspruch zu den unwiderlegten Länderberichten, wonach in Mogadischu aktuell keine Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch al Shabaab besteht. Auch ist kein Fall einer Exekution eines Rekrutierungsverweigerers bekannt. Hinzu kommt, dass sich Rekrutierungsgesuche in der Regel an die bis 15-Jährigen richten, weshalb auch deshalb keine Gefahr für den nun volljährigen BF besteht. Abgesehen davon entspricht es nicht der Taktik der al Shabaab, einzelne Personen zwangsweise zu rekrutieren und wird in der Regel über ökonomische Anreize oder den Clan vorgegangen. In Jilib bestehen zwar Madrassen, wo 15-20-Jährige in Ausbildung sind, doch konnte für den gegenständlichen Fall dargelegt werden, dass es nicht glaubhaft ist, dass BF aus Jilib stammt, und ist seine Fluchtgeschichte auch nicht nachvollziehbar.
Andere Fluchtgründe wurden von BF weder im behördlichen Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung vorgebracht (AS 193, Niederschrift S 6, 14) und sind auch sonst insbesondere aufgrund der zitierten Länderberichte etwa betreffend die Clanzugehörigkeit nicht hervorgekommen. Vor der Behörde gab BF explizit an, keine Probleme aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit oder mit Privatpersonen (Blutrache) zu haben (AS 193). Die Angaben in der mündlichen Verhandlung, weil er einem Minderheitenclan angehöre, könne er keine Hilfe erwarten (Niederschrift S 13), und Leute wollen ihn aus Rache für Taten seines Bruders töten (Niederschrift S 14), sind als Steigerung zu werten und mangelt es hier an einer persönlichen Glaubwürdigkeit.
Im Ergebnis folgt aus einer chronologischen Betrachtung der Einvernahmen des BF (Erstbefragung: Herkunftsort Mogadischu, Fluchtgrund Kriegszustände, keine Sicherheit, keine Zukunft, Flucht von BF selbst organisiert; Einvernahme vor dem BFA: Herkunftsort Jilib, Fluchtgrund Zwangsrekrutierung durch al Shabaab, Flucht durch Mutter des BF organisiert; Einvernahme vor dem BVwG: wie vorhin, zusätzlich aber Gefahr der Rache aufgrund der Taten des Bruders), dass es sich bei der Bedrohung durch die al Shabaab um eine konstruierte Fluchtgeschichte handelt und der BF seine Situation in der Folge gesteigert darstellte. Aufgabe des BF wäre es aber gewesen, seine Fluchtgründe wie auch die Angaben seine Person betreffend initiativ, stringent und nachvollziehbar darzulegen.
2.2.3 Zur maßgeblichen Situation in Somalia
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den im LIB 2018 sowie der Anfragebeantwortung vom 11.05.2018 wiedergegebenen und zitierten Berichten. Die konkret den Feststellungen zugrunde liegenden Quellen wurden unter Punkt 1.3. zitiert. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Verfahrensparteien im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit, welche Berichte es beabsichtigt, der Entscheidung zugrunde zu legen, und bot die Möglichkeit zur Einsicht- und Stellungnahme an. Den Länderberichten wurde nicht entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.
2.2.4. Zur Rückkehrsituation des Beschwerdeführers
Der Umstand, dass BF im Falle einer Rückkehr nicht in eine existenzbedrohende Lage geraten würde, ergibt sich aus einer Zusammenschau der generellen Situation in Mogadischu/Somalia mit der persönlichen Situation des BF. So zeigen die Berichte insgesamt eine Entspannung gerade bei der Versorgungslage. Was die Sicherheitslage betrifft, gibt es zwar immer wieder Vorfälle, doch haben die al Shabaab vorwiegend den Regierungsbereich als Ziel für Anschläge, und besteht für Zivilisten eher die Gefahr, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Dass jedermann einem Risiko gem. Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, erschließt sich aus der Berichtslage nicht. Auch die aktuelle Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.05.2018 betreffend die Arbeitssituation in Mogadischu zeigt, dass es insbesondere jungen Männern möglich ist, eine Arbeit zu finden. Es ist nicht ersichtlich, warum gerade der BF von einer existenzbedrohenden Lage betroffen sein sollte, da er weder was seinen Gesundheitszustand anbelangt, noch hinsichtlich Alter, Geschlecht oder Clanzugehörigkeit einem erhöhten Risiko ausgesetzt wäre. BF ist volljährig, gesund und arbeitsfähig. Die Clanzugehörigkeit des BF steht dem Aufbau einer Existenz in Mogadischu ebenso wenig entgegen. Aus den Länderberichten ergibt sich keine Diskriminierung der Jaaji in Mogadischu. BF kann schließlich auch Somali und Arabisch (in Wort und Schrift).
Was die familiäre Situation des BF anbelangt, so gab er an, über Familie in Somalia zu verfügen. Dass er aktuell keinen Kontakt zur Familie hat, ist nicht glaubwürdig. Bereits bei der Behörde gab er in der Einvernahme am 04.10.2017 an, dass Mutter und Bruder aktuell gut versorgt seien (AS 191). Dieses Wissen steht in einem Widerspruch zu seiner Angabe, wonach er seit der Flucht keinen Kontakt mehr mit seiner Mutter gehabt habe (mündliche Verhandlung Niederschrift S 9). Widersprüchlich ist der BF auch, was den Kontakt zu Leuten in Somalia anbelangt (AS 191). Erst als er in der Einvernahme die Anrufliste auf seinem Telefon vorlegen soll, gibt er zu, Kontakt zu Leuten in Somalia zu haben. Diese Verhaltensweise macht ihn unglaubwürdig und hat er nicht von sich aus die Wahrheit gesagt. Auch betreffend den Kontakt zu seiner Frau machte BF nicht nachvollziehbare Angaben (vgl. AS 192). So gab er einerseits an, dass der Schlepper ihm das Telefon mit den Nummern weggenommen habe. Nach Vorhalt durch das BFA, wie es denn sein kann, dass er mit seiner Frau Kontakt habe, gab er an, zufällig in Österreich Leute getroffen zu haben, die die Nummer der Frau haben. Zu diesen Leuten habe er aber keinen Kontakt mehr. Diese Aussagen sind nicht nachvollziehbar und vage gehalten. Auch die Behauptung in der mündlichen Verhandlung, er habe die Telefonnummern seiner Familie nicht auswendig gekannt und seine Mutter habe ihm für die Flucht zwar ein Handy gegeben, was der Schlepper aber abgenommen habe, ist wenig plausibel (Niederschrift S 10). Allgemein gehalten ist die Antwort auf die Rückfrage, ob er versucht habe, Kontakt aufzunehmen ("ich habe niemanden gefunden").
Weiters sind die Angaben zur wirtschaftlichen Situation der Familie gesteigert. So gab BF vor dem BFA noch an, dass seine Mutter genug Geld habe und man problemlos durch den Verkauf von Gemüse 8.600 USD sparen könne. Auch könne man gut davon leben und seien die Mutter und der Bruder aktuell gut versorgt (AS 191). In der mündlichen Verhandlung schwächte dies BF jedoch ab und sagte, dass das Leben zwar nicht so schlecht, aber auch nicht so gut gewesen sei (Niederschrift S 11). Aus einer Gesamtbetrachtung der Einvernahmen ist zu schließen, dass keine Anhaltspunkte für eine schlechte wirtschaftliche Lage der Familie des BF vorliegen.
2.2.5. Zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich
BF ist seit noch nicht einmal drei Jahren in Österreich. Er verfügt in Österreich über keine familiären Bindungen. Nachweise über soziale Kontakte, Sprachkenntnisse oder andere Integrationsmaßnahmen legte er im gesamten Verfahren nicht vor, verneinte die Frage danach beim BFA explizit (AS 194) und behauptete auch von sich aus keine Integrationsbemühungen in Österreich. Er spricht lediglich ansatzweise Deutsch. Eine intensive Beschäftigung mit der deutschen Sprache kam auch in der mündlichen Verhandlung nicht hervor und behauptete BF auf Nachfrage zwar, Filme auf Deutsch anzusehen, er könne sich an diese aber nicht erinnern (Niederschrift S 16). Auch an die Namen seiner Freunde könne er sich nicht erinnern. BF ist nicht selbsterhaltungsfähig und geht keiner regelmäßigen Beschäftigung nach, sondern hilft lediglich manchmal in Gärten von Nachbarn.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A)
Zur Säumnisbeschwerde
Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Gemäß § 22 Abs. 1 AsylG 2005 ist abweichend von § 73 Abs. 1 AVG über einen Antrag auf internationalen Schutz längstens binnen 15 Monaten zu entscheiden.
Infolge einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde geht nach Vorlage derselben oder ungenütztem Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht über (VwGH 20.06.2017, Ra 2017/01/0052; 19.09.2017; Ro 2017/20/0001).
"Das VwG ist nach Verstreichen der dreimonatigen Nachfrist zuständig, in der Verwaltungssache (meritorisch) zu entscheiden, ohne dass ein ausdrücklicher Abspruch über die Stattgebung der Säumnisbeschwerde vorzunehmen ist (Hinweis E vom 27.05.2015, Ra 2015/19/0075)." (VwGH 19.09.2017, Ro 2017/20/0001)
"Der VwGH hat bereits im E vom 22.06.2017, Ra 2017/20/0133, dargelegt, dass entsprechend der Intention des Gesetzgebers trotz der durch den starken Zustrom Schutzsuchender hervorgerufenen Belastung der Asylbehörde die Erledigung eines Antrags auf internationalen Schutz grundsätzlich binnen 15 Monaten zu erfolgen hat. Davon ausgehend kann die Überlastung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl aufgrund der hohen Zahl an Asylanträgen im Jahr 2015 allein keinesfalls als geeignet angesehen werden, eine längere Verfahrensdauer als 15 Monate zu rechtfertigen. Davon, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde im Sinn des § 8 Abs. 1 VwGVG 2014 zurückzuführen wäre, kann diesfalls ohne Hinzutreten weiterer Gründe nicht (mehr) gesprochen werden." (VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0208)
Im vorliegenden Fall stellte BF am 20.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Mit am 18.08.2017 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob BF durch seine Rechtsvertretung die Säumnisbeschwerde. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde waren mehr 15 Monate vergangen und somit die 15-monatige Entscheidungsfrist des Bundesamtes verstrichen, weshalb sich aufgrund der - unbestrittenen - Säumigkeit des BFA die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht als zulässig erweist.
Wie sich aus dem Verwaltungsakt des BFA und aus dem oben dargestellten Verfahrensgang ergibt, sind nach der niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bis zur Erhebung der Säumnisbeschwerde keinerlei Ermittlungsschritte getätigt worden. Erst am 04.10.2017 wurde eine Einvernahme durchgeführt, jedoch innerhalb der dreimonatigen Nachfrist keine Entscheidung getroffen. Das BFA legte die Säumnisbeschwerde mit der Anmerkung, es könne eine Erledigung nicht fristgerecht erfolgen, dem Bundesverwaltungsgericht vor. Aus der oben angeführten VwGH-Judikatur ergibt sich, dass trotz des großen Andrangs von Schutzsuchenden im Jahr 2015 angesichts der verlängerten Entscheidungsfrist von 15 Monaten und ohne Hinzutreten weiterer Gründe - die das Bundesamt nicht vorgebracht hat - nicht davon auszugehen ist, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen wäre. Damit ist ein überwiegendes Behördenverschulden hinsichtlich der Verletzung der Entscheidungspflicht im konkreten Fall gegeben.
Da sich aus dem Akteninhalt auch nicht ergibt, dass die Ermittlungsverzögerung durch ein schuldhaftes Verhalten des BF oder durch unüberwindbare Hindernisse verursacht war, ist die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht auch berechtigt. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist damit auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen und hat dieses meritorisch zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt I.
3.1.1. Rechtsgrundlagen
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. jüngst etwa VwGH vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN, vom 30. September 2015, Ra 2015/19/0066, und vom 18. November 2015, Ra 2015/18/0220, sowie etwa VwGH vom 15. Mai 2003, 2001/01/0499, VwSlg. 16084 A/2003). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
3.1.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall folgt daraus, dass, wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, der BF in Bezug auf seinen vorgebrachten Fluchtgrund persönlich unglaubwürdig war und die Angaben im Zuge des gesamten Verfahrens nicht hinreichend konsistent, sondern vielmehr widersprüchlich und nicht nachvollziehbar waren. Hinzu kommt, dass eine aktuelle Verfolgungsgefahr auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht objektivierbar ist. Da die Glaubhaftmachung ein wesentliches Tatbestandsmerkmal für die Gewährung von Asyl ist, und es BF nicht gelungen ist, eine aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Grund aktuell drohende Verfolgung maßgeblicher Intensität glaubhaft zu machen, war der Antrag in Bezug auf die Gewährung von Asyl abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II.
3.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.
Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht werden (vgl. EGMR vom 06.02.2001, Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0443).
Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016 mwN).
Abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde, obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer R