Entscheidungsdatum
05.10.2018Norm
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1Spruch
W156 2203720-1/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra KREBITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von A XXXX M XXXX Z XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 11.07.2018, Zl XXXX , beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Dem BF wurde mit Bescheid des damaligen Bundesasylamtes vom 13.08.1997 internationaler Schutz zuerkannt.
2. Der Beschwerdeführer wurde vom LG für Strafsachen Wien am 30.03.2005 (RK 25.10.2005) wegen § 201/1, 297/1 (2. Fall) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (belangte Behörde) vom 11.07.2018 wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten aberkannt (Spruchpunkt I.), der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (IV.), festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan unzulässig ist (V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (VI.).
Spruchpunkt I. begründete die belangte Behörde mit § 7 Abs 1 Z 1 AsylG, da er von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens im Sinne des § 17 StGB rechtskräftig verurteilt worden sei und somit eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle, da in den Ausführungen des Urteils festgestellt worden sei, dass es sich bei der Tat des Bf um ein besonders schweres Verbrechen handle und der BF als gemeingefährlicher Täter angesehen werden könne.
4. Gegen den Bescheid brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Vertretung fristgerecht am 08.08.2018 Beschwerde ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichtes.
2. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zurückverweisung
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht.
Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, 93/04/0156; 13.10.1991, 90/09/0186; 28.07.1994, 90/07/0029).
Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa, weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid Spruchpunkt I. schlicht damit begründet, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2005 rechtskräftig wegen der angeführten Delikte zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden sei und der BF daher eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle.
Wie der Verwaltungsgerichtshof - erstmals - in seinem Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, 99/01/0288, unter Hinweis auf Art. 33 Z 2 GFK ausgeführt hat, müssen nach "internationaler Literatur und Judikatur" kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden darf.
Er muss
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ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür
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rechtskräftig verurteilt worden,
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gemeingefährlich sein und
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es müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen.
Die belangte Behörde hat zwar festgestellt, dass jene Taten, für die der Beschwerdeführer verurteilt wurde, in die Bestimmung des § 17 Abs. 1 StGB unterfallen, jedoch nicht die Grenze zur Schwerkriminalität überschreiten. Daher ist in diesen Fällen durch eine konkrete Einzelfallbetrachtung die Schwere der Straftat zu bestimmen, wobei die Höhe der konkret verhängten Freiheitsstrafe, die konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit und die Erschwerungs- und Milderungsgründe im Urteil eine besondere Rolle spielen.
In Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG sind daher entsprechende geeignete Erhebungen durchzuführen.
Die belangte Behörde hat fallbezogen aus den Ausführungen im Urteil darauf geschlossen, dass es sich um ein schweres Verbrechen handelt, wobei sie hier keinerlei Bezug auf die tatsächliche Strafhöhe und die vorhandenen Milderungsgründe genommen hat.
Auch hat sie den Umstand nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer wegen zweier Delikte, die sich nicht gegen dasselbe Rechtsgut richten, zu einer 2 1/2 - jährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, wobei die belangte Behörde daher auch nicht dargelegt hat, inwiefern sie bei einer Straftat gemäß § 297 Abs.1 (2. Fall) StGB zum Schluss gelangt, dass diese Straftat eine Gemeingefahr (mit-)begründet.
Schließlich lässt sie gänzlich offen, auf Basis welcher Erhebungsergebnisse sie zur Einschätzung gelangt, dass der Beschwerdeführer gemeingefährlich ist.
Die belangte Behörde hätte in Anbetracht des langen Zeitraumes zwischen Verurteilung (im Jahr 2005) und dem angefochtenen Bescheid sowie aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von 13 Jahren strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, Ermittlungen vornehmen müssen, die sich auf das mögliche - vom Beschwerdeführer ausgehende - Gefahrenpotential beziehen. Beispielsweise wäre es der belangten Behörde möglich gewesen, ein Sachverständigengutachten in Bezug auf eine vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung einzuholen.
Die belangte Behörde hat jedoch keinerlei Ermittlungsschritte gesetzt, auf welche sie die Gefährdungsprognose aufbauen hätte können.
Es ist daher nicht auszuschließen, dass es in der Absicht der belangten Behörde gelegen ist, diese Erhebungen dem BVwG zu überlassen.
Die belangte Behörde wird im weiteren Verfahren daher zunächst alle zur Ergänzung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes erforderlichen Ermittlungen (so auch eine ausführliche Befragung des Beschwerdeführers) vorzunehmen und zweckmäßigerweise - wie schon oben angeführt - allenfalls im Gutachtenwege das vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahrenpotential festzustellen und im Gesamtbild unter Berücksichtigung des Strafmaßes, der Erschwerungs- und der Milderungsgründe sowie des jahrelangen Zeitraumes, in dem der Beschwerdeführer strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, abschließend entsprechend zu würdigen haben.
Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.
Da die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG vorliegen, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Im Hinblick auf die dargelegte Mangelhaftigkeit des Bescheides kann eine weitere Auseinandersetzung mit dem übrigen Beschwerdevorbringen unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
In der rechtlichen Beurteilung wurde unter Bezugnahme auf die Judikatur des VwGH ausgeführt, dass im erstbehördlichen Verfahren notwendige Ermittlungen unterlassen wurden. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegt keine grundsätzliche Rechtsfrage vor, sodass die Judikatur des VwGH betreffend die Zurückverweisung wegen mangelhafter Sachverhaltsermittlungen heranzuziehen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ein klare Regelung (im Sinne der Entscheidung des OGH vom 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Gefährdungspotenzial,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W156.2203720.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.12.2018