Entscheidungsdatum
05.10.2018Norm
BFA-VG §22a Abs1 Z3Spruch
W117 2205745-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb.XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch RA Edward W. Daigneault, gegen den Bescheid, Zahl: 1089840209/180668472/RDNÖ, vom 16.07.2018 und die Anhaltung in Schubhaft von 16.07.2018 bis 20.09.2018 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird in Bezug auf den Schubhaftbescheid und die Anhaltung vom 16.07.2018 bis 21.08.2018 gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 32/2018 iVm § 76 Abs. 3 Z 1 FPG BGBl. I Nr. 32/2018 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird in Bezug auf die Anhaltung in Schubhaft vom 22.08.2018 bis 30.08.2018 gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 32/2018 und in Bezug auf die Anhaltung in Schubhaft vom 01.09.2018 bis 20.09.2018 § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG idgF stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft vom 22.08.2018 bis 20.09.2018 für rechtswidrig erklärt.
III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz der Aufwendungen wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.
IV. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Mit Bescheid, Zahl: 1089840209/180668472/RDNÖ, vom 16.07.2018, dem Beschwerdeführer durch persönliche Übergabe am selben Tag zugestellt, wurde gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 57 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 (AVG) idgF, die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Begründend führte die Verwaltungsbehörde im Wesentlichen aus:
Verfahrensgang
-
Am 04.10.2015 stellten Sie einen Antrag auf internationalen Schutz.
-
Sie wurden beim Stadtpolizeikommando Linz, PAZ Linz, am 04.10.2015 einer Erstbefragung unterzogen. Dabei gab Sie an, den Namen XXXX zu führen, aus Afghanistan zu stammen und am XXXX geboren worden zu sein.
[...]
-
Dieser wurde am 19.04.2018 in zweiter Instanz negativ entschieden.
-
Am 27.06.2018 wurden Sie zur Festnahme ausgeschrieben, nachdem Ihr Aufenthaltsort nicht festgestellt werden konnte.
-
Seit 30.06.2018 sind Sie unstet.
-
Sie wurden am 14.07.2018 festgenommen. Am selben Tag erhielten Sie die Information zur bevorstehenden Abschiebung.
-
Am heutigen Tag wurde die Schubhaft angeordnet.
-
Mit Verfahrensanordnung vom heutigen Tag wurde Ihnen ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
Beweismittel
Es wurden alle in Ihrem Akt befindlichen Beweismittel sowie Ihre Befragungs- und Einvernahmeprotokolle herangezogen und gewürdigt.
Feststellungen
Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:
Zu Ihrer Person:
Sie führen in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX.
Sie sind afghanischer Staatsangehöriger.
Ihre Identität steht nicht fest.
Sie sind ledig und haben keine Kinder.
Sie leiden nicht an lebensbedrohlichen Krankheiten.
Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:
Ein/e Rückkehrentscheidung gegen Ihre Person ist durchsetzbar. Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen werden Sie zur Ausreise verhalten werden.
Zu Ihrem bisherigen Verhalten:
-
Sie sind illegal nach Österreich eingereist.
-
Sie stellten einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher in erster und zweiter Instanz negativ entschieden wurde.
-
Sie gehen seit Ihrer illegalen Einreise keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.
-
Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.
-
Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren.
-
Sie sind in keinster Weise integriert.
Zu Ihrem Privat- und Familienleben:
Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.
Es kann nicht festgestellt werden, dass zwischen Ihnen und Ihren in Österreich lebenden Familienangehörigen eine intensive Beziehung besteht.
Die Identität steht nicht fest.
Es kann nicht festgestellt werden, dass in Ihrem Fall schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen.
Beweiswürdigung
Die von der Behörde getroffenen Feststellungen resultieren aus dem Inhalt Ihres BFA-Aktes.
Rechtliche Beurteilung
[...]
In Ihrem Fall sind die Punkte 1, 3 und 9 erfüllt.
[...]
Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:
Sie sind de facto mittellos. Es besteht eine aufrechte und durchsetzbare Rückkehrentscheidung, nachdem Ihr Asylantrag in zwei Instanzen negativ entschieden wurde. Sie sind nicht ausgereist, noch sind Sie für eine freiwillige Rückkehr gemeldet. Sie sind Angaben unstet aufhältig und wurden aus der GVS abgemeldet.
Aufgrund der Zusammenschau der einzelnen von Ihnen vorgebrachten Umstände ist seitens des Bundesamtes festzustellen, dass mit dem Risiko des Untertauchens Ihrer Person definitiv vorhanden ist.
Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig.
Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.
Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.
[...]
Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.
[...]
Im vorliegenden Fall verfügen Sie über keinerlei Integration in Österreich, da diese zu einem Zeitpunkt entstanden ist, wo Sie sich über einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht sicher sein konnten. Ihre Integrationsbemühungen wurden durch das BVwG im Erkenntnis zu Ihrem Asylantrag gewertet, ein Überwiegen der im Bundesgebiet entstandenen Bindungen ist zu verneinen gewesen.
[...]
In Ihrem Fall ist eine Mehrzahl an Faktoren gegeben, die für sich alleine noch nicht den Schluss rechtfertigen, dass Sie sich dem Verfahren durch Untertauchen entziehen werden, die aber in der Gesamtschau sehr wohl einen Sicherungsbedarf ergeben: Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht fest, dass Sie in Österreich keiner legalen Beschäftigung in Österreich nachgehen, und keine nennenswerten Verwandten noch nennenswerte Bekannte in Österreich haben. Auch sonst wurden keine relevanten Anknüpfungspunkte mit Österreich entdeckt. Sie verfügen über geringe Barmittel.
Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes muss die Behörde durchaus annehmen, dass Sie sich dem Verfahren durch Untertauchen entziehen werden und somit ein dringender Sicherungsbedarf besteht, nachdem Sie sich bereits dem Verfahren entzogen haben, indem Sie nicht an der Meldeadresse aufhältig waren und selbständig die Grundversorgung verlassen haben.
[...]
Aufgrund des aufgezeigten Sachverhalts, insbesondere
* des illegalen Aufenthaltes,
* nicht vorhandener finanzieller Mittel,
* der fehlenden Möglichkeit einer legalen Erwerbsausübung,
* die nicht vorhandene Möglichkeit der sozialen und wirtschaftlichen Integration,
* der fehlenden gesicherten Unterkunft und
* aufgrund des bisher gezeigten Verhaltes
kam die Anwendung von gelinderen Mitteln im gegenständlichen Fall nicht in Betracht.
Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist. Die Schubhaftverhängung ist daher jedenfalls verhältnismäßig, gerechtfertigt und notwendig und entspricht den gesetzlichen Vorgaben des Fremdenpolizeigesetzes."
Am 17.07.2018 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich einvernommen; bei dieser Einvernahme gab er im Wesentlichen folgendes an:
"[...]
F: Haben Sie in Österreich jemals einen Asylantrag gestellt?
A: Ja, ich habe einen Asylantrag gestellt.
F: Aus welchem Grund sind Sie nicht freiwillig ausgereist?
A: Meine Vertreterin hat mir gesagt, dass ich noch etwas warten soll, sie wird noch eine Beschwerde für mich schreiben. Am 29.06.2018 hat meine Vertreterin eine Beschwerde eingebracht.
F: Sind Sie in Österreich amtlich gemeldet?
A: Nein.
F: Sind Sie in Grundversorgung?
A: Nein.
F: Am 30.06.2018 wurde Ihre Grundversorgung eingestellt. Ist Ihnen das bekannt?
A: Das weiß ich.
F: Von was bestreiten Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt?
A: Meine Familie schickt mir Geld.
F: Inwieweit verfügen Sie über Geldmittel, haben Sie eine Bankomatkarte oder Kreditkarte? A: Ich habe keine Bankomatkarte oder Kreditkarte. Ich habe ca. 50 € Bargeld.
F: Sind Sie in Österreich je einer legalen Beschäftigung nachgegangen?
A: Nein.
F: Am 21.06.2018 wurde eine Rückkehrberatung durch den VMÖ durchgeführt. Dort wurde vermerkt, Sie sind nicht rückkehrwillig. Ist das korrekt?
A: Ja.
F: Was ist mit der Adresse XXXX, XXXX?
A: Ich weiß nicht, ob ich von dort abgemeldet wurde oder nicht.
F: Wohnen Sie noch dort?
A: Nein.
F: Wo wohnen Sie dann?
A: Bevor ich festgenommen wurde, habe ich bei meinen Freunden gelebt.
F: Wo ist das, wo wohnen Ihre Freunde?
A: Vorwiegend in Wien und St. Pölten.
F: Warum in Wien und St. Pölten?
A: Wegen meinem Asylverfahren bin ich nach Wien gefahren, um mit meinem Anwalt zu sprechen. Ich war auf der Suche nach einem guten Anwalt. Ich hatte keine Probleme mit der Polizei.
F: Wo wurden Sie festgenommen?
A: Ich war von Wien in Richtung St. Pölten im Zug unterwegs. Ich wurde beim Tullnerfeld festgenommen.
F: Wo wohnen diese Freunde?
A: Einer lebt in Wien in der XXXX, ich glaube XXXX. Der andere Freund lebte in einer Asylunterkunft, die Unterkunft ist in der Nähe des Bahnhofes St. Pölten.
F: Aus welchem Grund sind Sie an dieser Adresse nicht gemeldet?
A: Ich habe einen Landesverweis bekommen und die Polizei war hinter mir her, das wurde mir vom Unterkunftsgeber mitgeteilt. Aus Angst, gefunden zu werden, habe ich mich nicht angemeldet.
F: Die ho. Behörde beabsichtigt, Sie im Stande der Schubhaft abzuschieben! Wollen Sie hierzu Stellung nehmen?
A: Nein.
ANM: VP wird über den weiteren Ablauf belehrt.
F: Sind Sie krank, benötigen Sie einen Arzt oder Medikamente?
A: Ich bin gesund.
F: Waren Sie je im Krankenhaus oder sonst in Kranken- oder Spitals- oder sonstiger medizinischer Behandlung, sei es in Österreich oder im Herkunftsstaat bzw. anderswo?
A: Nein.
F: Sofern Sie den Auftrag bekommen, freiwillig bei der für Sie zuständigen Botschaft ein Ersatzreisedokument zu beschaffen, würden Sie diesem Auftrag Folge leisten?
A: Nein.
F: Nehmen Sie derzeit Medikamente ein?
A: Nein.
F: Haben Sie Familienangehörige in Österreich?
A: Nein.
Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen. Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach. Sie sind in keinster Weise integriert, da sie sich insgesamt erst seit kurzer Zeit in Österreich aufhalten. Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert und wurden mehrfach verurteilt.
Es konnte nicht erkannt werden, dass besondere Umstände in der Schubhaft entgegenstehen. Sie sind nicht mit der erforderlichen vorauszusetzenden Sicherheit greifbar. Es ist auch kein Grund zur Annahme gegeben, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann.
F: Wollen Sie hierzu Stellung nehmen?
A: Nein.
V: Der Schubbescheid wurde Ihnen persönlich zugestellt.
Sie fanden darin auch den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung in Ihrer Sprache. Haben Sie noch Fragen?
A: Nein, ich habe keine Fragen.
V: Es wird Ihnen mitgeteilt, dass Sie bis zur Realisierung der Abschiebung im PAZ Wien verbleiben werden.
Ich habe alles verstanden und nichts mehr hinzuzufügen."
Der Rechtsvertreter sandte am 14.09.2018 um 08:21 und in der Folge um 13:57 Emails folgenden Wortlauts:
"Sehr geehrter Herr XXXX !
Herr XXXX teilte mir mit, dass für morgen, 14.9., seine Abschiebung nach Kabul vorgesehen ist. Ich darf darauf hinweisen, dass er am 7.8.2018 Asylantrag gestellt hat, am 28.8.2018 wurde zwar der Zurückweisungsbescheid der EAST Ost zugestellt (Vz 180746546) dieser ist aber noch nicht in Rechtskraft erwachsen und wird gegen diesen heute Beschwerde erhoben.
(...)
Es wird daher gebeten Herrn XXXX nicht abzuschieben und auch seine Enthaftung zu verfügen.
Sehr geehrter Herr XXXX !
Bei telefonischer Recherche iZm mit der Erarbeitung einer Schubhaftbeschwerde ist aufgefallen, dass die vom BFA aberkannte aufschiebende Wirkung des Asylantrages durch das BVwG mit Beschluss vom 22.8.2018, W164 2133447, als rechtswidrig festgestellt wurde. Leider wurde mir dieser Beschluss bislang nicht zugestellt, dem BFA aber schon!
Damit hätte die Schubhaft auch bereits am 22.8.2018 beendet werden müssen und ist diese daher derzeit gänzlich rechtswidrig.
Da die Anhaltung weiter anhielt, erhob der Beschwerdeführer in der Folge im Stande der Anhaltung Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung und führte im Wesentlichen aus:
Ich bin afghanischer Staatsbürger der Volksgruppe der Hazara und im Iran aufgewachsen. Ich kam am 4.10.2015 nach Österreich, stellte hier Asylantrag und wurde über diesen Antrag mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.4.2018 abgewiesen.
Aus der Schubhaft heraus stellte ich am 7.8.2018 einen Folgeasylantrag. Dieser wurde mit Bescheid vom 24.8.2018 aus Gründen der entschiedenen Sache zurückgewiesen. Zuvor wurde allerdings der faktische Abschiebeschutz mit Beschluss des BVwG vom 22.8.2018, W164 2133447-2 zuerkannt (bzw. festgestellt, dass die Aberkennung rechtswidrig war).
Damit kommt mir faktischer Abschiebeschutz zu und ist aus diesem Grunde meine Abschiebung unzulässig.
Verfahrensgegenständlich wurde ich am 14.7.2018 festgenommen, allerdings erst am 16.7.2018 einvernommen und mit Bescheid vom selben Tage in noch andauernde Schubhaft genommen.
Dazu erhebe ich nunmehr Haftbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht mit nachstehender Begründung:
1) Die Behörde vermeint ich hätte keine Angehörigen in Österreich, dies ist unrichtig, Im Asyl-Zurückweisungsbescheid stellt die Behörde richtig fest, dass ich in Österreich vier Tanten väterlicherseits und mehrere Cousins, sowie weitere Verwandte und damit Familienbezug habe. Verfahrensbehauptung ist, dass die Behörde, wenn sie über den gesamten Verfahrensakt verfügt hätte, nicht davon ausgegangen wäre, dass ich ohne Familie bin und mein Untertauchen zu befürchten ist. Ich wäre, hätte die Behörde sämtliche Aktenteile zur Verfügung gehabt, nicht in Schubhaft genommen worden. Zumindest hätte die Wohnsitznahme bei einer der Tanten und regelmäßige Meldungen bei der Polizei, d.h. ein gelinderes Mittel, angeordnet werden können (und damit auch müssen).
2) Aufgrund dessen, dass ich in Afghanistan nur mehr in einer sehr volatilen Provinz (Parwan) Tanten habe, die ich nicht kenne, weil ich bereits im Babyalter in den Iran übersiedelt bin und von ihnen nur aus Hörensagen gehört habe, hätte die Behörde die jüngere Berichtslage in Erwägung ziehen müssen. Demnach finden auch junge, arbeitsfähige Afghanen in den Städten Afghanistans ohne hilfegewährendes familiäres soziales Netz keine Arbeit und deshalb, so das BFA im Bericht der BFA Staatendokumentation (Austrian Federal Office for Immigration and Asylum, COI unit): Fact Finding Mission Report Afghanistan, April 2018, www.ecoi.net) wonach, siehe Pkt 3.2. ein Arbeit finden in Kabul und damit ein Überleben ohne familiärem sozialen Netz nicht möglich ist (der Bericht verweist Rückkehrer sogar auf Bettelei) sodass Art 3 MRK meine Abschiebung nach Afghanistan jedenfalls verbietet.
Auch die aktuellen UNHCR Richtlinien vom 30.8.2018 erkennen, dass Kabul nicht mehr als innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht. (Link zu den RL: http://www.refworld.org/ country„AFG„5b8900109,0.h Seite 10) Bei rechtsrichtiger Beurteilung der Lage in Afghanistan hätte die Behörde daher erkennen müssen, dass die Abschiebung nach Afghanistan nunmehr rechtswidrig ist, weshalb Schubhaft erst gar nicht verhängt hätte werden dürfen, zumindest hätte die Behörde spätestens nach Erhalt des Beschlusses des BVwG vom 22.8.2018 die Haft aufheben müssen.
Ich stelle daher die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge die hier in Beschwerde gezogene Anhaltung ab Beginn als rechtswidrig feststellen, jedenfalls aber ab dem 22.8.2018 (Beschluss des BVwG zum faktischen Abschiebeschutz) sowie feststellen, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Unter Hinweis auf § 35 VwGVG beantrage ich ferner den Zuspruch von Eingabegebühr und Aufwandsersatz im gesetzlichen Umfang, wobei die Eingabegebühr wohl als ersatzfähige Barauslage gemäß § 35 Abs 4 Z 3 VwGVG anzusehen ist."
Die Verwaltungsbehörde legte die Akten vor, gab aber keine Stellungnahme ab.
Am 20.09.2018 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger von Afghanistan, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellte erstmals am 04.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Er wurde beim Stadtpolizeikommando Linz, PAZ Linz, am 04.10.2015 einer Erstbefragung unterzogen. Dabei gab er eine andere als die im Spruch angeführte Identität an, nämlich den Namen XXXX an.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.07.2016, Zl. 1089840209-151484254, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.); bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.); ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß
§ 57 AsylG 2005 nicht erteilt; gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3
AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen; gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).
Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.04.2018, Zl. W148 2133447-1/16E, als unbegründet abgewiesen.
Am 27.06.2018 wurde er zur Festnahme ausgeschrieben, nachdem sein Aufenthaltsort nicht festgestellt werden konnte. Seit 30.06.2018 war er unstet und wurde am 14.07.2018 festgenommen sowie mit dem im Spruch genannten Bescheid in Schubhaft genommen.
Am 07.08.2018 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft seinen zweiten und nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 14.08.2018 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben.
Der Akt wurde dem Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung der Aufhebung übermittelt und langte dort am 20.08.2018 ein.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.08.2018, Zl.
W164 2133447-2/3E, wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für nicht rechtmäßig erklärt und der mündlich verkündete Bescheid vom 14.08.2018 aufgehoben.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2018, Zl. 1089840209-180746546, wurde der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.); der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.); ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.); gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.); gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.); gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.); gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.) sowie gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt (Spruchpunkt VIII.).
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.09.2018, W115 2133447-3/3Z, wurde der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Das zweite Asylverfahren behängt derzeit noch beim Bundesverwaltungsgericht.
Der Beschwerdeführer ist unbescholten.
Entscheidungsgrundlagen:
* gegenständliche Aktenlage;
* Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht W115 2133447-3;
* Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht W164 2133447-2.
Würdigung der Entscheidungsgrundlagen:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unzweifelhaft aus der Aktenlage und können als unstrittig angesehen werden. Zutreffend streicht die Beschwerde die Problematik der Einräumung faktischen Abschiebeschutzes per 20.08.2018 heraus - siehe rechtliche Beurteilung. Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich unzweifelhaft aus dem Strafregisterauszug. Die Durchführung einer Verhandlung war angesichts des nach der Aktenlage im Zusammenhalt mit der Beschwerde als geklärt anzusehenden Sachverhaltes nicht notwendig.
Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit
Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;
4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:
(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,
2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,
3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,
4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und
5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2
Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.
Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015 idgF, lautet §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:
§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
§22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF bildet sohin im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.
Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) einfachgesetzlichen Normen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 idgF lauten:
(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der Schubhaftbescheid selbst und die Anhaltung bis zum 31.08.2018 noch vor dem Inkrafttreten der aktuellen Fremdenrechtsnovelle, dem 01.09.2018, am Maßstab der bis dahin zu geltenden Regelung des (2) leg.cit in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2018 zu messen ist; diese hatte aber folgenden Wortlaut:
(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
Zu Spruchpunkt I.(Schubhaftbescheid und Anhaltung bis 21.08.2018)
Die Verwaltungsbehörde hatte zu Recht erhebliche Fluchtgefahr angenommen, wie die Angaben des Beschwerdeführers in seiner
Einvernahme vom 17.07.2018 letztlich eindrücklich bestätigen:
F: Sind Sie in Österreich amtlich gemeldet?
A: Nein.
F: Sind Sie in Grundversorgung?
A: Nein.
F: Am 30.06.2018 wurde Ihre Grundversorgung eingestellt. Ist Ihnen das bekannt?
A: Das weiß ich.
F: Von was bestreiten Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt?
A: Meine Familie schickt mir Geld.
F: Inwieweit verfügen Sie über Geldmittel, haben Sie eine Bankomatkarte oder Kreditkarte? A: Ich habe keine Bankomatkarte oder Kreditkarte. Ich habe ca. 50 € Bargeld.
F: Sind Sie in Österreich je einer legalen Beschäftigung nachgegangen?
A: Nein.
F: Am 21.06.2018 wurde eine Rückkehrberatung durch den VMÖ durchgeführt. Dort wurde vermerkt, Sie sind nicht rückkehrwillig. Ist das korrekt?
A: Ja.
F: Was ist mit der Adresse XXXX, XXXX?
A: Ich weiß nicht, ob ich von dort abgemeldet wurde oder nicht.
F: Wohnen Sie noch dort?
A: Nein.
(...)
F: Wo wohnen diese Freunde?
A: Einer lebt in Wien in der XXXX, ich glaube XXXX. Der andere Freund lebte in einer Asylunterkunft, die Unterkunft ist in der Nähe des Bahnhofes St. Pölten.
F: Aus welchem Grund sind Sie an dieser Adresse nicht gemeldet?
A: Ich habe einen Landesverweis bekommen und die Polizei war hinter mir her, das wurde mir vom Unterkunftsgeber mitgeteilt. Aus Angst, gefunden zu werden, habe ich mich nicht angemeldet.
(...)
F: Sofern Sie den Auftrag bekommen, freiwillig bei der für Sie zuständigen Botschaft ein Ersatzreisedokument zu beschaffen, würden Sie diesem Auftrag Folge leisten?
A: Nein.
Der Beschwerdeführer war also untergetaucht und damit zusammenhängend trotz bestehender Ausreiseverpflichtung nicht nur nicht ausreisewillig, sondern gänzlich unkooperativ. Zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung bestand auch kein faktischer Abschiebeschutz, so dass gegenüber der Anordnung der Schubhaft zum Zwecke der Abschiebung keine Bedenken bestehen. Richtig hat die Verwaltungsbehörde auch darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer ursprünglich eine falsche Identität angab und das erste Asylverfahren wegen Untertauchens eingestellt werden musste.
Damit hatte der Beschwerdeführer versucht, die ihm drohende Abschiebung zu verhindern und ist jedenfalls der von der Verwaltungsbehörde angenommene Fluchtgefahrtatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 als erfüllt anzusehen. In diesem Sinne war die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu bestätigen.
Die entsprechenden Beschwerdeausführungen im Zusammenhang mit bestehenden familiären/sozialen Anknüpfungspunkten vermögen zwar die Anwendung der mangelnden sozialen Verankerung des § 76 Abs. 3 Z 9 in einem für den Beschwerdeführer günstigeren Licht sehen, den Fluchtgefahrtatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG aber können sie nicht relativieren.
Den Ausführungen zu Afghanistan kommt im Zusammenhang mit der zwischenzeitlichen Einräumung faktischen Abschiebeschutzes und der Gewährung der aufschiebenden Wirkung im Rahmen des nachfolgenden Spruchpunktes Bedeutung zu; für Spruchpunkt I. aber insofern irrelevant, als die Verwaltungsbehörde bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den faktischen Abschiebschutz von der Durchführung einer Abschiebung infolge einer bestehenden rechtskräftigen Entscheidung ausgehen durfte.
Zu Spruchpunkt II. und III. (Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft ab dem 22.08.2018):
Ganz anders stellt sich also die Anhaltung in Schubhaft ab der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes - im Hinblick auf die bestehende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - dar
Wie der Verwaltungsgerichtshof nunmehr in ständiger Rechtsprechung zu Asylfolgeanträgen ausführt, kommt einem Asylwerber "aufgrund seines Asylfolgeantrags (...) gemäß § 12 Abs. 1 AsylG 2005 wieder faktischer Abschiebeschutz zu, der in dieser Konstellation nach innerstaatlichem Recht nur gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen vom BFA mit Bescheid hätte aberkannt werden können" (VwGH v. 03.07.2018, Ra 2018/21/0025).
Zwar ist ein solcher gegenständlich ergangen, mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kam dem Beschwerdeführer genau ab dem 22.08.2018 wieder dieser faktische Abschiebeschutz - zunächst einmal bis zurückweisenden Entscheidung der Verwaltungsbehörde (gemäß §68 AVG), Zl. 1089840209-180746546, vom 24.08.2018, zu.
Damit aber war die Entscheidung vor dem Hintergrund der Judikatur des VwGH (zB VwGH v. 25.05.2018, Ra 2018/21/0094) "im Hinblick auf die Anordnung des § 16 Abs. 4 zweiter Satz BFA-VG noch nicht durchführbar. Es galt daher auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des in Rede stehenden Fortsetzungsausspruches am 25. April 2018 für den Revisionswerber die Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU), sodass Schubhaft nach § 76 Abs. 2 Z 1 FrPolG 2005 gegen ihn nicht in Betracht kam (siehe zu einer insoweit vergleichbaren Konstellation VwGH 14.11.2017, Ra 2016/21/0219, mit Hinweis auf das grundlegende Erkenntnis VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0009)".
Im gegenständlichen Fall wurde nämlich schließlich der Beschwerde gegen die negative § 68-Entscheidung die aufschiebende Wirkung zuerkannt - bis dato erging keine Endentscheidung - sodass infolge des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.09.2018, W115 2133447-3/3Z, die Rückführung nach Afghanistan bis auf weiteres nicht in Frage kommt.
Damit erweist sich die Schubhaft ab dem 22.08.2018 als rechtswidrig.
Da in Bezug auf die ab 01.09.2018 währende Schubhaft die für den Beschwerdeführer maßgebliche Bestimmung nicht mehr die Z 1 leg.cit, sondern Z 2 darstellt, erweist sich die Anhaltung in Schubhaft ab dem 01.09.2018, (auch) gemessen an dieser Norm, als rechtswidrig:
(...)
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung ein