Entscheidungsdatum
08.10.2018Norm
AsylG 2005 §7 Abs1Spruch
W147 2202448-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Dr. Robert GALLER und Dr. Rudolf HÖPFLINGER, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Viktor-Keldorf-Straße 1, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22. Juni 2018, Zl. 741382207/180263715, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1, 2 und 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 164/2013, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Dem (zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen) Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen der Russischen Föderation, wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. Juli 2005, Zahl: 04 13.822-BAW, der Status des Asylberechtigten im Wege des Familienverfahrens zuerkannt.
2. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 142/1 143 (2. Fall), 15/1 142/1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren mit gleichzeitiger Anordnung der Bewährungshilfe verurteilt.
3. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 127, 129/3, 135/1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
4. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 127, 129/2, 241E/3, 229/1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
5. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am selben Tag, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 125 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
6. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer gemäß § 88/1 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen je € 4,00 (€ 160,00) im Nichterbringungsfall 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.
7. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am selben Tag, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 105/1, 83/1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
8. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 224 (223/2) StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je € 11,00 im Nichterbringungsfall 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.
9. Am 21. März 2018 leitete die belangte Behörde das nunmehr verfahrensgegenständliche Aberkennungsverfahren gegen den Beschwerdeführer ein.
10. Im Zuge des nunmehr verfahrensgegenständlichen Aberkennungsverfahrens wurde der Beschwerdeführer mit Schreiben der belangten Behörde vom 29. März 2018 über das Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und diesem die Möglichkeit zur Stellungnahme zur Wahrung des Parteiengehörs eingeräumt.
11. Nach bewilligtem Ersuchen um Fristerstreckung nahm der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 11. Juni 2018 zum eingeleiteten Aberkennungsverfahren Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass die Verurteilung, wegen derer das Aberkennungsverfahren eingeleitet worden sei, mehr als zehn Jahre zurückliege, der Beschwerdeführer zwischenzeitlich mit seiner Lebensgefährtin eine Wohnung bezogen habe und berufstätig sei. Bei dem Beschwerdeführer sei eine positive Zukunftsprognose zu attestieren.
12. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. Juli 2005, Zahl: 04 13.822-BAW, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.).
Unter Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt.
Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG und § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers unzulässig sei (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage und wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf aktuelle Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat und stellte zur Person des Beschwerdeführers fest, dass er Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der Volksgruppe der Russen zugehörig und seit dem Jahr 2004 in Österreich aufhältig sei. Der Beschwerdeführer spreche Russisch und Deutsch In Österreich würde der Beschwerdeführer mit seiner Lebensgefährtin wohnen. Der Beschwerdeführer sei in Österreich bereits mehrfach straffällig und rechtskräftig wegen des Verbrechens des schweren Raubes zu einer Freiheitstrafe im Ausmaß von 24 Monaten verurteilt worden.
Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und die Erlassung eines Einreiseverbotes führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass es sich mehrheitlich bei den Straftaten um Jugendstraftaten handle. Bei seiner letztmaligen Verurteilung durch das XXXX stellte dieses Gericht fest, dass nicht von "(...) hat im Laufe der letzten Jahre sein Leben in die richtigen Bahnen gelenkt (...)" gesprochen werden könne.
Zur zwingenden Aberkennung des Status des Asylberechtigten führte die belangte Behörde aus, dass der Grund des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vorliege. Der Beschwerdeführer sei von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens im Sinne des § 17 StGB mit Urteil des XXXX rechtskräftig verurteilt worden und stelle, aufgrund des Urteilsspruches, aus stichhaltigen Gründen eine Gefahr für die Österreichische Republik dar. Daher sei dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten abzuerkennen gewesen.
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in sein Herkunftsland eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In Falle des Beschwerdeführers drohe ihm keine der obgenannten Gefahren.
Der Beschwerdeführer sei von einem inländischen Gericht wegen der Delikte gemäß §§ 142/1 143 (2. Fall), § 15/1 142/1 StGB rechtkräftig verurteilt worden. Gemäß § 17 StGB seien Verbrechen vorsätzliche Handlungen, die mit lebenslanger oder mehr als 3-jähriger Freiheitsstrafe seien, alle anderen strafbaren Handlungen seien Vergehen. Daher sei dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 nicht zuzuerkennen gewesen.
Es seien keine persönlichen Umstände ersichtlich, dass der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr nicht eine Arbeit aufnehmen und seinen Lebensunterhalt aus Eigenem bestreiten könnte oder es ihm nicht zumutbar sei.
Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers, seine Lebensumstände sowie seine familiären und privaten Anknüpfungspunkte hätten daher im Zuge der von der belangten Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung eines befristeten Einreiseverbotes gerechtfertigt und notwendig sei, die von ihm ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das befristete Einreiseverbot scheine der erkennenden Behörde zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.
13. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 22. Juni 2018 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die "ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien" als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
14. Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22. Juni 2018, Zl. 741382207/180263715, wurde mit Schriftsatz vom 25. Juli 2018 fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben und die erstinstanzliche Erledigung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit Ausnahme des Spruchpunktes V. angefochten.
16. Die Beschwerdevorlage der belangten Behörde vom 31. Juli 2018 langte am 2. August 2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur vorliegenden Beschwerde wie folgt erwogen:
1. Feststellungen:
In den Jahren 2008-2017 wurde der Beschwerdeführer wiederholt straffällig. Im Strafregister der Republik Österreich scheinen folgende Verurteilungen auf:
1.1. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 142/1 143 (2. Fall), 15/1 142/1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren mit gleichzeitiger Anordnung der Bewährungshilfe verurteilt.
Von einem Vollzug dieser bedingt verhängten Freiheitsstrafe wurde durch das XXXX am 11. September 2013 endgültig abgesehen.
1.2. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 127, 129/3, 135/1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
1.3. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 127, 129/2, 241E/3, 229/1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
1.4. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am selben Tag, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 125 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
1.5. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer gemäß § 88/1 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen je € 4,00 (€ 160,00) im Nichterbringungsfall 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.
1.6. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am selben Tag, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 105/1, 83/1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
1.7. Mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 224 (223/2) StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je € 11,00 im Nichterbringungsfall 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.
1.8. Am 21. März 2018 wurde das Aberkennungsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet.
1.9. Es wird festgestellt, dass die belangte Behörde jegliche Ermittlungen hinsichtlich einer Gefährdungsprognose des Beschwerdeführers unterlassen hat.
1.10. Weiters wird festgestellt, dass dem Verwaltungsakt der belangten Behörde kein einziges strafgerichtliches Urteil den Beschwerdeführer betreffend beigefügt ist, insbesondere nicht das Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , auf welches sich das Bundesamt im Zuge ihrer Entscheidung beruft.
1.11. Festgestellt wird darüber hinaus, dass der Vollzug der mit Urteil des XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , bedingt verhängten Freiheitsstrafe seit 2013 endgültig nachgesehen ist.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen uns Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Richter auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens. Die zu erörternden rechtskräftigen Verurteilungen scheinen im aktuellen Strafregister der Republik Österreich auf. Strafurteile sind dem Akt der belangten Behörde nicht beigefügt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFAVG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
3.2. Zu Spruchteil A) Aufhebung
1. Gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt (Z 1), einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist (Z 2) oder der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat (Z 3).
Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015, ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt (Z 1), einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt (Z 2), er aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 3) oder er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. 60/1974, entspricht (Z 4).
2. Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall die Aberkennung des dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. Juli 2005, Zl. 04 13.822-BAW, zuerkannten Status des Asylberechtigten spruchmäßig auf die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gebaut - sohin auf die Bestimmung, dass der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen ist, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt.
Die belangte Behörde stützt sich in ihrer Begründung des angefochtenen Bescheides wohl auf § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005. Aus folgenden Gründen ist der Bescheid jedoch auch aus diesem Blickwinkel mit Rechtswidrigkeit behaftet:
3. Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, erfordert eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Z 4 und § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005; §§ 53 und 66 Abs. 1 FPG). Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (vgl. VwGH vom 30. August 2017, Zl. Ra 2017/18/0155).
Sowohl für die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 3 als auch Z 4 AsylG 2005 ist daher die vom Betroffenen ausgehende Gefahr - im Falle der Z 3 für die Sicherheit der Republik Österreich und im Falle der Z 4 für die Allgemeinheit - maßgeblich und nicht für sich alleine - wie dies die Ausschlussgründe des Art 1 F GFK vorsehen - das Vorliegen eines strafrechtlichen Delikts.
4. Die belangte Behörde hat zwar die Tatsache der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens nach §§ 142/1 143 (2. Fall) § 15/1 142/1 StGB festgestellt, jedoch keinerlei Feststellungen zum Tathergang getroffen. Im Verwaltungsakt liegt das Strafurteil auch nicht ein. Nicht einmal der Ausgangsbescheid und das Verfahren betreffend den Antrag auf internationalen Schutz wurde dem Verwaltungsakt beigelegt.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung - wie bereits dargelegt - im Wesentlichen mit einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit ohne jedoch zuvor konkrete Beweise erhoben und Ermittlungen durchgeführt zu haben, auf welche ihre Ansicht gestützt werden könnte. Dem Beschwerdeführer wurde zwar mit Schreiben vom 29. März 2018 Gelegenheit zur Stellungnahme im Aberkennungsverfahren gegeben, von dieser machte der Beschwerdeführer auch Gebrauch. Der erstinstanzlichen Behörde lag jedoch weder ein unmittelbarer Eindruck von der Person des Beschwerdeführers noch ein Sachverständigen-Gutachten oder Ähnliches vor, auf welches die getroffenen psychologischen Annahmen gestützt werden können.
Auch unterließ es die erkennende Behörde in diesem Zusammenhang, die strafgerichtlichen Akten oder zumindest die Urteile anzufordern und sich auf diesem Wege einen konkreten Eindruck über die näheren Umstände der begangenen Straftaten und der Strafausmaße (Erschwerungs- und Milderungsgründe) zu verschaffen.
Gänzlich unberücksichtigt wurde der Umstand, dass in Bezug auf die seitens der belangten Behörde herangezogene Verurteilung der Vollzug der bedingt verhängten Freiheitsstrafe im Jahre 2013 endgültig nachgesehen wurde.
Obiter wurde der Beschwerdeführer auch nicht wie im angefochtenen Bescheid festgestellt, zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt (siehe Seite 6 des angefochtenen Bescheides) sondern zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten.
5. Eine Gefährdungsprognose ist im angefochtenen Bescheid nicht enthalten und auf Grundlage des seitens der belangten Behörde festgestellten Sachverhalts auch nicht möglich. Zwar ist nach der Judikatur des VwGH in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig. Da jegliche Feststellung zu den Umständen der Tat unterblieben ist, muss jedoch zum aktuellen Zeitpunkt dahingestellt bleiben, ob gegenständlich ein solch gravierender Fall vorliegt.
Die weiteren Ermittlungen der belangten Behörde zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers blieben ebenso mangelhaft. Dass die belangte Behörde weiters etwa eine Ausweisung des russischen Staatsangehörigen nach "Syrien" für nicht zulässig erklärt (Bescheid, Seite 60) sei nur zusätzlich am Rande erwähnt.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit jedenfalls in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt betreffend die vom Beschwerdeführer auszugehende Gefährdung als mangelhaft.
Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die belangte Behörde als Spezialbehörde für die Ermittlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und es sich bei einem Aberkennungsverfahren um ein von der belangten Behörde amtswegig eingeleitetes Verfahren handelt, dass eine ernsthafte Prüfung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll.
Daran vermag auch die Judikatur des VwGH zur grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nichts zu ändern, bezieht sich diese doch primär auf Antragsverfahren und nicht wie im gegenständlichen Fall auf amtswegig eingeleitete Verfahren. Darüber hinaus erweist sich die Sachverhaltsermittlung im konkreten Fall als nicht einmal "ansatzweise" ausreichend.
Der Gesetzgeber sieht zwar verpflichtend die Einleitung von Aberkennungsverfahren bei entsprechenden Anzeichen vor (zuletzt etwa durch das Fremdenrechtspaket 2018) und sieht auch entsprechende Fristen für das Bundesamt vor, doch entbindet dies die belangte Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes Verfahren unter Berücksichtigung der Judikatur der Höchstgerichte durchzuführen. Ein offenkundiges Überwälzen dieser Verpflichtung auf das Bundesverwaltungsgericht ist keinesfalls im Sinne der Rechtsstaatlichkeit.
6. Die Behebung des Bescheides im gesamten Umfang hatte aufgrund der Untrennbarkeit sämtlicher Spruchpunkte zu erfolgen (vgl. hierzu Asylgerichtshof 10. 2. 2011, C18 308.109-2/2010/3E und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
7. Dem Beschwerdeführer kommt aufgrund der Behebung des Bescheides weiterhin der Status des Asylberechtigten zu.
Da der gegenständlich angefochtene Bescheid bereits auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.
3.3. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Gerade im Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 besteht umfassende Judikatur des VwGH und des VfGH, die die belangte Behörde jedoch unberücksichtigt ließ. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Aberkennungsverfahren, Gefährdungsprognose, strafrechtlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W147.2202448.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.12.2018