TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/8 I403 2206888-1

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Veröffentlicht am 08.10.2018
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Entscheidungsdatum

08.10.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

I403 2206888-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Algerien, vertreten durch die juristischen Personen Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen Spruchpunkt VIII. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2018, Zl. 1066723801/180884507, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt VIII. zu lauten hat:

"Gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz wird gegen Sie ein auf die Dauer von sieben (7) Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 29.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Asylverfahren wurde am 10.09.2015 eingestellt.

Am 18.09.2018 wurde der Beschwerdeführer zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme einvernommen; im Zuge der Einvernahme stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde - nach Durchführung einer Erstbefragung durch die Polizei und Einvernahme durch das BFA am 18.09.2018 - mit Bescheid des BFA vom 19.09.2018 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Unter Spruchpunkt VIII. wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Gegen Spruchpunkt VIII. des Bescheides wurde fristgerecht am 25.09.2018 Beschwerde erhoben und eine Vollmacht für die Vertretung durch die juristischen Personen Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH vorgelegt. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 03.10.2018 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist volljährig und Staatsangehöriger von Algerien.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX, wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs. 3 erster Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten, davon 11 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt. Der Strafrahmen beträgt bis zu 3 Jahren. Konkret hatte der Beschwerdeführer im ersten Halbjahr 2018 an mindestens fünf Abnehmer Marihuana verkauft, wobei er an Suchtmittel gewöhnt war und die Tat überwiegend deshalb beging, um sich für den eigenen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen.

Weiters war der Beschwerdeführer unter Missachtung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ohne entsprechende Arbeitsbewilligung erwerbstätig und hatte sich seinem Asylverfahren entzogen.

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister und dem Zentralen Melderegister (ZMR) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich durch Einsichtnahme in das vom Bundesverwaltungsgericht angeforderte Strafurteil. Die Feststellung zu seiner Erwerbstätigkeit ohne entsprechende Bewilligung ergibt sich aus seinen Aussagen gegenüber dem BFA.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A) Zur Erlassung eines auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Einreiseverbotes (Spruchpunkt VIII. des Bescheides):

Mit der Beschwerde wurde nur Spruchpunkt VIII. angefochten, so dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur die Erlassung des Einreiseverbotes bzw. dessen Dauer ist. Inhaltlich wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer nur einmal zu einer Haftstrafe verurteilt wurde und die Strafe zum Großteil bedingt erlassen wurde. Das BFA habe der vom Verwaltungsgerichtshof geforderten umfassenden einzelfallbezogenen Bemessung (vgl. etwa VwGH, 22.05.2013, 2011/18/0259) nicht Rechnung getragen; eine "besonders ausgeprägte schädliche Neigung" sei beim Beschwerdeführer nicht zu erkennen.

Gemäß § 53 Abs. 3 kann ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Der Beschwerdeführer ist Drittstaatsangehöriger und wurde in Österreich wegen Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs. 3 erster Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten, davon 11 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt. Das Bundesamt hat das Einreiseverbot daher zu Recht auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG (Verurteilung zu einer zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten) gestützt.

Der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche und gegenwärtige schwerwiegende Gefahr darstellt, ist aus den folgenden Gründen beizutreten: In der Beschwerde wurde auf eine Verurteilung wegen § 27 SMG und damit wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtmitteln verwiesen (dies wurde im Übrigen auch im Bescheid falsch zitiert), tatsächlich wurde der Beschwerdeführer aber wegen § 28a SMG und damit wegen Suchtgifthandels verurteilt. Es ist aber zu berücksichtigten, dass nach § 28a Abs. 3 erster Fall SMG iVm § 27 Abs. 5 SMG nur mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren zu bestrafen ist, wenn jemand an Suchtmittel gewöhnt ist und eine Straftat vorwiegend begeht, um sich für den persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen. Dadurch ist im Falle des Beschwerdeführers der Tatbestand des Verbrechens iSd § 17 StGB nicht erfüllt. Zudem wurden im Strafverfahren mildernd sein reumütiges Geständnis, der bisherige ordentliche Lebenswandel und sein Beitrag zur Wahrheitsfindung anerkannt. Allerdings ist aufgrund der verheerenden Auswirkungen der Suchtgiftkriminalität im Bereich des Suchtgifthandels von einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen (vgl. etwa EGMR Urteil Salem gegen Dänemark vom 01.12.2016). Aus diesem Grund kann der vorliegende Fall auch nicht mit jenem Sachverhalt verglichen werden, welcher der in der Beschwerde zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.07.2018, W137 2200375-1 zugrunde lag. Doch wird von der erkennenden Richterin keineswegs verkannt, dass die Strafe größtenteils bedingt verhängt wurde.

Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass der Beschwerdeführer sich seinem ersten Asylverfahren entzog, das daraufhin eingestellt werden musste, und sich in der Folge unrechtmäßig in Österreich aufhielt. Zudem gab er selbst in der Einvernahme durch das BFA am 18.09.2018 an, dass er sich ein gewisses Grundeinkommen durch Erwerbstätigkeiten ohne entsprechende Berechtigung verdient hatte.

Eine besondere Verfestigung im Bundesgebiet ist nicht erkennbar; der Beschwerdeführer gibt an, Freunde zu haben und bei einem Fußballverein gespielt zu haben, eine nachhaltige Integration oder familiäre Anknüpfungspunkte, welche eine Verankerung im Bundesgebiet nahelegen würden, ergeben sich daraus nicht. Der Beschwerdeführer hält sich seit rund dreieinhalb Jahren in Österreich auf, gab aber an, dazwischen auch in Deutschland gewesen zu sein. Von einer langen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet kann daher nicht ausgegangen werden. Ein Familienleben im Raum der Europäischen Union wurde nicht vorgebracht.

In einer Gesamtschau aller Umstände ist daher trotz des in der Relation geringen Strafausmaßes festzustellen, dass vom Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche durchaus ein Einreiseverbot zu rechtfertigen vermag.

Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seines Aufenthaltes in Österreich nur einmalig verurteilt wurde und dies größtenteils zu einer bedingten Freiheitsstrafe. Daher erscheint die vom BFA verhängte Dauer des Einreiseverbotes mit zehn Jahren und damit in der maximalen Höchstdauer unangemessen.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des Bescheides war daher insofern stattzugeben, als dass die Dauer des Einreiseverbotes auf die Dauer von sieben Jahren abgesenkt wird.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gegenständlich teilt das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung und blieb die wesentliche Feststellung (das fehlende Privat- und Familienleben in Österreich, die strafrechtliche Verurteilung) auch in der Beschwerde unbestritten. Vor diesem Hintergrund kann auch die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks nicht zu einem anderen Ergebnis der nach § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessensabwägung führen können. Das Bundesverwaltungsgericht durfte daher davon ausgehen, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG geklärt war (VwGH, 12.11.2015, Ra 2015/21/0184).

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Angemessenheit, Einreiseverbot, Gefährdungsprognose, Herabsetzung,
öffentliches Interesse, strafrechtliche Verurteilung,
Suchtgifthandel, Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I403.2206888.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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