Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §6;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/19/0117 99/19/0118Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde 1.) des 1992 geborenen PK, 2.) des 1983 geborenen NK und 3.) der 1984 geborenen MK, sämtliche in W, sämtliche vertreten durch Dr. J und Mag. R, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 3. Mai 1999, Zlen. 1.) 101.658/41-III/11/99,
2.) 101.658/42-III/11/99 und 3.) 103.586/17-III/11/99, jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 13.333,33 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer beantragten am 6. Oktober 1993 (bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangt am 8. Oktober 1993) die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen. Diese Anträge wurden mit im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der belangten Behörde am 19. Jänner 1995 jeweils gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.
Die Beschwerdeführer erhoben gegen diese Bescheide die zu den Zlen. 96/19/0271, 0273 und 0274 protokollierten Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. September 1998 wurden die Bescheide der belangten Behörde vom 19. Jänner 1995 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
In den Entscheidungsgründen führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage, ob die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 19. Jänner 1995 gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) außer Kraft getreten sind, Folgendes aus:
Aufgrund der glaubhaften und von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unwidersprochen gebliebenen Auskunft der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. Mai 1998 sei davon auszugehen, dass für den Erstbeschwerdeführer nie ein Sichtvermerk oder eine Aufenthaltsbewilligung ausgestellt gewesen sei. Die beiden übrigen Beschwerdeführer hätten über gewöhnliche Sichtvermerke für die Zeiträume vom 17. März 1992 bis 31. Juli 1992 und vom 3. August 1992 bis 11. Dezember 1992 verfügt. Ausgehend von dieser Feststellung handle es sich bei den Anträgen der Beschwerdeführer vom 8. Oktober 1993 um Erstanträge. § 113 Abs. 6 FrG 1997 sei nicht anwendbar. Daran vermöge auch das Vorbringen der Beschwerdeführer nichts zu ändern, wonach der der Mutter des Erstbeschwerdeführers erteilte Wiedereinreisesichtvermerk nicht auch auf ihn erstreckt worden sei, bzw. den übrigen Beschwerdeführern lediglich deshalb mit 11. Dezember 1992 befristete Sichtvermerke erteilt worden seien, weil deren Reisepässe bereits mit diesem Datum abgelaufen seien. Die Beschwerdeführer fielen auch nicht unter die Übergangsbestimmung des § 113 Abs. 7 FrG 1997, weil eine Frist zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften) in Ansehung von gewöhnlichen Sichtvermerken, welche vor dem 1. Juli 1993 endeten, nicht existierte. Demnach hätten die Beschwerdeführer eine solche Frist auch nicht versäumt haben können
In der Sache kam der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis, dass der belangten Behörde ein Verstoß gegen die Begründungspflicht vorzuwerfen sei, weshalb die Bescheide vom 19. Jänner 1995 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurden.
Mit den nunmehr angefochtenen Ersatzbescheiden vom 3. Mai 1999 wurden die Anträge der Beschwerdeführer vom 6./8. Oktober 1993 im Instanzenzug neuerlich, diesmal gemäß § 8 Abs. 5 in Verbindung mit § 12 Abs. 1,weiters gemäß § 10 Abs. 2 Z 1 bis 3 und 5, und gemäß § 14 Abs. 2 FrG 1997, in Ansehung des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin darüber hinaus gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Erstbeschwerdeführer sei in Österreich geboren und halte sich seither unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die beiden anderen Beschwerdeführer hätten über gewöhnliche Sichtvermerke mit Geltungsdauer vom 17. März 1992 bis 31. Juli 1992 und vom 3. August 1992 bis 11. Dezember 1992 verfügt. Seither hielten sie sich durchgehend unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Aufgrund der Tatsache, dass der Erstbeschwerdeführer noch nie über einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt habe, sowie aufgrund des "Datums der Gültigkeitsdauer" der den übrigen Beschwerdeführern erteilten Sichtvermerke seien die Anträge der Beschwerdeführer als solche auf Erteilung von Erstaufenthaltstiteln zu qualifizieren, wie sich auch aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. September 1998 ableiten lasse.
Sodann führte die belangte Behörde in der Begründung der angefochtenen Bescheide näher aus, weshalb sie die von ihr herangezogenen Versagungsgründe als gegeben erachtete.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 8 Abs. 5, § 12 Abs. 1 und 3, § 14 Abs. 2, § 21 Abs. 3, § 23 Abs. 1 und 6, § 28 Abs. 2, § 112 sowie § 113 Abs. 6 und 7 FrG 1997 lauten (auszugsweise):
"§ 8. ....
(5) Für die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels bedarf es des Nachweises eines Rechtsanspruches auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft für den Fremden, der sich hier niederlassen will. Dieser Nachweis ist auch für die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels erforderlich; ....
§ 12. (1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist außer in den Fällen des § 10 Abs. 4 zu versagen, wenn Fremde, die hiezu gemäß § 8 Abs. 5 verpflichtet sind, keinen Rechtsanspruch auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft nachweisen.
...
(3) Fremden darf wegen eines Sachverhaltes, der keine Ausweisung oder kein Aufenthaltsverbot zulässt, ein weiterer Aufenthaltstitel für denselben Aufenthaltszweck nicht versagt werden.
§ 14. ...
(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; dies gilt nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels dann nicht, wenn der weitere Aufenthaltstitel eine Erwerbstätigkeit zulassen soll, für die der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel nicht erteilt hätte werden können (§ 13 Abs. 3). ...
§ 15. (1) Werden in einem Verfahren zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels Versagungsgründe bekannt, so hat die Behörde-gegebenenfalls nach Einholung einer fremdenpolizeilichen Stellungnahme-den Antragsteller vom Versagungsgrund in Kenntnis zu setzen, ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung (§§ 33 ff) beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 37) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern.
(2) Nach Ablauf dieser Frist ist bei unverändertem Sachverhalt das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung zu veranlassen; der Ablauf der Frist des § 73 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991-AVG, BGBl. Nr. 51, wird dadurch bis zum Abschluss dieses Verfahrens gehemmt. Sobald sich ergibt, dass eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig ist, hat die Behörde den weiteren Aufenthaltstitel zu erteilen.
(3) Erwächst jedoch eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, so ist das Verfahren über den Antrag auf Erteilung des weiteren Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Dieses Verfahren ist fortzusetzen, sobald nach einer Aufhebung der Ausweisung oder des Aufenthaltsverbotes durch den Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof feststeht, dass deren Verhängung nunmehr unterbleibt.
§ 21. ...
(3) Der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, ist auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt. ...
§ 23. (1) Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, ist - sofern die Voraussetzung des zweiten Abschnittes weiterhin gesichert scheinen - auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen. ...
(6) Eine weitere Niederlassungsbewilligung ist schließlich Fremden auf Antrag zu erteilen, die auf Dauer niedergelassen bleiben, aber bisher österreichische Staatsbürger waren oder als in Österreich geborene Kinder aus dem Grund des § 28 Abs. 2 keinen Aufenthaltstitel benötigten; ...
§ 28. ...
(2) In Österreich geborene Kinder Fremder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sind während ihrer ersten drei Lebensmonate von der Sichtvermerkspflicht befreit, sofern die Mutter über einen Aufenthaltstitel verfügt oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt; dies gilt jedoch nur, solange das Aufenthaltsrecht der Mutter weiterhin besteht.
...
§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen, je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. Soweit sich hiedurch die Zuständigkeit einer anderen Behörde ergibt, ist die Sache ungeachtet ihres Verfahrensstandes der zuständigen Behörde erster Instanz abzutreten.
§ 113. ...
(6) Rechtskräftige Bescheide, mit denen die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt wurde oder mit denen der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde, treten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der Betroffene sie beim Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof angefochten und dieser die Entscheidung noch nicht getroffen hat. ....
(7) Als Bescheide nach Abs. 6, die unter den dort festgelegten Voraussetzungen außer Kraft treten, gelten auch rechtskräftige Bescheide, mit denen auf Dauer niedergelassenen Fremden die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung versagt wurde, die deshalb beantragt wurde, weil die Fremden entweder die Frist für den Antrag auf Verlängerung versäumt hatten oder trotz rechtmäßiger Niederlassung zuvor keiner Aufenthaltsbewilligung bedurften."
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Qualifi kation ihrer Anträge als solche auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung. Sie verweisen auf die Geburt des Erstbeschwerdeführers in Wien, sowie darauf, dass seine Mutter über einen Sichtvermerk verfügt habe, welcher jedoch nicht auf den Erstbeschwerdeführer erstreckt worden sei. In Ansehung der beiden übrigen Beschwerdeführer wird auf die ihnen erteilten gewöhnlichen Sichtvermerke verwiesen.
Zutreffend erkennen die Beschwerdeführer, dass die Voraussetzungen für die Weiterführung eines Verfahrens als solches zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung nach den Bestimmungen der §§ 112, 23 Abs. 1 bzw. 6 FrG 1997, einerseits, und jene für das Außerkrafttreten eines nach dem Aufenthaltsgesetz ergangenen Bescheides gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 FrG 1997, andererseits, unterschiedlich sind. § 113 Abs. 6 und 7 FrG 1997 betrifft (ua.) Verlängerungsanträge im Sinne des § 6 AufG sowie Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, welche gestellt wurden, nachdem ein Fremder die Frist zur Stellung eines Antrages auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung versäumt hatte. Der Kreis der davon erfassten Antragsteller ist jedoch nicht mit dem im § 23 Abs. 1 oder 6 FrG 1997 umschriebenen Personenkreis identisch, erfassen die letztgenannten Bestimmungen im unmittelbaren Anwendungsbereich doch alle Fremden, die im Anschluss an den Ablauf ihrer Niederlassungsbewilligung, bzw. ihrer Sichtvermerksfreiheit gemäß § 28 Abs. 2 FrG 1997 auf Dauer niedergelassen bleiben. Die belangte Behörde dürfte daher das gegenständliche Verfahren nicht schon allein deshalb als solches zur Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung fortführen, weil der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis am 11. September 1998 die Voraussetzungen des § 113 Abs. 6 oder 7 FrG 1997 nicht für gegeben erachtete.
Im Übrigen sind die Beschwerdeführer aus nachstehenden Erwägungen mit ihrer Auffassung, ihre Verfahren wären als solche zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung fortzuführen gewesen, im Recht:
Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG traten die Rechtssachen infolge der Aufhebung der Bescheide vom 19. Jänner 1995 mit Erkenntnis vom 11. September 1998 in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung dieser Bescheide befunden haben. Die belangte Behörde hatte daher bei Erlassung der nunmehr angefochtenen Bescheide davon auszugehen, dass die Verfahren über die Anträge der Beschwerdeführer vom 6./8. Oktober 1993 am 1. Jänner 1998 "anhängig" im Sinne des § 112 FrG 1997 waren.
1. Zum Verfahren des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin:
Zur Frage, in welchen Fällen ein am 1. Jänner 1998 anhängiges Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als solches zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung fortzuführen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zlen. 98/19/0195, 0196, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Eine weitere Niederlassungsbewilligung ist nicht nur jenen Fremden zu erteilen, welche ihren Antrag gemäß § 31 Abs. 4 FrG 1997 rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer des ihnen zuletzt erteilten Aufenthaltstitels stellten; vielmehr ist auch bei späterer Antragstellung unter der Voraussetzung, dass der Fremde
-
wenn auch ohne Bewilligung - nach Ablauf der Gültigkeitsdauer seiner Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleibt, eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Auf das Ausmaß der Fristversäumnis kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Eine Fortführung eines Verfahrens zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als solches zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung ist immer dann geboten, wenn ein Fremder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügte, der ihm nach den damals geltenden Bestimmungen gestattete, sich im Bundesgebiet auf Dauer niederzulassen, also gemäß der Definition des § 7 Abs. 3 FrG 1997 in Österreich einen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen zu begründen oder sich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit an einem inländischen Wohnsitz niederzulassen und er nach Ablauf der Gültigkeit desselben im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen blieb. Als ein Aufenthaltstitel in diesem Verständnis kann auch ein gewöhnlicher Sichtvermerk gemäß § 24 Abs. 1 lit. a des Passgesetzes 1969 gelten, wenn er für einen sechs Wochen übersteigenden Zeitraum ausgestellt wurde und keine Einschränkungen betreffend Grenzübergänge, Reisewege oder Reiseziele enthielt.
Nach dem Vorgesagten erscheint es nahe liegend, dass der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin schon aufgrund der ihnen nach den Feststellungen der belangten Behörde ausgestellten gewöhnlichen Sichtvermerke nach dem Passgesetz 1969
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jedenfalls in Ermangelung einer Einschränkung dieser Sichtvermerke auf einen bestimmten Aufenthaltszweck - berechtigt gewesen wären, sich in Österreich auf Dauer niederzulassen.
Hätten sich diese Beschwerdeführer aber aufgrund solcher hiezu berechtigenden Titel zunächst rechtmäßig auf Dauer niedergelassen und sind sie - wie von der belangten Behörde festgestellt - nach Ablauf der Gültigkeitsdauer dieser Titel - wenn auch rechtswidrig - auf Dauer niedergelassen geblieben, so wären die Verfahren über ihre Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als solche zur Erteilung weiterer Niederlassungsbewilligungen fortzuführen gewesen.
2. Zum Verfahren des Erstbeschwerdeführers:
Diesem Beschwerdeführer war im Gegensatz zu den beiden anderen Beschwerdeführern kein gewöhnlicher Sichtvermerk ausgestellt worden. Allerdings wurde der Erstbeschwerdeführer in Wien geboren.
Aus dem Grunde des § 23 Abs. 6 FrG 1997 setzte die Fortführung seines Verfahrens als solches zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung zunächst voraus, dass er als in Österreich geborenes Kind gemäß § 28 Abs. 2 FrG 1997 keinen Aufenthaltstitel benötigt hätte.
Nach dem Gesetzeswortlaut erfüllte der Erstbeschwerdeführer diese Voraussetzungen aber schon deshalb nicht, weil das FrG 1997 während seiner ersten drei Lebensmonate noch gar nicht in Geltung stand. Eine sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung (§ 28 Abs. 2 FrG 1997) wird auch durch die Übergangsbestimmung des § 112 FrG 1997 nicht ausdrücklich angeordnet.
Freilich bieten die Gesetzesmaterialien keine Indizien dafür, dass der Gesetzgeber die Begünstigung des § 28 Abs. 2 FrG 1997 nur nach dem 1. Jänner 1998 geborenen Kindern wollte zuteil werden lassen.
Folglich ist - in verfassungskonformer Ergänzung der geradezu offenkundig unvollständigen Übergangsvorschriften für Ereignisse, die bereits vor dem Inkrafttreten des FrG 1997 stattgefunden haben - davon auszugehen, dass entsprechend der dem FrG 1997 zugrunde liegenden Wertung auch für Kinder, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes in Österreich geboren wurden und die die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 FrG 1997 - wäre er während ihrer ersten drei Lebensmonate in Geltung gestanden - erfüllt hätten, die Erteilung weiterer Niederlassungsbewilligungen in Frage kommt.
Es ist nämlich keine sachliche Rechtfertigung zu erkennen, weshalb andernfalls vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich geborene Kinder in Ansehung der Möglichkeit, eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erlangen, von vornherein schlechter gestellt werden sollten als solche, die nach diesem Termin in Österreich zur Welt gekommen sind.
Maßgebend wäre daher gewesen, ob die Mutter des Erstbeschwerdeführers während seiner ersten drei Lebensmonate über eine einem "Aufenthaltstitel" im Verständnis des § 28 Abs. 2 FrG 1997 gleichzuhaltende Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet verfügt hat. Als solche hätte auch ein gewöhnlicher Sichtvermerk gemäß § 24 Abs. 1 lit. a des Passgesetzes 1969 zu gelten, wenn er - weil er für einen sechs Wochen übersteigenden Zeitraum ausgestellt wurde und keine Einschränkungen betreffend Grenzübergänge, Reisewege oder Reiseziele enthielt - der Mutter das Recht einräumte, sich im Bundesgebiet niederzulassen.
In Verkennung dieser Rechtslage unterließ es die belangte Behörde Feststellungen darüber zu treffen, ob die Mutter des Erstbeschwerdeführers während seiner ersten drei Lebensmonate über einen gewöhnlichen Sichtvermerk verfügte und für welchen Zeitraum dieser erteilt wurde. Im Hinblick auf die Wiedergabe des Beschwerdevorbringens des Erstbeschwerdeführers im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. September 1998, wonach versehentlich der seiner Mutter erteilte Wiedereinreisesichtvermerk nicht auf ihn erstreckt worden sei, wären derartige Ermittlungen auch geboten gewesen. Hätte die Mutter des Erstbeschwerdeführers aber in dessen ersten drei Lebensmonaten über einen, einem Aufenthaltstitel gleich zu haltenden gewöhnlichen Sichtvermerk verfügt, so wäre es nicht ausgeschlossen, auch dem Erstbeschwerdeführer gemäß § 23 Abs. 6 FrG 1997 eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Auch in diesem Zusammenhang käme es auf den zwischen seiner Geburt und der Antragstellung verstrichenen Zeitraum nicht an. Der Ausdruck "bisher" in § 23 Abs. 6 FrG 1997 bezieht sich nämlich nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung oder der Bescheiderlassung, sondern auf den Zeitpunkt, ab dem der Fremde "auf Dauer niedergelassen bleibt", obwohl seine Berechtigung zum Aufenthalt (infolge seiner österreichischen Staatsbürgerschaft oder infolge seiner Befreiung von der Sichtvermerkspflicht gemäß § 28 Abs. 2 leg.cit.) geendet hat.
Ein anderes Verständnis der in Rede stehenden Bestimmung führte nämlich zu einem sachlich nicht zu rechtfertigenden Wertungswiderspruch zwischen Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeit ihrer Niederlassungsbewilligung im Sinne des § 23 Abs. 1 FrG 1997 auf Dauer niedergelassen bleiben, einerseits, und in Österreich geborenen Kindern, die nach Ablauf ihrer Sichtvermerksfreiheit in Österreich auf Dauer niedergelassen bleiben, andererseits. Dem Gesetzgeber ist wohl kaum zusinnbar, dass er die Möglichkeit der Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung an in Österreich geborene Kinder an eine Antragstellung unmittelbar nach Ablauf der dreimonatigen Sichtvermerksfreiheit gemäß § 28 Abs. 2 FrG 1997 binden wollte, während es bei Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, auf den Zeitraum zwischen diesem Ablauf und ihrer Antragstellung nicht ankäme.
Nach dem Vorgesagten wäre daher auch das Verfahren des Erstbeschwerdeführers ungeachtet des zwischen seiner Geburt und seiner Antragstellung verstrichenen Zeitraumes dann als solches zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung fortzuführen gewesen, wenn seine Mutter in seinen ersten drei Lebensmonaten über einen einer Aufenthaltserlaubnis gleichzuhaltenden gewöhnlichen Sichtvermerk verfügt hätte, weil auch der Erstbeschwerdeführer nach den Feststellungen im erstangefochtenen Bescheid seit seiner Geburt auf Dauer in Österreich niedergelassen ist.
Wären aber die Verfahren über die Anträge sämtlicher Beschwerdeführer als solche zur Erteilung von weiteren Niederlassungsbewilligungen fortzuführen gewesen, so hätte die belangte Behörde selbst bei Vorliegen von Versagungsgründen die Anträge der Beschwerdeführer nicht abweisen dürfen, sondern wäre verpflichtet gewesen, nach den Bestimmungen der §§ 12 Abs. 3 und 15 FrG 1997 vorzugehen.
In diesem Zusammenhang sei klargestellt, dass die Bestimmung des § 12 Abs. 3 FrG 1997 auch auf den Tatbestand des § 8 Abs. 5 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 FrG 1997 anzuwenden ist. Auch aufgrund des in den beiden letztgenannten Bestimmungen umschriebenen "Sachverhaltes" dürfte ein weiterer Aufenthaltstitel für den selben Aufenthaltszweck nicht versagt werden, wenn dieser keine Ausweisung oder kein Aufenthaltsverbot zulässt. Wie bei § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 98/19/0230), handelt es sich auch bei § 8 Abs. 5 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 FrG 1997 um einen Versagungsgrund im Verständnis der §§ 12 Abs. 3 und 15 FrG 1997. Nach der letztgenannten Bestimmung hätte die belangte Behörde daher, wenn sie der Meinung war, solche Gründe lägen vor, nach Durchführung des in § 15 Abs. 1 FrG1997 vorgesehenen Verfahrens bei unverändertem Sachverhalt bei der Fremdenpolizeibehörde ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung zu veranlassen gehabt.
Es kann daher für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des hier angefochtenen Bescheides dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführer Nachweise im Sinne des § 8 Abs. 5 FrG 1997 erbrachten, bzw. ob die Anwendung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 vorliegendenfalls nicht auch schon aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des zweiten Satzes dieser Gesetzesbestimmung ausgeschlossen war.
Die Beschränkung des Familiennachzuges gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 ist ausschließlich auf Anträge zur Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung anwendbar. Auch diese Bestimmung vermag daher die Abweisung der Anträge des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin nicht zu tragen.
Aus diesen Erwägungen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999190116.X00Im RIS seit
10.01.2002