Entscheidungsdatum
11.10.2018Norm
BFA-VG §22a Abs1 Z2Spruch
W117 2197357-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Festnahme sowie die Anhaltung zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 22a Abs. 1 Z 2 idgF, Art 5 Abs. 1 2. Satz EMRK, Art 1 Abs. 2 und Art 2 Abs. 1 Z 4 PersFrG wird der Beschwerde stattgegeben und die Festnahme am 12.05.2018 und die Anhaltung vom 12.05.2018 bis 13.05.2018, 19.10 Uhr, für rechtswidrig erklärt.
II. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF hat der Bund dem Beschwerdeführer die Aufwendungen in Höhe von € 767,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit Bescheid der Regionaldirektion Wien vom 15.09.2016 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, durchführbar mit 26.06.2017, erlassen; seiner Verpflichtung zur Ausreise kam er aber nicht nach.
Mit Bescheid vom 27.04.2018, Zahl 1089879105 - 170857529, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG die Verpflichtung auferlegt, bei Erlangung eines Ersatzreisedokuments mitzuwirken und am 02.05.2018 zur Botschaft der islamischen Republik Afghanistan zu kommen (Ladung).
Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde dem Beschwerdeführer für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die im Spruch angeführte Organisation als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt. Das Vollmachtsverhältnis wurde erst mit Beschwerdeerhebung begründet.
Per Email vom 27.04.2018 ersuchte die Verwaltungsbehörde die LPD Wien um Zustellung des angeführten Mitwirkungsbescheides vom 27.04.2018, Zahl 1089879105 - 170857529, an der im Melderegister zum damaligen Zeitpunkt aufscheinenden Wohnadresse.
Am 30.04.2018 versuchten Sicherheitsorgane der LPD Wien, dem Beschwerdeführer den Mitwirkungsbescheid an der angeführten Adresse zuzustellen - der Zustellversuch lief wie folgt ab:
"Am 30.04.2018, um 08,00 Uhr wurde an der Adresse XXXX Nachschau gehalten. Nach mehrmaligem laustarkem Klopfen wurde uns schließlich die Wohnungstüre durch den Herrn XXXX , geb. XXXX , Afghanistan, Leg.: Asylkarte, Karte für subsidär Schutzberechtigte, Nr XXXX , geöffnet. Herr XXXX gab an, dass XXXX sein Bruder sei. Dieser wohne aber derzeit seinem Wissen nach nicht hier in dieser Wohnung, da er eine Freundin hat. Bezüglich der Freundin und dem derzeitigen Wohnort konnte bzw wollte Herr XXXX keine Angaben machen. Herr XXXX verständigte nach langem Zureden schließlich seinen Bruder telefonisch und teilte diesem mit, dass ganz wichtige Schriftstücke bei der Polizei {Wien 2., Ausstellungsstraße 44) abzuholen seien. Zu diesem Zeitpunkt befand sich XXXX angeblich irgendwo in der Nähe der Donau (2. Bezirk). Ein sofortiges Kommen kam für ihn aber nicht in Frage, da es für XXXX wichtiger war mit seiner Freundin spazieren zu gehen. Anzumerken ist, dass sich Herr XXXX völlig unkooperativ verhielt, die Amtshandlung nur lächerlich fand und an der positiven Zustellung der Schriftstücke an seinen Bruder nur erschwert mitwirken wollte, obwohl mehrfach mitgeteilt wurde, dass es für seinen Bruder sehr wichtig sei. XXXX hatte aber offensichtlich kein Interesse die Schriftstücke abzuholen, da er nicht wie telefonisch vereinbart in der PI Ausstellungsstraße erschien. Die Hauptmieterin konnte weder vor Ort noch telefonisch erreicht werden. Auf Grund angeführter Umstände konnte keine Zustellung der Schriftstücke erfolgen." (Bericht der LPD Wien vom 30.04.2018; GZ: RAD/18/00765754/001/VW)
Der von der Verwaltungsbehörde mitübersandte Zustellschein weist (aber) hinsichtlich der Rubrik "Verständigung von der Hinterlegung" keine Eintragung auf.
In der Folge wurde der Mitwirkungsbescheid am 30.04.2018 bei der SPK Brigittenau hinterlegt. Der Beschwerdeführer behob aber diesen Bescheid nicht.
Am 07.05.2018 erließ die Verwaltungsbehörde einen Festnahmeauftrag "in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt (§§ 34 Abs. 5 und 47 Abs. 1 BFA-VG)" auf der Rechtsgrundlage des § 34 Abs. 3 Z 4 BFA-VG - "Nichtbefolgung Ladungsbescheid/Mitwirkungsbescheid gemäß § 46 Abs. 2a iVm 2b FPG und § 19 AVG bzw. Vollstreckungsverfügung nach § 46 Abs. 2b FPG konnte nicht vollzogen werden" und führte darin weiter begründend aus:
"Für die Anordnung der Festnahme ist maßgebend: Die Rückkehrentscheidung (§ 52 FPG) ist seit 26,06.2017 durchführbar, und die Frist für die freiwillige Ausreise ist verstrichen, Genannter ist ohne ausreichende Entschuldigung den Auflagen des Mitwirkungsbescheides vom 27.04.2018 nicht nachgekommen, indem er nicht zum Interview Termin bei der Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan am 02.05.2018 erschienen ist."
In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer am 12.05.2018 von Beamten der LPD Kärnten am Bahnhof Villach angehalten und festgenommen.
Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen dieser Festnahme bis 13.05.2018, 19.10 Uhr angehalten; mit Ausfolgung des "Bescheides über Zwangsstrafe", Zahl: 1089879105- 170857529, um 19.10 Uhr am 13.05.2018, mit dem gemäß § 5 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (WG), BGBl Nr. 53/1991 idgF, die für den Fall der Nichterfüllung angedrohte Haftstrafe von 14 Tagen über ihn verhängt wurde, wurde er im Rahmen dieser angeordneten Beugehaft angehalten.
Am 24.05.2018 wurde der Beschwerdeführer der afghanischen Botschaft vorgeführt und nachfolgend mit Bescheid vom 25.05.2018 zur Zahl 1089879105- 180489420, in Schubhaft genommen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Schubhaftbeschwerde.
Die Verwaltungsbehörde legte am 06.06.2018 die Akten vor und führte im Rahmen ihrer Stellungnahme zur Zustellung des Mitwirkungsbescheides aus:
"Am 21.07.2018 wurde von ha. ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates gestartet, da der BF nicht im Besitz eines Reisedokumentes war. Der BF wurde für den Termin bei der Afghanischen Botschaft am 02.05.2018 nominiert.
Anschließend wurde am 30.04.2018 vom SPK 20 versucht dem BF ein Bescheid gem. § 46 Abs. 2a und 2b FPG iVm § 19 AVG an seiner Meldeadresse zuzustellen. Da der BF nicht angetroffen wurde, wurde das Schriftstück bei der PI Ausstellungsstraße hinterlegt. Der BF hat sich das Schriftstück nicht rechtzeitig abgeholt und ist somit bei der Botschaft nicht erschienen.
(...)
Es wurde zuerst versucht den Mitwirkungsbescheid an den BF zuzustellen und dann auch die Vollstreckungsverfügung zu vollziehen, jedoch konnte der BF nicht an seiner Wohnadresse angetroffen werden. Der BF hat auch das hinterlegte Schriftstück nicht abgeholt.
(...)"
Am 08.06.2018 wurde im Rahmen des Schubhaftbeschwerdeverfahrens eine Verhandlung durchgeführt. In dieser Verhandlung wurden der Bruder des Beschwerdeführers (Z1) und dessen Lebensgefährtin (Z2), die Hauptmieterin jener Wohnung, in der der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der versuchten Zustellung am 30.04.2018 gemeldet war, aber nicht angetroffen wurde, unter anderem zum vergeblichen Zustellversuch (des Mitwirkungsbescheides) am 30.04.2018 durch die Organe der öffentlichen Sicherheit befragt. Diese gaben an:
Z1: Es war ca. 05:30 oder 06:00 Uhr, ich weiß es aber nicht genau wie spät es war. Ich hört ein klopfen, ich habe geschlafen, ich wollte etwas anziehen und die Tür öffnen. Dann hörte ich ein sehr lautes klopfen. Die Polizisten kamen hinein, fragten nach XXXX . Ich sagte, dass ich nicht wusste wo er war. Sie fragten, ob ich seine Nummer habe und ihn anrufen kann. Ich sagte, ja und erklärte, dass er mein Bruder ist. Am Telefon sagte mein Bruder, dass er sich an der Donau befand. Die Polizisten sagten, dass ich meinem Bruder sagen soll, dass er zu einer bestimmten Polizeiinspektion kommen soll. Ich habe den Polizisten gebeten, den Namen der Polizeiinspektion aufzuschreiben, weil ich ihn akustisch nicht verstanden habe. Der Polizist hat mich angeschrien und hat in einem unfreundlichen Ton gesagt, dass ich mir den Namen doch merken soll. Der andere Polizist hat gesagt, dass das alles kein Problem sei und dass ich meinem Bruder nur sagen soll, dass es für ihn wichtig ist bei der Polizeiinspektion zu erscheinen. Das habe ich in Anwesenheit der Polizisten meinem Bruder so mitgeteilt.
(...)
VR: Sie sind die Lebensgefährtin von?
Z2: Ich bin die Lebensgefährtin des Bruders des BF.
VR: Sie wohnen mit diesem in einer Wohnung?
Z2: Ja.
VR: Wo?
Z2: In der XXXX .
VR: Sie sind Eigentümer?
Z2: Ich bin die Hauptmieterin dieser Wohnung. Mein Lebensgefährte ist bei mir gemeldet.
VR: Der BF ist auch bei Ihnen gemeldet?
Z2: Genau.
(...)
RV: Stimmt es, dass Sie den BF auch zum Termin bei der afghanischen Botschaft begleitet haben?
Z2: Ja das ist richtig. Aber es war kein dezidierter Termin. Nachdem die Polizei einmal bei uns zuhause aus um ihm einen Brief oder sonstiges zuzustellen, wir aber nicht wussten was es ist, wurde der BF bei einer normalen Identitätskontrolle kontrolliert und darauf hingewiesen, dass er sich zur afghanischen Botschaft begeben möge. Daraufhin sind wir am nächsten Tag (03.05.2018) zur afghanischen Botschaft gegangen. Dort hat man uns aber gesagt, wir sollen die Woche darauf wiederkommen.
VR: Sind Sie nächste Woche dann zur Botschaft?
Z2: Nein, weil der BF zwischenzeitlich festgenommen wurde.
RV: Haben Sie auch schriftlich eine Ladung bekommen, der BF möge zur Botschaft gehen?
Z2: Nein, ich habe tatsächlich nie einen entsprechenden Brief in der Hand gehabt.
Z2: Ich weiß auch nichts von einer Hinterlegungsanzeige. Am 30.04.2018 - ich war aber nicht zuhause, ich war in der Arbeit - hat mich mein Freund angerufen, ich schätze um ca. 08:00 Uhr in der Früh und sagte, dass zwei Beamte angeklopft hätten. Diese wollten den BF sprechen, er war aber nicht zuhause. Wie mir mein Freund erzählt hat, wollten Sie den BF "Briefe" aushändigen. Aber sie haben sich, laut meinem Freund, geweigert ihn, meinem Freund, diese auszuhändigen und haben gesagt, dass es postalisch kommt. Sie haben gesagt, dass der BF sich bei der Polizei melden soll. Mein Freund war dementsprechend im "Schock" und hat sich auch nicht gemerkt, wo genau der BF hinsolle. An diesem Tag war von der afghanischen Botschaft noch keine Rede. (...)
Am Ende dieser Verhandlung wurde das Erkenntnis, die Schubhaft betreffend, mündlich wie folgt verkündet:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 erster Satz FPG idgF, § 60 AVG (!) stattgegeben und der Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft vom 25.05.2018 bis zum Entscheidungszeitpunkt (08.06.2018) für rechtswidrig erklärt.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1 FPG idgF wird ABER festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft
W E I T E R H I N
vorliegen.
In der Erkenntnisbegründung wurde die Zeugin als sehr glaubwürdig beurteilt:
"Abgesehen davon, dass sich in den Feststellungen hierzu keinerlei Hinweis auf diese Nichtbefolgung der bescheidmäßig aufgetragenen Verpflichtung findet, ist vor allem vor dem Hintergrund der glaubwürdigen zeugenschaftlichen Angaben dieser Zeugin, welche die Behauptung des Beschwerdeführers stützt, tatsächlich bei der afghanischen Botschaft vorstellig geworden zu sein, zu folgen. Im Akt finden sich jedenfalls keinerlei Hinweise, die auch nur ansatzweise indizieren, dass diese Zeugenaussage nicht der Richtigkeit entspricht. Im Übrigen machte die Zeugin in persönlicher Hinsicht einen überzeugenden Eindruck."
Mit Schriftsatz vom 22.06.2018, eingebracht am darauffolgenden Tag, 2018 erhob der Beschwerdeführer binnen offener Frist gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Zahl 1089879105 - 170857529 vom 13.05.2018, mit dem die bescheidmäßig auferlegte Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG vom 27.04.2018 gemäß § 5 VVG zwangsweise mittels Beugehaft vollstreckt wurde, das Rechtsmittel der Beschwerde gem. Art 130 Abs 1 Z 1 und Z 2 B-VG und § 7 BFA-VG iVm § 22a BFA-VG idgF.
Ebenso wurde die Festnahme (gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 Abs. 3 Z 4 BFA-VG) vom 12.05.2018 und die auf die Festnahme und den Vollstreckungsbescheid gestützte Anhaltung vom 12.05.2018 bis 25.05. 2018 in Beschwerde gezogen.
Begründend führte er unter anderem aus:
"(...)
Wie nachfolgend dargestellt wird, war die Festnahme am 12.05.2018 ebenso rechtswidrig wie die Anhaltung im Rahmen der Festnahme ab 12.05.2018 bis zur Anordnung der Beugehaft am 13.05.2018 sowie die Anhaltung in Beugehaft von 13.05.2018 bis 25.05.2018.
III. Begründung:
1. Keine rechtswirksame Erlassung des "Mitwirkungsbescheides" vom 27.04.2018
Zwar wurde der BF am 30.04.2018 telefonisch von seinem Bruder verständigt, dass bei der Polizei ein Schriftstück für ihn hinterlegt werde. Da aber keine schriftliche Verständigung von der Hinterlegung des Schriftstückes an der Abgabestelle zurückgelassen wurde, wurde der Mitwirkungsbescheid am 27.04.2018 nicht rechtswirksam zugestellt, da eine rechtswirksame Zustellung gern §17 Abs. 2 ZustG eine schriftliche Verständigung von der Hinterlegung voraussetzt.
Der VwGH hält unmissverständlich fest (vgl. VwGH 30.03.2017, 2015/07/0001):
‚Die in § 17 Abs. 2 ZustG genannte Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung (Hinterlegungsanzeige) ist unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 1 7 Abs. 3 ZustG Unterbleibt die Hinterlegungsanzeige, so tritt eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG nicht ein.'
Dies hat zufolge, dass der Mitwirkungsbescheid vom 27.04.2018 nie erlassen wurde. Mangels rechtswirksamer Zustellung bestand auch keine bescheidmäßig auferlegte Verpflichtung des BF gern § 46 Abs 2 bis 2b FPG. Der BF erlangte erst am Abend des 02.05.2018 Kenntnis davon, dass er sich zur afghanischen Botschaft zu begeben hat. Vom Ladungstermin am 02.05.2018 war der BF nicht in Kenntnis. Über den Inhalt des bei der Polizei hinterlegten Schriftstückes war der BF am 30.04.2018 an diesem Tag noch nicht in Kenntnis gesetzt worden. Diese Angaben des BF wurden von der Zeugin XXXX im Schubhaftverfahren zur Zahl W117 2197357-1 bestätigt und vom erkennenden Richter als glaubwürdig bewertet (vgl. Niederschrift und Protokollierung des mündlich verkündeten Erkenntnisses vom 08.06.2018 im Verfahren zur Zahl W117 2197357-1). Ebenso wurde aufgrund der glaubwürdigen Angaben der Zeugin als Sachverhalt zugrunde gelegt, dass der BF mit der Zeugin am 03.05.2018 selbst die afghanische Botschaft aufsuchte, nachdem er am Vortag von Beamten erfahren hatte, dass er zur Botschaft gehen müsse.
Aus der nicht rechtswirksamen Zustellung des Mitwirkungsbescheides vom 27.04.2018 folgt, dass weder die Voraussetzungen für die Erlassung eines Festnahmeauftrages gern § 34 Abs. 3 Z 4 BFA-VG noch die Voraussetzungen für die Verhängung einer Zwangsstrafe gern § 5 VVG Vorlagen. Zur Rechtswidrigkeit der Anordnung einer Zwangsstrafe (Beugehaft) bei Fehlen eines rechtswirksam erlassenen Mitwirkungsbescheides vgl. BVwG I 414 2195026-1. vom 24.05.2018.
(...)"
Der BF stellte abschließend die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge
"• die Festnahme am 12.05.2018 gem. § 40 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 Abs. 3 Z 4 FPG und die Anhaltung im Rahmen der Festnahme bis 13.05.2018 für rechtswidrig erklären,
• den angefochtenen Bescheid gem. § 5 VVG vom 13.05.2018 und die darauf gestützte Anhaltung von 13.05.2018 bis 25.05.2018 für rechtswidrig erklären;
• der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gern VwG-Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, auferlegen."
Mit Entscheidung des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.07.2018, im gegenständlichen Fall vertreten durch den Vizepräsidenten, wurde die Rechtssache im Umfang der Beschwerde gegen die Festnahme vom 12.05.2018 und die in diesem Zusammenhang erfolgte Anhaltung der Gerichtsabteilung W117 im Rahmen der Zuweisungsgruppe SCH-W, die Rechtssache im Umfang der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 13.05.2018, mit welchem gemäß § 5 VVG die zuvor angedrohte (Beuge-)Haft verhängt wurde, und gegen die in diesem Zusammenhang erfolgte Anhaltung, unter einer neuen Aktenzahl der Gerichtsabteilung W169 im Rahmen der Zuweisungsgruppe AFR-W zugewiesen. Aktuell - aufgrund jüngsten Zuweisungsbeschlusses des Geschäftsverteilungsausschusses - behängt letzteres Verfahren unter der Zahl 2199761-1 bei der Gerichtsabteilung W171.
Entscheidungsgrundlagen:
* Schubhaftbeschwerdeverfahren;
* (ursprünglich) der Gerichtsabteilung W169 zugeteiltes, nunmehr seit 02.10.2018 der Gerichtsabteilung W171 unter der Zahl 2199761-1 zugeteiltes Verfahren;
* gegenständliches Verfahren.
Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Sachverhalt sind unstrittig:
Die entscheidungswesentliche Frage der Rechtswirksamkeit der Zustellung des Mitwirkungsbescheides - rechtlich gesehen wiederum Vorfrage für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der gegenständlich zu beurteilenden Festnahme samt Anhaltung aufgrund derselben - wurde bereits im Schubhaftbeschwerdeverfahren geklärt:
Demnach wurde zwar der Mitwirkungsbescheid vom 27.04.2018 am 30.04.2018 bei der SPK Brigittenau hinterlegt, eine für die wirksame Zustellung erforderliche "schriftliche Verständigungsanzeige" (im Sinne des § 17 Abs. ZustellG) hatten die Sicherheitsorgane aber im Rahmen ihres Vorstelligwerdens bei der Melde-/Wohnadresse des Beschwerdeführers offensichtlich 30.04.2018 nicht hinterlassen, wie sich bereits unzweifelhaft aus ihrem Bericht vom 30.04.2018; GZ: RAD/18/00765754/001/VW, ergibt - siehe obige Zitierung im Wortlaut:
Demnach hatten die beiden Sicherheitsorgane, sichtlich verärgert, den Wohnort des Beschwerdeführers nur mit der mündlichen Bekanntgabe gegenüber dem Bruder, dass Schriftstücke bei der "Polizei {Wien 2., Ausstellungsstraße 44) abzuholen seien", verlassen, worüber dieser wiederum den nicht anwesenden Bruder telefonisch verständigte.
Damit übereinstimmend der von der Verwaltungsbehörde der LPD Wien mitübersandte Zustellschein, welcher hinsichtlich der Rubrik "Verständigung von der Hinterlegung" keinerlei Eintragung aufweist.
Auch die Zeugenaussagen - des Bruders des Beschwerdeführers sowie der im Schubhafterkenntnis als sehr glaubwürdig eingestuften
Lebensgefährtin desselben - bestätigen dies eindrücklich:
Z1: Die Polizisten sagten, dass ich meinem Bruder sagen soll, dass er zu einer bestimmten Polizeiinspektion kommen soll. Ich habe den Polizisten gebeten, den Namen der Polizeiinspektion aufzuschreiben, weil ich ihn akustisch nicht verstanden habe. Der Polizist hat mich angeschrien und hat in einem unfreundlichen Ton gesagt, dass ich mir den Namen doch merken soll. Der andere Polizist hat gesagt, dass das alles kein Problem sei und dass ich meinem Bruder nur sagen soll, dass es für ihn wichtig ist bei der Polizeiinspektion zu erscheinen. Das habe ich in Anwesenheit der Polizisten meinem Bruder so mitgeteilt".
Z2: Nein, ich habe tatsächlich nie einen entsprechenden Brief in der Hand gehabt.
Z2: Ich weiß auch nichts von einer Hinterlegungsanzeige.
Die Verwaltungsbehörde spricht im Rahmen ihrer Stellungnahme nur von der Hinterlegung des Mitwirkungsbescheides, kein Wort aber von einer schriftlichen Verständigung:
"Anschließend wurde am 30.04.2018 vom SPK 20 versucht dem BF ein Bescheid gem. § 46 Abs. 2a und 2b FPG iVm § 19 AVG an seiner Meldeadresse zuzustellen. Da der BF nicht angetroffen wurde, wurde das Schriftstück bei der PI Ausstellungsstraße hinterlegt."
Aufgrund des bereits im Schubhaftbeschwerdeverfahren geklärten Sachverhaltes war die Durchführung einer (neuerlichen) Verhandlung nicht notwendig.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Z 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
In vorliegendem Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 3 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Vollstreckungsbehörde für die von ihm erlassenen Bescheide sowie im Rahmen seines sachlichen Wirkungsbereichs ausgefertigte Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes. Hierbei wendet es das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG) an.
Gegenständlich sind also die (noch) nachfolgend im Detail angeführten Bestimmungen des VwGVG, FPG, des AVG sowie des BFA-VG und des ZustellG in der jeweils aktuellen Fassung, anzuwenden.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Zu Spruchteil I. (Festnahme und Anhaltung aufgrund derselben):
Wie bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung angemerkt, stellt die im Rahmen des aktuell seit 02.10.2018 bei der Gerichtsabteilung W171 unter der Zahl 2199761-1 anhängigen Verfahrens maßgebliche Rechtsfrage der Beurteilung der rechtswirksamen Zustellung des Mitwirkungsbescheides vom 27.04.2018 die entscheidungswesentliche Vorfrage für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der darauf aufbauenden nachfolgenden Festnahme sowie Anhaltung aufgrund derselben bis 13.05.2018, 19.10 Uhr, dar.
Es gilt § 38 AVG idgF:
Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
In diesem Sinne war aus Gründen der Verfahrensökonomie und dem Gebot der Raschheit folgend diese bereits im Schubhaftbeschwerdeverfahren von derselben Gerichtsabteilung (mit)gelöste Vorfrage (auf der Tatsachenebene) dem gegenständlichen Verfahren zugrunde zu legen und nicht das Verfahren auszusetzen, bis die aktuell für die Beurteilung des Mitwirkungsbescheides zuständig gemachte Gerichtsabteilung W171, die nicht mit dem Schubhaftbeschwerdeverfahren betraut war, eine Entscheidung trifft.
Die für die sohin vorab zu klärende Frage der rechtswirksamen Zustellung des Mitwirkungsbescheides maßgeblichen Normen lauten (Hervorhebung durch den Einzelrichter):
§ 17 ZustellG idgF:
(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.
§ 11 BFA-VG idgF:
(...)
(3) Zustellungen an Fremde können, soweit sie nicht durch eigene Organe des Bundesamtes oder des Bundesverwaltungsgerichtes vorgenommen werden, durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder durch Organe der Betreuungseinrichtungen des Bundes (§ 1 Z 7 GVG-B) erfolgen. Eine allenfalls notwendige Hinterlegung hat diesfalls bei der nächsten Dienststelle der Landespolizeidirektion oder bei der Betreuungseinrichtung des Bundes zu erfolgen. § 17 Abs. 3 Satz 1 bis 3 ZustG gilt sinngemäß.
Da die Sicherheitsorgane keine schriftliche Verständigung über den in weiterer Folge abzuholenden Mitwirkungsbescheid bei der Meldeadresse des Beschwerdeführers deponierten, wurde der Mitwirkungsbescheid durch die bloße mündliche Verständigung und nachfolgende Hinterlegung bei der angeführten Polizeidienstelle nicht wirksam zugestellt; zutreffend weist die Beschwerde auf den entsprechenden Rechtssatz im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.03.2017, 2015/07/000) hin:
"Die in § 17 Abs. 2 ZustG genannte Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung (Hinterlegungsanzeige) ist unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 1 7 Abs. 3 ZustG. Unterbleibt die Hinterlegungsanzeige, so tritt eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung gemäß §17 Abs. 3 ZustG nicht ein."
Für die Festnahme selbst gilt in formeller Sicht §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG):
§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
§ 22a Abs. 1 Z 1 und 2 leg. cit. - Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung "unter Berufung auf dieses Bundesgesetz" - bildet im gegenständlichen Fall also für die Festnahme am 12.05.2018 die formelle Grundlage, da diese nach § 34 Abs. 3 Z 4 BFA-VG erfolgte.
In materieller Hinsicht sind folgende Verfassungsbestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrG) maßgeblich (Hervorhebungen durch den Einzelrichter):
Artikel 5 MRK - Recht auf Freiheit und Sicherheit
(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden
Artikel 1 PersFrG
[...]
(2) Niemand darf aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.
[...]
Artikel 2
(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
[...];
4. um die Befolgung einer rechtmäßigen Gerichtsentscheidung oder die Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung zu erzwingen;
Da es aufgrund der nicht wirksamen Zustellung des Mitwirkungsbescheides vom 27.04.2018, Zahl 1089879105 - 170857529, der Festnahme vom 25.03.2018 und der daran anschließenden Anhaltung der rechtlichen Grundlage mangelt - auch dem der Festnahme vorangegangenem Festnahmeauftrag fehlt somit die entsprechende Basis -, wurde dem Beschwerdeführer die persönliche Freiheit nicht auf die "gesetzlich vorgeschriebene Weise" entzogen und war daher spruchgemäß sowohl die Festnahme vom 12.05.2018 als auch die daran bis 13.05.2018, 19.10 Uhr währende Anhaltung als rechtswidrig festzustellen.
Zu Spruchpunkt II. (Kosten)
Wie bereits unter Spruchpunkt II. ausgeführt, bildet im gegenständlichen Fall für die Festnahme am 25.03.2018 § 22a Abs. 1 Z 1 und Z 2 leg. cit. - Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung "unter Berufung auf dieses Bundesgesetz" - die formelle Grundlage, da diese nach § 34 Abs. 3 Z 4 BFA-VG erfolgte.
In diesem Sinne gilt alleine schon für die Festnahme § 22a. (1a)
BFA-VG:
Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
In der Frage des Kostenanspruches ist also § 35 VwGVG die Anspruchsbegründung maßgebliche Norm; diese lautet:
(1) Dem Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 b B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Da die beschwerdeführende Partei in der Frage der Rechtmäßigkeit der Festnahme (und der daran anschließenden Anhaltung) vollständig obsiegte, steht ihr schon nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu.
Hinsichtlich der konkreten Höhe des "Ersatzes ihrer Aufwendungen" sind gegenständlich §35 Abs. 4 Z 3 und 5 iVm § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) maßgeblich.
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
[...]
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
§ 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 lautet:
1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro
4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro
5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro
7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro.
In diesem Sinne war dem Beschwerdeführer Kostenersatz in der beantragten Höhe von € 767,60 (Schriftsatzsaufwand, Barauslagen von € 30 Euro eingezahlter Eingabengebühr) zuzusprechen.
Zu Spruchpunkt III. (Revision):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, warf der gegenständliche Fall aufgrund der eindeutigen Rechtslage keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen.
Die Revision war daher in Bezug auf diese Spruchpunkte nicht zuzulassen.
Schlagworte
Anhaltung, Bescheid, Festnahme, Kostenersatz, Maßnahmenbeschwerde,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W117.2197357.2.00Zuletzt aktualisiert am
07.12.2018