TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/12 W111 2017379-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs2 Z1

Spruch

W111 2017379-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Dajani, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die XXXX sowie den Verein XXXX , gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.09.2018, Zl. 831716507-171315210, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 FPG 2005, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG, § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Erstes Verfahren auf internationalen Schutz:

1.1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, welche der tschetschenischen Volksgruppe angehört und sich zum muslimischen Glauben bekennt. Sie reiste als Minderjährige gemeinsam mit ihren Eltern (nunmehrige Beschwerdeführer zu W103 2017374-3 und W103 2017382-3) sowie ihrem minderjährigen Bruder (nunmehriger Beschwerdeführer zu W103 2017377-3) im November 2013 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 21.11.2013 durch ihre damalige gesetzliche Vertreterin einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Zum genaueren Verlauf jenes Verfahrens, in welchem in Bezug auf die damals minderjährige Beschwerdeführerin keine individuellen Rückkehrbefürchtungen geltend gemacht wurden, darf auf die Darstellung in den Erkenntnissen ihrer Familienmitglieder zu den Zln. W103 2017374-3, W103 2017382-3 und W103 2017377-3 verwiesen werden.

1.2. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2015 wurden die Anträge auf internationalen Schutz vom 21.11.2013 der Beschwerdeführerin und ihrer Familienmitglieder bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG) jeweils abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurden die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation jeweils abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen die Genannten jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Genannten gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.).

1.3. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführerin und ihre Familie fristgerecht Beschwerde und übermittelten in der Folge in regelmäßigen Abständen diverse Unterlagen, insbesondere aktuelle medizinische Befunde und Krankenhausbestätigungen betreffend den Vater der Beschwerdeführerin, Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen und Schulnachrichten der Beschwerdeführerin und ihres Bruders, an das Bundesverwaltungsgericht.

1.4. Am 23.08.2016 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche Beschwerdeverhandlung im Beisein der Beschwerdeführerin, ihrer Eltern, ihres minderjährigen Bruders, ihres Rechtsvertreters und eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache statt, in der die Familie der Beschwerdeführerin ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurde und Gelegenheit erhielt, zu den aufgetretenen Widersprüchen Stellung zu nehmen.

1.5. Mit im Familienverfahren ergangenen Erkenntnissen vom 27.10.2016, Zln. W231 2017374-1/30E, W231 2017382-1/23E, W231 2017377-1/20E und W231 2017379-1/20E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden der Beschwerdeführerin und der Mitgleider ihrer Kernfamilie vollinhaltlich ab.

Das Bundesverwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zunächst die Folgenden Feststellungen zugrunde:

(Erstbeschwerdeführer = Vater der Beschwerdeführerin,

Zweitbeschwerdeführerin = Mutter der Beschwerdeführerin,

Drittbeschwerdeführerin = nunmehrige Beschwerdeführerin;

Viertbeschwerdeführer = minderjähriger Bruder der

Beschwerdeführerin)

"II.1.1. Die Beschwerdeführer führen die im Spruch genannten Namen, sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, Moslems und gehören der tschetschenischen Volksgruppe an. Ihre Identität steht fest. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet; die Ehe wurde bereits im Herkunftsstaat geschlossen und legalisiert. Sie haben die gemeinsam mit ihnen ins österreichische Bundesgebiet eingereisten Kinder (Drittbeschwerdeführerin und Viertbeschwerdeführer). Festzuhalten ist, dass die Drittbeschwerdeführerin am XXXX geboren ist. Ein weiterer Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin hat in Dänemark eine Aufenthaltsgenehmigung als Konventionsflüchtling erlangt.

II.1.2. Die zur Entscheidung berufene Richterin des Bundesverwaltungsgerichtes geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund ihres persönlichen Eindrucks von den Beschwerdeführern davon aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer zu den angeblichen Gründen für ihre Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat unglaubwürdig ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in die Russische Föderation einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein würden.

II.1.3. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe oder sonst einer konkreten individuellen Gefahr ausgesetzt sein würden.

II.1.5. Der Erstbeschwerdeführer hatte bereits im Herkunftsland zwei Herzinfarkte und vier Schlaganfälle, weswegen er bereits im Herkunftsstaat behandelt wurde, hat einen erhöhten Cholesterinwert und eine Nierenerkrankung infolge von arteriellem Bluthochdruck. Seit ca. 15 Jahren leidet er an einer Niereninsuffizienz. Aktuell bedarf er noch keiner Dialyse, diese mag künftig zu erwarten sein. Zur Behandlung seiner Erkrankungen nimmt er die Medikamente Simvastatin 40 mg, Dilatrend 25 mg, Amlodipin 10 mg, Thrombo Ass 100 mg, Oleovit D3, Cipralex 10 mg, Torasemid 10 mg, Novalgin-Tropfen, Nephrotrans 840 mg ein. Seine Erkrankungen sind im Herkunftsstaat, insbesondere Tschetschenien, behandelbar.

Dort kann auch eine allenfalls erforderliche Dialyse durchgeführt werden. Die benötigten Medikamente sind großteils verfügbar (siehe dazu näher noch unter II.1.11., Medizinische Versorgung).

II.1.6. Die Zweitbeschwerdeführerin behandelte ihre Probleme mit dem Bewegungsapparat mittels Physiotherapie und wurde auch wegen ihrer psychischen Probleme und Kopfschmerzen (medikamentös) behandelt.

II.1.7. Die Drittbeschwerdeführerin wurde in Österreich mehrfach wegen bakteriell bedingter Bauchschmerzen untersucht und behandelt. Beim Viertbeschwerdeführer wurde in Österreich eine Mandeloperation durchgeführt. Darüber hinaus liegen bei ihnen keine aktuell bestehenden gesundheitlichen Probleme vor.

II.1.8. Sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin waren in ihrer Heimat erwerbstätig und führten Bau- bzw. Hilfsarbeiten aus. Der Erstbeschwerdeführer bezog nach seinen Herzinfarkten und Schlaganfällen in seinem Herkunftsstaat Invaliditätspension.

II.1.9. Die Beschwerdeführer halten sich seit ihrer Einreise im November 2013 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf. Für die Dauer ihres Asylverfahrens waren sie im österreichischen Bundesgebiet stets nur vorläufig aufenthaltsberechtigt. Über die von den Beschwerdeführern gestellten Asylanträge sind negative Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergangen.

II.1.10. Die Beschwerdeführer haben in ihrem Herkunftsstaat verbliebene Verwandte. Der Erstbeschwerdeführer hat zwei Brüder und zwei Schwestern, die Zweitbeschwerdeführerin zwei Brüder und sechs Schwestern. Zu diesen halten sie beide regelmäßigen - wenn auch nur gelegentlichen - Kontakt aufrecht.

II.1.11. Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten und gehen in Österreich keiner Beschäftigung nach, sie sind nicht selbsterhaltungsfähig. Ihre Grundversorgung wird ihnen aktuell nur eingeschränkt gewährt, weil die zuständige Behörde derzeit ein Verfahren zur Klärung der Frage führt, ob der Erstbeschwerdeführer nach wie vor seine Invaliditätspension aus dem Herkunftsstaat bezieht.

II.1.12. Sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin sind beide arbeitswillig und jedenfalls die Zweitbeschwerdeführerin auch arbeitsfähig. Der Erstbeschwerdeführer kann gesundheitlich bedingt keine körperlich anstrengenden Arbeiten durchführen. Der Erstbeschwerdeführer hat in Österreich bislang aus gesundheitlichen Gründen noch keinen Sprachkurs besucht und weist keine Deutschkenntnisse auf. Die Zweitbeschwerdeführerin hat zwei Deutschkurse besucht, spricht aber nur rudimentär Deutsch. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sind in Österreich auch sozial nicht verfestigt integriert.

II.1.12. Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer wurden in Tschetschenien geboren, dort bis zu ihrer Ausreise vor knapp drei Jahren gelebt und haben dort die Schule besucht. Sie sprechen Tschetschenisch und verfügen über hinreichende Kenntnisse der Russischen Sprache. In Österreich besuchen sie ebenfalls die Schule, der Viertbeschwerdeführer eine Neue Mittelschule mit nur mäßigem Schulerfolg, die Drittbeschwerdeführerin eine Fachschule für wirtschaftliche Berufe, in der sie derzeit noch nicht benotet wird. Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer haben sich insbesondere durch ihr schulisches Umfeld und ihren Freundeskreis sowie den Besuch von Deutschkursen Deutschkenntnisse angeeignet. Sie haben über die Schule bzw. der Viertbeschwerdeführer über seine sportliche Betätigung - er spielt Fußball und Tennis - Freunde gefunden.

II.1.13. Der Erstbeschwerdeführer hat noch eine Schwester in Österreich, mit der die Familie des Beschwerdeführers nicht zusammenlebt und zu welcher kein Kontakt aufrecht gehalten wird.

Das Bundesverwaltungsgericht legte seiner Entscheidung umfassende Feststellungen zur aktuellen Lage in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien zugrunde. Die Fluchtgründe der beschwerdeführenden Parteien wurden aufgrund näher dargestellter Widersprüche im Ergebnis als unglaubwürdig qualifiziert (vgl. die beweiswürdigenden Erwägungen auf den Seiten 81 bis 91 der angeführten Erkenntnisse). Auch unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen insbesondere des Erstbeschwerdeführers sei kein auf den Herkunftsstaat bezogenes Rückkehrhindernis festzustellen gewesen.

2. Zweites Verfahren auf internationalen Schutz:

2.1. Am 07.11.2016 stellten die mittlerweile volljährige Beschwerdeführerin und ihre Familienmitglieder Folgeanträge auf internationalen Schutz, zu welchem die Beschwerdeführerin am 29.05.2017 einvernommen wurde. Diese führte aus, dass sie nachts nicht schlafen könne und an Angstzuständen leide. Sie spreche ein bisschen Deutsch, halte sich seit drei Jahren in Österreich auf. Sie sei in XXXX zur Schule gegangen, würde das aber jetzt nicht mehr tun. Sie hätten Probleme mit Kadirovs Leuten, die Nachbarn hätten die Verwandten informiert, dass sie weiterhin von Kadirovs Leuten gesucht würden. Diese Leute von Kadirov würden sie alle umbringen. Die Leute von Kadirov würden weiterhin nach ihnen suchen, sie wolle hier in Österreich die Schule besuchen und arbeiten. Die Beschwerdeführerin legte diverse Unterlagen vor, betreffend einen Schulbesuch in XXXX bis zum Jahr 2016 und über den Besuch eines Deutschkurses für Kinder/Jugendliche A1. Darüber hinaus legte die Beschwerdeführerin ein Ambulanzblatt vom 27.04.2015 vor, wonach sie wegen Halsschmerzen und Bauchschmerzen im LKH XXXX ambulant behandelt wurde.

Die belangte Behörde veranlasste in weiterer Folge eine gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren betreffend die Beschwerdeführerin und ihre Familienmitglieder, welche bezüglich der Beschwerdeführerin ergab, dass diese in der Vergangenheit Magenprobleme und Schlafprobleme angegeben habe. Eine psychische Störung oder sonstige psychische Krankheitssymptome würden jedoch nicht vorliegen, die Beschwerdeführerin würde sich als gesunde junge Frau bei der medizinischen Begutachtung darstellen.

2.2. Mit Bescheiden des BFA vom 25.07.2017 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin und ihrer Familienmitglieder vom 07.11.2016 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. In Spruchteil II. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde erneut eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Russland zulässig sei. Unter Spruchteil III. wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt.

2.3. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, worin im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass der Vater der Beschwerdeführerin körperlich und psychisch krank sei. Von entschiedener Sache könne nicht die Rede sein, da "die politische Situation in Tschetschenien im Jahr 2013 unterschiedlich von jener im Jahr 2016 ist." Eine adäquate Behandlung des Vaters der Beschwerdeführerin in Tschetschenien, insbesondere für sein Nierenleiden, sei nicht gegeben. Die Beschwerdeführerin halte sich bereits seit sechs Jahren in Österreich auf und sei als integriert zu betrachten, ebenso ihr jüngerer Bruder, der die Schule besuche.

2.4. Mit rechtskräftigen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 16.08.2017, Zln. W226 2017374-2/4E, W226 2017382-2/3E, W226 2017379-2/3E und W226 2017377-2/3E, wurden die Beschwerden der der Beschwerdeführerin, ihrer Eltern und ihres Bruders in Spruchteil

A) gemäß § 28 Abs. 2 Z. 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG, § 57 AsylG

2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 FPG 2005, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG, § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen und die Revision in Spruchteil B) gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

3. Drittes Verfahren auf internationalen Schutz:

3.1. Am 23.11.2017 suchten die Beschwerdeführerin, ihre Eltern und ihr minderjähriger Bruder neuerlich um die Gewährung internationalen Schutzes an und wurden zu diesen Folgeanträgen am Tag der Antragstellung jeweils vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein ihres gewillkürten Vertreters niederschriftlich erstbefragt.

Der Vater der Beschwerdeführerin führte anlässlich jener Befragung im Wesentlichen aus, an einer terminalen Niereninsuffizienz zu leiden, der Befragung jedoch kurz folgen zu können. Er habe Österreich seit seiner zuletzt ergangenen negativen Entscheidung nicht verlassen und gab zu den Gründen seiner neuerlichen Antragstellung an, sich aufgrund seiner Krankheit an die frühere Zeit eigentlich nicht mehr erinnern zu können und demnach auch nicht angeben zu können, ob in Bezug auf seine Fluchtgründe Änderungen eingetreten wären. Aufgrund seines prekären Gesundheitszustands sei ihm eine Rückreise nach Tschetschenien jedoch unmöglich.

Die Mutter der Beschwerdeführerin legte im Zuge ihrer Erstbefragung ein russisches Dokument samt beglaubigter Übersetzung vor, bei welchem es sich ausweislich der Übersetzung um eine Ladung der Beschwerdeführerin für den 17.08.2017 zwecks Vernehmung als Beschuldigte wegen des Verbrechens des Art. 33 Abs. 5 Art. 316 des Strafgesetzbuchs der Russischen Föderation vor die Untersuchungsverwaltung der Russischen Föderation handle. Dieses Dokument solle bestätigen, dass die Familie nach wie vor von der russischen Regierung gesucht würde. Auf Vorhalt, dass es sich bei Art. 33 des russischen StGB laut Online-Recherche um Delikte in Bezug auf die Wehrpflicht handeln würde, meinte die Mutter der Beschwerdeführerin, sie könne dazu nichts sagen. Ergänzend wolle sie darauf hinweisen, dass ihr Gatte an terminaler Niereninsuffizienz CKD G5A3 I leide und sich dreimal wöchentlich einer Hämodialyse unterziehen müsste, um nicht in einen akut lebensbedrohlichen Zustand zu geraten. Im Falle einer Rückkehr würde die Mutter der Beschwerdeführerin sehr um das Leben ihres Mannes und jenes ihrer Kinder fürchten; es könnte passieren, dass sie von Kadyrow-Anhängern umgebracht werden. Sie wüssten von Nachbarn, dass Kadyrow-Anhänger sie nach wie vor suchen und ihnen über Nachbarn bzw. Verwandte drohen würden. Ihre Verwandten hätten sie vor einer Rückkehr gewarnt. Jene Gründe seien ihnen bereits seit ihrer Flucht bekannt. Nunmehr hätten sie das zuvor erwähnte Dokument erhalten, welches bestätige, dass sie nach wie vor gesucht würden.

Die Beschwerdeführerin selbst führte anlässlich ihrer Erstbefragung aus, dass ihrer nunmehrigen Antragstellung keine neuen Gründe zugrunde liegen würden, jedoch bestünden nach wie vor die alten Fluchtgründe. Sie dürften nicht in ihre Heimat zurückkehren, zumal es dort lebensgefährlich für sie wäre. Zudem sei ihrem schwer kranken Vater eine Überstellung nach Tschetschenien nicht zuzumuten. Weiters verwies die Beschwerdeführerin auf die von ihrer Mutter vorgelegte Ladung, welche ihnen zu einem ihr nicht konkret bekannten Zeitpunkt im Jahr 2017 zugeleitet worden wäre.

Der minderjährige Bruder der Beschwerdeführerin gab im Zuge seiner Erstbefragung insbesondere zu Protokoll, er weise keine neuen Gründe für die nunmehrige Antragstellung auf. Er würde jedoch sehr gerne hier leben und arbeiten, mehr könne er dazu nicht angeben. Sein Vater sei vor ein paar Tagen aus dem Spital entlassen worden und der minderjährige Drittbeschwerdeführer mache sich große Sorgen um ihn; alleine aus diesem Grund sei eine Rückkehr nicht möglich. Desweiteren befürchte er, dass eine Schwester nach einer Rückkehr von Kadyrow-Anhängern entführt würde.

Jeweils am 27.02.2018 wurden die Beschwerdeführerin, ihre Eltern und ihr minderjähriger Bruder im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache und eines Rechtsberaters niederschriftlich im Rahmen des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.

Der Vater der Beschwerdeführerin gab kurz zusammengefasst zu Protokoll, er fühle sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage und habe bis dato im Verfahren wahrheitsgemäße Angaben erstattet. Zu seinem aktuellen Gesundheitszustand brachte der Vater der Beschwerdeführerin vor, sich nicht mehr daran erinnern zu können, einmal gesund gewesen zu sein. Er habe vier Schlaganfälle erlitten, sein linkes Ohr sei immer noch taub. Er habe Gedächtnisverlust sowie einen "Fleck" im Gehirn und ein Hämatom. Weiters habe er zwei Herzinfarkte erlebt, seine Nieren würden nicht mehr funktionieren und er erhalte eine Nierendialyse. Seit wann er an den genannten Beschwerden leide, könne er aufgrund seines Gedächtnisverlusts nicht sagen. Zur aktuell in Anspruch genommenen ärztlichen Therapie/Behandlung führte der Vater der Beschwerdeführerin aus, er erhalte jeden zweiten Tag eine Dialyse, bei welcher sein Blut untersucht und der Verlauf seines Gesundheitszustandes beobachtet werde. Seine Medikamente würden permanent angepasst. Bei der Dialyse würde er immer sein Bewusstsein verlieren und von drei Menschen begleitet werden; vor kurzem hätte er auch eine Lungenentzündung gehabt. Zur Zeit nehme er fünf Tabletten in der Früh, eine große zu Mittag und drei Tabletten abends. Der Vater der Beschwerdeführerin habe einen Sohn in Dänemark sowie eine Schwester in XXXX , zu welcher jedoch kein Kontakt bestünde. Der Vater der Beschwerdeführerin verfüge über keine sozialen oder wirtschaftlichen Bindungen im Bundesgebiet und lebe von der Grundversorgung. Nach den Gründen seiner neuerlichen Asylantragstellung gefragt, erklärte der Vater der Beschwerdeführerin, wenn er jetzt in sein Heimatland zurückkehren müsste, werde er sicher sterben. In seinem Heimatland gebe es keine medizinische Versorgung so wie hier in Österreich. An seine Fluchtgründe könne er sich nicht mehr erinnern; er habe Angst, dass er sterben müsse, wüsste jedoch nicht mehr, weshalb sie geflüchtet wären. In der Russischen Föderation würden Krieg und Unordnung herrschen, der Vater der Beschwerdeführerin könne nicht einmal richtig gehen und wüsste nicht, wo er hingehen solle. Ein negativer Ausgang seines Asylverfahrens würde für ihn den Tod bedeuten. Mehr Sorgen würde ihm jedoch die Zukunft seiner Kinder bereiten. Sie hätten in XXXX eine Schule besucht, was sie nun nicht mehr dürften. Der Vater der Beschwerdeführerin würde auch deshalb in Österreich bleiben wollen, damit die Kinder eine Zukunft haben könnten.

Die Mutter der Beschwerdeführerin gab anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme im Wesentlichen zu Protokoll, sie fühle sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage und habe bislang die Wahrheit angegeben. In Bezug auf ihren Gesundheitszustand führte sie an, es sei ihr gesagt worden, sie habe Knochenabnützungen im Bereich des Beckens sowie Handschmerzen. Weiters habe sie ständig Migräne und Rückenschmerzen. Die genannten Beschwerden habe sie seit drei oder vier Jahren und nehme gegenwärtig schmerzstillende Medikamente ein. Sie habe einen Sohn in Dänemark, in Österreich befänden sich die gemeinsam mit ihr eingereisten Mitglieder ihrer Kernfamilie. Zu ihren Angehörigen in der Russischen Föderation stünde sie regelmäßig in Kontakt, zu diesen bestünde eine gute familiäre Beziehung. Die Mutter der Beschwerdeführerin habe keine engen sozialen Bindungen in Österreich und lebe von der Grundversorgung. Zu den Gründen ihrer neuerlichen Antragstellung erklärte die Mutter der Beschwerdeführerin, sie hätten große Schwierigkeiten im Heimatland und würden dort politisch verfolgt. Sie habe Angst um ihre beiden Kinder, welche ihr von Kadyrow weggenommen und nicht mehr zurückkommen würden. Ihre Nachbarn im Heimatland hätten ihr mitgeteilt, dass sie immer noch gesucht würden. Ihr Sohn sei groß geworden und sei jetzt eine Trophäe für diese Menschen. Es gebe eine Ladung für ihre Tochter. Auf die Frage, ob sich ihre Situation seit dem Erst- und Zweitverfahren geändert hätte, meinte die Mutter der Beschwerdeführerin, die Situation sei dieselbe, habe sich jedoch verstärkt. Es werde immer wieder nach ihnen gefragt. Ihrem Mann erzähle sie nicht so viel, da er schon vier Schlaganfälle erlitten hätte. Auf Vorhalt ihres rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens, in dem das Bundesverwaltungsgericht die vorgebrachten Gründe weder als glaubhaft, noch als plausibel eingestuft hätte, erwiderte die Mutter der Beschwerdeführerin, sie wüsste nicht, weshalb ihnen nicht geglaubt werde. Der Verwandte ihres Mannes sei eine Art Kämpfer gewesen, aufgrund dessen leide ihre gesamte Familie. Sie wisse nicht, welche Beweismittel sie noch vorlegen solle. Es habe mehrere Vorladungen gegeben, welche von den Verwandten jedoch nicht beachtet worden wären. Als sie erfahren hätten, welche Schwierigkeiten sie auch hier hätten, hätten sie das Beweismittel hergeholt. Sie habe ihren Sohn beschützen wollen und diesem nicht erzählt, was los sei. Von den Ladungen wüsste sie seit August 2017. Zu den ihr im Vorfeld der Einvernahme übermittelten Länderfeststellungen erklärte die Mutter der Beschwerdeführerin, dass die darin enthaltenen Ausführungen übertrieben wären, die Realität sehe schlechter aus. Sehr viele Jugendliche würden einfach verschwinden.

Die Beschwerdeführerin führte im Rahmen ihrer niederschriftlichen Befragung im Wesentlichen aus, sie fühle sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage und habe bislang wahrheitsgemäße Angaben erstattet. Sie legte eine Terminbestätigung über eine Vorsorgeuntersuchung am 12.06.2018 sowie eine Ladung aus Russland in Kopie vor. Zu ihrem Gesundheitszustand gab sie an, sie habe gynäkologische Beschwerden und leide öfter an Bauchschmerzen sowie an Schwindel. Laut Ärzten habe sie eine gesenkte Gebärmutter. Sie leide seit ca. drei Jahren an diesen Beschwerden, nehme aktuell Ibuprofen, verfüge jedoch über keine Befunde. Im Heimatland befänden sich sieben Tanten und zwei Onkeln, mit welchen sie regelmäßig in Kontakt stünde. Die Verwandten würden wegen ihnen belästigt werden, es kämen immer Leute, welche nach ihrem Aufenthaltsort fragen würden. Die Beschwerdeführerin gab weiters an, dass sie von der Grundversorgung leben und zu niemandem in Österreich in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen würde. Zu den Gründen ihrer neuerlichen Asylantragstellung gab diese an, sie könnten nicht nach Hause zurückkehren, da sie politisch verfolgt würden. Der Verwandte ihres Vaters sei ein "extremer Kämpfer" gewesen, weshalb sie verfolgt würden und Probleme mit den Leuten von Kadyrow hätten. Es komme hinzu, dass ihr Vater schwer krank wäre und sie sich viele Sorgen um ihn machen würde. Nach dem Inhalt der vorgelegten Ladung gefragt, erklärte die Beschwerdeführerin, ihr Bruder, welcher in Dänemark sei, hätte den Kämpfern geholfen, weshalb auch sie miteinbezogen werde, zumal sie ein Familienmitglied und mittlerweile volljährig wäre. Sie wisse nicht, was in der Ladung stehe. Sie würden mit ihr reden wollen, doch würden diese Personen dann mit ihr machen, was sie wollten. Auf die Frage, seit wann sie von dieser Ladung wüsste, erklärte die Beschwerdeführerin, ihre Mutter hätte es ihr gesagt. Im Falle einer Rückkehr in die Heimat würde sie wahrscheinlich abgeholt werden, es werde sie dann nicht mehr geben. Nach Beweisen für die in Russland bestehende Lebensgefahr gefragt, meinte die Beschwerdeführerin, die Nachbarn würden sagen, dass sie gesucht werden; sie könne keine Beweismittel vorlegen. Auf die Frage, ob sich ihre Fluchtgründe seit dem Erst- und Zweitverfahren geändert hätten, erwiderte die Beschwerdeführerin, nur die Ladung sei neu; die Fluchtgründe seien nach wie vor aufrecht. Auf Vorhalt, dass ihre diesbezüglichen Angaben bereits im Erstverfahren seitens des Bundesverwaltungsgerichts als nicht glaubwürdig erachtet worden wären, gab die Beschwerdeführerin an, sie wisse nicht, weshalb ihnen nicht geglaubt werde. Sie könnten nicht nach Hause, da sie dort bedroht werden. Auch sei ihr Vater krank und sie mache sich sehr große Sorgen. Zu den im Vorfeld der Einvernahme übermittelten Länderfeststellungen gab die Beschwerdeführerin an, dass das größte Problem Kadyrow wäre, dieser habe zu viel Macht und mache was er wolle. Menschen würden einfach verschwinden, ob schuldig oder nicht; es werde willkürlich gehandelt. Die Beschwerdeführerin gab an, in Österreich ein normales Leben führen zu wollen; dort wo sie leben, könnten sie nicht einmal kochen und es werde ihnen nicht erlaubt, zur Schule zu gehen.

Der minderjährige Bruder der Beschwerdeführerin gab anlässlich seiner gemeinsam mit seiner gesetzlichen Vertreterin durchgeführten Einvernahme im Wesentlichen an, er fühle sich psychisch und physisch zur Durchführung der Befragung in der Lage und habe bislang der Wahrheit entsprechende Angaben getätigt. Zu seinem Gesundheitszustand erklärte er, er habe Schwierigkeiten, durch die Nase zu atmen, die Ärzte würden sagen, dass es sich um Polypen handle, es gebe jedoch noch keinen Termin für eine Operation. Außerdem habe er verstopfte Ohren und höre schlecht. Diese Beschwerden würden seit der Geburt bestehen und er nehme aktuell keine Medikamente zu sich. Der minderjährige Bruder der Beschwerdeführerin lebe in Österreich von der Grundversorgung und habe hier Schulfreunde. Zu den Gründen seiner neuerlichen Antragstellung führte der minderjährige Bruder der Beschwerdeführerin aus, selbst nicht verfolgt zu werden, er sei lediglich mit seinen Eltern mitgereist und wüsste bis jetzt nicht, was passiert wäre. Von dem was er jetzt mitbekommen hätte, fürchte er, dass seine Schwester im Fall einer Rückkehr abgeholt werden könnte. Weitere Angaben könne er nicht tätigen, da ihm nicht viel gesagt worden wäre. Er wolle hier die Schule beenden, lernen und arbeiten.

Mit Eingabe vom 01.03.2018 wies der gewillkürte Vertreter der beschwerdeführenden Parteien darauf hin, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Vaters der Beschwerdeführerin der wesentliche Grund des neuerlichen Antrags auf internationalen Schutz wäre. Schon zum jetzigen Zeitpunkt stünde fest, dass der Klient aufgrund seiner multiplen Krankheiten, die zu einer nachhaltigen Schädigung seiner körperlichen Funktionen geführt hätten, so ernstlich erkrankt wäre, dass jegliche Zwangsmaßnahmen diesen in einen Zustand versetzen würden, bei dem mit seinem Ableben zu rechnen wäre. Es werde daher vorgeschlagen, vor einer eventuellen Entscheidung im Asylfall eine umfangreiche Untersuchung durch entsprechende ärztliche Spezialisten vornehmen zu lassen.

Die Beschwerdeführerin, ihre Eltern und ihr minderjähriger Bruder wurden sodann einer Untersuchung durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin und psychosomatische und psychotherapeutische Medizin unterzogen. Aus den eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen im Zulassungsverfahren jeweils vom 20.03.2018 ergibt sich betreffend die Beschwerdeführerin im Wesentlichen, dass sich zum Zeitpunkt der Befundaufnahme keine Symptome von Krankheitswert gefunden hätten. Mit Schreiben vom 11.06.2018 wurde der Beschwerdeführerin und ihren Familienmitgliedern die Möglichkeit gewährt, zu den ihnen ausgehändigten Gutachten binnen fünf Tagen im Rahmen des Parteiengehörs Stellung zu beziehen.

Die Beschwerdeführerin und ihre Familienmitglieder stellten in der Folge am 14.06.2018 einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr, welchem durch das Bundesamt mit Schreiben vom 19.06.2018 stattgegeben wurde.

3.2. Mit Bescheiden jeweils vom 01.09.2018 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Folgeanträge der Beschwerdeführerin, ihrer Eltern und ihres minderjährigen Bruders vom 23.11.2017 sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten jeweils wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.) und den Genannten einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkte III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die Beschwerdeführerin und ihre Familienmitglieder jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF erlassen (Spruchpunkte IV.), gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Genannten in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkte V.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestünde (Spruchpunkte VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Bescheidadressaten hätten im Verfahren keine neuen Fluchtgründe geltend gemacht und ihr Fluchtvorbringen auf jenes ihrer Vorverfahren aufgebaut. Von der Behörde könne insgesamt kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden, da die Aussagen der Genannten weiterhin keinen glaubhaften Kern aufweisen würden und diese auch keine aussagekräftigen Dokumente oder Beweismittel zur Untermauerung ihres Vorbringens hätten vorlegen können. In Bezug auf die vorgelegte Ladung wurde darauf hingewiesen, dass laut Länderfeststellungen in Russland jegliche Art von Dokumenten gekauft werden könne und die Ladung desweiteren nicht im Original vorgelegt habe werden können.

Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen würden keine Umstände bestehen, die einer Rückkehr entgegenstünden. Es könne jeweils nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin und ihre Angehörigen an schweren psychischen Störungen und/oder schweren oder ansteckenden Krankheiten leiden würden, welche einer Rückkehr entgegenstünden. Im Bescheid des Vaters der Beschwerdeführerin wurde angemerkt, dass zufolge der Länderberichte auch in Russland Behandlungsmöglichkeiten gegeben wären, zumal auch dort Dialysen und Nierentransplantationen durchgeführt werden können. Im Falle einer Abschiebung würden der Gesundheitszustand und die Transportfähigkeit des Genannten von der Fremdenpolizeibehörde beurteilt werden und bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt werden. Zudem bestünde in der Russischen Föderation ein grundlegendes Sozialsystem, russische Staatsbürger könnten im Rahmen der Krankenpflichtversicherung eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen. Aus dem vorliegenden Sachverhalt ergebe sich kein Hinweis auf unaufschiebbare ärztliche Behandlungen oder einen aktuell lebensbedrohlichen Zustand des Vaters der Beschwerdeführerin Dieser hätte auch im Herkunftsstaat Zugang zu medizinsicher Versorgung. Ein Transport würde weder vorübergehend noch dauerhaft eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Auch in den Bescheiden der übrigen Familienmitglieder wurde auf die in der Russischen Föderation gleichermaßen gegebenen Behandlungsmöglichkeiten hingewiesen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte seiner Entscheidung umfassende Länderinformationen zur Lage in der Russischen Föderation mit Stand 07.05.2018 zugrunde.

Gründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 hätten sich im Verfahren nicht ergeben.

Die Beschwerdeführerin und ihre Familienmitglieder würden über keine maßgebliche Integrationsverfestigung im Bundesgebiet verfügen, ebensowenig würden diese enge Bindungen zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen aufweisen. Zu der im Bundesgebiet lebenden Tante der Beschwerdeführerin bestünde kein Naheverhältnis. Der Beschwerdeführerin und ihren Angehörigen sei die vorübergehende Natur ihres Aufenthalts bewusst gewesen und es könne nicht festgestellt werden, dass seit der Rechtskraft der vorangegangenen Rückkehrentscheidungen eine besondere Integrationsverfestigung entstanden wäre. Im Übrigen wäre auch die Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin und ihrer Familie von rund vier Jahren und neun Monaten als zu gering zu erachten, um von einer nachhaltigen Integration ausgehen zu können.

Die angeführten Bescheide wurden den Bescheidadressaten jeweils am 05.09.2018 sowie deren bevollmächtigtem Vertreter jeweils am 07.09.2018 zugestellt.

3.3. Mit für die Beschwerdeführerin und ihre Familienmitglieder gleichlautendem Schriftsatz vom 19.09.2018 wurde unter gleichzeitiger Bekanntgabe der Vertretungsmacht einer Rechtsberatungsorganisation die verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. der dargestellten Bescheide erhoben. In dieser wurde begründend zusammenfassend ausgeführt, der Vater der Beschwerdeführerin sei gesundheitlich schwer angeschlagen und benötige in kurzen zeitlichen Abständen die Durchführung einer Dialyse. Die Mutter der Beschwerdeführerin leide aufgrund der unsteten Zukunft ihrer Familie an erheblichen psychischen Problemen, welche bereits einem Krankheitswert entsprechen würden. Die Beschwerdeführerin sowie ihr minderjähriger Bruder hätten den widrigen Umständen zum trotz bereits die Schule besucht und die Sprache erlernt. Beide würden gerne eine Ausbildung machen und in Österreich erwerbstätig werden. Die Behörde habe es unterlassen, rechtlich zu beurteilen, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wegen der festgestellten Krankheiten des Vaters der Beschwerdeführerin eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens darstelle. Diesbezüglich werde auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 28.01.2016 verwiesen. Die Behörde habe zwar im Rahmen der Länderinformationen Feststellungen betreffend die medizinische Versorgung sowie die allgemeinen Möglichkeiten der Dialyse im Herkunftsstaat getroffen, die konkrete Situation des Betroffenen dahingehend, wo, in welchem Umfang und zu welchen Bedingungen dieser konkret die Möglichkeit zur Behandlung seiner festgestellten Erkrankungen hätte, werde hingegen weder festgestellt, noch rechtlich beurteilt. Da nicht gesichert wäre, ob der Vater der Beschwerdeführerin die tatsächlich notwendige Behandlung bei einer Rückkehr erhalten können werde, würden dessen private Interessen im Sinne seiner körperlichen und geistigen Gesundheit die öffentlichen Interessen bei weitem überwiegen. Die Gefahr von mit der Rückkehrentscheidung verbundenen irreversiblen gesundheitlichen Schäden, sei im Fall des Vaters der Beschwerdeführerin als beträchtlich einzustufen. Die Behörde hätte daher aussprechen müssen, dass eine Rückkehrentscheidung aufgrund des sehr schlechten Gesundheitszustandes eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens des Genannten darstelle, die Erlassung einer solchen auf Dauer unzulässig sei und diesem eine Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen wäre. In weiterer Folge seien die Rückkehrentscheidungen betreffend die Familienmitglieder des Genannten als rechtswidrig aufzuheben, da im Falle der Aufhebung der Rückkehrentscheidung des Vaters der Beschwerdeführerin andernfalls die Familie zerrissen würde. Darüber hinaus sei auch im Fall der Mutter der Beschwerdeführerin verabsäumt worden, die nötigen Erhebungen hinsichtlich einer dringend gebotenen Behandlung ihrer psychischen Erkrankungen zu treffen, welche an einer Anpassungsstörung mit Somatisierungsneigung leiden würde. Betreffend die Mutter der Beschwerdeführerin werde die Einholung eines psychologischen bzw. psychiatrischen Sachverständigengutachtens beantragt, da sich der Zustand der Genannten in den letzten Monaten stark verschlechtert hätte; diese leide weiterhin an Stress- und Angstattacken, die ihr schlaflose Nächte bereiten würden. Die Beschwerdeführerin und ihr minderjähriger Bruder würden bereits über sehr gute Deutschkenntnisse verfügen und hätten die Schule besucht. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in vielen Wirtschaftsbranchen und der stetig fortschreitenden demografischen Überalterung der österreichischen Bevölkerung, wäre die Verbringung der beiden in ihr Heimatland, wo sie keine Perspektive hätten, nicht mit dem Ziel des Wohls der österreichischen Wirtschaft vereinbar. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) feststellen, dass die erlassenen Rückkehrentscheidungen auf Dauer unzulässig seien und folglich die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 AsylG vorliegen und der Beschwerdeführerin und ihren Familienmitgliedern einen Aufenthaltstitel erteilen; 2.) feststellen, dass eine Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre; und 3.) die angefochtenen Bescheide an die Erstbehörde zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beschwerdeführerin, ihrer Eltern und ihres minderjährigen Bruders, durch Einsichtnahme in die Verwaltungs- und Gerichtsakten zu den in Rechtskraft erwachsenen vorangegangenen Verfahren, und schließlich durch Einsicht in Auszüge aus ZMR, GVS, Strafregister und IZR.

1. Feststellungen:

1.1. Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Sie reiste als Minderjährige gemeinsam mit ihren Eltern (nunmehrige Beschwerdeführer zu W103 2017374-3 und W103 2017382-3) sowie ihrem minderjährigen Bruder (nunmehriger Beschwerdeführer zu W103 2017377-3) im November 2013 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 21.11.2013 durch ihre damalige gesetzliche Vertreterin, ebenso wie ihre Kernfamilienmitglieder, einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Über diese Anträge wurde letztlich mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.10.2016, Zln. W231 2017374-1/30E, W231 2017382-1/23E, W231 2017377-1/20E und W231 2017379-1/20E, rechtskräftig negativ abgesprochen. Die in Bezug auf die am 07.11.2016 eigebrachten Folgeanträge der zwischenzeitig volljährigen Beschwerdeführerin und ihrer Familie ergangenen und mit der neuerlichen Erlassung von Rückkehrentscheidungen verbundenen zurückweisenden Entscheidungen gemäß § 68 AVG des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2017 wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.08.2017, Zln. W226 2017374-2/4E, W226 2017382-2/3E, W226 2017379-1/20E und W226 2017377-2/3E, als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin und ihre Familienangehörigen stellten am 23.11.2017 die gegenständlichen dritten Anträge auf internationalen Schutz, die mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.09.2018 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden. Der dahingehende, in den Spruchteilen I. und II. getätigte, Ausspruch erwuchs mit Ablauf der Beschwerdefrist unangefochten in Rechtskraft. Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin und ihre Familienmitglieder - im Rahmen der nunmehr angefochtenen Spruchteile - jeweils erneut eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Russische Föderation festgestellt.

1.2. Die unbescholtene Beschwerdeführerin hat sich seit November 2013 im Bundesgebiet aufgehalten, dies mit einer mehrmonatigen Unterbrechung nach Weiterreise nach Deutschland Anfang 2017. Eine nachhaltige, umfassende und fortgeschrittene Integration der Beschwerdeführerin hat während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht stattgefunden. Die Beschwerdeführerin lebt von der Grundversorgung, geht keiner Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine engen sozialen Bindungen im Bundesgebiet. Sie ist in keinen Vereinen tätig und engagiert sich nicht ehrenamtlich. Die Beschwerdeführerin spricht grundlegend Deutsch und hat freundschaftliche Kontakte im Bundegebiet geknüpft. In Österreich besuchte die Beschwerdeführerin kurzfristig eine Fachschule für wirtschaftliche Besuche (ohne Abschluss) sowie einen Deutschkurs.

Die damals minderjährige Beschwerdeführerin ist illegal eingereist, hat nach Erreichen der Volljährigkeit zwei unbegründete Folgeanträge auf internationalen Schutz gestellt und war nicht gewillt, nach negativem Ausgang ihrer ersten beiden Verfahren freiwillig das Bundesgebiet zu verlassen.

Die Beschwerdeführerin leidet an keiner schwerwiegenden Erkrankung, spricht Tschetschenisch und Russisch und ist einer Teilnahme am Erwerbsleben fähig. Ihre Eltern und ihr siebzehnjähriger Bruder sind im gleichen Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bedroht, in Tschetschenien verfügt die Beschwerdeführerin durch ihre dort lebenden Tanten und Onkeln unverändert über ein weitschichtiges familiäres Netz, welches ihr im Falle einer Rückkehr unterstützend zur Seite stehen kann.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin wird auf die im Rahmen der angefochtenen Bescheide wiedergegebenen Länderberichte verwiesen, aus welchen sich insbesondere Folgendes ergibt:

Allgemeine Menschenrechtslage

...

Tschetschenien

NGOs beklagen weiterhin schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitsorgane, wie Folter, das Verschwindenlassen von Personen, Geiselnahmen, das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen und die Fälschung von Straftatbeständen. Entsprechende Vorwürfe werden kaum untersucht, die Verantwortlichen genießen zumeist Straflosigkeit. Besonders gefährdet sind Menschenrechtsaktivisten bzw. Journalisten. Im März 2016 wurde eine Gruppe russischer und ausländischer Journalisten und Menschenrechtler an der Grenze zwischen Inguschetien und Tschetschenien attackiert, ihre Fahrzeuge wurden in Brand gesteckt. Die Pressereise war von der russischen NGO "Komitee gegen Folter" organisiert worden, die in Tschetschenien bereits in den letzten Jahren zur Zielscheibe geworden war (ÖB Moskau 12.2016, vgl. AI 22.2.2017).

In den letzten Monaten häufen sich Berichte von Personen, die nicht aufgrund irgendwelcher politischen Aktivitäten, sondern aufgrund einfacher Kritik an der soziökonomischen Lage in der Republik unter Druck geraten. So musste ein Mann, der sich im April 2016 in einem Videoaufruf an Präsident Putin über die Misswirtschaft und Korruption lokaler Beamter beschwerte, nach Dagestan flüchten, nachdem sein Haus von Unbekannten in Brand gesteckt worden war. Einen Monat später entschuldigte sich der Mann in einem regionalen Fernsehsender. Im Mai 2016 wandte sich Kadyrow darüber hinaus mit einer kaum verhüllten Warnung vor Kritik an seiner Politik in einem TV-Beitrag an die in Europa lebende tschetschenische Diaspora. Diese werde für jedes ihrer Worte ihm gegenüber verantwortlich sein; man wisse, wer sie seien und wo sie leben, sie alle seien in seinen Händen, so Kadyrow (ÖB Moskau 12.2016).

Nach dem Angriff auf Grosny im Dezember 2014 verfügte Ramzan Kadyrow, dass die Häuser der Familien von Terroristen niedergebrannt werden und die Angehörigen des Landes verwiesen werden (Tagesspiegel 19.12.2014, vgl. HRW 12.1.2017).

Auch 2016 wurden aus dem Nordkaukasus schwere Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Operationen der Sicherheitskräfte gemeldet, darunter Fälle von Verschwindenlassen und mutmaßlichen außergerichtlichen Hinrichtungen. Auch Menschenrechtsverteidiger waren in der Region gefährdet (AI 22.2.2017, vgl. HRW 12.1.2017).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, http://www.ecoi.net/local_link/336603/479281_de.html, Zugriff 28.6.2017

-

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/334746/476500_de.html, Zugriff 28.6.2017)

-

ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation

-

Tagesspiegel (19.12.2014): Wladimir Putin legt Russland an die Kette,

http://www.tagesspiegel.de/meinung/jahrespressekonferenz-des-kremlchefs-wladimir-putin-legt-russland-an-die-kette/11140502.html, Zugriff 28.6.2017

...

Frauen im Nordkaukasus insbesondere Tschetschenien

Die Situation von Frauen im Nordkaukasus unterscheidet sich zum Teil von der in anderen Regionen Russlands. Fälle von Ehrenmorden, häuslicher Gewalt, Entführungen und Zwangsverheiratungen sind laut NGOs nach wie vor ein Problem in Tschetschenien aber auch in den Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan. Verlässliche Statistiken dazu gibt es - wie im Rest Russlands - nicht. Laut einem rezenten Bericht der International Crisis Group (ICG) bleibt die Gewalt gegen Frauen in der Region ein Thema, dem von Seiten der Regional- und Zentralbehörden zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Erschwert wird die Situation laut ICG durch die Ko-Existenz dreier Rechtssysteme in der Region - dem russischen Recht, Gewohnheitsrecht ("Adat") und der Scharia. Gerichtsentscheidungen werden häufig nicht umgesetzt, lokale Behörden richten sich mehr nach "Tradition" als nach den russischen Rechtsvorschriften, so der Vorwurf von ICG. Insbesondere der Fokus auf traditionelle Werte und Moralvorstellungen, der in der Republik Tschetschenien unter Ramzan Kadyrow propagiert wird, schränkt die Rolle der Frau in der Gesellschaft ein. Das Komitee zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau sprach im Rahmen seiner Empfehlungen an die Russische Föderation in diesem Zusammenhang von einer "Kultur des Schweigens und der Straflosigkeit" (ÖB Moskau 12.2016).

Unter sowjetischer Herrschaft waren tschetschenische Frauen durch die russische Gesetzgebung geschützt. Polygamie, Brautentführungen und Ehrenmorde wurden bestraft. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion löste sich der Schutz durch russisches Recht für Frauen allmählich auf und gleichzeitig kam es zu einem stärkeren Einfluss von Adat und Scharia. Unter Kadyrow ist die tschetschenische Gesellschaft traditioneller geworden. Swetlana Gannuschkina (Vorsitzende der Flüchtlingshilfsorganisation "Zivile Unterstützung" (auch "Bürgerbeteiligung") und Leiterin des "Netzwerks juristischer Beratungsstellen für Flüchtlinge und Vertriebene") ist der Meinung, dass die Behandlung von Frauen, wie sie heute existiert, nie eine Tradition in Tschetschenien war. Ein tschetschenischer Anwalt berichtet, dass Frauen sowohl unter islamischem Recht, als auch Adat hoch geschätzt sind. Allerdings ist die Realität in Tschetschenien, dass Gewalt gegen Frauen weit verbreitet und die Situation im Allgemeinen für Frauen schwierig ist. Andere Quellen berichten auch, dass die Religion ein Rückschlag für die Frauen ist und sie in eine den Männern untergeordnete Position stellt. Diese Entwicklungen erfolgten in den letzten Jahren (EASO 9.2014b, S. 9f). Für die Quellen des EASO Berichtes ist nicht klar, ob Scharia oder Adat wichtiger für die tschetschenische Gesellschaft ist. Jedoch könne nur das Russische Recht Frauen effektiv schützen. Es wird auch berichtet, dass die Scharia immer wichtiger wird und auch Kadyrow selbst - obwohl er sowohl Adat, als auch Scharia betont - sich in letzter Zeit eher auf die Scharia bezieht. Adat dürfte aber besonders bei Hochzeitstraditionen eine dominante Rolle spielen (EASO 9.2014b, S. 9f).

Die russische Journalistin Jelena Petrowa veröffentlichte einen Artikel zur Art, wie sich Frauen in Tschetschenien kleiden. Die Situation der Frauen sei, dass sie nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel tragen dürften. Sie müssen in offiziellen Gebäuden Kopftücher tragen, es ist ihnen aber verboten, Kopftücher zu tragen, die ihre Stirn und ihr Kinn bedecken, da dies mutmaßlich Sympathie mit den Rebellen zeigt. Die Art, wie sich Frauen in Tschetschenien kleiden, ist über Jahre im Blickfeld gewesen. Nach dem Zweiten Tschetschenienkrieg und Ramsan Kadyrows Machtergreifung haben die Behörden eine Tugend-Kampagne gestartet, in dessen Mittelpunkt das Kopftuch stand. Es ist ein obligatorischer Dresscode für öffentliche Gebäude, darunter Schulen, Regierungsgebäude und Krankenhäuser, eingeführt worden. Insgesamt ist die Situation bezüglich der Durchsetzung des Dresscodes aber besser geworden. Im Sommer 2010 hat es Berichte gegeben, dass Unbekannte in Grosny Frauen ohne Kopftücher angegriffen hätten. Das gibt es nicht mehr. Dafür gibt es nun etwas Neues. Im September 2014 sind Berichte aufgetaucht, dass eine Frau, die einen Hidschab getragen hat, von Regierungsbeamten entführt und für kurze Zeit festgehalten worden sei. Wegen des darauf folgenden Aufschreis in den Medien hat sich Ramsan Kadyrow geäußert und gesagt, dass Frauen in Tschetschenien Kopftücher im traditionellen tschetschenischen Stil tragen, aber keines, das seiner Meinung nach auf eine andere islamische Strömung hindeutet und möglicherweise Sympathie mit den Aufständischen ausdrückt. Frauen sollten nicht schwarz tragen und kein Kopftuch, das die Stirn und das Kinn bedeckt. Junge Frauen in Grosny wollen aber hübsch aussehen, besonders wenn sie jung und unverheiratet sind. Sie tragen gerne helle Farben, gewagte Muster, Make-up, sehr hohe Stöckelschuhe und Accessoires. Sie dürfen zwar keine Hose, ärmellose Tops und Miniröcke tragen, aber sie mögen gerne enge Kleidung (ODR 12.12.2014).

Vergewaltigung:

Vergewaltigung ist laut Artikel 131 des russischen Strafgesetzbuches ein Straftatbestand. Das Ausmaß von Vergewaltigungen in Tschetschenien und anderen Teilen der Region ist unklar, da es im Allgemeinen so gut wie keine Anzeigen gibt. Vergewaltigung in der Ehe wird nicht einmal als Vergewaltigung angesehen. Laut Swetlana Gannuschkina ist Vergewaltigung in Tschetschenien und im gesamten Nordkaukasus weit verbreitet. Vergewaltigungen würden auch in Polizeistationen passieren. Vergewaltigung ist ein Tabuthema in Tschetschenien. Einer vergewaltigten Frau haftet ein Stigma an und sie wird an den Rand der Gesellschaft gedrängt, wenn die Vergewaltigung publik wird. Auch die Familie würde isoliert und stigmatisiert werden und es ist nicht unüblich, dass die Familie eine vergewaltigte Frau wegschickt. Die vorherrschende Einstellung ist, dass eine Frau selbst schuld an einer Vergewaltigung sei. Bei Vergewaltigung von Minderjährigen gestaltet sich die Situation etwas anders. Hier wird die Minderjährige eher nicht als schuldig an der Vergewaltigung gesehen, wie es einer erwachsenen Frau passieren würde. Insofern ist die Schande für die Familie auch nicht so groß (EASO 9.2014b, S. 21).

Muslimische Hochzeit:

Es ist in Tschetschenien üblich, auf muslimische Art - durch einen Imam - die Ehe zu schließen. Solch eine Hochzeit ist jedoch nach russischem Recht nicht legal, da sie weder vor einem Staatsbeamten geschlossen, noch registriert ist (EASO 9.2014b, S. 25). Nach russischem Recht wird sie erst nach der Registrierung bei der Behörde ZAGS legal, die nicht nur Eheschließungen registriert, sondern auch Geburten, Todesfälle, Adoptionen usw. (EASO 9.2014b, S. 24). Da die Registrierung mühsam ist und auch eine Scheidung verkompliziert, sind viele Ehen im Nordkaukasus nicht registriert. Eine Registrierung wird oft nur aus praktischen Gründen vorgenommen, beispielsweise in Verbindung mit dem ersten Kind. Der Imam kann eine muslimische Hochzeit auch ohne Anwesenheit des Bräutigams schließen, jedoch ist laut Scharia die Anwesenheit der Frau nötig (EASO 9.2014b, S. 25).

...

Quellen:

-

EASO - European Asylum Support Office (9.2014a): Bericht zu Frauen, Ehe, Scheidung und Sorgerecht in Tschetschenien (Islamisierung; häusliche Gewalt; Vergewaltigung; Brautenführung; Waisenhäuser),

http://www.ecoi.net/file_upload/1830_1421055069_bz0414843den-pdf-web.pdf, Zugriff 25.5.2016

-

EASO - European Asylum Support Office (9.2014b): Chechnya: Women, Marriage, Divorce and Child Custody, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412929576_2014-10-10-easo-coi-report-chechnya.pdf, Zugriff 25.5.2017

-

ÖB Moskau (10.2015): Asylländerbericht Russische Föderation

-

ODR - Open Democracy Russia and beyond (12.12.2014): Stepford Wives in Chechnya ,

https://www.opendemocracy.net/od-russia/elena-petrova/stepford-wives-in-chechnya-modes

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten