TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/24 99/19/0142

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Veröffentlicht am 24.09.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §56;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
FrG 1997 §10 Abs1 Z2;
FrG 1997 §10 Abs1 Z3;
FrG 1997 §12 Abs3;
FrG 1997 §8 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs3;
MRK Art8;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/19/0143

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde 1.) der 1989 geborenen AY und 2.) der 1987 geborenen DY, beide in W, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 16. Juni 1999, Zlen. 1.) 108.610/4-III/11/98 und

2.) 108.610/3-III/11/98, jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerinnen verfügten über Touristensichtvermerke mit Geltungsdauer vom 19. April 1995 bis 17. Juli 1995.

Am 8. Jänner 1997 überreichte der Vater der Beschwerdeführerinnen bei der österreichischen Botschaft in Pressburg Anträge der Beschwerdeführerinnen auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen. Dabei gaben die Beschwerdeführerinnen an, sie hielten sich in der Türkei auf.

In den Verwaltungsakten finden sich Meldebestätigungen, wonach die Beschwerdeführerinnen seit 2. Mai 1995 an einer inländischen Adresse gemeldet seien. Aus Schulbesuchsbestätigungen jeweils vom 27. Februar 1998 geht hervor, dass die Beschwerdeführerinnen im Schuljahr 1997/98 in Österreich zur Schule gingen.

Mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien je vom 28. April 1998 wurden diese Anträge gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde in diesen Bescheiden im Wesentlich gleich lautend aus, die Beschwerdeführerinnen seien zuletzt mit vom 19. April 1995 bis 17. Juli 1995 gültigen Touristensichtvermerken eingereist und hielten sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf. Die Erteilung einer Bewilligung sei aus dem Grunde des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 ausgeschlossen.

Die Beschwerdeführerinnen erhoben anwaltlich vertreten Berufung. Darin brachten sie Folgendes vor:

"Ich war der Meinung, dass im Hinblick auf den Umstand, dass sowohl mein Vater als auch meine Mutter eine Aufenthaltsgenehmigung besitzen, ich als Minderjährige automatisch das gleiche Recht besäße, wie meine Eltern auch.

Als ich auf diese unrichtige Auffassung aufmerksam gemacht wurde, habe ich sofort den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt.

Der konkret bekämpfte Bescheid ist offenbar die Reaktion auf diesen meinen vor etwa 1 1/2 Jahren eingebrachten Antrag.

Der konkrete Bescheid berücksichtigt ganz wesentliche Umstände nicht und machen ihn deshalb wohl nicht vollziehbar.

Meine Mutter befindet sich seit Jänner 1993 in Österreich und hat jeweils eine jährlich verlängerte Aufenthaltsbewilligung erhalten.

Das Gleiche gilt auch für meinen Vater, der 1989 nach Österreich eingereist und ein Touristenvisum besitzt. Meine Schwester und ich waren seit 1995 bei unserer Großmutter in der Türkei aufhältig. Es war dies allerdings ein unhaltbarer Zustand.

Meine Eltern wollten die gesamte Familie bei sich haben, weshalb wir dann nach Österreich eingereist sind. Ich besuche hier die Schule und spreche gut deutsch.

..."

Mit Note vom 20. Mai 1999 hielt die belangte Behörde den Beschwerdeführerinnen vor, sie seien mit dem in Rede stehenden Touristensichtvermerk gemeinsam mit ihrer Mutter nach Österreich eingereist und hielten sich seither unerlaubt im Inland auf. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die Beschwerdeführerinnen seit 2. Mai 1995 an einer Adresse im Bundesgebiet gemeldet seien und in Wien zur Schule gingen.

Auf diesen Vorhalt reagierten die Beschwerdeführerinnen nicht.

Mit den angefochtenen Bescheiden vom 16. Juni 1999 wurden die Berufungen der Beschwerdeführerinnen jeweils gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen gleich lautend aus, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 sei die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels zu versagen, wenn dieser zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden solle. Die Beschwerdeführerinnen seien mit dem in Rede stehenden Touristensichtvermerk in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Am 8. Jänner 1997 habe der Vater der Beschwerdeführerinnen für diese bei der österreichischen Botschaft in Pressburg die in Rede stehenden Anträge eingebracht. Aus den diesen Anträgen angeschlossenen Meldezetteln sei ersichtlich, dass die Beschwerdeführerinnen seit 2. Mai 1995 in Wien gemeldet seien. Weiters sei aus den vorgelegten Schulbesuchsbestätigungen zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerinnen im Schuljahr 1997/98 in Österreich zur Schule gegangen seien. Die Beschwerdeführerinnen hielten sich daher seit Ablauf der ihnen erteilten Touristensichtvermerke am 17. Juli 1995 unerlaubt im Bundesgebiet auf. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zl. 98/19/0238, dargelegt habe, erfülle dieses Verhalten den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997. Die Anträge der Beschwerdeführerinnen seien daher abzuweisen gewesen. Bei Anwendung des in Rede stehenden Versagungsgrundes sei eine Bedachtnahme auf die durch Art. 8 MRK geschützten Interessen nicht geboten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerinnen bestreiten nicht, dass ihnen der von der belangten Behörde festgestellte Touristensichtvermerk ausgestellt wurde. Auch der Umstand, dass sie sich nach ihrer Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten haben, wird von ihnen nicht in Abrede gestellt. Allerdings führen die Beschwerdeführerinnen ins Treffen, sie hätten ihre Anträge vom 8. Jänner 1997 vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt. Insofern darin eine Bestreitung der Feststellung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerinnen hielten sich seit Ablauf ihres Touristensichtvermerkes (durchgehend) unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, liegen sollte, ist ihnen Folgendes entgegenzuhalten:

In der Begründung ihrer Bescheide vom 28. April 1998 hatte bereits die erstinstanzliche Behörde den Beschwerdeführerinnen die Annahme vorgehalten, sie hielten sich seit Ablauf der ihnen erteilten Touristensichtvermerke im Bundesgebiet auf. Ein gleicher Vorhalt erfolgte durch die belangte Behörde mit Verfügung vom 20. Mai 1999.

Das Berufungsvorbringen, die Beschwerdeführerinnen hätten sich "seit 1995" in der Türkei aufgehalten, dies sei allerdings ein unhaltbarer Zustand gewesen, weshalb sie in der Folge nach Österreich eingereist seien, kann nicht als Bestreitung der oben wiedergegebenen Feststellungen in den erstinstanzlichen Bescheiden angesehen werden. Die Beschwerdeführerinnen legten nämlich nicht dar, bis wann ihr Aufenthalt in der Türkei gedauert hat bzw. zu welchem Zeitpunkt sie wieder nach Österreich eingereist sind. Das in Rede stehende Berufungsvorbringen lässt daher- insbesondere im Zusammenhang mit der Meldung der Beschwerdeführerinnen am 2. Mai 1995 an einer inländischen Adresse - die Deutung offen, dass die Beschwerdeführerinnen - wie von der erstinstanzlichen Behörde festgestellt - mit dem in Rede stehenden Touristensichtvermerk noch im Jahr 1995 eingereist sind.

Auch die vorliegende Beschwerde führt nicht aus, zu welchem genauen Zeitpunkt und mit welchem Titel die nach dem Beschwerdevorbringen offenbar nach der Antragstellung erfolgte Einreise der Beschwerdeführerinnen stattgefunden haben soll.

Aus diesen Erwägungen legt der Verwaltungsgerichtshof der Prüfung des angefochtenen Bescheides gemäß § 41 Abs. 1 VwGG die Feststellungen der belangten Behörde betreffend die Einreise und den Aufenthalt der Beschwerdeführerinnen im Bundesgebiet seiner Entscheidung zugrunde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zl. 98/19/0238, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, ist für die Beurteilung der Frage, ob der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 vorliegt, ausschließlich maßgeblich, dass sich der Fremde im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Anschluss an eine mit einem dem Reisevisum gleichzuhaltenden Touristensichtvermerk erfolgte Einreise im Bundesgebiet aufhält.

Auf Basis der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Bescheid war dies hier der Fall.

Demgegenüber ist es - anders als die Beschwerdeführerinnen meinen - für die Frage, ob der in Rede stehende Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 vorliegt, belanglos, ob die hier gegenständlichen Anträge im Inland oder im Ausland überreicht wurden.

Ist aber der "absolute" Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 wirksam geworden, ist die Erteilung einer Bewilligung nach § 8 Abs. 1 FrG 1997 ausgeschlossen. Eine Ermessensübung unter Berücksichtigung der in § 8 Abs. 3 FrG 1997 genannten Kriterien hat bei den in § 10 Abs. 1 FrG 1997 genannten Versagungsgründen nicht zu erfolgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zl. 98/19/0233).

Der Hinweis der Beschwerdeführerinnen auf ihre insbesondere durch die Anwesenheit ihres Vaters im Inland begründeten familiären Interessen im Sinne des Art. 8 MRK vermag keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufzuzeigen, weil eine Bedachtnahme auf die durch Art. 8 MRK geschützten Interessen des Fremden bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 gestützten Entscheidung nicht zu erfolgen hat (vgl. auch hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zl. 98/19/0238).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des insgesamt geltend gemachten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen.

Wien, am 24. September 1999

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999190142.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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