TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/24 96/19/1523

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Veröffentlicht am 24.09.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §63 Abs5;
ZustG §17 Abs2;
ZustG §17 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des 1966 geborenen S K in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Februar 1996, Zl. 113.034/2-III/11/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 30. August 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einen als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. In den von ihm beigeschlossenen Antragsunterlagen war als Wohnadresse eine Adresse im 3. Wiener Gemeindebezirk angegeben.

Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 3. November 1994 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes mangels eines gesicherten Lebensunterhaltes für die Geltungsdauer der Bewilligung ab. Der Bescheid wurde an die erwähnte Adresse des Beschwerdeführers im 3. Wiener Gemeindebezirk adressiert. Auf dem im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein ist ein Zustellversuch am 15. November 1994 beurkundet, ebenso, dass eine Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt und das Schriftstück beim Postamt 1035 hinterlegt wurde. Als Beginn der Abholfrist ist der 15. November 1994 genannt.

Mit einem als "Berufung" bezeichneten Schreiben vom 1. Dezember 1994, nach Ausweis der Verwaltungsakten (OZ. 16) persönlich abgegeben am 2. Dezember 1994 bei der Behörde erster Instanz, erhob der Beschwerdeführer Berufung. Auf diesem Schreiben gab er die bereits erwähnte Adresse im 3. Wiener Gemeindebezirk an. Der Bescheid vom 3. November 1994 sei ihm am 1. Dezember 1994 zugestellt worden. Laut "heutiger Auskunft des Rathauses" (gemeint anscheinend: der Behörde erster Instanz am 1. Dezember 1994) sei eine Aufforderung zum Nachweis der Lebenshaltungskosten per 6. Oktober 1994 an den Beschwerdeführer gesandt worden und als nicht behoben zurückgekommen. Bei seinem "heutigen" Telefonat "mit dem Rathaus", wo er sein Visum urgiert habe, habe man ihm mitgeteilt, dass ein diesbezüglicher Bescheid bereits abgesandt worden sei. Daraufhin sei er zum Postamt um diesen Bescheid gegangen und habe diesen auch erhalten, "da ich wiederum keine Ankündigung der Hinterlegung des Schriftstückes erhalten hatte, genauso wie ich bei der Aufforderung zum Nachweis der Lebenshaltungskosten keine Hinterlegungsankündigung erhalten hatte". Hätte er nicht "heute" zufällig beim Rathaus angerufen, hätte er wiederum nichts von der Existenz dieses Schriftstückes erfahren. Aus diesen Gründen lege er Berufung gegen die Abweisung seiner Aufenthaltsbewilligungs-Verlängerung ein.

Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 19. Februar 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, Berufungen seien gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 15. November 1994 erfolgt und die Berufung erst am 2. Dezember 1994 eingebracht worden sei, sei diese verspätet. Zu den Berufungsangaben, der Beschwerdeführer hätte keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden, stelle die Berufungsbehörde fest, dass diese Behauptung implizit die Beschreibung der Richtigkeit der Angabe auf dem Rückschein, die Verständigung der Hinterlegung sei in das Hausbrieffach eingelegt worden, enthalte. Beim Postrückschein im Sinne des § 22 des Zustellgesetzes handle es sich um eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG in Verbindung mit § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich habe. Diese Vermutung sei zwar widerlegbar, wobei die gegenteilige Behauptung entsprechend zu begründen sei und Beweise dafür anzuführen seien, die die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen ließen. Allein die Aussage des Beschwerdeführers, eine Hinterlegungsanzeige nicht vorgefunden zu haben, sei nicht ausreichend, die Angabe des Postzustellers, es sei eine solche in sein Hausbrieffach eingelegt worden, zu entkräften.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Senat erwogen hat:

Die §§ 63 Abs. 5 und 66 Abs. 4 AVG lauteten in der für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof maßgeblichen Fassung (auszugsweise):

"§ 63.

...

(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser.

...

§ 66.

...

(4) Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. ..."

Die belangte Behörde stützt ihren angefochtenen Bescheid offenkundig auf den Umstand, dass der Bescheid der Behörde erster Instanz am 15. November 1994 durch Hinterlegung zugestellt worden ist.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, bevor sie die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ausspricht, zu prüfen, ob die Zustellung des mit dem Rechtsmittel angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß erfolgt ist, insbesondere ob die auf dem Rückschein vermerkten Daten den Tatsachen entsprechen. Die Behörde hat die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist dem Rechtsmittelwerber zur Stellungnahme vorzuhalten. Unterlässt sie dies, trägt sie das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 1995, E 61 zu § 17 des Zustellgesetzes angegebene hg. Rechtsprechung). Einen derartigen Vorhalt hat die belangte Behörde ungeachtet des Hinweises des Beschwerdeführers in seiner Berufung, er habe den von ihm mit Berufung angefochtenen Bescheid am 1. Dezember 1994 zugestellt erhalten, unterlassen. Das Beschwerdevorbringen unterläge daher nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist allerdings nicht geeignet aufzuzeigen, wie die belangte Behörde bei Vermeidung des ihr anzulastenden Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Zwar führt der Beschwerdeführer aus, er habe bereits in seiner Berufung vorgebracht, dass sowohl die Aufforderung zum Nachweis der Lebenshaltungskosten als auch der erstinstanzliche Bescheid nicht zugestellt werden konnten und dass in beiden Fällen keine Hinterlegungsanzeige an der Abgabestelle "aufzufinden war" und lediglich auf Grund einer telefonischen Nachfrage beim Magistrat der Stadt Wien ihm mitgeteilt worden sei, dass der besagte Bescheid bereits abgesandt worden sei, den er sodann beim Postamt abgeholt habe. Der Beschwerdeführer übersieht jedoch, dass er in seiner Berufung, auf die auch in seiner Beschwerde verwiesen wird, nur vorgebracht hat, keine Ankündigung der Hinterlegung des Schriftstückes erhalten zu haben, genauso wie er (früher) bei der "Aufforderung zum Nachweis der Lebenshaltungskosten keine Hinterlegungsankündigung erhalten" habe. Wenn der Beschwerdeführer mit der Behauptung, er habe keine Ankündigung der Hinterlegung des Schriftstücks erhalten, eine Unwirksamkeit des Zustellvorganges darzutun versucht, ist ihm zu entgegnen, dass auf dem Rückschein nur beurkundet wurde, die Hinterlegungsanzeige sei vom Postzusteller in die Hausbrieffachanlage eingelegt worden. Selbst wenn man aber das Vorbringen des Beschwerdeführers dahingehend deuten wollte, er habe auch in der Hausbrieffachanlage keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden, wäre für ihn damit nichts gewonnen, weil dieser Umstand nicht notwendigerweise darauf zurückzuführen sein muss, dass es der Zusteller verabsäumte, eine solche in die Hausbrieffachanlage einzulegen. Umstände, die es ausgeschlossen erscheinen ließen, dass die in § 17 Abs. 2 des Zustellgesetzes genannte Verständigung zwar in die Hausbrieffachanlage eingelegt, in der Folge aber von Personen, die Zugang zum Hausbrieffach des Beschwerdeführers hatten (Postzusteller, Mitbewohner) - allenfalls unbeabsichtigt - wieder entfernt wurde, wurden vom Beschwerdeführer nicht dargetan (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 11. September 1998, Zl. 96/19/1207).

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die belangte Behörde habe ihm keine Gelegenheit zur Widerlegung der Vermutungen der Richtigkeit und Vollständigkeit des Postrückscheines geboten, obwohl dies in seinem Vorbringen in der Berufung angeboten worden sei, ist ihm überdies zu entgegnen, dass dieses Vorbringen mit der Aktenlage nicht im Einklang steht. Dem Berufungsschriftsatz des Beschwerdeführers ist ein wie immer geartetes Beweisanbot nicht zu entnehmen.

Konnte die belangte Behörde nach dem bisher Gesagten von einer Zustellung des Bescheides der Behörde erster Instanz am 15. November 1994, dem gemäß § 17 Abs. 3 dritter Satz des Zustellgesetzes maßgeblichen Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wurde, ausgehen, so kann die Zurückweisung der unbestritten erst am 2. Dezember 1994 erhobenen Berufung des Beschwerdeführers als verspätet nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996191523.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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