TE Vwgh Beschluss 2018/11/15 Ra 2018/19/0541

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Veröffentlicht am 15.11.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AsylG 2005 §9 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
SMG 1997 §28a Abs1;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und die Hofräte Mag. Stickler sowie Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des H S in G, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. August 2018, W204 1427011-2/15E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 15. Mai 2012 wies das Bundesasylamt den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz vom 13. Dezember 2011 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu. Dem legte das Bundesasylamt insbesondere die Annahme zugrunde, dass der Revisionswerber im Mai 1996 geboren worden sei und in Afghanistan über kein familiäres Netzwerk mehr verfüge. Aufgrund der schlechten Versorgungslage werde der minderjährige Revisionswerber bei einer Rückkehr in seinen Herkunftssaat keine Lebensgrundlage vorfinden.

2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 5. April 2018 wurde dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen. In Einem wurde dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage, sowie ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Dazu führte das BVwG - mit näherer Begründung - insbesondere aus, das Verfahren habe nunmehr ergeben, dass der Revisionswerber das Bundesasylamt über sein wahres Alter getäuscht habe und der Revisionswerber tatsächlich im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 15. Mai 2012 bereits volljährig gewesen sei. In seinen tatsächlichen Verhältnissen sei insofern eine Änderung eingetreten, als die Familie des Revisionswerbers nach Afghanistan zurückgekehrt sei und der Revisionswerber daher jetzt in seinem Herkunftsstaat über ein familiäres Netzwerk verfüge. Der nunmehr jedenfalls volljährige und arbeitsfähige Revisionswerber finde in den Städten Kabul, Herat und Mazare Sahrif eine innerstaatliche Fluchtalternative vor. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten sei daher gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abzuerkennen gewesen. Weiters traf das BVwG Feststellungen zu drei strafgerichtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers wegen eines Verbrechens bzw. Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz (SMG) in den Jahren 2014, 2016 und 2017. Im Rahmen einer Interessenabwägung kam das BVwG zu dem Ergebnis, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte des Revisionswerbers darstelle.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision wird vorgebracht, das BVwG habe es unterlassen hinreichend zu begründen, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliege. Die zur aktuellen Situation in Afghanistan getroffenen Feststellungen seien mangelhaft. Das BVwG gehe fälschlich davon aus, dass es dort keinen "innerstaatlichen Konflikt" gebe. Tatsächlich kämpfe die Regierung gegen bewaffnete Gruppierungen um die Kontrolle des Landes, wobei die Hauptstadt Kabul ein Brennpunkt des Konfliktes sei. Auch komme es zu ethnischen Konflikten, wobei die schiitische Minderheit Opfer von gezielten Tötungen bzw. Anschlägen werde. Der Revisionswerber sei schiitischer Moslem und übe seine Religion aus, sodass nicht "mit Sicherheit ausgeschlossen" werden könne, dass sein Leben bei einer Rückkehr bedroht sei. Da somit "ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK" vorliege, verstoße das Erkenntnis gegen die Rechtsprechung, wonach die Sicherheitslage bei einer Rückkehr im Einzelfall zu prüfen sei. Auch eine Abwägung nach Art. 8 EMRK schlage unter Berücksichtigung, dass der Revisionswerber in Österreich erst vor kurzem Vater geworden sei, trotz der strafgerichtlichen Verurteilungen zu Gunsten eines Verbleibs des Revisionswerbers im Inland aus.

9 Entgegen der Revision hat das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision hinreichend begründet, indem es ausgeführt hat, auf welche näher angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes es sich gestützt hat. Selbst das Fehlen einer näheren Begründung des Ausspruches über die Zulässigkeit der Revision führt im Übrigen für sich betrachtet noch nicht dazu, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gegeben wären (vgl. VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0276, mwN).

10 Das BVwG hat aufgrund aktueller Länderberichte zur Lage in Afghanistan Feststellungen getroffen, die - anders als in der Revision vorgebracht - insbesondere auch die militärischen Auseinandersetzungen im Land sowie Anschläge gegen Einrichtungen religiöser Minderheiten betrafen. Es ist auf dieser Grundlage zum Ergebnis gelangt, dass dem arbeitsfähigen Revisionswerber in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sahrif eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht. Die Revision zeigt nicht auf, dass diese Beurteilung - jedenfalls bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt - unvertretbar erfolgt wäre (vgl. zum Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001; VfGH 12.12.2017, E 2068/2017).

11 Einer Berücksichtigung des erstmals in der Revision erstatteten Vorbringens des Revisionswerbers, dass er aufgrund der Ausübung seiner Religion in Afghanistan durch Anschläge bedroht sei, steht im Übrigen das Neuerungsverbot des § 41 VwGG entgegen.

12 Soweit die Revision schließlich die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074, mwN). Eine solche Mangelhaftigkeit der vom BVwG vorgenommenen Interessenabwägung vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Das BVwG hat alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt und hat dabei insbesondere zu Recht die Verurteilungen des Revisionswerbers nach dem SMG - unter anderem wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG - besonderes Gewicht zugemessen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0169, mwN).

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 15. November 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190541.L00

Im RIS seit

06.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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