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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art89Leitsatz
Zulässigkeit der Anträge des UVS Niederösterreich auf Aufhebung von Bestimmungen des Nö VergabeG betreffend die dem UVS eingeräumte Kompetenz zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren in Vergabesachen; denkmögliche Annahme der Zuständigkeit des UVS zur Überprüfung der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen aufgrund unmittelbarer Anwendbarkeit von EU-Richtlinien; UVS in Vergabesachen angesichts der Zulässigkeit einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde kein vorlagepflichtiges Tribunal; Abweisung der Anträge; Übertragung der Zuständigkeit zur Kontrolle über Akte der Privatwirtschaftsverwaltung an die Unabhängigen Verwaltungssenate ohne Vorschaltung eines erstinstanzlichen behördlichen Verfahrens vom B-VG nicht ausgeschlossenSpruch
Die Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (künftig UVS) beantragt aus Anlaß von acht bei ihm anhängigen Verfahren die Aufhebung von Bestimmungen des NÖ Vergabegesetzes, LGBl. 7200-1 (im folgenden beziehen sich alle Paragraphenangaben ohne hinzugefügte Quellenangabe auf dieses Gesetz) als verfassungswidrig. Es verstoße gegen Art129 und 129a B-VG, einen unabhängigen Verwaltungssenat unmittelbar zur Kontrolle von privatrechtsförmigen Handlungen der Landesregierung in Vergabesachen und damit zu einer Entscheidung in erster Instanz zu berufen:
a) Die zu G270/96 - G273/96 protokollierten Anträge wurden vom UVS im Zuge von Nachprüfungsverfahren gestellt, die auf Antrag einer Spedition zur Überprüfung der Vergabeentscheidungen der NÖ Landeshauptstadt-PlanungsgesmbH über die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen jeweils betreffend die Übersiedelung von Teilen des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung von Wien nach St. Pölten eingeleitet wurden.
Die beim UVS antragstellende Spedition hatte in allen vier Nachprüfungsverfahren die Nichtausscheidung eines bestimmten Angebotes sowie die beabsichtigte Vertragsunterzeichnung mit diesem Bieter angefochten, eine Verletzung von Bestimmungen der - angesichts ihrer Nichtumsetzung durch den Landesgesetzgeber in Niederösterreich und ihrer ausreichenden Bestimmtheit als unmittelbar anwendbar angesehenen - Richtlinie 92/50/EWG des Rates (der Europäischen Gemeinschaften) vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge behauptet und eine Nachprüfung im Sinne der §§18 und 21 begehrt.
b) Dem zu G288/96 protokollierten Antrag liegt eine Meinungsverschiedenheit über die Rechtmäßigkeit des Zuschlags für die Lieferung und Errichtung einer nuklearmedizinischen Anlage für das allgemeine öffentliche Krankenhaus St. Pölten zugrunde, der durch das Krankenhaus für die Landeshauptstadt St. Pölten, sohin von einem öffentlichen Auftraggeber iSd Gesetzes erteilt wurde und dessen Wert über den für die Anwendung des Gesetzes maßgeblichen Schwellenwerten liegt. Ein übergangener Bieter wandte sich an den UVS und begehrte, dieser wolle gemäß §18 Abs3 feststellen, daß der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde und daß diese Entscheidung iSd §21 Abs3 rechtswidrig war.
c) In den zu G299/96 und G300/96 protokollierten Verfahren, die den UVS veranlaßt haben, Aufhebungsanträge zu stellen, wurde dieser vor Abschluß des Vergabeverfahrens angerufen, Entscheidungen im Vergabeverfahren betreffend die Lieferung und Errichtung von nuklearmedizinischen Anlagen für die allgemeinen Tffentlichen Krankenhäuser in Wr. Neustadt und in Horn gemäß §21 Abs1 für nichtig zu erklären und mit einstweiliger Verfügung gemäß §20 den Auftraggeber zu verpflichten, bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kontrollverfahrens keinen Zuschlag zu erteilen. Auch in diesem Fall handelt es sich um eine Vergabe durch einen öffentlichen Auftraggeber und um einen geschätzten Auftragswert oberhalb der Schwellenwerte des Vergabegesetzes.
d) In dem zu G318/97 protokollierten Verfahren war der UVS vor Abschluß des Vergabeverfahrens angerufen worden, Ausschreibungsbestimmungen, Maßnahmen sowie sonstige Entscheidungen im Vergabeverfahren betreffend die Lieferung und Montage der maschinellen Ausrüstung der Verbandskläranlage und des Regenüberlaufbeckens eines Gemeindeverbandes - es handelt sich um eine Teilvergabe im Rahmen eines Bauauftrages oberhalb der Schwellenwerte - gemäß §21 für nichtig zu erklären und mit einstweiliger Verfügung gemäß §20 das gesamte Vergabeverfahren bis zur Entscheidung des UVS über eine allfällige Aufhebung des Vergabeverfahrens oder einzelner Entscheidungen aus diesem auszusetzen.
2. a) In den zu G270/96 - G273/96 protokollierten Verfahren beantragt der UVS die Aufhebung des §18 Abs1 des NÖ Vergabegesetzes, in eventu die Aufhebung verschiedener seine Zuständigkeit und das Verfahren betreffende Bestimmungen dieses Gesetzes, und zwar neben der primär angefochtenen Bestimmung auch §§18 Abs3, 21 Abs3 und §28 Abs2 und 3 des Gesetzes (wobei die angeführten Bestimmungen in verschiedenen Kombinationen angefochten werden), als verfassungswidrig.
b) In dem zu G288/96 protokollierten Verfahren beantragt der UVS die Aufhebung des §18 Abs3 und des §21 Abs3 des NÖ Vergabegesetzes, in eventu die Aufhebung verschiedener seine Zuständigkeit und das Verfahren betreffende Bestimmungen dieses Gesetzes, und zwar neben den primär angefochtenen Bestimmungen auch §18 Abs1 und §28 Abs2 und 3 bzw. einzelner dieser Vorschriften in verschiedenen Kombinationen als verfassungswidrig.
c) In den zu G299/96 und G300/96 protokollierten Anträgen wird begehrt, der Verfassungsgerichtshof möge §18 Abs1 und 2, §20 und §21 Abs1 und 2 des Gesetzes, in eventu einzelne dieser Vorschriften als verfassungswidrig aufheben.
d) In dem zu G318/97 protokollierten Antrag begehrt der UVS, §18 Abs1 und 2, §20 und §21 Abs1 und 2 des NÖ Vergabegesetzes, in eventu diese Kombination ohne §18 Abs1, in eventu §18 Abs2, §20 Abs1 bis 4 und 6, §21 Abs1 dieses Gesetzes als verfassungswidrig aufzuheben.
3. Die NÖ Landesregierung hat Äußerungen erstattet, in denen sie primär die Zurückweisung der Anträge des UVS, in eventu deren Abweisung beantragt.
II. Die angefochtenen Bestimmungen haben den im folgenden wiedergegebenen Wortlaut und stehen in folgendem normativen Zusammenhang:
Das NÖ Vergabegesetz enthält in seinem Abschnitt IV Bestimmungen über den Rechtsschutz im Vergabeverfahren.
Nach §17 ist beim Amt der NÖ Landesregierung eine "NÖ Schlichtungsstelle für öffentliche Aufträge" eingerichtet. Diese ist berufen, in einem konkreten Vergabeverfahren zwischen dem Auftraggeber und einem Bieter oder Bewerber zu vermitteln (§17 Abs1). Sie hat - ohne dabei an ein bestimmtes förmliches Verfahren gebunden zu sein - ehestmöglich in mündlichen, nicht öffentlichen Verhandlungen zwischen den Streitteilen Vorschläge zur Beilegung der Streitfragen zu erstatten und auf eine gütliche Einigung der Streitteile hinzuwirken (§17 Abs4). Verlauf und Ergebnis des Schlichtungsverfahrens sind niederschriftlich festzuhalten; den Streitteilen ist je eine Abschrift der Niederschrift zu übermitteln (§17 Abs5).
Das eigentliche Nachprüfungsverfahren ist in die Zuständigkeit des UVS gelegt. Der mit "Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates" überschriebene §18 des Gesetzes lautet:
"(1) Die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich.
(2) Bis zum Zeitpunkt des erfolgten Zuschlages ist der Unabhängige Verwaltungssenat zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Gesetz und die hiezu ergangenen Verordnungen zuständig
1.
zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (§20) sowie
2.
zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen der vergebenden Stellen des Auftraggebers (§21).
(3) Nach erfolgtem Zuschlag ist der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, festzustellen, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Gesetz oder die hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. In einem solchen Verfahren ist der Unabhängige Verwaltungssenat ferner zuständig, auf Antrag des Auftraggebers festzustellen, ob einem übergangenen Bewerber oder Bieter auch bei Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht erteilt worden wäre.
(4) Der Unabhängige Verwaltungssenat hat ein Nachprüfungsverfahren nur insoweit durchzuführen, als die Entscheidung, deren Rechtswidrigkeit behauptet wird, für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluß ist."
§19 enthält nähere Bestimmungen über die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens und bestimmt in seinen Abs1 bis 3:
"(1) Das Nachprüfungsverfahren kann nur auf Antrag eines Bieters oder Bewerbers eingeleitet werden.
(2) Ein solcher Antrag ist nur zulässig, wenn in derselben Sache
-
ein Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde und
-
in diesem Schlichtungsverfahren keine gütliche Einigung erzielt wurde.
(3) In den Fällen des §18 Abs3 ist ein Antrag auch überdies nur zulässig, wenn er spätestens vier Wochen ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Zuschlages gestellt wird. Nach Ablauf von sechs Monaten ab erfolgtem Zuschlag ist ein Antrag keinesfalls mehr zulässig."
Nach §20 hat der UVS, sobald das Nachprüfungsverfahren eingeleitet ist, auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern (§20 Abs1). Die Abs2 bis 7 des §20 enthalten nähere Bestimmungen betreffend die einstweiligen Verfügungen.
Sodann bestimmt der unter der Rubrik "Nichtigerklärung der Entscheidung des Auftraggebers" stehende §21:
"(1) Der Unabhängige Verwaltungssenat hat eine im Zuge des Vergabeverfahrens ergangene Entscheidung eines Auftraggebers mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn sie
1.
im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes oder der hiezu erlassenen Verordnungen steht und
2.
für den Ausgang des Vergabeverfahrens von
wesentlichem Einfluß ist.
(2) Als Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen kommt insbesondere auch die Streichung von für Unternehmer diskriminierenden Anforderungen hinsichtlich technischer Leistungsmerkmale sowie hinsichtlich der wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit in den Ausschreibungsunterlagen oder in jedem sonstigen Dokument des Vergabeverfahrens in Betracht.
(3) Nach erfolgtem Zuschlag hat der Unabhängige Verwaltungssenat unter den Voraussetzungen des Abs1 bloß festzustellen, ob der behauptete Rechtsverstoß vorliegt oder nicht."
§22 des Gesetzes sieht u.a. bestimmte Entscheidungsfristen vor. §23 enthält Bestimmungen im Zusammenhang mit der Vergabekontrolle durch die Kommission der EG und die §§24 bis 27 enthalten zivilrechtliche Rechtsschutzbestimmungen; §28 enthält Regelungen über "Zuständigkeit und Verfahren" des zivilrechtlichen Bieterschutzes; in dieser Bestimmung heißt es u. a.:
"(2) Eine Schadenersatzklage ist nur zulässig, wenn zuvor eine Feststellung des Unabhängigen Verwaltungssenates gemäß §18 Abs3 erfolgt ist. Unbeschadet des Abs3 sind das Gericht und die Parteien des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat an eine solche Feststellung gebunden.
(3) Ist die Entscheidung des Rechtsstreites von der Frage der Rechtswidrigkeit eines Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates abhängig und hält das Gericht den Bescheid für rechtswidrig, so hat es das Verfahren zu unterbrechen und beim Verwaltungsgerichtshof mit Beschwerde gemäß Art131 Abs2 B-VG die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides zu begehren. Nach Einlangen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und den Rechtsstreit unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes zu entscheiden."
III. Der Verfassungsgerichtshof
hat zur Zulässigkeit der Anträge des UVS erwogen:
1. Der antragstellende UVS begründet zwar, warum er die angefochtenen Bestimmungen für präjudiziell erachtet, führt aber zu seiner Anfechtungsbefugnis selbst nichts näher aus. Bei Darlegung seiner Bedenken meint er, daß das zwingend vorgelagerte Schlichtungsverfahren nach §17 weder formell noch in materieller Hinsicht als erstinstanzliches Verfahren gelten könne, weshalb er - in vermeintlich verfassungswidriger Weise - zur Entscheidung in erster Instanz berufen sei.
2. Die NÖ Landesregierung hält den UVS zur Antragstellung nicht für legitimiert und begründet ihre Auffassung folgendermaßen:
"Inhaltlich stützt der Antragsteller die vorliegenden Anträge an den Verfassungsgerichtshof im wesentlichen auf die Behauptung, daß die zur Aufhebung beantragten Normen deshalb mit ihren verfassungsrechtlichen Grundlagen nicht in Einklang stehen, da dem Unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Niederösterreich eine Aufgabe übertragen worden sei, die eine erstinstanzliche Zuständigkeit des angeführten Senates begründen würde.
Mit dieser Behauptung gerät der Antragsteller jedoch zu der ihm eingeräumten Legitimation zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof in Widerspruch:
Nach dem aufgrund Art129a Abs3 B-VG auch für unabhängige Verwaltungssenate sinngemäß geltenden Art89 B-VG hat (neben dem Obersten Gerichtshof) ein zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständiges Gericht den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes beim Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn es gegen die Anwendung dieses Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat.
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz durch Bestimmungen über unabhängige Verwaltungsstrafbehörden ergänzt wird (132 der Beilagen, XVII. GP) treffen dazu die Aussage, daß die unabhängigen Verwaltungsstrafbehörden durch Art129a Abs3 B-VG hinsichtlich der Anfechtung von Gesetzen und Verordnungen vor dem Verfassungsgerichtshof mit den Gerichten zweiter Instanz gleichgesetzt werden.
§19 Abs2 des NÖ Vergabegesetzes bestimmt, daß ein Antrag auf Einleitung des Nachprüfungsverfahrens beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich nur zulässig ist, wenn in der selben Sache ein Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde und in diesem Schlichtungsverfahren keine gütliche Einigung erzielt wurde. ...
Wenn man nun - der Argumentation des Antragstellers folgend - davon ausgeht, daß der im §19 Abs2 des NÖ Vergabegesetzes zwingend verlangte Abschluß eines im Sinne des §17 Abs5 des NÖ Vergabegesetzes dokumentierten Schlichtungsverfahrens ... in keiner Weise als Entscheidung einer ersten Instanz anzusehen ist, kann die Berufung des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich zur Entscheidung in solchen Fällen auch nicht als solche einer zweiten Instanz gewertet werden.
Aus den dargestellten Überlegungen leitet sich jedoch die Folge ab, daß die von Art89 Abs2 B-VG für die Anfechtung von Gesetzen verlangte Qualifikation des Antragstellers nicht gegeben ist. Aus diesem Grund sieht sich die NÖ Landesregierung veranlaßt, zunächst die Zurückweisung der vorliegenden Anträge an den Verfassungsgerichtshof zu beantragen."
3. Die NÖ Landesregierung ist mit dieser Argumentation nicht im Recht:
Nach Art140 Abs1 erster Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit eines (Bundes- oder Landes-)Gesetzes u.a. auf Antrag des Obersten Gerichtshofes oder eines zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gerichtes oder eines unabhängigen Verwaltungssenates; dabei ist die Antragsbefugnis der unabhängigen Verwaltungssenate nicht weiter eingeschränkt. Hinsichtlich der Befugnis, Gesetze beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, sind daher die unabhängigen Verwaltungssenate den Gerichten zweiter Instanz gleichgestellt (so auch die Erläuterungen zur RV betreffend die Art129 bis 129b B-VG der B-VG-Novelle BGBl. 685/1988, 132 BlgNR
17. GP, sowie aus der Literatur insbesondere Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, 1992, 123).
Wenn die NÖ Landesregierung meint, daß der UVS gemäß Art129a Abs3 iVm dem zweiten Satz des Art89 Abs2 B-VG nur dann befugt sei, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung von Gesetzesbestimmungen zu stellen, wenn er zur Entscheidung in zweiter Instanz berufen ist, dann verkennt sie den Sinn dieser Regelung: Nach Art129a Abs3 B-VG gilt für unabhängige Verwaltungssenate Art89 B-VG sinngemäß. Nach Abs1 dieser Bestimmung steht die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze, soweit in diesem Artikel nicht anderes bestimmt wird, den Gerichten (und zufolge der Verweisung den unabhängigen Verwaltungssenaten) nicht zu. Der zweite Satz des Abs2 des Art89 B-VG lautet sodann:
"Hat der Oberste Gerichtshof oder ein zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständiges Gericht gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken, so hat es den Antrag auf Aufhebung dieses Gesetzes beim Verfassungsgerichtshof zu stellen."
Kraft der Verweisung ist daher der UVS dann, wenn er gegen eine von ihm anzuwendende Gesetzesvorschrift aus dem Titel ihrer Verfassungswidrigkeit Bedenken hegt, verpflichtet, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung der von ihm anzuwendenden Gesetzesbestimmung zu stellen. Nicht aber kann die Verweisung so gedeutet werden, daß der UVS zu einem derartigen Antrag nur dann berechtigt und verpflichtet ist, wenn er in zweiter Instanz tätig wird. Eine solche Auffassung gelangte nämlich in Widerspruch zu der zitierten Aufzählung in Art140 Abs1 erster Satz B-VG, der die unabhängigen Verwaltungssenate schlechthin als antragsberechtigt den zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gerichten an die Seite stellt. Die Auffassung der NÖ Landesregierung führt dazu, daß der UVS im Fall von Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesvorschriften, die er bei der Beurteilung von Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzuwenden hat, zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofes nicht berechtigt wäre, eine Konsequenz, die sich weder mit der Formulierung noch mit dem erkennbaren Sinn des Art140 Abs1 erster Satz B-VG vereinbaren läßt.
4. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, sind die Anträge zulässig.
Das gilt auch für die zu G270/96 bis G273/96 protokollierten Verfahren. Diese Verfahren sind dadurch gekennzeichnet, daß es um die Nachprüfung von Entscheidungen in Vergabeverfahren geht, für die das NÖ Vergabegesetz nicht anzuwenden ist, da sich der sachliche Wirkungsbereich des Gesetzes nicht auf Dienstleistungsaufträge erstreckt. Da diese Vergabeverfahren aber von der Richtlinie 92/50/EWG des Rates (der Europäischen Gemeinschaften) vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge erfaßt sind und der zur Umsetzung dieser Richtlinie zuständige niederösterreichische Landesgesetzgeber die entsprechenden Richtlinienbestimmungen nicht zeitgerecht in innerstaatliches Recht transformiert hat, sind jene Bestimmungen der Richtlinie, die unbedingt und hinreichend genau sind und Rechte einzelner gegenüber den vergebenden öffentlichen Stellen begründen, unmittelbar anwendbar (vgl. EuGH 20.9.1988, Rs 31/87 (Beentjes), Slg. 1988, 4635; EuGH 22.6.1989, Rs 103/88 (Fratelli Costanzo), Slg. 1989, 1839).
Der antragstellende UVS geht nun davon aus, daß es ihm nach der sog. Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG des Rates (der Europäischen Gemeinschaften) idF des Art41 der zit. Richtlinie 92/50/EWG als dem sachlich nächsten Kontrollorgan zukommt, die Einhaltung der unmittelbar anwendbaren Regelungen der Richtlinie zu überprüfen und begründet dies u.a. folgendermaßen:
"Beim gegenständlichen Auftrag, der gemäß Art7 Abs3 der Richtlinie 92/50/EWG des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge vom 18.6.1992 Teil des Gesamtauftrages betreffend die Erbringung von Transportleistungen mit dem Ziel der Übersiedlung des NÖ Landhauses von Wien nach St. Pölten ist, handelt es sich zweifellos um einen solchen zur Erbringung von Dienstleistungen. Der gegenständliche Auftrag und die angefochtene Vergabeentscheidung unterliegen dem sachlichen und persönlichen Geltungsbereich der Richtlinie 92/50/EWG des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge vom 18.6.1992.
Im vorliegenden Fall beruft sich die Antragstellerin vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ auf die unmittelbare Wirkung einer nicht umgesetzten Richtlinie des Gemeinschaftsrechtes, nämlich jene der Dienstleistungsrichtlinie. Diese Richtlinie war spätestens bis zum Inkrafttreten des Beitrittsvertrages zur Europäischen Union, somit bis zum 1. Jänner 1995, umzusetzen. Wenngleich der NÖ Landesgesetzgeber in bezug auf die Dienstleistungsrichtlinie in einem zeitlichen Umsetzungsverzug ist (dieselbe wurde bis dato weder in nationales Bundes- noch Landesrecht transformiert), widerspräche es dem zwingenden Charakter einer Richtlinie, ihr - ohne nationale Umsetzung - überhaupt keine Wirkung zuzuerkennen.
Vielmehr ist ab dem Inkrafttreten des Vertrages über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union mit 1. Jänner 1995 davon auszugehen, daß alle österreichischen Behörden - und damit auch der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ - die einschlägigen Rechtsnormen des Gemeinschaftsrechtes anzuwenden und sich bei ihrer Interpretation von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes leiten zu lassen haben. Der gegenständliche Sachverhalt, der sich nach dem 1. Jänner 1995 ereignet hat, ist somit in vollem Umfang am Prüfmaßstab des Gemeinschaftsrechtes zu messen.
Aus Artikel 1 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 (Rechtsmittelrichtlinie) läßt sich der Anspruch des einzelnen ableiten, daß Auftragsvergaben im Anwendungsbereich der Richtlinie einem mit bestimmten Garantien ausgestatteten Nachprüfungsverfahren unterzogen werden können. Der Geltungsbereich der Rechtsmittelrichtlinie wurde im Artikel 41 der Dienstleistungsrichtlinie auf den Anwendungsbereich dieser letztgenannten Richtlinie erweitert.
Es ist somit davon auszugehen, daß die Antragstellerin nach Maßgabe der Bestimmungen des Artikel 2 der Rechtsmittelrichtlinie, insbesondere aber auch nach Maßgabe des Artikel 1 Abs3 der genannten Richtlinie, einen Anspruch auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens hat.
Der gegenständliche Auftrag wurde durch den öffentlichen Auftraggeber 'Niederösterreichische Landeshauptstadt-PlanungsgesmbH im Auftrag des Amtes der NÖ Landesregierung, vertreten durch die Abteilung I/AV' vergeben. Wenngleich die Richtlinie 92/50/EWG des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge vom 18.6.1992 bis dato nicht in innerstaatliches Recht transformiert wurde, ist die genannte ausreichend konkretisierte Richtlinie im gegenständlichen Fall von den jeweiligen nationalen Kontrollinstanzen direkt anzuwenden. Dieser Grundsatz stellt sowohl die Rechtsansicht der Europäischen Kommission in Brüssel als auch jene des Bundesvergabeamtes (Entscheidung N-8/95-4 vom 31.7.1995) und des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ (Senat-AB-96-015 vom 6. August 1996) dar.
§18 Abs1 des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge (NÖ Vergabegesetz), LGBl. 7200-0 in der Fassung LGBl. 7200-1, sieht die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ für die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens vor. Diese Zuständigkeit erstreckt sich im gegenständlichen Fall im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsansichten - insbesondere jener der Europäischen Kommission in Brüssel - auch auf die Überprüfung von Dienstleistungsaufträgen.
§18 Abs3 leg.cit. sieht vor, daß der Unabhängige Verwaltungssenat nach erfolgtem Zuschlag zuständig ist, festzustellen, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Gesetz oder die hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde.
Da der dem Antrag auf Nachprüfung zugrundeliegende Auftrag überdies von einem öffentlichen Auftraggeber erteilt wurde und - wie bereits dargelegt - von der direkten Anwendbarkeit der Richtlinie 92/50/EWG des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge vom 18.6.1992 auszugehen war, sind somit die Bestimmungen des §18 Absätze 1 und 3 (der Zuschlag ist bereits erfolgt) des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge (NÖ Vergabegesetz), LGBl. 7200-0 in der Fassung LGBl. 7200-1, für den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ im vorliegenden Fall präjudiziell."
Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner - einen Bescheid des Bundesvergabeamtes betreffenden - Entscheidung vom 30. September 1996, B3067/95, zum gleichen Rechtsproblem ausgesprochen, daß die Auffassung, das zur Kontrolle von Vergabeentscheidungen in Bau- und Liefersachen berufene Kontrollorgan sei ungeachtet des Umstandes, daß es hiefür keine gesetzlich begründete Kompetenz gebe, auch für die Kontrolle von Auftragsvergaben im Dienstleistungsbereich berufen, nicht zwingend, aber möglich ist (,und die Ansicht vertreten, daß die Klärung der Zuständigkeit von der Beantwortung der Frage abhängt, ob und wieweit die Rechtsmittelrichtlinie unmittelbar anwendbar ist, was zu klären im Rahmen des dualen Rechtsschutzsystems des Gemeinschaftsrechtes Sache des Europäischen Gerichtshofes sei). Nun ist es aber für die Zulässigkeit des vom UVS gestellten Antrages nicht von Bedeutung, ob seine Einschätzung der Rechtslage zutrifft, da der Verfassungsgerichtshof auch hinsichtlich von Anträgen unabhängiger Verwaltungssenate die Antragslegitimation nur dann als nicht gegeben ansieht, wenn es denkunmöglich ist, daß der unabhängige Verwaltungssenat die angefochtene Bestimmung in einem bei ihm anhängigen Verfahren anzuwenden hat (vgl. VfSlg. 13941/1994, 14178/1995). (Daß der UVS die Frage der Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen der Rechtsmittelrichtlinie nicht an den EuGH herangetragen hat, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht schon deshalb nicht zu beanstanden, weil der UVS in Vergabesachen angesichts der Zulässigkeit einer Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde jedenfalls kein vorlagepflichtiges Tribunal iSd Art177 Abs3 EGV und daher zur Vorlage einer Auslegungsfrage an den EuGH zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist).
IV. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:
1. Wie aus der unter Pkt. II geschilderten Rechtslage hervorgeht, beruft das NÖ Vergabegesetz den UVS zur Kontrolle von Entscheidungen, die von den dem Gesetz unterliegenden vergebenden Stellen im Zuge eines Vergabeverfahrens getroffen wurden, und von Zuschlagsentscheidungen solcher Vergabestellen, also von Akten der Privatwirtschaftsverwaltung. Der UVS hat über die an ihn gestellten Anträge bescheidmäßig zu befinden, wobei er zwar bloß kontrollierend, aber als erste Instanz tätig wird.
2. In seinen Anträgen rügt der UVS den Umstand, daß er als erste Instanz tätig zu werden hat, als den Bestimmungen der Art129 und 129a B-VG widersprechend und führt dazu insbesondere aus:
"Verfassungsrechtliche Grundlage für die Übertragung von Aufgaben an die Unabhängigen Verwaltungssenate sind ... die Artikel 129 und 129 a B-VG. Die Übertragung von Zuständigkeiten an die Unabhängigen Verwaltungssenate betreffend den Bereich des Vergabewesens stützt sich auf Art129 a Abs1 Z3 B-VG. Diese Bestimmung gehört zum 6. Hauptstück des B-VG, welches die Überschrift 'Garantien der Verfassung und Verwaltung' trägt. Ihr Inhalt ist durch den allgemeinen Grundsatz des Art129 B-VG, wonach die Unabhängigen Verwaltungssenate und der Verwaltungsgerichtshof zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufen sind, begrenzt.
Durch die B-VG Novelle 1988 wurde im Art129 B-VG eine Veränderung nur dahingehend vorgenommen, daß neben dem Verwaltungsgerichtshof auch die Unabhängigen Verwaltungssenate genannt werden. Der übrige Wortlaut, vor allem der Begriff 'gesamte öffentliche Verwaltung' wurde nicht verändert. Es ist daher davon auszugehen, daß auch die Unabhängigen Verwaltungssenate entsprechend den Intentionen des Bundesverfassungsgesetzgebers zur Überprüfung hoheitlicher Akte herangezogen werden sollen.
Dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ ist bei Wahrnehmung seiner Zuständigkeit gemäß §18 Abs1 des Gesetzes ... lediglich gemäß §17 Abs1 ... die beim Amt der NÖ Landesregierung eingerichtete 'NÖ Schlichtungsstelle für öffentliche Aufträge' vorgeschaltet. Diese ist entsprechend dem Gesetzeswortlaut des §17 Abs1 leg.cit. berufen, in einem konkreten Vergabeverfahren zwischen dem Auftraggeber und einem Bieter oder Bewerber zu vermitteln.
Gemäß §17 Abs4 des Gesetzes ... hat die NÖ Schlichtungsstelle - ohne dabei an ein bestimmtes förmliches Verfahren gebunden zu sein - ehestmöglich, längstens jedoch innerhalb von 2 Wochen, in mündlichen, nicht öffentlichen Verhandlungen zwischen den Streitteilen Vorschläge zur Beilegung der Streitfrage zu erstatten und auf eine gütliche Einigung der Streitteile hinzuwirken. ...
In den Erläuterungen betreffend das ... NÖ Vergabegesetz ...
ist in Übereinstimmung mit dem ... Gesetzesinhalt betreffend die
Schlichtungsstelle, die beim Amt der NÖ Landesregierung eingerichtet ist, festgehalten, daß derselben Behördencharakter nicht zukommt. Entsprechend den Ausführungen in den Erläuterungen hat dieselbe lediglich zu vermitteln, Vorschläge zu erstatten und auf eine gütliche Einigung zwischen Unternehmer und Auftraggeber hinzuwirken und ist an keine bestimmten Verfahrensnormen gebunden, um möglichst unbürokratisch und flexibel agieren zu können. ... Die Schlichtungsstelle kann auch nicht verbindliche Empfehlungen abgeben, sondern nur an die Streitteile gerichtete Vorschläge zur Lösung des Problems unterbreiten. Die Streitteile können dann frei entscheiden, ob sie diese Vermittlungsvorschläge annehmen wollen oder nicht. ...
Aus dem oben Dargestellten ergibt sich, daß der ... 'NÖ Schlichtungsstelle für öffentliche Aufträge' sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht nicht die Qualität einer administrativen Instanz zukommt.
Gemäß Art129 a Abs1 B-VG haben die unabhängigen Verwaltungssenate 'nach Erschöpfung des Instanzenzuges' zu entscheiden, 'soferne ein solcher in Betracht kommt'. Diese Bestimmung zählt in der Folge die Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate fallen, enumerativ auf.
Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, enthält keine Regelung darüber, ob die unabhängigen Verwaltungssenate als zweite oder dritte Instanz angerufen werden können. Die Regelung des administrativen Instanzenzuges, der vor Anrufung des unabhängigen Verwaltungssenates durchlaufen werden muß, hat in den (materiellen) Verwaltungsvorschriften zu erfolgen. Darin kann nach Art129 a Abs2 B-VG auch vorgesehen werden, daß bereits erstinstanzliche Bescheide beim unabhängigen Verwaltungssenat angefochten werden können.
Durch diese Verfassungsbestimmung ist jedenfalls klargestellt, daß die Übertragung einer erstinstanzlichen Zuständigkeit an die unabhängigen Verwaltungssenate unzulässig ist (Thienel, 'Das Verfahren der Verwaltungssenate', 'C. Funktionelle Zuständigkeit', Seite 30).
Übereinstimmend mit der von Thienel geäußerten Rechtsauffassung ist in Walter-Mayer 'Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts' 7. Auflage, 'III. Die Kompetenzen des UVS', Seite 336, festgehalten: 'Der Umstand, daß der unabhängige Verwaltungssenat erst 'nach Erschöpfung des Instanzenzuges' angerufen werden kann, bedeutet, daß die Begründung einer erstinstanzlichen Zuständigkeit verfassungsrechtlich ausgeschlossen ist'.
Eine Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung der Vergabesachen in erster Instanz ist auch nicht auf Art129 a Abs1 Z2 B-VG rückführbar, da es sich bei Vergaben keinesfalls um Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handelt. Es ist somit auch der verfassungsrechtlich geregelte Fall der Maßnahmebeschwerde, in welchem ein Instanzenzug nicht in Betracht kommt, auf den Bereich des Vergabewesens nicht anzuwenden.
Die Tatsache, daß dieser Bereich verfassungsrechtlich explizit geregelt wurde, bekräftigt vielmehr die verfassungsrechtlichen Bedenken in bezug auf das Tätigwerden der unabhängigen Verwaltungssenate als Behörden erster Instanz in einem Bereich, in welchem für ein derartiges Vorgehen verfassungsrechtliche Grundlagen nicht geschaffen wurden."
3. a) Die NÖ Landesregierung tritt diesen Bedenken entgegen und nimmt primär den Standpunkt ein, dem UVS sei mit der "NÖ Schlichtungsstelle für öffentliche Aufträge" (§17) eine Einrichtung vorgelagert, deren Tätigkeit die Funktion einer
I. Instanz erfüllt. Sie geht davon aus, daß die vergebenden Stellen in Handlungsformen des Zivilrechts agieren und meint:
"Anders als auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ist für das Zivilrecht weitgehende Gestaltungsmöglichkeit des Gesetzgebers und sogar der jeweils Beteiligten kennzeichnend. Daher sind im Zivilrecht Einrichtungen zur außergerichtlichen Streitbeilegung in Form von sogenannten 'Schlichtungsstellen' durchaus gebräuchlich. In diesem Zusammenhang darf auf die nach Art118 Abs3 Z. 10 B-VG den Gemeinden obliegende Besorgung der Angelegenheiten der öffentlichen Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten verwiesen werden, aber auch auf die bei Verträgen, insbesondere solche zwischen Kaufleuten oder auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts durchwegs übliche Vereinbarung außergerichtlicher Streitigbeilegung vor Anrufung der ordentlichen Gerichte (vgl. z. B. Krejci, Grundriß des Handelsrechts, 1995, S. 11 m.w.Nw.; Kastner u.a., Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5 mit div. Fundstellen). Institutionelle Schiedsgerichte sehen die ArtXII bis XXVII EGZPO sowie die §§41 und 46 NBG bzw. §5 litf HKG vor.
Für Schlichtungseinrichtungen ist charakteristisch, daß sie Auffassungsdifferenzen über an sie herangetragene Rechtsstandpunkte nicht in einem institutionalisierten Verfahren behandeln und mit einer förmlichen Entscheidung beenden. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, in der betreffenden Angelegenheit in unbürokratischer Weise und damit vergleichsweise kostengünstig und in kurzer Zeit durch Verhandlung mit den Betroffenen eine Annäherung über die unterschiedlichen Rechtsstandpunkte soweit zu erzielen, daß die Parteien von einer Austragung des Rechtsstreites auf dem üblicherweise für den Fall einer Nichteinigung vorgesehenen ordentlichen Rechtsweg Abstand nehmen.
Ausgehend davon, daß Art129 Abs1 B-VG auch zivilrechtliche Angelegenheiten (i.S. Art15 Abs9 B-VG) umfaßt, ist auch der vom Einleitungssatz dieser Norm verlangte 'Instanzenzug' als gegeben anzunehmen. Denn unter 'Instanz' wird im allgemeinen Sprachgebrauch keineswegs nur ein Entscheidungsträger im Bereich der Hoheitsverwaltung verstanden, sondern im Prinzip jede von mehreren in hierarchischer Reihenfolge zur Behandlung einer bestimmten Sache zuständige Stelle.
Diese Argumentation unterstreichen der Aufbau des NÖ Vergabegesetzes und die vom Gesetzgeber gebrauchten Worte:
Bei den Agenden, welche nach dem NÖ Vergabegesetz in die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich fallen, handelt es sich um solche, die zwingend von einer vorgelagerten Einrichtung (nach §17 Abs1 des NÖ Vergabegesetzes von der 'NÖ Schlichtungsstelle für öffentliche Aufträge'), und zwar mit negativem Ergebnis behandelt worden sein müssen, bevor sie nach §19 Abs2 des NÖ Vergabegesetzes rechtswirksam an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich herangetragen werden können. Daraus ergibt sich im Zusammenhalt mit dem Verständnis, das dem Wort 'Nachprüfungsverfahren' zugemessen werden muß, daß hier ein bereits geprüfter Vorgang einer neuerlichen Beurteilung unterzogen werden soll. Konkret hat der Unabhängige Verwaltungssenat für das Land Niederösterreich gemäß §21 Abs1 des NÖ Vergabegesetzes zu beurteilen, ob die Organe der vom Gesetz erfaßten Rechtsträger das Gesetz pflichtgemäß angewendet haben.
Art129a B-VG steht daher der im NÖ Vergabegesetz vorgesehenen Betrauung des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich mit bestimmten Aufgaben des Rechtsschutzes nicht entgegen."
b) Für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof dieser Argumentation nicht folgen sollte, meint die NÖ Landesregierung, daß es zulässig sei, den UVS auch mit Entscheidungen in erster Instanz zu betrauen und führt dazu aus:
"Nach Art129a Abs1 Z. 3 B-VG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate (außer in den in Z. 1 vorgesehenen Verwaltungsstrafsachen und den in Z. 2 genannten Maßnahmenbeschwerden) auch 'in sonstigen Angelegenheiten, die ihnen durch die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- und Landesgesetze zugewiesen werden', nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt.
Die Ermächtigung, die das Bundesverfassungsgesetz dem einfachen Gesetzgeber hier einräumt, ist jedenfalls dem Wortlaut nach nur insofern beschränkt, als es sich inhaltlich um Angelegenheiten der Verwaltung handeln muß.
Zu den Angelegenheiten der Verwaltung zählen jedenfalls nicht nur solche der sog. 'Hoheitsverwaltung', sondern auch die im Art17 B-VG erwähnten und unter II.1.3. erörterten Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung
(VfSlg. 3262/1957).
In der Tat unterscheidet Art129a Abs2 Z. 3 B-VG hinsichtlich der den unabhängigen Verwaltungssenaten (durch die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Gesetze) zuweisbaren Angelegenheiten nicht zwischen Angelegenheiten der erwähnten 'Hoheitsverwaltung' und solchen der 'Privatwirtschaftsverwaltung'. Der vom Bundesverfassungsgesetzgeber gewählte Wortlaut schließt somit keineswegs aus, einem unabhängigen Verwaltungssenat auch Entscheidungen in Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung zu übertragen.
Dies bestätigt der Bericht des Verfassungsausschusses (668 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XVII.GP) unter Punkt 2: 'Eine weitere Kompetenzausweitung für die unabhängigen Verwaltungssenate wurde dadurch geschaffen, daß eine verfassungsgesetzliche Ermächtigung aufgenommen wurde, wonach der zur Regelung der jeweiligen Sachmaterie zuständige Bundes- oder Landesgesetzgeber den unabhängigen Verwaltungssenaten auch andere Entscheidungskompetenzen in Verwaltungsmaterien übertragen kann. Es soll damit insbesondere die Möglichkeit geschaffen werden, die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate in Fällen zu begründen, bei denen es um die Entscheidung über 'civil rights and obligations' im Verwaltungswege geht.'
Daß die unabhängigen Verwaltungssenate auch mit anderen, als rein hoheitsrechtlichen Verwaltungsangelegenheiten betraut werden können, wird auch in der Wissenschaft durchaus anerkannt. So bestätigen etwa Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, S. 837 f, daß die unabhängigen Verwaltungssenate (abgesehen von der gleichfalls bewirkten Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes) geschaffen werden mußten, um der immer strenger werdenden Judikatur der Straßburger Menschenrechtsinstanzen wie auch des österreichischen Verfassungsgerichtshofes zu Art6 der Menschenrechtskonvention Rechnung zu tragen. Wie der Verfassungsgerichtshof inzwischen mehrfach festgestellt hat, erfüllt diese Einrichtung die von Art6 MRK gestellten Anforderungen.
Der Bundesgesetzgeber hat jedenfalls durch die im §5a des Fremdenpolizeigesetzes und im §88 Abs2 des Sicherheitspolizeigesetzes vorgesehene Anfechtung von Verwaltungshandlungen unmittelbar bei den unabhängigen Verwaltungssenaten seine Auffassung besonders eindrucksvoll bekundet, daß er es für durchaus verfassungskonform ansieht, die unabhängigen Verwaltungssenate mit Entscheidungen erster Instanz zu betrauen. Für diese Zulässigkeit spricht im übrigen auch die vom Bundesverfassungsgesetzgeber im Art129a Abs1 Z. 2 vorgenommene Betrauung mit Maßnahmebeschwerden. Offenbar ist dies der Anlaß dafür, daß selbst Thienel die Ansicht der Lehre, wonach eine erstinstanzliche Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate durch einfaches Gesetz nicht vorgesehen werden dürfe, als strittig wertet (Thienel in Pernthaler, Unabhängige Verwaltungssenate und Verwaltungsgerichtsbarkeit, Schriftenreihe des Institutes für Föderalismusforschung, Bd. 56, S. 30).
Nach §2 Abs1 des Gesetzes über den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ (NÖ UVSG), LGBl. 0015-7, erkennt der Unabhängige Verwaltungssenat gemäß Art129a Abs1 B-VG u.a. 'in sonstigen Angelegenheiten, die ihm durch die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- und Landesgesetze zugewiesen werden'. Auf dieser Grundlage hat er nach dem NÖ Vergabegesetz im wesentlichen Feststellungen darüber zu treffen, ob die Bestimmungen des NÖ Vergabegesetzes (und die dazu ergangenen Verordnungen) in konkreten Vergabeverfahren eingehalten wurden. In diesem Rahmen obliegt es dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich, gegebenenfalls
* während des Vergabeverfahrens (bis zum Zeitpunkt des
erteilten Zuschlages) einstweilige Verfügungen zu erlassen oder rechtswidrige Entscheidungen des Auftraggebers mit Bescheid für nichtig zu erklären (§18 Abs2 NÖ Vergabegesetz) oder
* nach erteiltem Zuschlag festzustellen, ob der Zuschlag
nicht dem Bestbieter erteilt wurde (§18 Abs3 NÖ Vergabegesetz).
Ein Recht, in bestehende Verträge einzugreifen, kommt dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich in keinem Fall zu. Verträge den Feststellungen des Unabhängigen Verwaltungssenates anzupassen, ist vielmehr unter der Sanktion sonst gegebener finanzieller Nachteile für den Auftraggeber (insbesondere des im §24 des NÖ Vergabegesetzes vorgesehenen Schadenersatzes) ausschließlich Aufgabe des Auftraggebers. Dem Auftraggeber stehen dabei die vom Zivilrecht generell zur Abänderung von Verträgen vorgesehenen Rechtsbehelfe zur Verfügung. Streitigkeiten darüber fallen in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.
Inhaltlich haben demnach auch die Bestimmungen des Abschnittes IV des NÖ Vergabegesetzes über die dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich übertragenen Aufgaben durchwegs Normen zum Gegenstand, welche der Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Verhaltens der vom NÖ Vergabegesetz mit bestimmten Aufgaben im Zusammenhang mit der Vergabe der dem Gesetz unterliegenden öffentlichen Aufträge betrauten Organe dienen. Ebenso können die im NÖ Vergabegesetz vorgesehenen Antragsrechte der Bieter zwanglos dem Bereich des öffentlichen Rechts zugeordnet werden. Streng genommen können folglich lediglich die Bestimmungen des §24 des NÖ Vergabegesetzes über Schadenersatzansprüche als solche aus dem Rechtsgebiet angesehen werden, welche nach österreichischem Rechtsverständnis als Zivilrecht bezeichnet wird. Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich im übrigen auch, daß der NÖ Landesgesetzgeber lediglich diesen geringfügigen Part auf die ihm von Art15 Abs9 B-VG eingeräumte Kompetenz stützen mußte.
Hinsichtlich des Aufgabenbereiches des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich sprechen die vorstehenden Argumente jedenfalls dafür, daß ihn das NÖ Vergabegesetz im Grunde zu Entscheidungen in einem Rechtsbereich beruft, welcher durchwegs als öffentliches Recht verstanden wird. Er entscheidet daher auch in der für den Bereich des öffentlichen Rechts typischen Rechtsform: mit Bescheid."
4. a) Die Niederösterreichische Landesregierung ist mit ihrer Auffassung nicht im Recht, daß die Einrichtung der "NÖ Schlichtungsstelle für öffentliche Aufträge" bewirkt, daß der UVS als Organ der Vergabekontrolle als Berufungsbehörde tätig wird. Denn Aufgabe der Schlichtungsstelle ist es nicht, eine Entscheidung in erster Instanz zu treffen, sondern bloß, "in einem konkreten Vergabeverfahren zwischen dem Auftraggeber und einem Bieter oder Bewerber ... zu vermitteln" (§17 Abs1), wobei die Schlichtungsstelle gemäß Abs4 dieser Bestimmung "Vorschläge zur Beilegung der Streitfragen zu erstatten und auf eine gütliche Einigung der Streitteile hinzuwirken" hat.
Angesichts dieser spezifischen Funktion der Schlichtungsstelle und der mangelnden Bescheidqualität ihrer Erledigungen kann das Verfahren vor ihr nicht als erstinstanzliches Verfahren qualifiziert werden, das das Kontrollverfahren vor dem UVS zum Berufungsverfahren macht. Es ist also der UVS mit seiner Auffassung insofern im Recht, als das Nachprüfungsverfahren in Vergabesachen vor ihm als ein Verfahren zu qualifizieren ist, in dem er Vorgänge im Vergabeverfahren zu überprüfen hat, ohne daß ein behördliches Verfahren vorgeschaltet wäre.
b) Die Akte der vergebenden Stellen, die der UVS gemäß §18 NÖ Vergabegesetz als Vergabekontrolleinrichtung zu überprüfen hat, sind Entscheidungen von Staatsorganen (vgl. §17 Abs2 NÖ Vergabegesetz, Art2 Abs1 der sog. Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG), die nicht hoheitlich, sondern im Rahmen der Privatwirtschaftverwaltung getroffen werden. Die Berufung der unabhängigen Verwaltungssenate zur Kontrolle derartiger Entscheidungen ist von der Bundesverfassung aber nicht ausgeschlossen. Der Verfassungsgesetzgeber ist bei der Ausgestaltung der Kompetenzen der unabhängigen Verwaltungssenate durch Art129a B-VG ersichtlich von der Zielsetzung ausgegangen, die unabhängigen Verwaltungssenate nicht als Verwaltungsorgane einzurichten, die die Verwaltung in erster Instanz führen, sondern als solche, die die Verwaltung kontrollieren. In diesem Sinne hat er ihre Kompetenz, als Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen tätig zu werden, begründet (Art129a Abs1 Z1 B-VG) und sie zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Akten unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt berufen (Art129a Abs1 Z2 B-VG). Er hat aber darüber hinaus die zuständigen Gesetzgeber generalklauselartig ermächtigt, ihnen auch weitere Angelegenheiten zur Entscheidung zuzuweisen (Art129a Abs1 Z3 B-VG). Dies wird in der Literatur als Ermächtigung angesehen, "die UVS auch mit jedweder sonstigen Angelegenheit zu betrauen, sofern dies im Rahmen der Zielvorgaben der Art129 bis 129b B-VG erfolgt" (Grof, in: Machacek, Verfahren vor dem VfGH und vor dem VwGH3, 1997, 136).
Offensichtlich auf Art129a Abs1 Z3 B-VG gestützt hat der niederösterreichische Landesgesetzgeber dem UVS mit der Einräumung der Kompetenz zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren in Vergabesachen eine weitere Kontrollaufgabe eingeräumt, und zwar die Kompetenz zur Kontrolle von Entscheidungen, die die dem Regime des NÖ Vergabegesetzes unterliegenden vergebenden Stellen getroffen haben, also von Akten, die im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gesetzt wurden. Daß er dabei angeordnet hat, daß die Kontrolle über Akte privatrechtsförmiger Verwaltung beim UVS ohne Vorschaltung einer Verwaltungsbehörde, die über die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Akte hoheitlich zu befinden hätte, konzentriert wird, verschlägt dabei nichts (vgl. auch dazu Grof, aaO). Weder hat der Gesetzgeber nämlich die dargestellte Zielsetzung des Art129a B-VG, den UVS nicht zur Führung von Verwaltung in erster Instanz, sondern zu deren Kontrolle zu berufen, verletzt, noch hat er sich über den Wortlaut der Ermächtigung des Art129a Abs1 Z3 B-VG hinweggesetzt. Nach dieser Bestimmung erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate "nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt, in sonstigen Angelegenheiten, die ihnen durch die die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze zugewiesen werden".
Gegen dieses Ergebnis könnte eingewendet werden, daß die Begründung einer Zuständigkeit zur Kontrolle von Entscheidungen, die im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung getroffen werden, für den UVS deshalb ausgeschlossen ist, weil in derartigen Fällen der Übertragung von Kontrollaufgaben ohne Vorschaltung einer behördlichen Instanz weder eine Erschöpfung des Instanzenzugs iSd Einleitungssatzes des Art129a Abs1 B-VG gegeben sein kann (so Mayer, B-VG-Kommentar, 1994, 301) noch auch Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (von deren Möglichkeit Art129a Abs1 Z4 B-VG ausgeht) in solchen Angelegenheiten nicht in Betracht kommen (so Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, 1992, 39 f.). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Voraussetzung der Erschöpfung des Instanzenzugs unter dem Vorbehalt steht, daß eine solcher überhaupt in Betracht kommt, und daß Art129a Abs1 Z4 letzter Fall B-VG ebenfalls dahingehend auszulegen ist, daß die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht eben nur dann geltend gemacht werden kann, wenn eine solche der Sache nach in Betracht kommt. Es mag sein, daß der Verfassungsgesetzgeber bei Schaffung der Ermächtigung an den Gesetzgeber, dem UVS weitere Kontrollaufgaben zu übertragen, die Möglichkeit der Übertragung von Aufgaben der Kontrolle von Akten der Privatwirtschaftsverwaltung nicht vor Augen gehabt hat (in diesem Sinn sind wohl die von Thienel (aaO, 40) zur Stützung seiner Argumentation herangezogenen Ausführungen in der RV (817 BlgNR 17. GP, 4) zu deuten), ausgeschlossen hat er sie nicht.
Es zeigt sich also, daß weder der Wortlaut noch die erkennbare Zielsetzung, den UVS als Kontrollorgan der Verwaltung zu berufen, noch das System des Art129a B-VG einer unmittelbaren, d.h. ohne Vorschaltung eines erstinstanzlichen behördlichen Verfahrens erfolgten Übertragung von Aufgaben der Kontrolle über Entscheidungen, die im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung getroffen werden, an den UVS entgegenstehen. Auch hindert die programmatische Formulierung des Art129 B-VG eine solche Überlegung nicht, denn diese Bestimmung wird durch die ihr nachfolgenden Bestimmungen der Art129a und 129b sowie 130 ff. B-VG näher konkretisiert und gewinnt ihren normativen Gehalt erst durch diese Konkretisierung. (Vgl. zur Unschärfe des Art129 B-VG etwa Mayer, Die UVS im Rechtsschutzsystem, ÖJZ 1991, 258)