Index
E3R E02100000;Norm
31992R2913 ZK 1992 Art202 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., in der Beschwerdesache des R W in W, Schweiz, vertreten durch Mag. Christian Kras, Rechtsanwalt in 5162 Obertrum am See, Handelsstraße 6/2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 4. Dezember 2017, Zl. RV/1200036/2016, betreffend Erstattung von Eingangsabgaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Feldkirch Wolfurt), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der in der Schweiz ansässige Revisionswerber fuhr am 16. September 2015 mit seinem in der Schweiz unter dem Kennzeichen ZH..... zugelassenen Pkw der Marke BMW aus der Schweiz über die Zollstelle Hohenems, ohne das Fahrzeug mündlich oder schriftlich anzumelden, nach Österreich und dann weiter nach Deutschland. Am selben Tag übergab er - wie von vorneherein geplant und vereinbart - das Fahrzeug einem deutschen Unternehmer zum Austausch des Fahrwerkes (Tuning). Das solcherart bearbeitete Fahrzeug brachte er später zurück in die Schweiz.
2 Mit Bescheid vom 8. Jänner 2016 teilte das Zollamt Feldkirch Wolfurt dem Revisionswerber die buchmäßige Erfassung von Eingangsabgaben (Zoll- und Einfuhrumsatzsteuer in näher angeführter Höhe) mit, welche gemäß Art. 202 Abs. 1 erster Anstrich des Zollkodex in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) für ihn entstanden seien, und setzte eine Abgabenerhöhung in näher angeführter Höhe fest.
3 Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2016 erhob der Revisionswerber dagegen Beschwerde u.a. mit dem Vorbringen der Unzuständigkeit des Zollamtes Feldkirch Wolfurt, weil das in Rede stehende Fahrzeug nicht in Österreich, sondern in Deutschland der aktiven Veredelung (Fahrwerkeinbau) unterzogen worden sei.
4 Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2016 brachte der Revisionswerber einen "Antrag gemäß Art. 239 ZK" ein. Er habe sein Fahrzeug über Österreich nach Deutschland gefahren, um das ursprünglich in seinem Fahrzeug eingebaute Fahrwerk ausbauen und ein neues Fahrwerk in Deutschland einbauen zu lassen. Er habe zu keinem Zeitpunkt gewusst, dass ein derartiges Ansinnen, nämlich der Einbau eines Fahrwerkes in Deutschland, eine Form der aktiven Veredelung darstelle und sohin vor Eintritt in die Europäische Union eine entsprechende Zollanmeldung abzugeben sei. Er sei nicht Unternehmer, sondern Privatperson, dem der Begriff "aktive Veredelung" gänzlich unbekannt gewesen sei. Die Information, dass man schon bei der Einreise von der Schweiz in ein EU-Land melden müsse, man habe die Absicht, sich ein Fahrwerk um etwa 2.800 EUR einbauen zu lassen, könne weder den täglich kursierenden Medien entnommen werden, noch sei eine derartige Information einer Privatperson auf leichtem Wege zugänglich. Auch sei er beim Tuningwerk in Deutschland nicht darüber informiert worden, dass er die aktive Veredelung vor Einreise in die EU beim Zoll hätte anmelden müssen. Somit habe nicht einmal ein deutsches Unternehmen über solche Kenntnisse verfügt, welches im grenznahen Raum ansässig sei. Es sei klar gestellt, dass weder betrügerische Absicht noch offensichtliche oder grobe Fahrlässigkeit vorliege.
5 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18. April 2016 wies das Zollamt Feldkirch Wolfurt die Beschwerde gegen den Bescheid vom 8. Jänner 2016 als unbegründet ab. Das in Rede stehende Beförderungsmittel sei von vorneherein zur Durchführung von Veredelungstätigkeiten (Ausbau des bestehenden Fahrwerkes und Einbau eines "getunten" Sportfahrwerkes) bei der T. GmbH in Deutschland bestimmt gewesen und sei zu diesem Zweck durch den Zulassungsinhaber, den Revisionswerber, bei der Zollstelle Hohenems auf eigener Achse fahrend in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden. Eine Zweckfahrt zur Durchführung einer Veredelungstätigkeit sei nur im Rahmen eines formell anzumeldenden und zu bewilligenden Zollverfahrens (Versandverfahren, aktive Veredelung) möglich. Daher sei das in Rede stehende Fahrzeug vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden und die Zollschuld nach Art. 202 Abs. 2 Zollkodex entstanden.
6 Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2016 reichte der Revisionswerber dagegen einen Vorlageantrag ein.
7 Mit Bescheid vom 3. August 2016 gab das Zollamt Feldkirch Wolfurt dem Antrag des Revisionswerbers vom 19. Februar 2016 auf Erlass der im Bescheid vom 8. Jänner 2016 angeführten Abgabenbeträge insoweit Folge, als es die Abgaben in näher angeführter Höhe (den im Bescheid vom 8. Jänner 2016 vorgeschriebenen Zoll zur Gänze, die Einfuhrumsatzsteuer und die Abgabenerhöhung zum Teil) gemäß Art. 239 ZK iVm Art. 900 Abs. 1 Buchstabe o) ZK-DVO auf Grund der Vorlage einer Warenverkehrsbescheinigung erließ; im Übrigen wies das Zollamt den Antrag als unbegründet ab. Die vom Revisionswerber behauptete Unbilligkeit nach Lage der Sache liege nicht vor, denn es sei im Einzelfall kein bei Anwendung des Gesetzes vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eingetreten. Persönliche Unbilligkeit sei nicht geltend gemacht worden und aus den vorgelegten Aufstellungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse erschließe sich keine ernsthafte Existenzgefährdung durch die verbleibende Abgabenbelastung.
8 Mit Schriftsatz vom 8. September 2016 erhob der Revisionswerber Beschwerde gegen den Bescheid vom 3. August 2016 mit der Begründung, eine Unterteilung in Zoll- und Einfuhrumsatzsteuer sei nicht sachgerecht, weil der Art. 239 Zollkodex im Sinne seines Antrages vom 19. Februar 2016 auf den gesamten Sachverhalt anzuwenden sei.
9 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 28. September 2016 wies das Zollamt die Beschwerde als unbegründet ab. Das Zollamt wies daraufhin, dass sich die Erstattung eines Teiles der Abgaben auf Art. 900 Abs. 1 Buchstabe o) ZK-DVO stütze, während auf die verbleibenden - sonstigen - Eingangsabgaben § 83 ZollR-DG anzuwenden sei, dessen Voraussetzungen aber nicht erfüllt seien.
10 Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2016 brachte der Revisionswerber dagegen einen Vorlageantrag ein.
11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen den Bescheid vom 3. August 2016 als unbegründet ab. Die für den vorliegenden Antrag vorgebrachten Gründe erfüllten - soweit der Antrag abgewiesen wurde - keinen der in den Art. 900 bis 903 ZK-DVO beschriebenen Tatbestände; eine Erstattung auf Grund eines sogenannten Katalogfalles scheide daher aus. Es bliebe eine Erstattung, wenn ein "besonderer Fall" nach Art. 899 Abs. 2 erster Satz ZK-DVO vorläge. Für eine solche Erstattung von sonstigen Eingangsabgaben, worunter auch die Einfuhrumsatzsteuer falle, liege nach § 83 ZollR-DG ein besonderer Fall dann vor, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweise oder wenn die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernsthaft gefährdet sei. Eine Existenzgefährdung sei im gesamten Verfahren nicht geltend gemacht worden. Eine sachliche Unbilligkeit liege nicht vor, weil die Entrichtung der vorgeschriebenen Abgaben eine Auswirkung der geltenden Rechtslage sei und genau das vom Gesetzgeber beabsichtigte Ergebnis eingetreten sei. Es entstehe auch keine anormale Belastungswirkung, weil auch die Einfuhrumsatzsteuer und die Abgabenerhöhung in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe berechnet und buchmäßig erfasst worden seien. Es handle sich auch nicht um einen atypischen Vermögenseingriff.
12 Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
13 Die dagegen erhoben außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
14 Der Revisionswerber erachtet sich im Recht darauf verletzt, die ihm mit Bescheid vom 8. Jänner 2016 vorgeschriebene Einfuhrumsatzsteuer samt Abgabenerhöhung in näher angeführter Höhe weder zu schulden noch entrichten zu müssen, weiters in seinem Recht auf Freiheit von eben dieser Einfuhrumsatzsteuer oder auf Zuerkennung der Befreiungsvoraussetzungen und schließlich in seinem Recht darauf verletzt, die mit demselben Bescheid vorgeschriebene und vom Bundesfinanzgericht bestätigte Abgabenerhöhung nicht zu schulden.
15 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 Der Revisionswerber trägt zur Zulässigkeit seiner Revision vor:
"Entscheidungsgegenständlich ist nur mehr die Einfuhrumsatzsteuer in der Höhe von EUR 7.967,57 samt Abgabenerhöhung in der Höhe von EUR 76,87, weil die Zollabgabenschuld vom Zollamt Feldkirch Wolfurt bereits vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses aufgehoben wurde. Aus den vom Revisionswerber bereits im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes ergibt sich eindeutig die analoge Anwendungen dieser Entscheidungen auf den gegenständlichen Fall, weil das Fahrzeug des Revisionswerbers nicht in den Wirtschaftskreislauf der Europäischen Union überführt wurde, sondern das Fahrzeug lediglich von der Schweiz nach Deutschland zum Tuning und danach wieder in die Schweiz zurückgefahren wurde. Der Revisionswerber ist Schweizer Staatsbürger mit Wohnsitz in der Schweiz, sein Fahrzeug ist in der Schweiz zugelassen und außerdem hat der Revisionswerber sein Fahrzeug erlaubter Weise im Rahmen der vorübergehenden Verwendung im Sinne des Art. 558 (1) ZK-DVO eingeführt.
Diese vom Revisionswerber zitierten neuen Urteile des Europäischen Gerichtshofs wurden rechtswidriger Weise nicht auf den gegenständlichen Sachverhalt - zumindest analog - angewendet, sodass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die zu lösende Rechtsfrage ist abhängig von der neuen aktuellen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (Entscheidungen C-154/16 vom 18.05.2017 und C-571/15 vom 01.06.2017). Zu dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, sodass die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage gern. Art. 133 (4) B-VG gegeben ist."
18 Gemäß Art. 239 Abs. 1 der im Revisionsfall noch maßgebenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 302 vom 19.10.1992, (Zollkodex - ZK) können Einfuhrabgaben - in anderen als den in den Art. 236, 237 und 238 genannten (hier nicht interessierenden Fällen) erstattet oder erlassen werden; diese Fälle werden nach dem Ausschussverfahren festgelegt. Die Art. 900 bis ?03 der im Revisionsfall noch maßgebenden Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 253 vom 11.10.1993, (Zollkodex-Durchführungsverordnung - ZK-DVO) enthält die Aufzählung von Fällen, in denen die Einfuhrabgaben nach Art. 239 ZK erstattet oder erlassen werden.
19 Für alle anderen Fälle entscheidet nach Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO die Behörde von sich aus, die Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben zu erstatten oder zu erlassen, wenn es sich um besondere Fälle handelt, die sich aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.
20 § 83 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) in der im Revisionsfall noch maßgebenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2010, BGBl. I Nr. 34/2010, lautet:
"§ 83. Im Falle einer Erstattung oder eines Erlasses der sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben nach den Bestimmungen des Art. 239 ZK in Verbindung mit Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO liegt ein besonderer Fall dann vor, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweist oder wenn die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernsthaft gefährdet ist. Letzterenfalls stellt die betrügerische Absicht oder grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten keinen Ausschließungsgrund für die Gewährung einer Erstattung oder eines Erlasses dar, sofern alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen und eine Gesamtbetrachtung für eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers spricht. Eine Vorlage an die Europäische Kommission hat zu unterbleiben."
21 In der Zulässigkeitsbegründung seiner Revision geht der Revisionswerber davon aus, er habe sein Fahrzeug erlaubter Weise im Rahmen der vorübergehenden Verwendung eingeführt, und führt zwei Entscheidungen des EuGH ins Treffen, aus denen er ableite, die in Rede stehende Einfuhrumsatzsteuer nicht zu schulden. Diese Ansicht hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis (VwGH 22.10.2018, Ra 2018/16/0044), welches zur buchmäßigen Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer für das in Rede stehende Fahrzeug ergangen ist, verworfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei auch auf die beiden zitierten Entscheidungen des EuGH eingegangen.
22 Neben diesen die Rechtmäßigkeit der Abgabenvorschreibung bekämpfenden Ausführungen enthält die Zulässigkeitsbegründung der Revision kein Vorbringen, weshalb ein besonderer Fall iSd des § 83 ZollR-DG vorläge. Somit wirft der Revisionswerber keine Frage iSd Art. 133 B-VG auf.
23 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 20. November 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018160071.L00Im RIS seit
12.12.2018Zuletzt aktualisiert am
22.02.2019