TE OGH 2018/10/23 10ObS114/18i

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Veröffentlicht am 23.10.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andrea Schultz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Josef Putz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Dr. Josef Broinger und Mag. Markus Miedl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Pflegegeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 2018, GZ 12 Rs 69/18f-37, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 Satz 2 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom 19. 12. 2016 erkannte die beklagte Partei der Klägerin aufgrund deren Antrags vom 30. 9. 2016 Pflegegeld der Stufe 1 ab 1. 10. 2016 zu.

Das Erstgericht gab der Klage auf Gewährung des Pflegegeldes der Stufe 4 teilweise dahin Folge, dass es der Klägerin das Pflegegeld der Stufe 3 (unter Zugrundelegung eines Gesamtpflegebedarfs von insgesamt 129,5 Stunden pro Monat) zusprach und das darüber hinaus gehende Mehrbegehren abwies.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 ZPO nicht zulässig.

1. Die – wenngleich unter dem Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit – geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor:

1.1 Das Berufungsgericht hat bereits die von der Klägerin neuerlich gerügten Mängel des Verfahrens erster Instanz (Abweisung des Antrags auf Zeugeneinvernahme des behandelnden Augenarzts sowie das Vorliegen einer „Überraschungsentscheidung“) verneint, so dass diese in der Revision wiederholten Verfahrensmängel nach ständiger Rechtsprechung – auch im Verfahren nach dem ASGG – nicht mehr mit Erfolg gerügt werden können (RIS-Justiz RS0042963 und RS0043061).

1.2 Eine Mangelhaftigkeit des Berufungs-verfahrens soll darin liegen, dass das Berufungsgericht den als Widerspruch gegen das Verhandlungsprotokoll vom 11. 1. 2018 (§ 212 Abs 5, § 212a Abs 2 ZPO) zu verstehenden Antrag auf Protokollberichtigung nicht als berechtigt angesehen hat. Auch mit diesem Vorbringen wird aber keine erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechts iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgeworfen:

2. Das Erstgericht hat für die beantragte Protokollberichtigung keinen Anlass gesehen. Das Berufungsgericht, das gemäß § 498 Abs 2 ZPO über die Berechtigung des Widerspruchs in freier Beweiswürdigung zu befinden hatte, ist davon ausgegangen, dass die vom Widerspruch erfassten Tatsachenfeststellungen nicht entscheidungsrelevante Fragen betreffen (etwa der behauptete täglich – und nicht nur jeden zweiten Tag – gegebene Pflegebedarf beim Anlegen der Stützstrümpfe von 10 Stunden pro Monat, weil auch bei dessen voller Berücksichtigung das für die Pflegestufe 4 erforderliche Stundenausmaß von 160 Stunden monatlich noch immer nicht erreicht wäre). Inwiefern darin eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung liegen sollte und aus welchen Gründen das Protokoll – soweit es die entscheidungsrelevanten Themenbereiche betrifft – dennoch keinen vollen Beweis über den Verlauf und Inhalt der Verhandlung liefern sollte, wird in der außerordentlichen Revision nicht aufgezeigt.

3. Die behaupteten Aktenwidrigkeiten (zur Anzahl der wöchentlich einzunehmenden Tabletten und zum Zeitbedarf für das Anlegen der Schlaf-Apnoe-Maske) wurden vom Obersten Gerichtshof geprüft, liegen aber nicht vor. Der Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit kann nicht die Unzulässigkeit einer Beweisrüge in dritter Instanz substituieren (RIS-Justiz RS0117019).

4.1 Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass bei Ermittlung des Pflegebedarfs die Verwendung anderer (als einfacher) Hilfsmittel zu berücksichtigen ist, wenn diese bereits vorhanden sind (§ 3 Abs 2 EinstVO). Zu den „anderen“ Hilfsmittel zählt auch eine Duschtoilette, die im Haushalt der Klägerin bereits installiert war (Fürstl-Grasser/Pallinger, Die neue Einstufungsverordnung zum BPGG samt Erläuterungen, SozSi 1999, 282 [286]). Eine (Neu-)Anschaffung derartiger nicht einfacher Hilfsmittel auf eigene Kosten des Versicherten wird zur Minderung oder Vermeidung des Pflegebedarfs nicht verlangt (§ 3 Abs 2 EinstV; Greifeneder/Liebhart4 Pflegegeld, 5.360).

4.2 Bezieht sich der tatsächliche Bedarf nur auf einen kleinen Teil der von der Hilfe bei der Verrichtung der Notdurft umfassten Betreuungsmaßnahmen, der einen Betreuungsaufwand von deutlich weniger als der Hälfte des Mindestwerts erfordert, kommt nach ständiger Rechtsprechung die Anerkennung des pauschalen Mindestbedarfs nicht mehr in Betracht, sondern ist der tatsächliche Aufwand zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0109875). Auch von dieser Rechtsprechung weichen die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht ab. Nach den – den Obersten Gerichtshof bindenden – Feststellungen benötigt die Klägerin fremde Hilfe bei der Verrichtung der Notdurft nur im Ausmaß von insgesamt 2,5 Stunden monatlich.

5. Den weiteren Revisionsausführungen ist entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist. Soweit die Revisionswerberin die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen angreift bzw sich die Revisionsausführungen von diesen Festellungen entfernen, ist darauf nicht einzugehen.

Mangels einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.

Textnummer

E123437

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00114.18I.1023.000

Im RIS seit

10.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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