Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei B***** G*****, vertreten durch Dr. Andrea Herbeck, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei K***** G*****, vertreten durch die Wolfram Proksch Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Unterhalts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. Juni 2018, GZ 43 R 261/18b-88, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO iVm §§ 402 Abs 4 und 78 EO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Ist die Ehe nach § 55 EheG geschieden worden und enthält das Urteil den Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG, dass der klagende Ehegatte die Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet hat, so gilt gemäß § 69 Abs 2 EheG für den Unterhaltsanspruch des beklagten Ehegatten nach der Scheidung der § 94 ABGB. In einem solchen Fall ändert sich am Rechtsgrund eines weiterhin bestehenden Unterhaltsanspruchs des im Scheidungsverfahren beklagten Ehegatten nichts (7 Ob 303/00k; 7 Ob 178/02f; vgl RIS-Justiz RS0115545; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht § 69 EheG Rz 2 mwN). Insofern unterscheidet sich der Unterhaltsanspruch gemäß § 69 Abs 2 EheG vom Unterhaltsanspruch bei Scheidung wegen Verschuldens (§§ 66 bis 68a EheG), der gegenüber dem Unterhaltsanspruch gemäß § 94 ABGB auf unterschiedlichen rechtserzeugenden Tatsachen beruht. Daher ist die Geltendmachung von nachehelichem Unterhalt gemäß § 66 EheG gegenüber einem Begehren auf Ehegatttenunterhalt gemäß § 94 ABGB als Klagsänderung iSd § 235 ZPO zu werten (6 Ob 210/06k).
Aus der dargestellten Rechtsprechung ergibt sich bereits, dass dies für einen Unterhaltsanspruch gemäß § 69 Abs 2 EheG nicht gilt, beruht dieser Anspruch doch auf keinem anderen Rechtsgrund als der Unterhaltsanspruch gemäß § 94 ABGB. Die von der Revisionsrekurswerberin als erheblich bezeichnete Rechtsfrage – das Fehlen von Rechtsprechung zum Vorliegen einer Klagsänderung iSd § 235 ZPO im Fall der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gemäß § 69 Abs 2 EheG nach ursprünglicher Geltendmachung von Ansprüchen gemäß § 94 ABGB – liegt daher nicht vor.
2. Gerichtliche Entscheidungen über einstweiligen Unterhalt werden grundsätzlich jeweils für die Dauer jenes Verfahrens erlassen, in dem sie beantragt wurden (1 Ob 139/11i).
Das Rekursgericht stellte klar, dass es die vom Erstgericht vorgenommene Befristung („bis zur rechtskräftigen Beendigung des Ehegatten-unterhaltsverfahrens“) dahin auffasste, dass damit die Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des anhängigen Unterhaltsverfahrens, sohin des Verfahrens 6 C 8/16m des Bezirksgerichts Leopoldstadt, festgelegt worden sei und auch die vorläufige Unterhaltspflicht materiell bis zu diesem Zeitpunkt bestehe.
Dies entspricht offenkundig der von der Revisionsrekurswerberin in ihrem Antrag vom 10. 4. 2018 angestrebten Befristung. Dort begehrte sie zwar die Befristung „bis zur Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung über den Unterhaltsanspruch der Klägerin gemäß § 69 EheG“, aus ihrem Antragsvorbringen geht jedoch insgesamt hervor, dass sie eine solche Entscheidung im anhängigen Unterhaltsverfahren anstrebte. Die im außerordentlichen Revisionsrekurs vorgebrachte Befürchtung, der Klägerin könnte die Geltendmachung von Unterhalt gemäß § 69 Abs 2 EheG im anhängigen Unterhaltsverfahren verwehrt sein, sodass die Befristung der Leistung nicht auf dieses Verfahren abzustellen habe, zeigt angesichts ihres Antragsvorbringens keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO auf. Darüber hinaus kann auf die Ausführungen zur Identität des Anspruchsgrundes bei der Geltendmachung von Unterhalt gemäß § 94 ABGB und § 69 Abs 2 EheG verwiesen werden.
Mit ihrem weiteren Vorbringen, der Begriff des Ehegattenunterhalts umfasse nicht den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, lässt die Revisionsrekurswerberin außer Acht, dass die Vorinstanzen den Beklagten zur Zahlung von „vorläufigen monatlichen Unterhaltsbeiträgen“ und nicht zur Zahlung von „Ehegattenunterhalt“ verpflichtet haben.
3. Die Revisionsrekurswerberin erblickt eine erhebliche Rechtsfrage darin, dass das Rekursgericht aktenwidrig vom aufrechten Bestand der Ehe der Streitteile ausgegangen sei.
Eine Aktenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (RIS-Justiz RS0043347; RS0043203). Die Beurteilung des Zeitpunkts des Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs betrifft aber nicht die Tatsachenfeststellungen, sondern die rechtliche Beurteilung der Sache.
Die Revisionsrekurswerberin zeigt aber auch in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Begehrt der Kläger die Scheidung der Ehe nach § 55 Abs 3 EheG und stellt der Beklagte einen Verschuldensantrag nach § 61 Abs 3 EheG, ist, um die vom Gesetzgeber für den Fall eines Verschuldensausspruchs gewünschte Kontinuität der Unterhaltsberechtigung des Beklagten wie bei aufrechter Ehe (§ 69 Abs 2 EheG) nicht zu gefährden, die Fällung eines Teilurteils bloß über das Scheidungsbegehren unzulässig (RIS-Justiz RS0040724; 1 Ob 194/14g mwN). Bekämpft im Fall einer reinen Zerrüttungsscheidung der Scheidungskläger allein den Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG, kann auch keine Teilrechtskraft des Scheidungsausspruchs eintreten (4 Ob 31/08z; 1 Ob 194/14g = RIS-Justiz RS0056846 [T12]; 6 Ob 34/18w [Eintritt der Teilrechtskraft lediglich aufgrund einer zwischen den selben Parteien ergangenen Vorentscheidung]).
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass das Rekursgericht mit seiner Beurteilung, die im Scheidungsverfahren ausschließlich gegen den Ausspruch gemäß § 61 Abs 3 EheG gerichtete Berufung des dortigen Klägers (des Beklagten im vorliegenden Verfahren) habe auch den Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs gehindert, nicht abgewichen ist.
4. Die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung erstreckt sich grundsätzlich nur auf den Spruch, auf die Entscheidungsgründe nur insoweit, als sie zur Individualisierung des Spruchs notwendig sind (RIS-Justiz RS0041357 [T1, T3]; RS0043259). Inwiefern in der Berechnung der Unterhaltshöhe durch das Rekursgericht ein Verstoß gegen die Rechtskraft der einstweiligen Verfügung vom 18. 10. 2016 liegen soll, wird nicht ausgeführt. Die Vorgangsweise, den Antrag des Beklagten auf Aufhebung oder Einschränkung der einstweiligen Verfügung vom 18. 10. 2016 abzuweisen und ihm (lediglich) die Leistung eines zusätzlichen einstweiligen Unterhaltsbeitrags aufzuerlegen, entspricht dem von der Klägerin gestellten Antrag. Damit wird auch im Zusammenhang mit der Berechnung der Unterhaltspflicht des Beklagten keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSv § 528 Abs 1 ZPO aufgezeigt.
Textnummer
E123420European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00165.18K.1025.000Im RIS seit
10.12.2018Zuletzt aktualisiert am
16.04.2019