TE OGH 2018/11/6 5Ob178/18i

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Veröffentlicht am 06.11.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin St. ***** KG, *****, vertreten durch Dr. Carl C. Knittl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Mag. S*****, 2. T*****, beide *****, beide vertreten durch Mag. Helmut Rieger, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 12a Abs 8, § 16 Abs 9 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. Juli 2018, GZ 38 R 165/18y-63, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

1. Die Antragsgegner behaupten in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs, die Vorinstanzen hätten den angemessenen Mietzins iSd § 16 Abs 1 MRG unter Berücksichtigung seiner Eignung, den Zwecken der im Objekt von der Antragstellerin betriebenen Apotheke zu dienen, ermittelt. Das Rekursgericht sei damit von gefestigter Rechtsprechung abgewichen, wonach sich die Beurteilung der Angemessenheit des Mietzinses nach § 16 Abs 1 MRG am marktkonformen ortsüblichen Mietzins zu orientieren habe. Es gelingt ihnen nicht, damit eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen:

Rechtliche Beurteilung

2.1. Die Beurteilung der Angemessenheit des Mietzinses ist zwar grundsätzlich Rechtsfrage, die vom Richter – und nicht vom Sachverständigen – zu lösen ist. Die Ermittlung des marktüblichen Mietzinses – als Orientierungshilfe für die Angemessenheitsprüfung – gehört hingegen zur Tatfrage, zu deren Lösung der Richter auf die Hilfe eines Sachverständigen zurückgreifen kann. Dessen Bewertungsergebnisse und die Aufgabenadäquanz der von ihm gewählten Methode sind vom Gericht zu würdigen (RIS-Justiz RS0111105). Die Vergleichswertmethode dient als Orientierungshilfe für die Angemessenheitsprüfung (RIS-Justiz RS0111105 [T8]). Methodenwahl und Auf- und Abwertungsmodus für Vergleichsobjekte entziehen sich als Tatfragen der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof (RIS-Justiz RS0111105 [T9]). Letztlich hat der Richter gemäß § 273 ZPO nach freier Überzeugung den im konkreten Fall „angemessenen“ Mietzins zu bestimmen (RIS-Justiz RS0111105 [T5]).

2.2. Eine vom MRG vorgegebene Methode zur Ermittlung der Angemessenheit des Hauptmietzinses iSd § 12a Abs 2 und § 16 Abs 1 MRG gibt es nicht (RIS-Justiz RS0070470). Das Gesetz definiert die Höhe des angemessenen Hauptmietzinses nicht, nennt aber die heranzuziehenden wertbestimmenden Faktoren, die daher stets nur im Einzelfall anhand der im Gesetz bezeichneten Komponenten beurteilt werden können. Dies hat nach kritischer Ermittlung des für vergleichbare Mietgegenstände nach Art, Größe und Lage üblichen Mietzinses durch entsprechende Aufschläge oder Abschläge zu geschehen, die der Beschaffenheit, dem Ausstattungszustand und dem Erhaltungszustand des Objekts gebührend Rechnung tragen (RIS-Justiz RS0070488). Die Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zwar im Rahmen der Ermittlung des angemessenen Hauptmietzins nach § 12a Abs 2 und 3 bzw § 46a Abs 2 und 3 MRG zu berücksichtigen, wobei auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Mietzinserhöhung abzustellen ist (vgl RIS-Justiz RS0107997), nicht hingegen bei der Angemessenheitsprüfung nach § 16 Abs 1 MRG ohne einen derartigen Veräußerungsvorgang (vgl RIS-Justiz RS0069553 [T1]). Grundsätzlich hängt die rechtliche Beurteilung des nach § 16 Abs 1 MRG zulässig zu vereinbarenden Hauptmietzinses von den Umständen des Einzelfalls ab, was die Möglichkeit einer Anrufung des Obersten Gerichtshofs auf die Geltendmachung grober Beurteilungsfehler einengt (5 Ob 129/09w). Ein derartiger Beurteilungsfehler ist nicht zu erkennen:

3. Im Gegensatz zu der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung gingen auch die Vorinstanzen nicht davon aus, der Gegenstand des im Geschäftslokal betriebenen Unternehmens bilde in rechtlicher Hinsicht eine für die Ermittlung des angemessenen Mietzinses maßgebende eigene Komponente. Bei der Feststellung des angemessenen Hauptmietzinses im Verfahren nach § 16 Abs 9 MRG kam es nicht etwa zu einem Abschlag von dem anhand von Vergleichsobjekten ermittelten marktüblichen Hauptmietzins aufgrund des von der Antragstellerin dort betriebenen Unternehmens. Das Erstgericht schloss sich vielmehr der vom Sachverständigen angewendeten Methode (Auswahl von insgesamt vier Vergleichsobjekten im Nahebereich des Bestandobjekts, die durchaus unterschiedliche Branchen
– Küchenstudio, Dienstleistung, Büro, Bankfiliale – betrafen und einen marktüblichen Hauptmietzins von 8 EUR pro Quadratmeter Nutzfläche für Verkaufsflächen ergaben, sowie Faktorenmethode im Hinblick auf die objektiv unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten der verschiedenen Räumlichkeiten) an und stellte deshalb – und nicht etwa, weil die Antragstellerin dort eine Apotheke betreibt – zum Stichtag 1. 3. 2015 einen angemessenen monatlichen Hauptmietzins von 1.090 EUR netto fest. Methodenwahl und Auswahl der Vergleichsobjekte – die als Tatsachenfragen der Beurteilung des Obersten Gerichtshofs ohnedies entzogen sind – beanstandeten die Antragsgegner im Rekursverfahren gar nicht; ihre Rüge bezog sich darauf, dass das Erstgericht Fragen an den Sachverständigen zur Höhe des angemessenen Hauptmietzinses bei bestmöglicher Verwertung des Bestandobjekts (etwa als Gastronomiebetrieb mit Gartennutzung oder Umbau der hinteren Räume des Geschäftslokals zur Wohnung) nicht zugelassen habe. Diese – an sich den Rekursgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens begründende (vgl 2 Ob 110/17s) – Argumentation hat das Rekursgericht aber verworfen und damit im Ergebnis den Verfahrensmangel verneint. Auch im (wohnrechtlichen) Außerstreitverfahren ist aber ein in zweiter Instanz verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens in dritter Instanz nicht mehr anfechtbar (RIS-Justiz RS0050037; RS0030748).

4.1. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, bei der Angemessenheitsprüfung nach § 16 Abs 1 MRG sei auf den real angemieteten Mietgegenstand abzustellen, eine fiktiv denkbare andere Ausgestaltung des Bestandobjekts sei hingegen nicht zu berücksichtigen, kann sich auf den unmissverständlichen Gesetzeswortlaut des § 16 Abs 1 MRG stützen, der auf Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand des Mietgegenstands bei Abschluss des Mietvertrags abstellt, und ist daher jedenfalls vertretbar. Selbst die Judikatur zu § 12a Abs 7 MRG schließt es aus, einen Mietgegenstand in einer anderen als der derzeit gegebenen Ausgestaltung bei der Mietzinsbestimmung zu berücksichtigen, weil sonst ein anderer als der tatsächlich gegebene (= reale) Mietgegenstand der Beurteilung zugrunde gelegt würde (RIS-Justiz RS0110521). Dass bei der Wertermittlung zwar grundsätzlich objektive Gesichtspunkte maßgeblich sind, der individuelle konkrete Vertragszweck
– insbesondere die Unterscheidung zwischen Wohn- und Geschäftszweck – aber sehr wohl zu berücksichtigen ist, vertritt nicht nur die Lehre (
Lovrek/Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 46), sondern auch die Judikatur (vgl RIS-Justiz RS0070413). Ob im Zuge einer Teilung des Bestandobjekts und Verwendung des Hoftrakts als Wohnung insgesamt allenfalls ein höherer angemessener Zins erzielt hätte werde können, spielt nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung der Vorinstanzen daher keine rechtlich relevante Rolle. Dass die Vorinstanzen die zu § 12 Abs 3 MRG idF vor Inkrafttreten des dritten WÄG ergangene Entscheidung 5 Ob 9/92 (= RIS-Justiz RS0070365), die im Übrigen einen ganz speziellen Sachverhalt betraf, als nicht einschlägig erachteten, ist vertretbar; von welcher sonstigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung das Rekursgericht abgewichen sein soll, führt der Revisionsrekurs nicht näher aus.

4.2. Auch dass die Vorinstanzen im Rahmen der Ermittlung des angemessenen Hauptmietzinses nicht auf die fiktive Möglichkeit der Vermietung an einen Gastronomiebetrieb (und den dann allenfalls höheren erzielbaren Mietzins für die Gartenfläche) Bedacht nahmen, hält sich im Hinblick auf die mangelnde Auswirkung der Branche des Bestandnehmers auf die Bildung des angemessenen Hauptmietzinses jedenfalls im Rahmen des ihnen diesbezüglich eingeräumten Ermessens und bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

5. Damit war der außerordentliche Revisionrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Textnummer

E123452

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00178.18I.1106.000

Im RIS seit

12.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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