Index
E1E;Norm
11992E059 EGV Art59;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):98/17/0079 E 18. Oktober 1999Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der F Gesellschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwälte W & N, Partnerschaft in J, gegen den Bescheid der Berufungskommission nach § 38 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991 vom 31. Juli 1998, Zl. Id-6.2/1529-2/1998, betreffend Tourismusbeitrag 1998, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen bekämpften Bescheid der belangten Behörde gab diese der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen die mit vorläufigem Bescheid erfolgte erstinstanzliche Vorschreibung eines Tourismusbeitrages für das Jahr 1998 in der Höhe von S 139.457,-- nicht Folge.
Die beschwerdeführende Partei bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sie erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht, nach dem vorliegenden Sachverhalt eine Verpflichtung zur Bezahlung von Tourismusbeiträgen nicht auferlegt zu erhalten, in ihrem Recht, nach dem vorliegenden Sachverhalt eine Verpflichtung zur Bezahlung von Abgaben, die an Hand der Umsatzzahlen errechnet werden, nicht auferlegt zu erhalten, in ihrem Recht auf fehlerfreie und nachvollziehbare Handhabung der Bestimmungen der Beitragsgruppenverordnung des Tiroler Tourismusgesetzes bei der Berechnung der Tourismusbeiträge, in ihrem Recht, dass wirtschaftlich gleich gelagerte Sachverhalte, die den Wettbewerb von Unternehmern berühren, auch gleichen Besteuerungsgrundsätzen unterliegen, in ihrem Recht, neben der von ihr zu entrichtenden Umsatzsteuer nach dem Umsatzsteuergesetz nicht durch eine weitere Abgabe, deren Berechnungsgröße der Umsatz ist, belastet zu sein und in ihrem Recht auf Anwendung innerstaatlicher Normen, die gemeinschaftsrechtlichen Normen nicht widersprechen, verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die beschwerdeführende Partei die Verletzung ihres Parteiengehörs. Die Zuordnung zu den einzelnen Berufsgruppen sei nicht nachvollziehbar und ohne jegliche Begründung erfolgt, wozu komme, dass ihr auch keine Gelegenheit geboten worden sei, dazu Stellung zu nehmen. Die beschwerdeführende Partei habe auch keine Gelegenheit gehabt, zu den wettbewerbshindernden Fakten im konkreten Fall Stellung zu nehmen.
Abgesehen davon, dass die beschwerdeführende Partei auch vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht darlegt, was sie bei Unterlassen des behaupteten Verfahrensmangels vorgebracht hätte, und somit auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes eine Relevanz dieses Verfahrensmangels nicht ersichtlich ist, hätte sie Gelegenheit gehabt, in ihrer Berufung und in ihrem Vorlageantrag nach der Berufungsvorentscheidung zu den von den Abgabenbehörden jeweils unverändert zugrunde gelegten Daten Stellung zu nehmen. Eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensverstößen (Parteiengehör) ist daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht gegeben.
Die beschwerdeführende Partei erblickt weiters einen Begründungsmangel des bekämpften Bescheides darin, dass in diesem nicht auf ihr Berufungsvorbringen betreffend den Wettbewerbsnachteil eingegangen sei, den sie infolge ihrer Standortwahl erleide.
Die belangte Behörde verweist demgegenüber in ihrer Gegenschrift zutreffend darauf, dass gegen die konkrete Berechnung auf Grund der anzuwendenden Rechtsnormen (Gesetze bzw. Verordnungen) in diesem Zusammenhang keine Einwände gemacht würden; falls die beschwerdeführende Partei einen Wettbewerbsnachteil durch den von ihr gewählten Standort erleide, sei dies eine Folge der anzuwendenden Rechtsvorschriften.
Auch der Verwaltungsgerichtshof kann in der behaupteten Nichtberücksichtigung allfälliger Wettbewerbsnachteile keinen Begründungsmangel des bekämpften Bescheides sehen, der unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu einer Aufhebung des Bescheides führen müsste. Der bekämpfte Bescheid ist in sich schlüssig und begründet den Spruch - was von der beschwerdeführenden Partei auch nicht bestritten wird - mit den Hinweisen auf das Tiroler Tourismusgesetz 1991, die anzuwendende Beitragsgruppenverordnung, die Ortsklassenverordnung, sowie den gleichfalls als Verordnung zu qualifizierenden Beschluss der Vollversammlung des Tourismusverbandes Uderns über die Festsetzung des Promillesatzes für 1998 im Zusammenhalt mit den einschlägigen Bestimmungen der Tiroler Landesabgabenordnung. Die unterschiedliche Rechtslage innerhalb Österreichs hat ihre verfassungsrechtliche Grundlage in der bundesstaatlichen und kompetenzrechtlichen Ordnung auf Verfassungsebene. Dass die Anwendung der allgemeinen Normen Wettbewerbsnachteile für die beschwerdeführende Partei hervorrufen könnte, ist daher im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die (behauptete) Gemeinschaftsrechtswidrigkeit allenfalls von Bedeutung. Die belangte Behörde hat sich aber im vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid auch damit auseinander gesetzt; die Frage, ob die diesbezüglichen Ausführungen zutreffen, betrifft nicht diejenige nach dem Vorliegen eines Begründungsmangels.
Die inhaltliche Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides erblickt die beschwerdeführende Partei zunächst darin, dass die Regelung der Beitragsvorschreibung durch das Tiroler Tourismusgesetz 1991 und den darauf gründenden Verordnungen gegen das Gemeinschaftsrecht, und zwar gegen das Verbot der Belastung durch eine weitere umsatzsteuerähnliche Abgabe (wie dies in der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtline, 77/388/EWG, normiert ist), verstoße.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschlüssen vom 12. August 1997 und 27. Oktober 1997 dem EuGH gemäß Artikel 177 EGV (nunmehr Artikel 234 EG) die Frage vorgelegt, ob eine Regelung, wie sie das Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz 1994, LGBl. Nr. 59/1994, das Steiermärkische Tourismusgesetz 1992, LGBl. Nr. 55 in der geltenden Fassung, und das Tiroler Tourismusgesetz 1991 betreffend die Fremdenverkehrsabgabe bzw. Tourismusabgabe enthalten, der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie, 77/388/EWG, widerspricht.
Mit Urteil vom 8. Juni 1999 in den verbundenen Rechtssachen C-338/97, C-344/97 und C-390/97, Pelzl u.a., Wr. Städtische Allgemeine Versicherungs-AG u.a., und STUAG Bau-Aktiengesellschaft hat der EuGH ausgesprochen, dass die genannte Richtlinie einer Abgabe, wie sie in den erwähnten inländischen Rechtsvorschriften vorgesehen ist, nicht entgegensteht.
Damit ist die in der Beschwerde vertretene Auffassung insoweit widerlegt.
Das Regelungssystem des Tiroler Tourismusgesetzes widerspricht aber nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei auch dem Art. 90 EGV. Danach dürften die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine diesen Vertrag und insbesondere dessen Art. 7 und 85 bis 94 widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten. Auf Grund der gesetzlich normierten Pflichtmitgliedschaft und des gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabenbereiches seien auch die Tourismusverbände als Unternehmen, denen besondere oder ausschließliche Rechte gewährt würden, zu qualifizieren. Aus Art. 90 Abs. 1 ergebe sich eine allgemeine Pflicht zum Schutz des Wettbewerbs. Der EuGH habe betont, dass Art. 90 zusammen mit anderen Bestimmungen des Vertrages das Ziel verfolge, dass auf den jeweiligen Märkten ein wirksamer unverfälschter Wettbewerb hergestellt werde. Unter diesem Gesichtspunkt sei aber das aufgezeigte Regelungssystem zur Ermittlung der Beiträge, das einerseits einen Eingriff in den freien Wettbewerb der Unternehmen darstelle, andererseits auch als wettbewerbsbehindernde und wettbewerbsbeschränkende Maßnahme zu qualifizieren sei, im Lichte des Art. 90 EGV bedenklich. Art. 90 Abs. 2 EGV gehe noch weiter und lasse die Vorschriften des Beitrittsvertrages für Unternehmungen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut seien oder den Charakter eines Finanzmonopols hätten, unmittelbar gelten. Beide Vorschriften seien unmittelbar anwendbar. Diese Vorschriften des EG-Vertrages widersprächen aber einer nationalen Regelung, wonach Unternehmen, die dieselbe Tätigkeit ausübten, allein auf Grund ihres Standortes mit unterschiedlich hohen Abgaben belastet würden und Unternehmen aus verschiedenen Branchen, auch wenn sie dieselbe Tätigkeit ausübten, wie das im Falle eines Baumeisters und Estrichlegers immer wieder vorkomme, ebenfalls eine unterschiedlich hohe Abgabenbelastung zu tragen hätten. Das Regelungssystem beinhalte nicht nur eine umgekehrte Diskriminierung, nämlich eine Schlechterstellung der beschwerdeführenden Partei im Wettbewerb mit einem Mitglied aus einem anderen EU-Staat, der in der Gemeinde der beschwerdeführenden Partei tätig werden wolle, sondern insgesamt wettbewerbshindernde und wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen. Auf Grund des Vorranges des Gemeinschaftsrechtes, im Zusammenhang mit der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 90 EGV, wären die in Rede stehenden Bestimmungen des Tiroler Tourismusgesetzes 1991 nicht anzuwenden gewesen, weshalb der Bescheid somit inhaltlich rechtswidrig sei.
Artikel 86 EG (vormals Artikel 90 EGV) lautet:
"(1) Die Mitgliedstaaten werden in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine diesem Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 12 und 81 bis 89 widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten.
(2) Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Vorschriften dieses Vertrages, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft.
(3) Die Kommission achtet auf die Anwendung dieses Artikels und richtet erforderlichenfalls geeignete Richtlinien oder Entscheidung an die Mitgliedstaaten."
Aus der zitierten Bestimmung und dem Regelungssystem der Wettbewerbsvorschriften kann die beschwerdeführende Partei keine Ansprüche ableiten, da sie unbestrittenermaßen nicht auf dem Gebiet der Förderung des Tourismus tätig ist und sie somit nicht im Wettbewerb zu den Tourismusverbänden steht. Es kann daher schon aus diesem Grunde dahingestellt bleiben, ob die Tourismusverbänden nach dem Tiroler Tourismusgesetz 1991 - wie in der Beschwerde vorgebracht - überhaupt Unternehmen sind.
Die beschwerdeführende Partei kann sich aber auch nicht darauf stützen, dass die Tourismusverbände - ihre Unternehmenseigenschaft vorausgesetzt - die ihnen zur Verfügung stehenden Geldmittel gemeinschaftsrechtswidrig (etwa im Sinne der Wettbewerbsregeln) verwendeten. Der Gemeinschaftsrechtsordnung ist nämlich keine Regelung entnehmbar, die dem Abgabepflichtigen einen Anspruch auf gemeinschaftsrechtskonforme (etwa im Sinne der Wettbewerbsregeln) Verwendung der öffentlichen Mittel einräumt.
Soweit die beschwerdeführende Partei aber mit ihrem Vorbringen die Regeln des Dienstleistungsverkehrs im Auge haben sollte, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie erstens keine grenzüberschreitenden Leistungen erbringt, die mit der Tourismusabgabe belastet sind; Auslandsleistungen sind nämlich aus der Bemessungsgrundlage grundsätzlich auszuscheiden. Weiters ist die beschwerdeführende Partei darauf hinzuweisen, dass die unterschiedliche Steuerlast auf jenen Gebieten, wo eine Harmonisierung der Steuern im Gemeinschaftsrecht noch nicht erfolgt ist, was für die Tourismusabgabe zutrifft, von der Gemeinschaft hingenommen wird und nicht unter dem Gesichtspunkt der Dienstleistungsfreiheit als unzulässig angesehen werden kann (ähnlich wie die Belastung mit unterschiedlichen Unternehmenssteuern).
Die Befassung des Europäischen Gerichtshofes im Weg einer Vorlage nach Art. 234 EG hatte daher infolge klarer Rechtslage zu unterbleiben.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. September 1999
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998170279.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
11.11.2011