Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann, Mag. Ziegelbauer und Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, 1041 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20–22, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 6,50 EUR, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. April 2018, GZ 1 R 103/18w-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 30. Jänner 2018, GZ 21 C 234/16i-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 501,91 EUR (darin enthalten 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist ein in § 29 KSchG genannter Verband. Sie begehrt vom beklagten Bankunternehmen, mit dem Mag. G***** Z***** einen (aufrechten) Girokontovertrag samt Kontokarte mit Maestro-Funktion abgeschlossen hat, die Rückzahlung einer diesem Konto angelasteten Gebühr in Höhe von 6,50 EUR. Diese Gebühr wurde für die am 16. 2. 2016 erfolgte Barbehebung von 50 EUR bei einem Geldausgabeautomaten in Deutschland in Rechnung gestellt, der von einer banken- und herstellerunabhängigen Gesellschaft (der I***** GmbH) aufgestellt und betrieben wird. Mag. G***** Z***** (im Folgenden nur mehr: „Karteninhaberin“) hat der Klägerin den Rückzahlungsanspruch zum Inkasso und zur Klageführung abgetreten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte – soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich – fest, dass laut den vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Karteninhaberin berechtigt ist, an Geldausgabeautomaten im In- und Ausland die mit einem auf der Bezugskarte angeführten Symbol (Maestro-Symbol) gekennzeichnet sind, mit der Bezugskarte und dem persönlichen Code Bargeld bis zu dem vereinbarten Limit zu beheben.
Die Konditionenübersicht „Giroprodukte und Dienstleistungen für Privatkunden“ enthält unter Pkt 1.9.1 folgenden Warnhinweis:
„... Kartentransaktionen, insbesondere Bargeldab-hebungen mit der Kontokarte sind ohne gesondertes Entgelt an Geldautomaten der B***** (Anm: = Beklagte) sowie jenen Geldautomaten möglich, mit deren Betreiber die B***** einen diesbezüglichen Vertrag abgeschlossen hat. Betreiber von Geldautomaten ('Dritte'), mit welchen die B***** keinen diesbezüglichen Vertrag abgeschlossen hat, können die Durchführung von Kartentransaktionen, insbesondere Bargeldabhebungen, an Geldautomaten gegen Verrechnung eines gesonderten Entgelts anbieten. In diesem Fall wird dem Karteninhaber vor Durchführung der Kartentransaktion am Geldautomaten vom Betreiber des Geldautomaten die Durchführung der vom Karteninhaber gewünschten Kartentransaktion gegen ein bestimmtes Entgelt angeboten. Im Fall des Einverständnisses des Karteninhabers wird diesem das vereinbarte Entgelt bei Vornahme der jeweiligen Transaktion direkt vom Betreiber des Geldautomaten verrechnet.“
Am 16. 2. 2016 behob die Karteninhaberin mit ihrer Bezugskarte und ihrem PIN Bargeld in Höhe von 50 EUR an einem von der I***** GmbH aufgestellten Automaten in Deutschland. Es konnte nicht festgestellt werden, ob an dem Automaten selbst ein Hinweis angebracht war, dass die Behebung kostenpflichtig ist. Im Zuge des Behebungsvorgangs wird der Karteninhaber auf einer Eingabemaske aufgefordert, den gewählten Betrag zu bestätigen, wobei zwei Tastfelder zur Auswahl stehen, nämlich „Abbrechen“ oder „Bestätigen“. Unmittelbar unter dem Tastfeld „Bestätigen“ findet sich in schwarzer – etwas kleinerer Schrift als am darüber stehenden Tastfeld – der Hinweis: „Für diese Zahlung berechnen wir Ihnen ein Entgelt in Höhe von 6,50 EUR, welches ihrem Konto zusammen mit dem Auszahlungsbetrag belastet wird.“ Die Karteninhaberin nahm diesen Hinweis wahr, drückte auf „Bestätigen“ und konnte in der Folge die Transaktion nicht mehr rechtzeitig abbrechen. Der Transaktionsbetrag von insgesamt 56,50 EUR wurde in das System der beklagten Partei als Gesamtsumme und nicht untergliedert in den behobenen Betrag und Spesen übermittelt.
In technischer Hinsicht erfolgt bei einem Geldausgabeautomaten im Ausland oder bei Drittanbietern im Inland zunächst eine Autorisierung der Karte mittels PIN-Eingabe, dann wird über das hinter dem Bankomaten stehende System die Verbindung zum beklagten Bankunternehmen hergestellt, das die gewünschte Kartentransaktion bei einer ausreichenden Kontodeckung freigibt. Die Beklagte hat weder eine unmittelbare vertragliche Vereinbarung mit der I***** GmbH noch kann sie aufgrund ihres Vertrags mit ihren Kunden und/oder ihres Vertrags mit Mastercard derartige Behebungen verhindern oder beschränken oder auf die Höhe des Entgelts oder die Art der Verrechnung Einfluss nehmen.
Derzeit stellt die Beklagte der Karteninhaberin für Kontoführung, die Kontokarte, e-banking (bei Einzelverrechnung) 10,70 EUR im Quartal in Rechnung ...
In rechtlicher Sicht ging das Erstgericht von der Rechtslage vor Inkrafttreten des § 4a des Bundesgesetzes über die Vergleichbarkeit von Entgelten für Verbraucherzahlungskonten, den Wechsel von Verbraucherzahlungskonten und den Zugang zu Verbraucherzahlungskonten mit grundlegenden Funktionen (Verbraucherzahlungskontogesetz [VZKG], BGBl I 2016/31) mit 13. Januar 2018 aus. Übergangsvorschriften zu diesem Gesetz seien nicht vorhanden, sodass diese Regelungen erst auf nach dem Inkrafttreten vorgenommene Bargeldabhebungen an Geldausgabeautomaten anzuwenden seien (10 Ob 14/18h). Die Passivlegitimation der beklagten Partei sei zu verneinen. Das beklagte Bankunternehmen habe sich mit dem Rahmenvertrag nur verpflichtet, an Geldausgabeautomaten im In- und Ausland, die mit einem auf der Bezugskarte angeführten Symbol („Maestro-Symbol“) gekennzeichnet sind, Bargeldabhebungen zu gewährleisten, sei aber nicht dazu verpflichtet, bei jedem Geldausgabeautomaten kostenlose Bargeldbehebungen zu ermöglichen. Es handle sich bei dem zwischen der Karteninhaberin und der I***** GmbH zustande gekommenen Vertrag um einen – von dem zwischen der Karteninhaberin und der beklagten Partei geschlossenen Vertrag – unabhängigen Einzelvertrag. Allfällige Ansprüche auf Rückzahlung eines für die Behebung verrechneten Entgelts seien daher an den Geldausgabeautomatenbetreiber und nicht an die beklagte Partei zu stellen. Die Beklagte sei passiv nicht legitimiert.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Rechtlich ging es davon aus, der Klägerin fehle die Aktivlegitimation. Die Klägerin behaupte keine Leistung, sondern eine rechtsgrundlose Belastung des Kontos der Karteninhaberin infolge eines unrichtigen Kontosaldos des Girokontos. Dieser Saldo berechtige die Klägerin nicht, die Auszahlung eines allenfalls rechtswidrigerweise in das Girokonto als Belastung eingestellten Behebungsentgelts zu fordern. Ein unrichtiger Kontosaldo des Girokontos sei nur mittels Feststellungsklage geltend zu machen. Eine Abtretung eines derartigen Anspruchs sei nicht wirksam möglich, weswegen die Beweisrüge nicht zu erledigen und auf die weiteren rechtlichen Überlegungen der Berufung zur mangelnden Passivlegitimation nicht mehr einzugehen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin.
In der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt die beklagte Partei, der außerordentlichen Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung zulässig; sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.
I. Die Klägerin macht in ihrem Rechtsmittel vorerst geltend, das Berufungsgericht habe gegen den Dispositionsgrundsatz, seine Anleitungspflicht und das Überraschungsverbot verstoßen, indem es ohne entsprechenden Einwand der Beklagten die Aktivlegitimation der Klägerin bzw die Schlüssigkeit der Klage verneint habe.
Dazu ist auszuführen:
I.1 Die Klägerin ist gesetzlich befugt, individuelle Ansprüche, die ihr zur Geltendmachung abgetreten werden, klageweise geltend zu machen (§ 502 Abs 5 Z 3 ZPO). Diese Befugnis erfasst jedoch nur solche Ansprüche (unabhängig von ihrer Natur), die abgetreten werden können und deren Wahrnehmung in den Aufgabenbereich der in § 29 KSchG genannten Verbände fällt (ErläutRV 613 BlgNR 22. GP 3 f, 7; RIS-Justiz RS0122125; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 Rz 200). Es sollen Testverfahren zur Abklärung der materiellrechtlichen Rechtslage im Interesse breiter Bevölkerungskreise im Rahmen von „Musterprozessen“ nicht nur für Geldforderungen (unabhängig vom Streitwert), sondern auch Ansprüche anderer Art ermöglicht werden, sofern sie abtretbar sind (ErläutRV 613 BlgNR 22. GP 7). Abtretbar sind alle veräußerlichen Rechte (§ 1393 ABGB), somit ganz allgemein obligatorische Rechte.
I.2 Im vorliegenden Fall machte die Klägerin mittels Mahnklage einen ihr von einer Inhaberin einer Bankomatkarte mit Abtretungsvereinbarung vom 9. 5. 2016 zum Inkasso und zur Klageführung abgetretenen Anspruch auf Rückerstattung von 6,50 EUR mit dem Vorbringen geltend, der Karteninhaberin sei dieser Betrag im Zusammenhang mit einer am 16. 2. 2016 erfolgten Bargeldabhebung an einem Bankomaten in Deutschland zu Unrecht von ihrem bei der beklagten Partei bestehenden Girokonto als Spesen abgebucht worden. Sie will mit ihrer Klage somit nicht die Stornierung der Belastungsbuchung erreichen, sondern macht gegen die beklagte Partei einen Anspruch auf Rückforderung von 6,50 EUR (Erstattungsanspruch) geltend, der unstrittig in ihren Aufgabenbereich fällt und der Abklärung einer für andere Verbraucher relevanten Rechtsfrage dient.
I.3 Die beklagte Partei hat weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Berufungsbeantwortung geltend gemacht, der Karteninhaberin komme bei laufender Kontoverbindung kein Erstattungsanspruch, sondern nur ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Belastungsbuchung zu. Sie hat auch nicht vorgebracht, dass ein derartiger Anspruch nicht abtretbar wäre. Dennoch hat das Berufungsgericht von Amts wegen eine Schlüssigkeitsprüfung der Klage vorgenommen und die Aktivlegitimation mit der Begründung verneint, dass ein Anspruch auf Rückzahlung eines von der Beklagten eingebuchten Geldbetrags nicht bestehe und – selbst wenn ein Anspruch auf Kontoberichtigung geltend gemacht worden wäre – ein solcher nicht abtretbar wäre.
I.4 Das Berufungsgericht spricht dabei offenbar die Rechtsprechung an, nach der der durch die vertragswidrige Abbuchung vom Konto des Bankkunden bewirkte Nachteil mangels Behauptung weiterer Umstände durch den entgegengesetzten Buchungsvorgang restlos ausgeglichen wird, weshalb der Kunde bei fortbestehendem Girovertrag nicht den Ausgleich durch Barauszahlung der abgebuchten Beträge fordern kann, sondern lediglich einen Anspruch auf entsprechende Kontoberichtigung durch Rückgängigmachung der Falschbuchung hat (RIS-Justiz RS0045851). Anderes gilt nur dann, wenn sich der Kontoinhaber auf den Barauszahlungsanspruch aufgrund des Girovertrags beruft und beispielsweise einen Sachverhalt behauptet hätte, dass durch die unberechtigte Abbuchung ein Kontostand ohne jedes Guthaben (allenfalls ein Minusstand) entstanden sei und dass die Bank die verlangte Barauszahlung verweigert hätte.
I.5 Diese Rechtsprechung gründet sich ua darauf, dass der (unter Einschluss der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute (AGBKr) abgeschlossene Girovertrag ein Kontokorrentverhältnis begründet (4 Ob 36/06g) und nach der Kontokorrentabrede das Konto nur in bestimmten Zeitabständen abgeschlossen wird. Der Kontokorrentvertrag bewirkt, dass die kontokorrentgebundenen Ansprüche nicht mehr selbständig geltend gemacht werden können, insbesondere können sie nicht mit Leistungsklage eingeklagt werden (6 Ob 550/95 = SZ 68/59; Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertrags-recht II 2/18). Mit Zustimmung des Kontokorrentpartners kann aber auch ein an sich kontokorrentzugehöriger Anspruch abgetreten oder verpfändet werden. Der Anspruch wird damit einvernehmlich aus dem Kontokorrent herausgenommen und so wieder verselbständigt (Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II2 2/22).
I.6 Davon sind die Parteien im vorliegenden Fall übereinstimmend ausgegangen, indem sich die Klägerin die Forderung abtreten ließ und die beklagte Partei weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Berufungsbeantwortung den Einwand erhoben hat, dass es sich um eine kontokorrentgebundene und daher nicht selbständig abtretbare und einklagbare Forderung handelt. Die Parteien waren somit mit der Herausnahme der Forderung aus dem Kontokorrentverhältnis und deren „Verselbständigung“ einverstanden. In dieser Verfahrenssituation kommt eine amtswegige Schlüssigkeitsprüfung der Klage durch das Berufungsgericht mit dem Ergebnis, es hätte statt dem Erstattungsbegehren doch ein Klagebegehren auf Rückgängimachung der Belastungsbuchung erhoben werden müssen, nicht mehr in Betracht. Im übrigen handelt es sich bei einem (auf den Titel des Schadenersatzes gestützten) Anspruch auf Kontoberichtigung
um einen Anspruch auf Naturalrestitution in Form der Stornierung der Belastungsbuchung (9 Ob 55/06p = RIS-Justiz RS0045851 [T3]), somit um einen Leistungsanspruch und nicht um einen negativen Feststellungsanspruch (der als solcher nicht abtretbar wäre). Der Standpunkt des Berufungsgerichts, die Klage sei schon mangels Aktivlegitimation abzuweisen, wird vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt.
II. Dennoch ist die Revision im Ergebnis mangels fehlender Passivlegitimation nicht berechtigt:
II.1 Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 4a Verbraucherzahlungskontogesetz (VZKG), BGBl I 2016/35 idF BGBl I 2017/158, hat der Oberste Gerichtshof in seinen Entscheidungen 9 Ob 63/17f und 10 Ob 14/18h, die jeweils im Rahmen eines Verbandsverfahrens zur Inhalts- und Geltungskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergangen sind, folgende maßgebliche Aussagen getroffen:
II.2 Beim Kontovertrag (als Grundlage dafür, dass Kunden der Beklagten mit einer Bezugskarte Bargeld von ihrem Konto bei einem Geldausgabeautomaten beheben können) handelt es sich um einen Rahmenvertrag, auf den ua die Bestimmung des § 27 Abs 2 ZaDiG über die Verrechnung von Entgelten, jene des § 28 Abs 1 Z 3 lit a ZaDiG über die Informationspflichten des Zahlungsdienstleisters im Zusammenhang mit Entgelten und jene des § 28 Abs 1 Z 6 und des § 29 Abs 1 ZaDiG über die Anforderungen an die Änderungen des Rahmenvertrags mittels Erklärungsfiktion anzuwenden sind.
II.3 § 32 ZaDiG regelt hingegen Informationspflichten des Zahlungsdienstleisters für Einzelzahlungen außerhalb eines Rahmenvertrags. Darunter fallen auch Abhebungen von einem „unabhängigen“ Geldausgabeautomaten, also einem Geldausgabeautomaten, der von einem Zahlungsdienstleister betrieben wird, der mit dem Zahlungsdienstnutzer in keinem Vertragsverhältnis steht, oder Barüberweisungen.
II.4 Bei einer Bargeldbehebung mittels Geldausgabeautomat ist deshalb zwischen den einzelnen Leistungen des Zahlungsdienstleisters zu differenzieren. Die Leistung, die dem Bankkunden über die Bezugskarte den Zugriff auf sein Kontoguthaben und eine entsprechende Auszahlung unter Belastung seines Kontos ermöglicht, wird von der Beklagten im Rahmen ihrer Kontoverträge (Rahmenverträge) erbracht und nach den dazu vereinbarten Bedingungen abgerechnet. Davon gesondert ist die Dienstleistung der Aufstellung und des Betriebs eines Geldausgabeautomaten zu sehen.
II.5 Will ein Karteninhaber einen Geldausgabeautomaten nutzen, der nicht von seinem Rahmenvertragspartner oder einem diesem zurechenbaren Aufsteller betrieben wird, kommt jeweils ein entgeltlicher Einzelvertrag über die Bargeldbehebung als solche außerhalb eines Rahmenvertrags iSd § 32 Abs 1 ZaDiG zustande (RIS-Justiz RS0131876). Die Zahlung aus dem Einzelvertrag kann ua durch die Anweisung des Zahlungsdienstnutzers erfolgen, auf dem Zahlungskonto die Entgelte für die Barabhebungen an fremden Geldausgabeautomaten in Rechnung zu stellen oder abzubuchen. Die Verpflichtungen des kartenausgebenden Kreditinstituts gegenüber den Kunden beschränken sich hinsichtlich von anderen Kreditinstituten aufgestellten Geldausgabeautomaten nur darauf, dem Kunden den Zugang zu den Geldausgabeautomaten zu verschaffen. Da Pkt 1.9.1 der Kundenrichtlinie dem Kunden keinen weltweiten „Auszahlungsanspruch“, sondern bloß den Zugang zum Maestro-System einräumt und das die Kontokarte ausgebende Kreditinstitut auf die Bedingungen, unter denen der Kunde zu diesem Zugang Gebrauch machen kann, bei unabhängigen Geldautomatenbetreiber keinen Einfluss hat, ist der unabhängige Betreiber eines Geldausgabeautomaten nicht Erfüllungsgehilfe des kartenausgebenden Kreditinstituts.
III. Die Revisionswerberin macht zusammengefasst geltend, diesen – in einem abstrakten „Klauselprüfungsverfahren“ 9 Ob 63/17f getroffenen – Aussagen komme im vorliegenden Fall keine Relevanz zu, weil die Karteninhaberin davon ausgegangen sei, die Behebung erfolge kostenlos. Nach Erkennen des Hinweises auf die Entgeltpflicht habe sie die Transaktion nicht mehr rechtzeitig abbrechen können. Mangels eines entsprechenden Vertragswillens der Karteninhaberin sei kein gültiger Einzelvertrag mit der I***** GmbH über die Entgeltpflicht und keine wirksame Anweisung an die beklagte Partei zustandegekommen. Es sei kein Rechtsgrund für eine Belastung des Kontos gegeben.
Dazu ist auszuführen:
III.1 Die Eingabe des Karteninhabers im Rahmen des Behebungsvorgangs bei einem Geldausgabeautomaten ist als Willenserklärung, nämlich als Vertragsanbot über die Behebung zu verstehen, dem vom Geldausgabeautomaten-betreiber durch Auszahlung des Bargeldbetrags tatsächlich entsprochen wird.
III.2 Sowohl nach der österreichischen als auch der deutschen Rechtslage (§ 863 ABGB, § 133 BGB iVm § 157 dBGB) ist bei der Auslegung von Willenserklärungen nicht der subjektiv unerkennbare Parteiwille zu erforschen, sondern herauszufinden, wie der andere Teil die Erklärung verstehen musste. Dabei ist das gesamte Verhalten der Vertragsteile zu berücksichtigen, das sich aus Äußerungen in Wort und Schrift sowie aus sonstigem Tun oder Nichttun zusammensetzen kann. Für die Bedeutung einer Willenserklärung ist somit nicht der wirkliche Wille des Erklärers maßgeblich, sondern es kommt darauf an, was der Adressat als solchen Willen verstehen durfte („Empfängerhorizont“; Mansel in Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch17 § 133 BGB Rz 10; § 863 ABGB; Bollenberger in KBB5 Rz 3). Soweit das so Ermittelte vom wirklichen Willen des Erklärenden abweicht, kann der Erklärende mit Anfechtung wegen Inhaltsirrtums vorgehen (§ 119 I BGB; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB10, Rz 323 bzw § 871 ABGB; Bollenberger in KBB5 § 863 Rz 5).
III.3 Davon ausgehend ist im vorliegenden Fall am Zustandekommen eines Vertrags und einer rechtswirksamen Anweisung (einem rechtswirksamen Überweisungsauftrag) nicht zu zweifeln:
Nach dem Vorbringen der Klägerin hat die Karteninhaberin zwar bei Beginn des Behebungsvorgangs nicht damit gerechnet, einen Einzelvertrag mit dem Geldausgabeautomatenbetreiber zwecks Behebung schließen zu müssen, sondern ist davon ausgegangen, dass – wie bei Behebungen von „bankenabhängigen“ Geldausgabe-
automaten – lediglich eine Weisung an ihr kontoführendes Kreditinstitut nötig sein wird. Nach den Feststellungen hat die Karteninhaberin aber den Hinweis auf die Entgeltpflicht am Display „im Zuge der Bestätigung des gewählten Betrags“ wahrgenommen, sodass ihr die Notwendigkeit eines gesonderten Vertragsabschlusses mit dem Geldausgabeautomatenbetreiber ersichtlich geworden sein musste. Selbst wenn ihr Wille nicht darauf gerichtet gewesen sein sollte, ein zusätzliches Entgelt für die Bargeldabhebung zu vereinbaren bzw leisten („...sie konnte den Behebungsvorgang nicht mehr rechtzeitig abbrechen...“), blieb dieser innere Wille nach außen hin für Dritte nicht erkennbar, weil sie den Behebungsvorgang zu Ende geführt hat, indem sie auf das Tastfeld „Bestätigen“ gedrückt und anschließend den abgehobenen Bargeldbetrag in Empfang genommen hat. Die I***** GmbH als Empfängerin konnte objektiv gesehen die durch das Drücken der Taste „Bestätigen“ abgegebene Erklärung nur als Annahme des von ihr unterbreiteten Anbots (auch betreffend das Entgelt von 6,50 EUR) verstehen und durfte auf den Abschlusswillen der Karteninhaberin vertrauen (A. Kurz, Zulässigkeit von Bankomatentgelten, ÖJZ 2018, 629 [632]).
IV. Durch den Einzelvertrag erlangte der unabhängige Geldausgabeautomatenbetreiber einen Aufwandersatzanspruch, zu dessen Erfüllung die kontoführende Bank einbezogen wurde. Die Abwicklung erfolgte im Rahmen einer Anweisung, indem die Karteninhaberin den Geldausgabeautomatenbetreiber zur Einhebung des Aufwandersatzanspruchs für den zur Auszahlung gelangten Betrag samt Entgelt (somit insgesamt 56,50 EUR) bei der beklagten kontoführenden Bank anwies. Diese wurde als Angewiesene von der Karteninhaberin im Zuge des Behebungsvorgangs ermächtigt, an den Anweisungsempfänger (Geldausgabeautomatenbetreiber) zu leisten. Grundlage der Zahlung war der von der Karteninhaberin (als dazu Berechtigte) im Rahmen des bestehenden Girovertrags gültig erteilte Überweisungsauftrag (RIS-Justiz RS0032947; Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht III2 Rz 1/33 ff). Die Zahlung wurde dem Konto der Karteninhaberin in Form einer Negativbuchung angelastet (A. Kurz Zulässigkeit von Bankomatentgelten, ÖJZ 2018, 629 [632]; W. Faber, Bankomatgebühren, ÖBA 2018, 164 [169]).
Der Einwand, der Beklagten sei keine rechtswirksame Anweisung (Überweisungsauftrag) erteilt worden, ist somit nicht berechtigt.
V. Die Klägerin macht weiters geltend, es wäre ein Leichtes für den Aufsteller des Geldausgabeautomaten gewesen, den Hinweis auf die Entgeltlichkeit bereits auf dem Automaten selbst anzubringen, weswegen die am Display aufscheinende Entgeltklausel intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG sei. Auch der am Display des Geldausgabeautomaten aufscheinende Hinweis auf die Entgeltpflicht sei zufolge seiner Platzierung und Schriftgröße intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG.
Abgesehen davon, dass zum Fehlen eines Hinweises auf die Entgeltpflicht am Geldausgabeautomaten selbst lediglich eine „Negativfeststellung“ getroffen wurde („... es kann nicht festgestellt werden …“), wird dieses Vorbringen einem (allfälligen) Verfahren vorbehalten sein, das den Einzelvertrag (zwischen der Karteninhaberin und der I***** GmbH) zum Gegenstand hat. Für den Rahmenvertrag (zwischen der Karteninhaberin und der Beklagten) und die Ermächtigung bzw Verpflichtung der Beklagten, die Anweisung zur Überweisung von 56,50 EUR (bzw den im Rahmen des Girovertrags erteilten Überweisungsauftrag) durchzuführen, sind diese Ausführungen nicht maßgeblich.
VI. Das Berufungsgericht hat – ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht – die Beweisrüge unerledigt gelassen. Den in der Berufung der Klägerin begehrten Feststellungen kommt aber keine rechtliche Bedeutung zu:
VI.1 Es steht fest, dass die beklagte Partei keine unmittelbare vertragliche Vereinbarung mit der I***** GmbH eingegangen ist. Diese Feststellung ist dahin zu verstehen, dass zwischen der I***** GmbH (als „Dritter“) und dem beklagten Bankunternehmen kein Vertrag darüber abgeschlossen wurde, dass Bargeldabhebungen mit der Kontokarte ohne gesondertes Entgelt möglich sind (siehe Pkt 1.9.1. der Kundenrichtlinie, in dem von einem „diesbezüglichen Vertrag“ die Rede ist).
VI.2 In der Berufung wird nicht die gegenteilige Ersatzfeststellung begehrt, sondern die Feststellung, die beklagte Partei stehe „im Rahmen des Maestro-Systems der Firma Master-Card“ in einer vertraglichen Beziehung mit der I***** GmbH als Geldausgabeautomatenbetreiber, weiters werden allgemeine Feststellungen zum Wesen des Zahlungssystems (siehe § 3 Z 6 ZaDiG) als „Vier-Parteiensystem“ gewünscht, zum Vorgang der Autorisierung von Zahlungsvorgängen, zu von anderen Drittanbietern (First Data, Euronet) verlangten bzw nicht verlangten Entgelten etc. Der Ansicht der Revisionswerberin, aus diesen Feststellungen folge rechtlich, dass die I***** GmbH doch als „verlängerter Arm“ der beklagten Partei fungiere und dieser als Erfüllungsgehilfin zurechenbar sei, ist im Hinblick auf die dazu bereits in den Entscheidungen 9 Ob 63/17f und 10 Ob 14/18h getätigten gegenteiligen Aussagen, nicht zu folgen. Diese Aussagen treffen auch auf den vorliegenden Fall zu, weshalb die Karteninhaberin aus Pkt 1.9.1. der Kundenrichtlinie für sich keinen Anspruch ableiten kann, an allen – von wem immer betriebenen – mit dem Maestro-Symbol versehenen Geldausgabeautomaten im In- und Ausland Barabhebungen ohne Zusatzentgelte durchzuführen. Vielmehr erhielt sie nur einen Anspruch auf Zugang zu dem Maestro-System eingeräumt. Auf die (Entgelt-)Bedingungen, unter denen sie von diesem Zugangsrecht bei dem von der I***** GmbH aufgestellten Geldausgabeautomaten am 16. 2. 2016 Gebrauch gemacht hat, hatte die beklagte Partei keinen Einfluss, weshalb die I***** GmbH ihr nicht zurechenbar ist und nicht als deren Erfüllungsgehilfin anzusehen ist.
VII. Aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 9. 10. 2018, G 9/2018 ua, ergeben sich keine weiteren zu berücksichtigenden Aspekte.
VIII. Die Revision bleibt im Ergebnis somit erfolglos.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E123399European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00052.18X.1023.000Im RIS seit
07.12.2018Zuletzt aktualisiert am
20.05.2019