Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei G***** W*****, vertreten durch Dr. Manfred Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach Ing. H***** M*****, verst. *****, zuletzt *****, vertreten durch Rudeck-Schlager Rechtsanwalts KG in Wien, wegen 7.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 31. Oktober 2017, GZ 64 R 52/17w-75, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Hernals vom 22. März 2017, GZ 25 C 1286/14i-71, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird in „Verlassenschaft nach Ing. H***** M*****, verst. *****“ geändert.
II. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil zu lauten hat:
„Das Begehren der klagenden Partei, die beklagte Partei sei schuldig, ihr binnen 14 Tagen 7.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 2. 2012 zu zahlen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 5.744,19 EUR (darin 1.632,83 EUR Barauslagen, 688,97 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.456,41 EUR (darin 544 EUR Barauslagen, 152,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.341,52 EUR (darin 715 EUR Barauslagen, 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Aufgrund des Ablebens des ursprünglich Beklagten am ***** ist die Bezeichnung der beklagten Partei wie aus dem Spruch ersichtlich zu ändern (RIS-Justiz RS0035686). Nach dem bisherigen Verfahrensverlauf und zur besseren Verständlichkeit wird der Verstorbene idF weiter als Beklagter bezeichnet.
II. Im Jänner 2012 stürzte ein Baum vom Wald des Beklagten in ***** auf die benachbarte Liegenschaft des Klägers und beschädigte dort den Zaun sowie das Gartenhaus des Klägers (vor allem die Dachkonstruktion und Dachdeckung), sodass Sanierungsarbeiten erforderlich wurden.
Der Kläger begehrte mit seiner am 26. 11. 2014 eingebrachten Klage vom Beklagten 7.000 EUR, die er in seinem Schriftsatz vom 4. 3. 2015 (ON 8) auf „jeglichen Haftungstatbestand“, insbesondere Verschulden, Gefährdungshaftung, nachbarschaftliche Ansprüche (§§ 364 ff ABGB) sowie sonst jeden erdenklichen Haftungsgrund stützte. Im Wesentlichen brachte er dazu vor, der umgestürzte Baum wäre stark vermorscht und somit vor dem Umstürzen vom Beklagten zu fällen gewesen. Weder die Stürme, wie sie ein bis zwei Mal pro Jahr auftreten, noch der Umstand, dass die Bäume des Beklagten durch Beseitigung der dahinterliegenden Bäume gefährdet gewesen seien, führten höhere Gewalt herbei. Dem Beklagten als Fachmann hätte all dies erkennbar sein müssen.
Der Beklagte bestritt seine Haftung, beantragte Klagsabweisung und wandte – soweit im Revisionsverfahren über den Grund des Anspruchs relevant – ein, dass ihn als Waldbesitzer am Umstürzen des Baumes kein Verschulden treffe. Wenige Wochen zuvor sei dieser von der Landesforstinspektion ***** begutachtet worden, es seien hierbei keine Mängel erkennbar und daher auch keine baumpflegerischen Maßnahmen erforderlich gewesen. Das Umstürzen des Baumes sei damals nicht vorhersehbar gewesen. Gemäß § 176 Abs 2 Forstgesetz 1975 (ForstG) treffe ihn keine Pflicht zur Abwendung der Gefahr von Schäden, die abseits von öffentlichen Straßen und Wegen durch den Zustand des Waldes entstehen könnten; insbesondere sei er nicht verpflichtet, den Zustand des Waldbodens und dessen Bewuchses so zu ändern, dass dadurch solche Gefahren abgewendet oder vermindert würden. Allfällige nachbarschaftsrechtliche Ansprüche seien verjährt.
Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Dabei ging es von folgendem Sachverhalt aus:
„Auf der Liegenschaft des Beklagten befindet sich ein Wald im abschüssigen Gelände. Die Liegenschaft grenzt im unteren Bereich mit einem Zaun an die Liegenschaft des Klägers. Der Beklagte ist ehem. Förster.
Bereits 2008/2009 waren Bäume aus dem Wald des Beklagten auf die Liegenschaft des Klägers gestürzt, wodurch dem Kläger kein nennenswerter Schaden entstanden war.
Bereits vor dem 9. 12. 2011 hatte eine Begehung des Waldes mit dem Beklagten und einem Mitarbeiter des Bundesforschungszentrums für Wald stattgefunden. Der Beklagte war bestrebt, einen Bearbeitungsplan für die Waldfläche zu erarbeiten.
Am 9. 12. 2011 war eine Begehung des Waldes vom Beklagten und einem Mitarbeiter der Landesforstinspektion, Ing. *****, erfolgt. Die Begehung diente der Feststellung, ob der Wald als Schutzwald im Sinne des Forstgesetzes angesehen werden kann. Es ging weiters um die Frage, wieviele Bäume vom Beklagten ohne forstbehördliche Bewilligung gefällt werden dürfen, sodass die Qualifikation als Schutzwald aufrecht bleibt. Da der Beklagte vorhatte, Schlägerungen durchzuführen, ersuchte er die Landesforstinspektion um den Begehungstermin. Bei der Begehung nahmen Ing. ***** und der Beklagte nicht den gesamten Wald in Augenschein. Es kann nicht festgestellt werden, dass die beiden den gegenständlichen Baum in Augenschein genommen hätten. Ing. ***** und der Beklagte befanden sich nicht im unteren Bereich des Waldes, der an die Liegenschaft des Klägers grenzte.
In der Nacht vom 21. auf 22. 1. 2012 stürzte eine etwa 20 Meter hohe Traubeneiche aus dem unteren Bereich des Waldes des Beklagten auf das angrenzende Grundstück des Klägers und beschädigte hiebei den Zaun sowie das Gartenhaus – insbes. das Dach – auf der Liegenschaft des Klägers.
Der Wald des Beklagten übte eine Schutzfunktion aus und ist als Schutzwald qualifiziert, da er vor Bodenerosionen schützt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte die gegenständliche Traubeneiche in der Zeit vor dem Umstürzen in Augenschein genommen hätte. Der Wipfelbereich des Baumes war im Zeitpunkt des Umstürzens bereits seit längerem abgestorben und wies Totholz bis Starkaststärke auf. Das Zurücksterben steht in einem direkten kausalen Zusammenhang mit einer intensiven Wurzelfäule, die sich bereits in einer seit Jahren vor dem der Tag/Nachtzone des Stammes ausgehenden ausgeprägten, visuell erkennbaren Rindennekrose manifestierte. Die aufsteigende Wurzelfäule hatte zudem bereits auch im Bereich dieser abgestorbenen Rindenzone zu einem Holzabbau im Splintholzbereich geführt. Aufgrund des massiven Verlustes an primären Wurzeln durch die Wurzelfäule hatte der Baum zum Schadenszeitpunkt bereits – (richtig:) statisch jedoch nicht relevante – Adventivwurzeln ausgebildet und mit diesen versucht, seine Versorgung mit Wasser und Nährstoffen aufrecht zu erhalten.
Im Jänner 2012 war beim Baum zumindest hangseitig das primäre Wurzelsystem bzw. sämtliche für die Bodenverankerung wesentlichen Stark- und Grobwurzeln abgefault. Zudem war der Wipfelbereich des Baumes bis in Starkaststärke bereits seit längerem abgestorben und entsprechend vermorscht.
Der Grund für das Umstürzen des Baumes war in erster Linie eine intensive Wurzelfäule, durch welche die aufgrund seines erhöhten Schlankheitsgrades ohnedies vergleichsweise geringen Standsicherheitsreserven nahezu völlig abgebaut waren.
Laut der Stellungnahme der ZAMG waren im Zeitpunkt des Umstürzens des Baumes im Bereich Windspitzen zwischen 70 und 75 km/h messbar, was nach Beaufort einer Windstärke von 8–9 (stürmischer Wind bis Sturm) entspricht. Dennoch war auf Grund des Zustandes des Wurzelsystems ein Kippversagen (Umstürzen) bei dem Baum nur eine Frage der Zeit.
Vor dem Umstürzen des Baumes im Jänner 2012 waren oberhalb des betreffenden Waldstückes Baumschlägerungen durch die Bundesforste erfolgt, wobei dieser Verlust an 'Deckungsschutz' das Umstürzen des Baumes 'beschleunigt' haben dürfte.
Bei Durchführung einer fachgerechten Baumkontrolle entsprechend ÖNORM L1122 wäre die mangelnde Verkehrssicherheit des Baumes nicht nur anlässlich der Begehung am 30. 11. 2011, sondern auch in den letzten Jahren vor dem Umstürzen des Baumes erkennbar gewesen.
[...]“
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass aus § 364 ABGB nur ein Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung ableitbar sei. Ein allfälliger Schadenersatzanspruch richte sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechts. Dessen Voraussetzungen seien hier erfüllt. Dem Beklagten sei ein Verstoß gegen die einschlägigen ÖNORMEN hinsichtlich der Überprüfung des Baumes anzulasten. Da der Beklagte nicht alle erforderliche Sorgfalt angewendet habe und die mangelnde Verkehrssicherheit des Baumes schon Jahre vor dem Umstürzen erkennbar gewesen wäre, wäre ein Anspruch nach § 1319 ABGB analog grundsätzlich zu bejahen. Allerdings greife im Anwendungsbereich des ForstG die Haftungsbefreiung des § 176 Abs 2 leg cit hinsichtlich des allgemeinen Schadenersatzanspruchs wie auch des Anspruchs nach § 1319 ABGB. Aus den Entscheidungen 5 Ob 3/99y und 10 Ob 33/00a ergebe sich aber, dass auch den Waldeigentümer in seiner Eigenschaft als Nachbar Unterlassungspflichten träfen. Der Oberste Gerichtshof habe eine Haftung des Waldeigentümers analog § 364a ABGB bei grob körperlichen Einwirkungen, wie dem Abrutschen von Baumstämmen auf die Nachbarliegenschaft, angenommen und ausgesprochen, dass das Haftungsprivileg des Waldeigentümers gemäß § 176 Abs 3 ForstG der Annahme einer nachbarrechtlichen Gefährdungshaftung nicht entgegenstehe, da das Privileg Ersatzansprüche nach allgemeinem Schadenersatzrecht betreffe. Eine ähnliche Wertung sei auch auf diesen Fall anwendbar, da das Umstürzen des Baumes dem Abrutschen eines Baumstammes gleichwertig sei. Der Anspruch sei auch nicht verjährt.
Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung des Beklagten keine Folge. Zwar sei § 364a ABGB hier nicht analog anzuwenden. Anders als in den genannten Entscheidungen seien hier keine Arbeiten oder Baumschlägerungen, die eine besondere Gefahrensituation (nicht untypisches Abrutschen von Baumstämmen) geschaffen hätten, durch den Beklagten oder über seinen Auftrag vorgenommen worden. Auch sei § 1319 ABGB aufgrund des § 176 Abs 2 ForstG nicht anwendbar. Jedoch sei das Immissionsverbot des § 364 ABGB als besonderer Rechtsgrund iSd § 176 Abs 2 ForstG anzusehen, der die Verhinderung der Zuleitung vorhersehbarer und verhinderbarer „direkter Zuleitungen“ (zB das Umstürzen eines erkennbar morschen Baumes in das Nachbargrundstück) gebiete. Nicht jeder natürliche Vorgang führe unabhängig von sonstigen Umständen zu einer Verneinung der Haftung. Ob das Umstürzen eines morschen Baumes in das Nachbargrundstück zu den Auswirkungen des natürlichen Pflanzenwachstums gehöre oder als direkte Zuleitung (Immission) zu verhindern sei und demnach Bäume auf erkennbare Gefährlichkeit zu kontrollieren seien, hänge davon ab, ob ein Zustand der Gefährdung von Personen und Sachen bestehe (4 Ob 43/11v). Der Umstand, dass bereits 2008/2009 Bäume aus dem Wald des Beklagten auf die Liegenschaft des Klägers gestürzt seien und Baumschlägerungen durch die Bundesforste zu einem Verlust an „Deckungsschutz“ gegen Wind geführt hätten, habe eine Gefährdung für Personen und Sachen und eine Verpflichtung des Beklagten zur Kontrolle der Bäume begründet. Kontrollen habe er nicht vorgenommen. Es liege eine Erkennbarkeit und ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Beklagten vor, das einen Schadenersatzanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB begründe. Die Revision sei zur Frage zulässig, ob trotz der Haftungsbeschränkung des § 176 Abs 2 ForstG ein Schadenersatzanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB und/oder nach § 364a ABGB bestehe.
In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Beklagte, das Berufungsurteil im Sinn einer Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt erkennbar, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.
1. Soweit sich der Beklagte auf die Verjährung einer Haftung nach den §§ 364 ff ABGB beruft, weil sich der Kläger erstmals in seinem Schriftsatz vom 3. 3. 2015 auf diese Haftungsbestimmung gestützt habe, ist auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Hervorzuheben ist daraus, dass zur Unterbrechung der Verjährung ein ergänzungsbedürftiges Vorbringen ausreicht, wenn die Unvollständigkeit des Vorbringens – hier zum näheren Zustand des Baumes und seiner Erkennbarkeit für den Beklagten – in der Folge behoben wird (RIS-Justiz RS0034836 [T7–T9]).
2. Der Beklagte richtet sich im Wesentlichen dagegen, dass § 364 Abs 2 und § 364a ABGB taugliche Haftungsgrundlagen für die vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzansprüche seien und beruft sich für das Fehlen seiner Haftpflicht auf § 176 Abs 2 ForstG. Waldeigentümer seien gerade nicht verpflichtet, Kontrollen des Baumbestands abseits von Wegen durchzuführen.
Das wirft zunächst die Frage auf, ob sich § 176 Abs 2 ForstG auch auf Schäden bezieht, die außerhalb des Waldes entstehen. Ist dies nicht der Fall, unterliegen sie allgemeinen Deliktsrecht (§§ 1295 ff ABGB).
2.1. § 176 ForstG lautet:
Allgemeine Haftungsbestimmungen
§ 176. (1) Wer sich im Wald abseits von öffentlichen Straßen und Wegen aufhält, hat selbst auf alle ihm durch den Wald, im besonderen auch durch die Waldbewirtschaftung drohenden Gefahren zu achten.
(2) Den Waldeigentümer und dessen Leute sowie sonstige an der Waldbewirtschaftung mitwirkende Personen (wie Nutznießer, Einforstungs- oder Bringungsberechtigte, Schlägerungs- oder Bringungsunternehmer) und deren Leute trifft, vorbehaltlich des Abs 4 oder des Bestehens eines besonderen Rechtsgrundes, keine Pflicht zur Abwendung der Gefahr von Schäden, die abseits von öffentlichen Straßen und Wegen durch den Zustand des Waldes entstehen könnten; sie sind insbesondere nicht verpflichtet, den Zustand des Waldbodens und dessen Bewuchses so zu ändern, daß dadurch solche Gefahren abgewendet oder vermindert werden.
(3) Wird im Zusammenhang mit Arbeiten im Zuge der Waldbewirtschaftung ein an diesen nicht beteiligter Mensch getötet, an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt oder eine ihm gehörige Sache beschädigt, so haftet der Waldeigentümer oder eine sonstige, an der Waldbewirtschaftung mitwirkende Person für den Ersatz des Schadens, sofern sie oder einer ihrer Leute den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet haben. Ist der Schaden durch Leute des Haftpflichtigen verschuldet worden, so haften auch sie nur bei Vorsatz oder bei grober Fahrlässigkeit. Entsteht der Schaden in einer gesperrten Fläche, so wird nur für Vorsatz gehaftet. Das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, BGBl Nr 48/1959, bleibt unberührt.
(4) Für die Haftung für den Zustand einer Forststraße oder eines sonstigen Weges im Wald gilt § 1319a ABGB; zu der dort vorgeschriebenen Vermeidung von Gefahren durch den mangelhaften Zustand eines Weges sind der Waldeigentümer und sonstige an der Waldbewirtschaftung mitwirkende Personen jedoch nur bei Forststraßen verpflichtet sowie bei jenen sonstigen Wegen, die der Waldeigentümer durch eine entsprechende Kennzeichnung der Benützung durch die Allgemeinheit ausdrücklich gewidmet hat. Wird ein Schaden auf Wegen durch den Zustand des danebenliegenden Waldes verursacht, so haften der Waldeigentümer, sonstige an der Waldbewirtschaftung mitwirkende Personen und deren Leute keinesfalls strenger als der Wegehalter.
2.2. Nach dem Wortlaut des § 176 Abs 2 S 2 ForstG trifft den Waldeigentümer und dessen Leute nur vorbehaltlich des Abs 4 oder des Bestehens eines besonderen Rechtsgrundes, sonst jedoch uneingeschränkt keine Pflicht zur Abwehr der Gefahr von Schäden, die abseits von öffentlichen Straßen und Wegen durch den Zustand des Waldes entstehen könnten.
2.3. In systematischer Hinsicht läge es zunächst nahe, die Bestimmung als Folge des Abs 1 leg cit zu sehen, wonach derjenige, der sich im Wald abseits von öffentlichen Straßen und Wegen aufhält, selbst auf alle ihm durch den Wald, im Besonderen auch durch die Waldbewirtschaftung drohenden Gefahren zu achten hat. Dass Abs 1 den Anwendungsbereich des § 176 ForstG nicht abschließend festlegt, zeigt aber Abs 3, der nach der Rechtsprechung auch auf außerhalb des Waldes eintretende Schäden aus Waldarbeiten anzuwenden ist (RIS-Justiz RS0058865; s auch Brawenz/Kind/Wieser, ForstG [2015] § 176 S 740), und der Wortlaut des Abs 4, der ua die Haftung für Schäden auf außerhalb des Waldes gelegenen Wegen („daneben liegender Wald“) regelt.
2.4. Entstehungsgeschichtlich wurde das Haftungsprivileg bei Schaffung des ForstG 1975 als „untrennbarer Bestandteil der Regelung über die Waldöffnung“ gesehen. In der Regierungsvorlage zum ForstG, 1266 BlgNR XIII. GP, 67 f, wurde neben der Nutzwirkung die Dienstleistungsfunktion des Waldes im Sinn einer Schutz- und Wohlfahrtswirkung als forstrechtlich relevantes neues Ziel hervorgehoben. Letztere sollte durch eine generelle Öffnung des Waldes für Erholungszwecke der Allgemeinheit ermöglicht werden. Zugleich sollte die aus dieser Beschränkung des Waldeigentums resultierende Belastung des Waldeigentümers durch eine Haftungseinschränkung „wenigstens zum Teil beseitigt bzw gemildert werden“ (RV S 95). In der Regierungsvorlage war die Waldöffnung (§ 35 Abs 1 ForstG idF RV) auch gemeinsam mit der Haftungsbeschränkung (§ 39 ForstG idF RV) in einem eigenen Unterabschnitt III C („Benützung des Waldes zu Erholungszwecken“) enthalten. Die Haftungsbestimmung lautete dabei in jener Fassung, dass Waldeigentümer, deren Leute ua keine Pflicht zur Abwendung von Gefahren trifft, „die einem Waldbenützer abseits von öffentlichen Straßen und Wegen und Forststraßen oder auf gesperrten Wegen durch den Zustand des Waldes entstehen könnten; sie sind insbesondere nicht verpflichtet, den Zustand des Waldbodens und dessen Bewuchses so zu ändern, dass dadurch die Gefahren für den Waldbenützer angewendet oder vermindert werden“.
In der vom Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft vorgeschlagenen Fassung wurde dieser Konnex aufgehoben und die Haftungsregel systematisch in den allgemeinen Abschnitt XII. („Allgemeine, Straf-, Aufhebungs-, Übergangs- und Schlussbestimmungen“) als neuer § 176 ForstG aufgenommen. Zugleich wurde in Abs 2 S 2 dieser Bestimmung jeweils die Wortfolge für den Waldbenützer beseitigt, wodurch nach dem Wortlaut eine Beschränkung des Haftungsprivilegs auf den Personenkreis der Waldbenützer entfiel. Wenngleich der Ausschussbericht nur auf Beratungen des Unterausschusses verweist und sonst keine näheren Erläuterungen zu diesen Änderungen enthält (AB 1677 BlgNR XIII. GP), geht daraus ein Wille des Gesetzgebers dahin hervor, dass die Beschränkung des Haftungsprivilegs gegenüber dem Personenkreis der Waldbenützer aufgegeben und im Gegenzug für die gesetzlich angeordnete Waldöffnung für den Waldeigentümer, vorbehaltlich des Abs 4 oder eines besonderen Haftungsgrundes, eine allgemeine, nicht auf die Waldbenützung beschränkte Freiheit von Gefahrenabwehrpflichten zum Zustand des Waldes normiert werden sollte. Ähnlich wird in der Literatur angenommen, dass die Einschränkung der Haftung ausschließlich erholungssuchenden Waldbesuchern gegenüber „unzweckmäßig“ erschien (Brawenz/Kind/Wieser, aaO § 176 S 731, die auch explizit davon ausgehen, dass § 176 Abs 2 die Nachbargrenze nicht in die Pflicht zur Gefahrenabwehr miteinbezieht [736]).
2.5. Objektiv-teleologisch wird damit auch dem Umstand Rechnung getragen, dass die Einhaltung solcher Gefahrenabwehrpflichten angesichts des österreichweiten Waldbestandes von rund 4 Mio ha an die Grenzen des forstwirtschaftlich Möglichen und Zumutbaren stieße.
2.6. Nach dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck des § 176 Abs 2 ForstG ist daher davon auszugehen, dass der Waldeigentümer, vorbehaltlich des Abs 4 oder des Bestehens eines besonderen Rechtsgrundes, nicht nur von der Pflicht zur Abwehr solcher Schäden abseits von öffentlichen Straßen und Wegen befreit ist, die sich im Wald ereignen, sondern allgemein solcher Schäden, die durch den Zustand des Waldes entstehen könnten. In diesem Ausmaß verdrängt die Sonderregel des § 176 Abs 2 ForstG die allgemeine Deliktshaftung nach den §§ 1295 ff ABGB.
2.7. Als Haftungsgrundlage kommt daher auch § 1319 ABGB, auf den der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung hinweist, nicht in Betracht: § 1319 ABGB normiert die Haftung für den Einsturz oder die Ablösung von Teilen eines Gebäudes, wodurch jemand verletzt wird oder sonst einen Schaden erleidet. Nach der Rechtsprechung ist diese Haftung analog auf Schäden durch Ablösung von Bäumen anzuwenden (RIS-Justiz RS0026229; zuletzt 1 Ob 84/16h; Danzl in KBB ABGB5 § 1319 Rz 2 mwN). Aus dieser Rechtslage ergibt sich eine Obsorgepflicht des Grundstückseigentümers und seines Nutzungsberechtigten für die Schäden, die durch einen umstürzenden Baum verursacht werden, ohne dass das Tatbestandsmerkmal eines Waldes vorliegen müsste (6 Ob 21/01h). Im Anwendungsbereich des ForstG geht die Haftungsbeschränkung nach § 176 der Anwendung des § 1319 ABGB jedoch vor und entlastet den Halter von Bäumen in einem Wald iSd § 1a ForstG (Weixelbraun-Mohr in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1319 Rz 30; Kathrein, Haftung für Wege und Bäume im Nationalpark, ZVR 2012, 353, 355; Fischer-Czermak/Schürz, Haftung für Schäden durch Bäume, RFG 2009, 198, 203). Andernfalls bliebe der Haftungsbeschränkung des § 176 Abs 2 ForstG auch kaum ein nennenswerter Anwendungsbereich.
2.8. Eine Haftung nach § 176 Abs 4 ForstG besteht nicht, weil sich der vorliegende Schaden auf keinem Weg ereignet hat.
Hervorzuheben ist dabei die Wertung des § 176 Abs 4 S 2 ForstG, wonach dann, wenn ein Schaden auf Wegen durch den Zustand des danebenliegenden Waldes verursacht wird, der Waldeigentümer und seine Leute keinesfalls strenger als der Wegehalter haften. Diese Bestimmung gilt auch, wenn der Waldeigentümer nicht Halter jenes Weges ist, auf dem sich durch den Zustand des Waldes ein Schaden ereignet (s 6 Ob 21/01h [auf Bundesstraße stürzender morscher Baum]; enger Jäger, Forstrecht [2003], § 176 S 460). § 176 Abs 4 S 2 ForstG erlegt damit dem benachbarten Waldeigentümer alleine aufgrund der Nachbarschaft zum Weg Sorgfaltspflichten zu Gunsten der Wegbenützer auf. Diese Haftung ist keine Wegehalterhaftung, sondern eine zu dieser hinzutretende, nicht nur im Forstrecht, sondern schon im allgemeinen Ingerenzprinzip begründete Haftung (s RIS-Justiz RS0115174; Brawenz/Kind/Wieser, aaO E 4 a), S 764), die vom Gesetzgeber aber nach Maßgabe der Wegehalterhaftung des § 1319a ABGB (vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden) für Schäden auf Wegen beschränkt wurde. Andere angrenzende Fremdgrundstücke, etwa mit Kulturgattungswechsel wie Wiese, Bauland etc, sind davon nicht erfasst.
Jandl/Wagner, Umweltrelevante Haftungsfragen, 76 ff, erörtern deshalb die Möglichkeit einer analogen Anwendung des Abs 4 leg cit für neben dem Wald liegende Flächen, die der Benützung durch Dritte ausdrücklich gewidmet (Badewiesen oä) oder sonst verkehrsfrequentiert sind. Ein wertungsgleicher Sachverhalt ist hier aber nicht gegeben: Die Entscheidung des benachbarten Grundeigentümers, ein Gartenhaus in Waldrandnähe zu errichten, ist zwar Ausdruck seines Eigentumsrechts, beruht aber auf keiner solchen ausdrücklichen Widmung der Fläche und lässt auch keine allgemeine Verkehrsfrequenz wie bei einem Weg erwarten. Eine Haftung des Beklagten nach Maßgabe des § 176 Abs 4 ForstG analog lässt sich für den vorliegenden Fall daraus nicht gewinnen. Die von den Autorinnen in diesem Zusammenhang diskutierte Geltung der allgemeinen Regeln (§§ 1295 ff, 1319 ABGB analog) wird von ihnen zu Recht abgelehnt. Sie stünde im Wertungswiderspruch dazu, dass selbst bei den tendenziell frequentierteren Wegflächen eine Haftung nur für Fälle grober Fahrlässigkeit (§ 176 Abs 4 S 2 ForstG) vorgesehen ist.
2.9. Die ÖNORM L1122 (Baumkontrolle und Baumpflege) ist im vorliegenden Fall unstrittig nicht einschlägig, sie ist ausdrücklich nicht auf Waldbestände im Sinn des ForstG anwendbar (Brawenz/Kind/Wieser, aaO S 765).
3. § 176 Abs 2 ForstG schließt eine Haftung bei „Bestehen eines besonderen Rechtsgrundes“ nicht aus.
3.1. Als ein solcher wird auch das Immissionsverbot des § 364 Abs 2 ABGB gegenüber Fremdgrundstücken gesehen (4 Ob 43/11v mwN; Brawenz/Kind/Wieser, aaO 735; Jandl/Wagner, aaO 100 f). Nach dieser Bestimmung kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.
Unstrittig umfasst das Immissionsverbot des § 364 ABGB auch grobkörperliche Immissionen (Eccher/Riss in KBB5 § 364 Rz 4 mwN; Oberhammer in Schwimann/Kodek ABGB3 § 364 Rz 4 mwN). Direkte Zuleitungen sind nicht nach Maßgabe des § 364 Abs 2 ABGB zu dulden. Nach der Rechtsprechung (s etwa 8 Ob 79/13w mit zahlreichen Nw) sind unmittelbare Zuleitungen zielgesteuerte Tätigkeiten, die unmittelbar auf die Einwirkung gerichtet sind oder (auch frühere) Maßnahmen, die den Eintritt einer unmittelbaren Einwirkung auf das Nachbargrundstück bloß ermöglichen. Diesen direkten Immissionen ist das Eindringen grob körperlicher Stoffe, wie zum Beispiel Steine oder Erdmassen, rechtlich gleichgestellt. Auch in dieser Hinsicht ist menschliches Handeln erforderlich. So ist auch im Zusammenhang mit unmittelbaren Einwirkungen in der Rechtsprechung anerkannt, dass Auswirkungen der natürlichen Beschaffenheit des Nachbargrundstücks vom beeinträchtigten Grundnachbarn hinzunehmen sind. Mit Eigentumsfreiheitsklage nicht abwehrbar sind daher natürliche Einwirkungen, also solche, die nicht auf menschliches Handeln, sondern allein auf Naturvorgänge zurückzuführen sind. Nachbarrechtliche Ansprüche sind somit ausgeschlossen, wenn es sich um Naturereignisse handelt, die ohne (begünstigendes) menschliches Zutun eintreten (8 Ob 79/13w mwN; Eccher/Riss in KBB5 § 364 Rz 8; Kerschner/Wagner in Klang3 § 364 Rz 336; Oberhammer in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 364 Rz 5; Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 364 Rz 26, je mwN). Wird aber eine im Hinblick auf das Naturwirken besonders gefährliche Nutzungsart gewählt, kann eine nachbarrechtliche Verantwortlichkeit bestehen (RIS-Justiz RS0107625; daher verneint bei von Felswand herabstürzenden Gesteinsbrocken [8 Ob 79/13w], bejaht bei Steinschlag infolge Kahlschlag [2 Ob 13/97v] oder Beseitigung des Deckungsschutzes durch Rodung [RIS-Justiz RS0010616]). Die Entscheidung 4 Ob 43/11v (Astbruch) steht damit nicht im Widerspruch: Die Aussage, dass aus einem bloßen Naturwirken durch (bewusstes) Aufrechterhalten dieses Zustands eine unmittelbare Zuleitung werden kann, war auf eine Situation bezogen, in der das Nachbargrundstück von der „Zuleitung“ (gefährlicher Überhang) konkret betroffen war und der Beklagte in Kenntnis dessen deren Beseitigung verweigert hatte (s auch 4 Ob 196/07p und 7 Ob 613/91 [Wachsenlassen einer Kletterpflanze auf Nachbarmauer]).
3.2. § 364 Abs 2 ABGB dient als Sonderform des negatorischen Eigentumsschutzes bei Immissionen jedoch nur der Störungsabwehr und gewährt einen Anspruch auf Unterlassung und nach hL und ständiger Rechtsprechung auf Beseitigung der Immission (ausführlich 4 Ob 43/11v; Kerschner/Wagner in Klang3 § 364 Rz 64 ff), womit zwar die Ausschaltung der Störung, nicht aber die vollständige Wiederherstellung des vorigen Zustands bzw ein Ausgleich in Geld verlangt werden kann (s nur Eccher/Riss in KBB5 § 364 Rz 14; Karner, Schutz vor Naturgefahren und Haftung, ZVR 2011, 112). Eine eigenständige schadenersatzrechtliche Anspruchsgrundlage enthält § 364 Abs 2 ABGB daher nicht. Soweit darauf hingewiesen wird, dass im Gegensatz zum verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch „der Schadenersatzanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB“ Verschulden voraussetzt, wird damit auf die allgemeine Haftung nach den §§ 1293 ff ABGB verwiesen (6 Ob 180/05x [Sendemast]; s auch Kerschner/Wagner in Klang3 § 364 Rz 82). Dementsprechend wurde auch in der Entscheidung 10 Ob 47/13d (wurzelbedingte Schäden am Nachbargrundstück) ausgesprochen, dass es der allgemeine deliktische Güterschutz gebiete, dass bei erkennbarer Schädigung von Objekten oder aufgrund unmittelbarer Zuleitung eine Rechtswidrigkeit seitens des Pflanzeneigentümers zu bejahen ist, die zu Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen bezüglich des geschädigten Objekts führt; (dazu E. Wagner, Unterlassungsanspruch bei gefährdenden Bäumen, RdU 2014, 1227, 129 f). Eine allgemeine Deliktshaftung ist hier aufgrund des Haftungsprivilegs des § 176 Abs 2 ForstG ausgeschlossen. Der Kläger behauptet auch nicht, dass der Beklagte rechtswidrig und schuldhaft vom Kläger geltend gemachten Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüchen nicht nachgekommen wäre. Zu Recht weist die Revision daher darauf hin, dass § 364 Abs 2 ABGB keine Anspruchsgrundlage für das Schadenersatzbegehren des Klägers ist.
3.3. Einen nachbarrechtlichen verschuldens-unabhängigen Ausgleichsanspruch enthält § 364a ABGB, wonach der Grundbesitzer dann, wenn die Beeinträchtigung durch eine Bergwerksanlage oder eine behördlich genehmigte Anlage auf dem nachbarlichen Grund in einer dieses Maß überschreitenden Weise verursacht, den Ersatz des zugefügten Schadens gerichtlich verlangen kann (Eingriffshaftung). Dass der Bestand des (Schutz-)Waldes als solcher eine behördlich genehmigte Anlage wäre, wurde nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.
3.4. Die Rechtsprechung bejaht in Fällen des § 364 Abs 2 ABGB einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 364a ABGB aber auch dann, wenn sich aus der Interessenlage ausreichende Anhaltspunkte für eine Analogie zu dieser Bestimmung ergeben (nachbarrechtliche Gefährdungshaftung; s nur RIS-Justiz RS0010449 [T18]). Dies wurde in Fällen angenommen, in denen infolge des mit einer behördlichen Genehmigung zunächst verbundenen Anscheins der Gesetzmäßigkeit und Gefahrlosigkeit der bewilligten Maßnahmen die Abwehr praktisch erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird (RIS-Justiz RS0010668 [zu Baubewilligungen]). Aber auch bei ohne behördliche Genehmigung durchgeführten Arbeiten wurde in analoger Anwendung des § 364a ABGB ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch des Geschädigten bejaht, wenn der Schaden bereits eingetreten gewesen ist, ehe der von dieser Einwirkung Betroffene die Möglichkeit zur Ausübung des Untersagungsrechts faktisch nützen konnte, sodass er sich in einer Situation wie derjenige befunden hat, dem aus anderen Gründen die Unterlassungsklage verwehrt gewesen ist (RIS-Justiz RS0010668 [T7] = 1 Ob 620/94 [Baggerarbeiten]; 5 Ob 444/97y [Abwasserinstallation]). Darüber hinaus wurde eine Haftung nach § 364a ABGB auch dann angenommen, wenn eine Anlage eine besondere Gefahrensituation schafft und allfällige Schadensfolgen für den Betreiber objektiv kalkulierbar sind (zB 1 Ob 39/90 [Deponie]) bzw wenn ein Immissionsschaden auftritt und einerseits der geschädigte Nachbar der Schadensgefahr ausgeliefert war und andererseits für den Haftpflichtigen der Eintritt des Schadens ein kalkuliertes Risiko darstellt, das er zu seinem Nutzen eingegangen ist (RIS-Justiz RS0111420; s auch die Nw der Rspr bei Winner in Rummel/Lukas ABGB4 § 364a Rz 23 ff). Dennoch wurde in einer früheren Entscheidung (6 Ob 689/85) bei Übergreifen eines zur Unkrautvernichtung im Zuge der Waldbewirtschaftung angelegten Feuers eine analoge Anwendung des § 364a ABGB abgelehnt.
3.5. Das Erstgericht erachtete den vorliegenden Fall am ehesten mit jenen Fällen der Entscheidungen 5 Ob 3/99y und 10 Ob 33/00a vergleichbar, in denen für Waldarbeiten eine verschuldensunabhängige Haftung nach § 364a ABGB bejaht wurde. In der Entscheidung 5 Ob 3/99y (angemeldete Schlägerungsarbeiten) wurde eine Haftung für einen im Zuge der Schlägerungsarbeiten herabrutschenden Baumstamm unter Hinweis auf die Rechtsprechung zur analogen Anwendbarkeit des § 364a ABGB in den Fällen fehlender behördlicher Genehmigung bejaht und die Haftung konkret befürwortet, weil mit dem vom (dort: Zweit-)Beklagten zu seinem Nutzen in Auftrag gegebenen winterlichen Schlägerungsarbeiten auf einem Hanggrundstück eine besondere Gefahrensituation geschaffen wurde und die Schäden infolge des nicht untypischen Abrutschens von Baumstämmen für ihn ein objektiv kalkulierbares Risiko darstellten. Diese Beurteilung wurde in der Entscheidung 10 Ob 33/00a (Schlägerungsarbeiten bei Annahme des Fehlens einer behördlichen Fällungsbewilligung) geteilt und fallbezogen ausgeführt, selbst wenn die beabsichtigten Schlägerungsarbeiten nicht mittels förmlicher Fällungsbewilligung, sondern durch Kenntnisnahme der entsprechenden Anzeige gestattet wurden, ändert sich nichts daran, dass dadurch der Anschein der Gefahrlosigkeit der beabsichtigten Maßnahmen hervorgerufen wurde. Weiters wurde das besonders stark hervortretende Element einer besonderen Gefahrensituation hervorgehoben.
3.6. Der vorliegende Fall ist mit diesen Fällen nicht vergleichbar, geht es doch nicht um den Fall einer Schädigung anthropogenen Ursprungs wie um eine vom Haftpflichtigen geschaffene besondere Gefahrensituation oder das Hervorrufen des Anscheins der Gefahrlosigkeit einer beabsichtigten Maßnahme. Vom Beklagten wurden insbesondere keine Baumschlägerungen oder sonstige Waldarbeiten vorgenommen oder veranlasst, die zum Umstürzen des Baumes geführt oder es begünstigt hätten. Der Baum stürzte vielmehr aufgrund eines ohne menschliches Handeln eingetretenen Naturvorgangs (Wurzelfäule; stürmischer Wind) um. An dieser Naturgegebenheit ändert hier auch die Annahme nichts, dass – bedingt durch Baumschlägerungen der Bundesforste oberhalb des Waldes des Beklagten – ein Verlust an Deckungsschutz das Umstürzen des Baumes „beschleunigt haben dürfte“. Auch wurde nicht behauptet, dass dem Kläger, der bereits davor mit umstürzenden Bäumen konfrontiert war, eine Unterlassungsklage oder andere Maßnahmen zur Gefahrenabwehr (s Eccher/Riss, KBB5 § 364 Rz 14; zu öffentlich-rechtlichen Maßnahmen Brawenz/Kind/Wieser, aaO § 176 S 736) nicht zur Verfügung gestanden wären. Es bleibt allein, dass der Beklagte einen mit einer Gefahr für den Kläger verbundenen Naturzustand nicht beseitigt hat. Dessen konkrete Kenntnis hätte ihm aber Kontrollpflichten auferlegt, die vom Forstgesetz verneint und von der ÖNORM L2011 nicht erfasst werden. Diese Situation ist den entschiedenen Fällen zur besonderen Gefahrensituation durch Waldarbeiten wertungsmäßig danach nicht vergleichbar und ohne Hinzutreten anderer Kriterien nicht geeignet, neben den Immissionsabwehransprüchen des § 364 Abs 2 ABGB und den aus dem allgemeinen Deliktsrecht resultierenden Ansprüchen einen Anspruch auf Schadenersatz nach § 364a ABGB zu begründen. Das Umfallen morscher Bäume aus einem Wald als solches begründet danach keine im Nachbarrecht verankerte verschuldensunabhängige Haftung nach § 364a ABGB.
3.7. Auch aus der nachbarrechtlichen Sonderbestimmung des § 14 ForstG („Waldbehandlung entlang der Eigentumsgrenzen“) ist hier nichts zu gewinnen. Der in Abs 1 dieser Bestimmung normierte Entschädigungsanspruch dient als Ausgleich für die Duldungspflicht des Grundeigentümers, wenn die Beseitigung des Überhangs oder von Wurzeln in sein Grundstück eine offenbare Gefährdung des nachbarlichen Waldes zur Folge hätte (s RV 1266 BlgNR XIII. GP 94; Brawenz/Kind/Wieser aaO § 14 117 ff). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wurde hier – ungeachtet der Frage der Behördenzuständigkeit – nicht behauptet. § 14 ForstG wird auch nicht als einschlägig für das Belassen erkennbar gefährlicher Umstände wie zB morscher Äste angesehen (Brawenz/Kind/Wieser aaO § 176 S 738). Es hatte daher bei der Prüfung der Ansprüche nach den §§ 364, 364a ABGB zu bleiben.
4. Die Rechtsprechung sieht auch die Haftung nach dem Ingerenzprinzip als besonderen Rechtsgrund iSd § 176 Abs 2 ForstG an (RIS-Justiz RS0127655 = 7 Ob 171/11i [überwachsener Stacheldraht im Wald]; zu Abs 4 leg cit: 6 Ob 21/01h [Steinschlag auf Bundesstraße wg morschem Baum]; 8 Ob 79/13w [von Felswand herabstürzende Gesteinsbrocken]).
Allgemein hat nach diesem Prinzip jeder, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen Vorkehrungen zur Abwendung daraus drohender Gefahren zu treffen. Die Verpflichtung zur Beseitigung der Gefahrenquelle und damit die Verpflichtung zum positiven Tun folgt aus der vorhergehenden Verursachung der Gefahrensituation. Eine gleiche Verpflichtung trifft auch denjenigen, in dessen Sphäre gefährliche Zustände bestehen. Hier folgt die Verpflichtung zur Beseitigung aus der Zusammengehörigkeit von Verantwortung und Bestimmungsgewalt. Die Verkehrssicherungspflicht trifft denjenigen, der die Gefahr erkennen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen kann. Wer demnach eine Gefahrenquelle schafft oder bestehen lässt, muss die notwendigen und ihm zumutbaren Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung anderer nach Tunlichkeit abzuwenden. Für die Sicherung von Gefahrenquellen ist in umso höherem Maß zu sorgen, je weniger angenommen werden kann, dass die von der Gefahr betroffenen Personen sich ihrerseits vor Schädigungen vorzusehen und zu sichern wissen (7 Ob 171/11i mwN).
Wie dargelegt, ist das bloße Bestehenlassen einer Gefahr im Hinblick auf § 176 ForstG aber nur dann haftungsbegründend, wenn die Gefahr nicht zu den natürlichen Gefahren des Waldes zählt. Eine Haftung wurde danach nur bei Schaffung einer Gefahrenquelle, die nicht im Zusammenhang mit dem Wald und seiner Bewirtschaftung steht (7 Ob 171/11i; dazu Neumayer, Zur Haftung des Waldbewirtschafters, Zak 2012, 128), oder bei relevanter Gefahrenerhöhung durch eine gefährliche Nutzungsart für das dadurch begünstigte Naturwirken (8 Ob 79/13w) bejaht, während der Waldeigentümer vorbehaltlich Abs 4 leg cit sonst gerade keine Verpflichtung zur Gefahrenabwehr hat.
Nicht zu verkennen ist, dass die gänzliche Verneinung von Verkehrssicherungspflichten in bestimmten Fallkonstellationen zu einem unsachlichen Ergebnis führen kann. Jandl/Wagner, aaO 78, erwägen deshalb als Alternative zur Anwendung des Haftungsprivilegs des § 176 Abs 2 ForstG eine nach dem Grad der Frequentierung abgestufte Verkehrssicherungspflicht des Waldeigentümers gegenüber benachbarten Fremdgrundstücken. Den Vorzügen dieser Ansicht muss für den vorliegenden Fall jedoch nicht weiter nachgegangen werden, weil im Hinblick auf § 176 Abs 2 ForstG jedenfalls ein restriktives Verständnis solcher Sorgfalts- und Einstandspflichten geboten ist. Mögen solche auch nicht von vornherein zur Gänze ausgeschlossen sein, können sie nach Ansicht des erkennenden Senats in Bezug auf neben einem Wald liegende Grundstücksflächen ohne besondere, über eine gewöhnliche Nutzung hinausgehende Umstände nach der Grundwertung des § 176 Abs 2 ForstG aber noch nicht in Betracht kommen. Solche Umstände liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Auch eine Haftung auf dieser Grundlage muss hier danach verneint werden.
5. Ob darüber hinaus aus allgemeinen Erwägungen eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 1295 Abs 2 ABGB) geboten sein könnte, ist mangels entsprechender Anhaltspunkte im Sachverhalt nicht zu prüfen.
6. Zusammenfassend mangelt es an einer Anspruchsgrundlage für das Schadenersatzbegehren des Klägers. Der Revision des Beklagten ist daher Folge zu geben und das Zwischenurteil des Erstgerichts im klagsabweisenden Sinn abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, wobei den Einwendungen des Klägers gegen das Kostenverzeichnis des Beklagten nicht zu folgen war: Dass dem Antrag des Beklagten auf Umbestellung des Sachverständigen wegen dessen Fachgebiet (ON 23) nicht entsprochen wurde, führt noch nicht dazu, dass der Antrag nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen wäre. Eine solche Eignung ist auch den Anträgen des Beklagten auf Gutachtensergänzung (ON 35, ON 56) nicht abzusprechen.
Textnummer
E123363European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00007.18X.1030.000Im RIS seit
05.12.2018Zuletzt aktualisiert am
19.03.2021