Index
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §124 Abs1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):99/05/0139 E 9. November 1999Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 12. April 1999, Zl. UVS-04/A/40/00217/98, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (weitere Partei gemäß § 21 Abs. 1 VwGG: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 12. April 1999 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt:
"Sie haben es als Vorstand und somit zur Vertretung nach außen Berufener (§ 9 Abs. 1 VStG) der H-AG mit Sitz in Wien, ..., zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Bauführerin der C-GmbH als Bauherrin und Eigentümerin der Liegenschaft in Wien, ..., in der Zeit von 12.11.1997 bis 07.01.1998 die Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 60 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien, nämlich die Errichtung einer hofseitig auskragende Wandscheibe und Deckenplatten zur Errichtung eines, über alle Stockwerke gehenden, Erkers im Ausmaß von 1,50 m x 4,06 m, ohne baubehördliche Bewilligung erwirkt zu haben, im Wissen um die Gesetzwidrigkeit dieser Bauführung vorsätzlich erleichtert hat.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 7 VStG 1991 in Verbindung mit § 60 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien (BO), LGBl. Nr. 11/1930.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von S 7.500,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen, gemäß § 135 Abs. 1 BO."
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird hiezu ausgeführt, beim gegenständlichen Gebäude handle es sich um einen Neubau, der mit Baubewilligung vom 23. Jänner 1996 behördlich bewilligt worden sei. Hofseitig sei baubewilligungsgemäß die Errichtung von jeweils zwei getrennten Erkern pro Geschoß bewilligt worden, welche an ihrer Unterseite auf auskragenden Wandscheiben gestützt gewesen und an ihrer Oberseite durch jeweils Deckplatten voneinander getrennt gewesen wären. Diese Erker hätten in den jeweiligen Geschoßen einen Abstand zueinander von mehr als 1 m gehabt. Tatsächlich sei allerdings ein einheitlicher Erkervorbau ohne Zwischenraum zwischen den beiden (plangemäß vorgesehenen) Erkern errichtet worden, wobei auch die jeweils seitlichen Erkerbegrenzungswände zueinander verschoben worden seien. Im angelasteten Tatzeitraum sei zwar die Errichtung von Erkern hofseitig bewilligt gewesen, jedoch nicht in der tatsächlich ausgeführten Lage und nicht in dem entsprechenden Abstand zueinander. Damit sei der Neubau nicht in der baurechtlich bewilligten Weise sondern deutlich davon abweichend errichtet worden, sodass der Tatbestand in objektiver Hinsicht erfüllt sei. Die unternehmensinterne Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers sei nicht bestritten worden. Insoweit der Beschwerdeführer allerdings die Verantwortlichkeit des Grundeigentümers für die Einholung der entsprechenden Baubewilligung anspreche, sei dem zwar insoweit zuzustimmen, dass Täter einer eigenmächtigen Bauführung nach der Bauordnung für Wien der Bauherr sei, der Beschwerdeführer jedoch im vorliegenden Fall als Beihilfetäter (§ 7 VStG) bestraft worden sei. Der hiefür erforderliche Vorsatz sei als erwiesen anzusehen, zumal der Beschwerdeführer die Baubewilligung vom 23. Jänner 1996 und die dort vorgesehene Situierung der Erker gekannt habe, weil der Neubau im Wesentlichen nach diesen Plänen errichtet worden sei. Dadurch, dass der Beschwerdeführer (noch dazu als unternehmensintern verantwortlicher Baumeister für das gegenständliche Bauvorhaben) dennoch von dieser Baubewilligung abgewichen sei, sei sein vorsätzliches Verhalten zweifelsfrei erwiesen. Daran ändere auch nichts, dass er seitens der Grundeigentümerin informiert worden sei, eine Planauswechslung sei "bereits im Laufen", weise doch gerade dies auf die noch ausstehende Bewilligungserteilung hin. Es wäre daher am Beschwerdeführer gelegen gewesen, eine entsprechende Bauführung hinsichtlich der in Rede stehenden Gebäudeteile erst dann durch das von ihm vertretene Unternehmen anzuordnen, nachdem ihm eine diesbezügliche Baubewilligung vorgelegen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht, nicht bestraft zu werden, verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien (BO) ist eine Blankett-Strafvorschrift, welche selbst keinen Tatbestand enthält, sondern auf andere Vorschriften, die damit Teil des Verwaltungsstraftatbestandes werden, verweist. Die Blankett-Strafnorm des § 135 Abs. 1 BO enthält die Verweisung auf die Bauordnung und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen als Rechtsquelle für das Tatbild von Übertretungen im Sinne dieses Gesetzes. Ob eine Bestimmung der BO überhaupt eine Norm enthält, der zuwidergehandelt werden kann, muss daher in jedem einzelnen Fall geprüft werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1997, Zl. 97/05/0105).
Der Beschwerdeführer wurde nun - als nach § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich verantwortliche Person einer juristischen Person - "als Bauführer" deshalb bestraft, weil er gemäß § 7 VStG die von der Bauherrin und Eigentümerin einer Liegenschaft als unmittelbare Täterin begangene Verwaltungsübertretung (Ausführung eines Bauvorhabens ohne Vorliegens der hiefür erforderlichen Baubewilligung nach § 60 Abs. 1 lit. a BO) erleichtert hat.
Unter Beihilfe ist die vorsätzliche Unterstützung des tatbestandsmäßigen rechtswidrigen Verhaltens eines anderen zu verstehen, ohne dass dabei Ausführungshandlungen gesetzt werden; die Tätigkeit des Gehilfen besteht somit in einem ursächlichen Beitrag zur Ausführung einer strafbaren Handlung eines anderen, der auf jede andere Weise als durch unmittelbare Täterschaft erbracht werden kann. Beihilfe ist daher nur dann strafbar, wenn der unmittelbare Täter das Tatbild hergestellt hat (vgl. hiezu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, S. 798, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Nun ist im der Beschwerde zu Grunde liegenden Strafverfahren schon fraglich, ob die Bestrafung der unmittelbaren Täterin zulässig ist, weil bezüglich der als Tathandlung genannten bewilligungslosen Bauausführung ein Ansuchen um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung gestellt worden ist (vgl. hiezu das zu § 129 Abs. 10 BO ergangene hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. Oktober 1969, Slg. Nr. 7.657/A, und die daran anschließende hg. Rechtsprechung). Dies bedarf im Beschwerdefall jedoch deshalb keiner näheren Erörterung, weil der unmittelbaren Täterin (im Spruch des Straferkenntnisses "Bauherrin" bezeichnet) kein Verstoß gegen § 60 Abs. 1 lit. a BO zur Last gelegt werden kann. Der Beschwerdeführer hat im Berufungsverfahren den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 9. Februar 1998 vorgelegt, mit welchem "gemäß §§ 70 und 73 der Bauordnung für Wien" die von der Bauherrin und unmittelbaren Täterin beantragten Änderungen des mit Bescheid vom 23. Jänner 1996 bewilligten Bauvorhabens bewilligt worden sind. Wurden aber die als Grundlage für die Bestrafung des Beschwerdeführers herangezogenen Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben im Grunde des § 73 BO nachträglich bewilligt, so ergibt sich daraus, dass es sich hiebei um Änderungen an bereits bestehenden Baulichkeiten im Umfang des § 60 Abs. 1 lit. c BO gehandelt hat und daher eine Bestrafung nach § 60 Abs. 1 lit. a BO rechtswidrig ist. Hinzu kommt noch, dass gemäß § 73 Abs. 2 BO unter den dort genannten Voraussetzungen, deren Vorliegen mangels entsprechender Feststellungen durch die belangte Behörde vom Verwaltungsgerichtshof nicht überprüft werden kann, Änderungen unbeschadet späterer Entscheidungen der Behörde bereits ab der Einreichung vorgenommen werden dürfen.
Der angefochtene Bescheid leidet aber auch deshalb an einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weil die belangte Behörde außer Acht gelassen hat, dass die Beihilfe gegenüber der unmittelbaren Täterschaft subsidiär ist. Ein und dieselbe Person kann nicht sowohl als unmittelbarer Täter als auch als Mitschuldiger bestraft werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. März 1958, Slg. Nr. 4.609/A).
§ 124 Abs. 1 BO verpflichtet den Bauwerber, sich zur Ausführung aller nach § 60 bewilligungspflichtigen und nach § 62 anzeigepflichtigen Bauarbeiten eines Bauführers zu bedienen, der nach den für die Berufsausübung maßgeblichen Vorschriften zur erwerbsmäßigen Vornahme dieser Tätigkeit berechtigt ist. Der Bauführer (das ist derjenige, der in fremdem Auftrag und für fremde Rechnung als Unternehmer ein Bauwerk herstellt) hat gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle den Zeitpunkt des Beginns dieser Ausführung mindestens 3 Tage vorher der Behörde anzuzeigen. Wird mit dem Bau entgegen der Baubeginnsanzeige nicht begonnen, gilt diese als nicht erstattet.
§ 125 BO wiederum normiert die Verantwortlichkeit bei der Bauausführung. Gemäß Abs. 1 lit. a dieser Gesetzesstelle ist für die Einhaltung der Baupläne, die nach diesem Gesetz ausgeführt werden dürfen, sowie aller Auflagen der Baubewilligung, für die werksgerechte Bauausführung, für die Tauglichkeit der verwendeten Baustoffe und Konstruktionen sowie überhaupt für die Einhaltung aller auf die Bauführung Bezug habenden Vorschriften dieses Gesetzes, seiner Nebengesetze und der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Verordnungen der Bauführer verantwortlich. Gemäß Abs. 4 dieses Paragraphen bleiben die Verpflichtungen des Bauwerbers und des Eigentümers (aller Miteigentümer) der Liegenschaft unberührt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll daher verwaltungsrechtlich der Behörde gegenüber jeweils derjenige verantwortlich sein, der in eigener Verantwortung eine bestimmte Tätigkeit ausführt (vgl. hiezu die bei Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften, 3. Auflage, S. 530 f, abgedruckten Erläuterten Bemerkungen zur Novelle 1976). Aus dieser Bestimmung ergibt sich daher im Zusammenhang mit § 135 Abs. 1 BO, dass der Bauführer als unmittelbarer Täter für eine Tat, die die belangte Behörde dem § 7 VStG unterstellt hat, zu bestrafen ist.
Schon aus diesen Gründen belastete die belangte Behörde damit den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999050145.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
16.01.2015