TE Vwgh Beschluss 2018/10/30 Ra 2017/05/0239

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Veröffentlicht am 30.10.2018
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauO OÖ 1994 §31;
BauRallg;
MRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der H GmbH in L, vertreten durch Dr. Franz Essl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Mühlbacherhofweg 4/1, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 8. Juni 2017, Zl. LVwG-151178/9/AL, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Gemeinderat der Gemeinde U, vertreten durch die Dr. Heinz Häupl Rechtsanwalts GmbH in 4865 Nußdorf, Stockwinkl 18; weitere Partei:

Oberösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: L GmbH in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Auer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Siebenstädterstraße 64), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der Gemeinde Unterach am Attersee Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht wird abgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Darin ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. Dieser ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 2.8.2018, Ra 2018/05/0158, mwN).

5 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde U. vom 3. November 2016 wurde der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit acht Wohnungen auf einem näher bezeichneten Grundstück, an das westlich das Grundstück der Revisionswerberin grenzt, erteilt.

6 Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Revisionswerberin wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde U. (im Folgenden: Gemeinderat) vom 19. Dezember 2016 "zurück- und abgewiesen".

7 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 19. Dezember 2016 mangels Parteistellung (gemeint: der Revisionswerberin) als unzulässig zurückgewiesen. Dies begründete das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) im Wesentlichen (u.a.) damit, dass ein subjektives Nachbarrecht in Bezug auf die Bodenstabilität und Tragfähigkeit des Untergrundes eines Bauplatzes oder die Statik nicht bestehe und "Hangrutschungen nicht als subjektivöffentliches Nachbarrecht" im Sinne des § 31 Abs. 4 Oö. Bauordnung 1994 - Oö. BauO 1994 zu betrachten seien, weshalb die diesbezüglichen Einwendungen der Revisionswerberin inhaltlich nicht zu prüfen seien. Von der beantragten mündlichen Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG abgesehen werden können, weil die Beschwerde mangels subjektiver Nachbarrechte zurückzuweisen sei.

8 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) im Wesentlichen vor, dass die Revisionswerberin in ihrer Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, eine solche jedoch nicht stattgefunden habe, weshalb schon aus diesem Grund tragende Grundsätze des Verfahrensrechts verletzt worden seien und die getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt sei. Hätte das Verwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, wäre es zum Ergebnis gekommen, dass die Einwendungen der Revisionswerberin subjektivöffentliche Rechte beträfen und keine Präklusion eingetreten sei. Zwar sei in § 24 Abs. 2 VwGVG statuiert, dass eine mündliche Verhandlung entfallen könne, wenn die Beschwerde zurückgewiesen werde. Dies könne jedoch nicht gelten, wenn die mündliche Verhandlung erst das Ergebnis hervorgebracht hätte, dass eine Präklusion gar nicht eingetreten sei und eine Zurückweisung konkret nicht stattzufinden hätte. § 24 Abs. 2 VwGVG ermögliche den Verwaltungsgerichten eine Ermessensentscheidung, und bei rechtsrichtiger Ermessensausübung hätte das Verwaltungsgericht im konkreten Fall dem Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen stattgeben müssen: So müssten Einwendungen vorerst nicht begründet werden und könne eine Begründung zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht werden. Konkret habe das Verwaltungsgericht nur auf Grundlage der Akten entschieden. Eine ausführliche Begründung hinsichtlich der vorgebrachten Einwendungen habe die seinerzeit unvertretene Revisionswerberin nicht abgeben können. Hätte die Revisionswerberin die Chance der Begründung in einer mündlichen Verhandlung bekommen, wäre das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass subjektiv-öffentliche Rechte betroffen seien und der Revisionswerberin jedenfalls Parteistellung zukomme.

9 Zwar sei bekannt, dass in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Oö. BauO 1994 die Ansicht vertreten werde, dass "Hangrutschungen nicht als subjektiv-öffentliches Nachbarrecht zu betrachten" seien. Die Rechtslage werde (jedoch) dabei verkannt, und es sei ein Abgehen von dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Rechtseinheit und Rechtssicherheit dringend geboten. Hinsichtlich der Rechtslage in Niederösterreich werde richtigerweise judiziert, dass den Nachbarn ein Rechtsanspruch insoweit zustehe, als sich eine Gefahr von der zu verbauenden Grundfläche zu erstrecken vermöge. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes leite sich dieses Nachbarrecht aus § 118 Abs. 9 Z 2 Niederösterreichische Bauordnung 1976 (im Folgenden: NÖ BO 1976) ab. Zur baurechtlichen Rechtslage in Oberösterreich vertrete der Verwaltungsgerichtshof, soweit überblickbar, unverständlicherweise, dass Nachbarn die subjektivöffentlichen Nachbarrechte bezüglich der Statik und Rutschgefahr eines zu bewilligenden Bauvorhabens nicht zustünden, weil eine mit § 118 Abs. 9 Z 2 NÖ BO 1976 vergleichbare Regelung in der Oö. BauO 1994 fehle. Richtig sei zwar, dass eine Bestimmung mit einer identen Aufzählung des § 118 Abs. 9 Z 2 NÖ BO 1976 in der Oö. BauO 1994 fehle. Dies bedeute jedoch nicht, dass sich subjektiv-öffentliche Rechte aus solchen Vorschriften, die in § 118 Abs. 9 Z 2 NÖ BO 1976 explizit genannt seien, nicht auch aus der Oö. BauO 1994 ergäben.

10 Nach § 31 Abs. 4 Oö. BauO 1994 seien Einwendungen eines Nachbarn dann zu berücksichtigen, wenn sie sich auf Bestimmungen des Baurechtes stützten, die auch dem Interesse der Nachbarschaft dienten. Dann folge eine demonstrative Aufzählung von Fallgruppen. Das Fehlen einer identen Bestimmung in der Oö. BauO 1994 bedeute daher lediglich, dass jede Vorschrift genau geprüft werden müsse, ob sich subjektiv-öffentliche Nachbarrechte ergäben. Keinesfalls gehe damit eine Einschränkung der Nachbarrechte auf die genannten Fallgruppen von Vorschriften einher, sondern sei jede Bestimmung des Baurechts dahingehend zu prüfen, ob sie dem Interesse der Nachbarschaft diene. Dies sei bei Hangrutschungen der Fall. Es liege jedenfalls im Interesse der Nachbarschaft, dass ein Bauvorhaben nicht zu Hangrutschungen führe und dass das Nachbargrundstück und darauf befindliche Gebäude keinen Gefahren ausgesetzt seien. Das ergebe sich auch aus einem Größenschluss aus der Bestimmung des § 31 Abs. 4 Oö. BauO 1994, wonach Bestimmungen, die dem Schutz der Nachbarschaft vor Immissionen dienten, subjektiv-öffentliche Rechte begründeten. Wenn schon Vorschriften, die die Nachbarn vor Immissionen schützen sollten, subjektivöffentliche Nachbarrechte begründeten, dann müsse dies erst recht für Hangrutschungen, also für Einwirkungen durch diesfalls feste Stoffe, gelten. Jede andere Auslegung widerspreche dem Zweck subjektiv-öffentlicher Rechte und schränke die Rechte der Nachbarn in unzulässigem Maß ein. Wenn nicht einmal die Vermeidung von drohenden Hangrutschungen mit der Gefahr massiver Schädigung bis hin zur Zerstörung des Nachbargebäudes im Interesse der Nachbarn liege, dann stelle sich die Frage, wann Nachbarrechte überhaupt noch vorliegen könnten. Die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass drohende Hangrutschungen keine subjektiv-öffentlichen Rechte begründeten, sei absolut unverständlich und nicht gerechtfertigt. Zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit sei es unbedingt erforderlich und von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung, dass der Verwaltungsgerichtshof Nachbarn in Oberösterreich nicht anders behandle als Nachbarn in Niederösterreich.

11 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision keine Rechtsfragen auf, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

12 § 31 Oö. BauO 1994, LGBl. Nr. 66, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 34/2013 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"§ 31

Einwendungen der Nachbarn

(1) Nachbarn sind

1. bei Wohngebäuden einschließlich der zugehörigen

Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie der allenfalls vorgeschriebenen Neben- und Gemeinschaftsanlagen: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens zehn Meter entfernt sind;

...

Die Stellung als Nachbar besteht jedoch jeweils nur unter der Voraussetzung, dass diese Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. ...

...

(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauwerke nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauwerke auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, daß die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird.

..."

13 Die Revisionswerberin ist unstrittig Nachbar im Sinne des § 31 Abs. 1 Z 1 Oö. BauO 1994.

14 Nach ständiger hg. Judikatur ist das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem die Nachbarn solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht haben (vgl. etwa VwGH 23.5.2018, Ra 2016/05/0094, mwN).

15 Die für den vorliegenden Fall in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften sind jene des oberösterreichischen Baurechts und jene der für das Baugrundstück relevanten Flächenwidmungs- und Bebauungspläne, sofern diese nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen (vgl. § 31 Abs. 4 erster Satz Oö. BauO 1994). Der Revisionswerberin ist zwar beizupflichten, dass es sich bei der Aufzählung in § 31 Abs. 4 Oö. BauO 1994 (Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen) um eine demonstrative (vgl. "insbesondere" in § 31 Abs. 4 Oö. BauO 1994) handelt, weshalb es nicht ausgeschlossen ist, dass auch andere Bestimmungen des oberösterreichischen Baurechts oder eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes den Interessen der Nachbarschaft dienen (vgl. dazu etwa VwGH 17.12.1996, 96/05/0167, mwN). Dies ändert jedoch nichts daran, dass eine gesetzliche Grundlage bzw. eine entsprechende Regelung des Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanes, aus der sich Nachbarrechte ergeben, vorhanden sein muss.

16 Nach der zur Oö. BauO 1994 ergangenen ständigen hg. Judikatur besteht kein Nachbarrecht im Sinne des § 31 Abs. 4 leg. cit. in Bezug auf im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben drohende Hangrutschungen (vgl. etwa VwGH 5.3.2014, 2013/05/0024, mwN) und steht den Nachbarn in Fragen der Tragfähigkeit des Untergrundes des Bauplatzes und der Statik kein Mitspracherecht zu (vgl. etwa VwGH 24.2.2015, 2013/05/0054, mwN). Dies stellt die Revision in ihren Zulässigkeitsausführungen auch nicht in Abrede. Sie argumentiert vielmehr damit, dass von dieser Rechtsprechung abzugehen sei, weil Nachbarn nach der NÖ BO 1976 die Gefahr von Hangrutschungen als subjektiv-öffentliches Nachbarrecht geltend machen könnten und Nachbarn in Oberösterreich nicht anders behandelt werden dürften als in Niederösterreich. Ferner liege es nach Ansicht der Revisionswerberin jedenfalls im Interesse der Nachbarschaft, dass ein Bauvorhaben nicht zu Hangrutschungen führe, und ergebe sich dies aus einem Größenschluss von der in § 31 Abs. 4 Oö. BauO 1994 im Zusammenhang mit Immissionen getroffenen Regelung.

17 Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die ins Treffen geführte Bestimmung des § 118 NÖ BO 1976 im gegenständlichen Revisionsfall nicht anzuwenden und daher nicht maßgeblich ist. Die Revisionswerberin führt selbst keine Bestimmung des Oö. Baurechtes an, aus der Ähnliches abgeleitet werden könnte. Aus dem angeführten § 31 Abs. 4 Oö. BauO 1994 ergibt sich Derartiges nicht. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang weiters, dass die NÖ BO 1976 durch das Inkrafttreten der NÖ Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 8200-0, außer Kraft getreten ist (vgl. § 78 Abs. 3 leg. cit.) und die NÖ Bauordnung 1996 mittlerweile durch die NÖ Bauordnung 2014, LGBl. Nr. 1/2015, abgelöst wurde (vgl. § 72 Abs. 3 leg. cit.). Sollte die Revision mit ihrem Vorbringen auf die Geltendmachung von Normbedenken abzielen, ist zu bemerken, dass Normbedenken gegen generelle Rechtsvorschriften vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht als grundsätzliche Rechtsfrage aufgeworfen werden können (vgl. etwa VwGH 26.6.2018, Ra 2018/05/0168, mwN).

18 Soweit die Revisionswerberin vorbringt, dass tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes beeinträchtigt worden seien und das Verwaltungsgericht eine grob fehlerhafte Beurteilung getroffen habe, weil es trotz des in der Beschwerde gestellten diesbezüglichen Antrages keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe, zeigt sie ebenso keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf:

19 Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017 kann eine öffentliche mündliche Verhandlung im Sinne des § 24 Abs. 1 leg. cit. (u.a.) dann entfallen, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist. Denn eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht jedoch über die Sache selbst, ist aus Sicht des Art. 6 EMRK keine (inhaltliche) Entscheidung "über eine strafrechtliche Anklage" oder "über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen". Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" im Sinne des Art. 6 EMRK kommt daher nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse - wie etwa der Verlust der Parteistellung - entgegenstehen (vgl. etwa VwGH 3.8.2016, Ra 2016/07/0058, mwN).

20 Im Übrigen ist zu der in diesem Zusammenhang von der Revision in der Zulässigkeitsbegründung vertretenen Auffassung, dass Einwendungen vorerst nicht begründet werden müssten, eine Begründung zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht werden könne und der Revisionswerberin die Chance der Begründung in einer mündlichen Verhandlung genommen worden sei, zu bemerken, dass aus der Zulässigkeitsbegründung nicht hervorgeht, in welchem der durch die Oö. BauO 1994 gewährleisteten Nachbarrecht die Revisionswerberin verletzt zu sein behauptet. Dass die behauptete Gefahr von Hangrutschungen keine tauglichen Einwendungen im Sinne des § 31 Abs. 4 leg. cit. begründet, wurde bereits oben ausgeführt. Auch das von der Revision zitierte Erkenntnis VwGH 18.10.2001, 2001/07/0074, vermag deren gegenteilige Auffassung nicht zu stützen.

21 Die Revision war daher, weil darin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG dargelegt wurde, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

22 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung bereits berücksichtigt ist und in § 1 Z 2 lit. a dieser Verordnung die Höhe des als Ersatz für den Aufwand, der für die Partei im Sinne des § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG als obsiegende Partei mit der Einbringung der Revisionsbeantwortung verbunden ist (Schriftsatzaufwand), zu leistenden Pauschalbetrages mit EUR 553,20 bestimmt ist.

Wien, am 30. Oktober 2018

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9Baurecht NachbarNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017050239.L00

Im RIS seit

30.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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