TE OGH 1984/3/1 8Ob504/84

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Veröffentlicht am 01.03.1984
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Anhaltungssache der J*****, geboren am *****, zuletzt wohnhaft *****, infolge Revisionsrekurses der Angehaltenen, vertreten durch den vorläufigen Beistand Dr. Ingrid Ruckenbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. November 1983, GZ 44 R 200/83-10, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 5. Oktober 1983, GZ 7 L 195/83-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Anhaltung der am ***** geborenen J***** im P***** wurde mit Beschluss vom 26. 1. 1983 wegen Geistesschwäche und Selbstgefährlichkeit für die Dauer von vier Monaten für zulässig erklärt. Nach dem ärztlichen Gutachten bestand bei der Angehaltenen eine sich deutlich zeigende senile Demenz mit zeitweiligen Verwirrtheitszuständen und unberechenbaren Handlungen in desorientiertem Zustand. Sie sei daher selbstgefährlich. Mit Beschluss vom 1. 6. 1983 wurde die Anhaltung für die Dauer von weiteren vier Monaten für zulässig erklärt. Es bestehe ein höhergradiger zerebraler Abbauprozess im Sinne einer senilen Demenz mit Verwirrtheit und paranoiden Ideen; die Angehaltene sei geistesschwach und aufgrund der Verwirrtheit selbstgefährlich.

Mit Beschluss vom 5. 10. 1983 erklärte das Erstgericht die weitere Anhaltung für unzulässig. Nach dem psychiatrischen Sachverständigengutachten bestehe ein einfaches, schleichendes dementielles Syndrom ohne akute psychotische Symptomatik, die Kurandin sei weder selbst- noch gemeingefährlich.

Das Gericht zweiter Instanz hob infolge Rekurses des P***** den Beschluss des Erstgerichts auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Dem Erstgericht sei wohl grundsätzlich zuzustimmen, dass im Hinblick auf die Möglichkeit, die Kurandin in einem Pflegeheim zu behandeln, eine Anhaltung unzulässig wäre; jedoch könne das Gericht – auch bei Beachtung des Grundsatzes der Subsidiarität – durch Verweigerung der Betreuung im Sinne einer Unzulässigerklärung einer Anhaltung sonstige soziale Institutionen nicht dazu zwingen, der Kurandin die erforderliche Pflege angedeihen zu lassen. Im Rekurs werde glaubhaft ausgeführt, es habe die Anstalt schon am 18. 2. 1983, dh schon bald nach der Aufnahme am 14. 1. 1983, den Antrag auf Übernahme in ein Pflegeheim der Stadt Wien gestellt, jedoch sei bisher noch kein Platz für die Kurandin gefunden worden, bzw sei mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer baldigen Rücküberstellung in das psychiatrische Krankenhaus zu rechnen. Soferne also die sozialen Einrichtungen in der Betreuung einer altersdementen Kurandin versagten, sei die Notwendigkeit der Anhaltung gegeben, weil andernfalls die Kurandin der Verwahrlosung preisgegeben würde. Im Hinblick auf diese Erwägung bedürfe die Verneinung der Selbstgefährlichkeit noch einer Ergänzung des Verfahrens. In zwei vorausgegangenen Beschlüssen habe nämlich das Erstgericht die Anhaltung für jeweils vier Monate für zulässig erachtet. In welcher Weise auf einmal eine Besserung der Verwirrtheitszustände eingetreten sein sollte, sei nicht ersichtlich, bzw erscheine das dritte psychiatrische Gutachten insoweit nicht schlüssig. Es werde daher die neuerliche Einholung eines psychiatrischen Gutachtens erforderlich sein, wobei sich dieses – sollte es zu einem abweichenden Ergebnis gelangen – sehr wohl mit den früheren Gutachten werde auseinandersetzen müssen.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts wendet sich der Revisionsrekurs der J***** aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin bestreitet insbesondere das Vorliegen einer Anhaltebedürftigkeit wegen Bestehens einer Verwahrlosungstendenz zufolge Versagens der sozialen Einrichtungen zur Betreuung altersdementer Personen.

Hiezu ist zu bemerken, dass eine Anhaltung grundsätzlich nur dann zulässig ist, wenn der Angehaltene geisteskrank oder geistesschwach ist und ohne die Anhaltung die eigene Sicherheit oder die Sicherheit anderer gefährden würde. Die bloße Zweckmäßigkeit der Unterbringung oder Pflege eines Geisteskranken oder Geistesschwachen sieht das Gesetz als Anhaltungsgründe nicht vor (5 Ob 70/74, Welser, Die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Anhaltung, JBl 1973, 501 ff). Selbstgefährlichkeit wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn infolge des Geisteszustands eine erhebliche Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit des Angehaltenen zu besorgen ist.

Während die den beiden die Anhaltung für zulässig erklärenden Beschlüsse zugrundeliegenden Sachverständigengutachten die Selbstgefährlichkeit der Angehaltenen insbesondere aufgrund ihrer Verwirrtheitszustände bejahten, hat das dem Beschluss auf Unzulässigerklärung der weiteren Anhaltung zugrundeliegende Sachverständigengutachten zur Frage der Selbst- oder Gemeingefährlichkeit der Angehaltenen überhaupt nicht Stellung genommen. Zutreffend hat daher das Rekursgericht eine Verfahrensergänzung durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens (§§ 18 Abs 3, 19 Abs 3 EntmO) für erforderlich erachtet.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Textnummer

E123312

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00504.840.0301.000

Im RIS seit

30.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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