TE OGH 2018/10/3 5Ob113/18f

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Veröffentlicht am 03.10.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj C*****, über den Revisionsrekurs des Vaters R*****, vertreten durch Mag. Britta Schönhart-Loinig, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 4. April 2018, GZ 23 R 106/18p-9, mit dem über den Rekurs der Mutter T*****, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder-Novak, Rechtsanwältin in St. Pölten, der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 20. Februar 2018, GZ 1 PG 218/17p-2, ersatzlos aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Eltern üben gemeinsam die Obsorge für ihren neunjährigen Sohn aus. Er wird annähernd gleichteilig in beiden Haushalten betreut; der hauptsächliche Aufenthalt ist im väterlichen Haushalt festgelegt.

         Zufolge Gewährung von Unterhaltsvorschüssen war zwischenzeitig der Kinder- und Jugendhilfeträger (KJHT) alleiniger gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen zur Durchsetzung der – ursprünglich gegenüber der Mutter, später aufgrund der Änderung der Einkommensverhältnisse gegenüber dem Vater bestehenden – Unterhaltsansprüche (§ 9 Abs 2 UVG). Mit Beschluss vom 1. 9. 2016 verpflichtete das Erstgericht den Vater, zum Unterhalt seines Sohnes einen monatlichen Betrag von 88 EUR an den KJHT und einen monatlichen Betrag von 112 EUR auf ein vom Vertreter des Minderjährigen zu eröffnendes und dem Vater bekannt zu gebendes „mündelsicheres“ Zahlungsverkehrskonto zu leisten. Dieser Beschluss basierte auf einer in der Tagsatzung am 1. 9. 2016 zwischen dem Vater und dem KJHT (als dem gesetzlichen Vertreter des Kindes) getroffenen Vereinbarung über den Geldunterhaltsergänzungsanspruch des Kindes. Nur der „Vertreter des Kindes“ sollte Zugriff auf dieses Konto haben und über die Auszahlung von Beträgen aus diesem Konto für Kosten längerlebiger Anschaffungen und über alltägliche Kosten hinausgehende Anschaffungen entscheiden. Aus dem Akteninhalt geht nicht hervor, ob der KJHT ein Zahlungskonto eröffnet und/oder der Vater Einzahlungen auf ein derartiges Konto geleistet hat.

         Mit Beschluss vom 28. 11. 2017 wurde der KJHT auf Antrag der Mutter von seinem Amt als alleiniger gesetzlicher Vertreter des Kindes in Unterhaltsangelegenheiten enthoben.

         Am 22. 12. 2017 brachte die Mutter einen Unterhaltserhöhungsantrag (auf monatlich 216 EUR ab 11. 4. 2016) ein. In seiner Stellungnahme verwies der Vater auf die mit dem KJHT als dem damaligen gesetzlichen Vertreter getroffene Vereinbarung einer (Teil-)Zahlung des Geldunterhalts auf ein neu zu eröffnendes „mündelsicheres“ Zahlungsverkehrskonto. Er gab die Eröffnung eines auf den Minderjährigen lautenden „mündelsicheren“ Kontos bekannt,„welches durch das Gericht mit einer Gerichtssperre versehen“ werde. Der Vater kündigte weiters an, dass er ab Dezember 2017 die gesamten 200 EUR, dem Beschluss vom September 2016 entsprechend, auf dieses Konto einzahlen und der Mutter selbst keine Zahlungen überweisen werde.

         Das Erstgericht wertete diese Stellungnahme des Vaters vom 14. 2. 2018 als Antrag auf gerichtliche Sperre des (in der Beilage zu der Eingabe näher bezeichneten) Kontos und legte einen (neuen) gemeinschaftlichen Akt für die Vermögensverwaltung an. In diesem wies es die kontoführende Bank mit Beschluss vom 20. 2. 2018 an, das näher bezeichnete Konto „als Mündelgeld“ dergestalt zu sperren, dass Verfügungen darüber nur mit Zustimmung des Erstgerichts möglich sind. Eine Begründung enthielt dieser Beschluss nicht.

         Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter Folge und hob den angefochtenen Beschluss ersatzlos auf. Die Erfüllung von Geldunterhaltsverpflichtungen durch Zahlung auf ein gesperrtes Konto sei nicht vorgesehen. Geldunterhalt sei vielmehr monatlich im Voraus an den gesetzlichen Vertreter zu leisten. Das Gesetz sehe auch keine Überwachung der Verwendung von Unterhaltszahlungen vor, auch keine Rechnungslegungspflicht gegenüber dem zu Geldunterhalt verpflichteten Elternteil. Eine Aufsichtspflicht des Pflegschaftsgerichts über die Verwaltung des Vermögens Pflegebefohlener bei Obsorge durch die Eltern bestehe nur bei Liegenschaftsvermögen oder einem 10.000 EUR wesentlich übersteigenden Vermögen des Minderjährigen. Der Vater könne sich im Zusammenhang mit dem von der Mutter als gesetzlicher Vertreterin des Minderjährigen eingebrachten Unterhaltserhöhungsantrag auch nicht auf die mit dem KJHT getroffene Vereinbarung berufen.

         Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der – vom Rekursgericht gemäß § 63 Abs 3 AußStrG nachträglich für zulässig erklärte – ordentliche Revisionsrekurs des Vaters. Er beantragt, den angefochtenen Beschluss des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Mutter beantragte in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) – mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

1. Gegenstand der Entscheidungen der Vorinstanzen ist die im Vermögensverwaltungsakt angeordnete gerichtliche Sperre eines Kontos, das der Vater zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht eröffnet hat. Diese Maßnahme ist eine Angelegenheit der Aufsicht über die Vermögensverwaltung und keine Entscheidung über den Unterhaltsanspruch des Kindes an sich.

2.1. Seit dem KindRÄG 2001 und dem AußStrG 2003 ist die Rechtsfürsorgepflicht des Pflegschaftsgerichts im Bereich der Vermögensverwaltung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter reduziert. Das Gericht ist nicht „Oberaufseher“ oder „oberste Zweckmäßigkeitsinstanz“ im vermögensrechtlichen Bereich der Eltern-Kind-Beziehung, sondern hat sich grundsätzlich auf eine maßvolle Gebarungskontrolle primär zur Abwehr akuter Gefahren zu beschränken (RIS-Justiz RS0123510 [T1]). Wenn – wie hier – die Eltern mit der Verwaltung des Vermögens im Rahmen der Obsorge betraut sind, so hat das Gericht die Verwaltung des Vermögens nur zu überwachen, wenn eine unbewegliche Sache zum Vermögen gehört oder der Wert des Vermögens oder der Jahreseinkünfte 10.000 EUR wesentlich übersteigt oder wenn dies zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Wohl des Pflegebefohlenen erforderlich ist (§ 133 Abs 2 und Abs 3 AußStrG; RIS-Justiz RS0123510; RS0008461).

2.2. Das „Vermögen“ eines Pflegebefohlenen ist der Inbegriff seiner geldwerten Rechte und Verbindlichkeiten (RIS-Justiz RS0048053 [T2]); es umfasst sowohl Leistungsansprüche als auch Ersparnisse sowie bewegliches und unbewegliches Vermögen. Eine Einschränkung auf oder um eine bestimmte Herkunft des Vermögens ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (4 Ob 25/17f). Der Begriff „Jahreseinkünfte“ nach § 133 AußStrG wiederum umfasst nur jene Einkünfte, die tatsächlich in die Verwaltungsbefugnis und -verpflichtung des gesetzlichen Vertreters fallen; Einkommen des Kindes aus eigenem Erwerb sowie Unterhaltsbeiträge, auch wenn sie 10.000 EUR pro Jahr übersteigen, sind in diese Wertgrenze nicht einzurechnen und führen nicht zu einer gerichtlichen Überwachung (4 Ob 25/17f mwN = RIS-Justiz RS0131514).

2.3. Aus dem Akt ist nicht ersichtlich, ob das Vermögen oder die Jahreseinkünfte des Minderjährigen im Sinn von § 133 Abs 2 AußStrG den Wert von 10.000 EUR wesentlich übersteigen. Der hier strittige väterliche Unterhalt ist in Ansehung der laufenden Unterhaltszahlung der gerichtlichen Kontrolle nach § 133 AußStrG zudem schon grundsätzlich entzogen, wenn – wie hier – keine konkreten Gefährdungsmomente erkennbar sind, die eine Überwachungspflicht des Gerichts auslösen würden (vgl 4 Ob 25/17f = RIS-Justiz RS0131515). Das Rekursgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass das Pflegschaftsgericht zu Unrecht nach § 133 AußStrG überwachend tätig geworden ist und die Grundlage für die vom Erstgericht angeordnete Kontensperre fehlt.

3.1. Die vom Rekursgericht und dem Revisionsrekurswerber zur Begründung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses aufgeworfene Rechtsfrage steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit diesem Ergebnis. Sie sehen diese vielmehr darin begründet, dass der Oberste Gerichtshof zur Frage der Notwendigkeit der Bestellung eines Kollisionskurators im Zusammenhang mit dem hier maßgeblichen „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodell“ bislang nicht ausdrücklich Stellung genommen habe.

3.2. Der von der Mutter als Vertreterin des minderjährigen Kindes eingebrachte Antrag auf Erhöhung des Unterhalts, dessen Unterhaltsanspruch und das „betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell“ sind allerdings nicht Gegenstand der diesem Revisionsrekursverfahren zugrunde liegenden Entscheidungen der Vorinstanzen. Damit ist die Frage, ob hier für die Geltendmachung des Unterhalts die Bestellung eines Kollisionskurators notwendig ist, (bloß) theoretischer Natur. Die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen ist aber nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0111271; RS0102059 [T8]).

4.1. Die vom Revisionsrekurswerber geltend gemachten Verfahrensmängel wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 71 Abs 3 Satz 3 AußStrG).

4.2. Da es somit der Beantwortung erheblicher Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht bedarf, ist der Revisionsrekurs unzulässig und zurückzuweisen.

Textnummer

E123299

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00113.18F.1003.000

Im RIS seit

30.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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