Entscheidungsdatum
27.09.2018Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §11 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schopf über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Brigittenau für die Bezirke 2 und 20, vom 27.02.2018, Zl. VStV/..., wegen zwei Verwaltungsübertretungen nach der Straßenverkehrsordnung,
zu Recht e r k a n n t:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass in der Tatumschreibung zu beiden Punkten anstelle der Worte „die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung“ die Worte „den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens“ treten, bestätigt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von insgesamt EUR 30, 40 (das sind 20% der verhängten Geldstrafen) zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof durch die vor dem Verwaltungsgericht Wien belangte Behörde unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit angefochtenem Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe 1. am 12.4.2017 um 13:45 Uhr in 1020 Wien, Praterstern Höhe Lasallestraße, Nordbahnstraße als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen W-... die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung nicht angezeigt, sodass sich andere Straßenbenützer auf den bevorstehenden Vorgang nicht einstellen hätten können und 2. am 12.4.2017 um 13:44 Uhr in 1020 Wien, Praterstern Höhe Venediger Au, Lasallestraße als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen W-... die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung nicht angezeigt, sodass sich andere Straßenbenützer auf den bevorstehenden Vorgang nicht einstellen hätten können.
Wegen Übertretungen der im Spruch genannten Norm wurden 2 Geldstrafen, für den Fall deren Uneinbringlichkeit 2 Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und wurde ein behördlicher Verfahrenskostenbeitrag zur Zahlung vorgeschrieben.
Diese Straferkenntnis stützt sich auf die Anzeige des C. D., festgehalten in der Anzeige vom 13.4.2017. Weiters liegt dem Straferkenntnis zugrunde, dass der Meldungsleger seine Beobachtungen nach Rechtfertigung durch den Beschuldigten in einer schriftlichen Stellungnahme näher konkretisierte. Er gab dabei an, entgegen den Angaben im Einspruch habe der Beschwerdeführer das von ihm gelenkte Fahrzeuge, nachdem er anscheinend realisiert gehabt habe, dass der von ihm gewählte Fahrstreifen nicht zum anscheinend beabsichtigten Fahrtziel führe, abrupt auf die rechte Abbiegespur in Richtung Nordbahnstraße gewechselt ohne dies anzuzeigen.
Nach Zustellung des Straferkenntnisses erhob der Beschuldigte, der sich bereits im behördlichen Verfahren zweimal gerechtfertigt hat, innerhalb offener Frist gegenständliche Beschwerde, mit welcher nochmals die Begehung der Verwaltungsübertretungen bestritten und Befangenheit der Referentin der Landespolizeidirektion Wien sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit wegen denkunmöglicher Tatanlastung und Verjährung eingewendet wird.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien ergingen folgende Aussagen:
Der Beschwerdeführer:
„Ich bin damals von der Ausstellungsstraße gekommen und wollte über den Praterstern fahrend in Richtung Dresdner Straße weiterfahren. Ich lege diesbezüglich eine Handskizze vor, aus der sich der natürliche Fahrverlauf ergibt. Ich bin immer in der rechts äußeren Spur gefahren und habe mich entsprechend der dortigen Bodenmarkierungen verhalten. Nicht nachvollziehbar ist mir, wenn der Beamte offenbar meint, dass ich bei der Ausfahrt Richtung Dresdner Straße abrupt den Fahrstreifen gewechselt habe. Außerdem meint er offenbar, dass ich im Zuge dieses Fahrmanövers blinken hätte müssen. Bei der Ausfahrt Ausstellungsstraße, von der ich gekommen bin, ist eine Ampelregelung und ich konnte dort bei Grünlicht durchfahren. Ich habe keinen Polizisten gesehen. Ich bin auch nicht verfolgt oder angehalten worden.“
C. D.:
„Mir ist der Vorfall überhaupt nicht mehr in Erinnerung. Die Beobachtungen können sowohl im Zuge der Nachfahrt wie auch als Standposten gemacht worden sein. Das muss in der Anzeige nicht zwingend stehen. Es gibt zahlreiche solcher Vorfälle dort. Wenn sich der Bf so verhalten hat, wie in seiner Handskizze eingezeichnet, dann wäre kein Blinken erforderlich gewesen, die meisten Fahrzeuglenker fahren zunächst Richtung Lassallestraße weiter und wechseln dann nochmals zurück in den Kreisverkehr des Pratersterns. Wenn sie dann blinke, kann sich der Folgeverkehr darauf einstellen. Bei der Weiterfahrt in Richtung Nordbahnstraße ist es so, dass man bei normalem Fahrverlauf in die zweite Spur münden würde, weshalb manche Fahrzeuglenker auch hier noch ohne zu blinken den Fahrstreifen wechseln. Wenn ich die Beobachtung an einem Standposten gemacht habe dann wahrscheinlich vom Standort Venediger Au aus.
Der in der Anzeige geschilderte zeitliche Ablauf ist für mich so nicht nachvollziehbar, es kann bei fließendem Verkehr auch innerhalb einer Minute sein.“
Gemäß § 11 Abs. 2 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens so rechtzeitig anzuzeigen, daß sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können. Er hat die Anzeige zu beenden, wenn er sein Vorhaben ausgeführt hat oder von ihm Abstand nimmt.
Gemäß § 99 Abs. 3 lit.a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis 726 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.
Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien einvernommene Zeuge hinterließ anlässlich seiner persönlichen Einvernahme vor dem Verwaltungsgericht Wien, auch wenn er sich an den konkreten Vorfall nicht mehr erinnern konnte, einen sehr gewissenhaften Eindruck. Auch gab es für das erkennende Gericht auf Grund des persönlichen Eindrucks des Zeugen keinen Grund, seinen im Verfahren getätigten Angaben nicht zu folgen, zumal kein Grund einsichtig ist, weshalb dieser als völlig unbeteiligter Zeuge wahrheitswidrige Angaben machen hätte sollen und sich aus dem Akt kein Anhaltspunkt ergibt, dass er durch die Angaben anlässlich der Anzeige den Beschwerdeführer (=eine ihm unbekannte Person) hätte wahrheitswidrig belasten wollen (vgl. VwGH 2.3.1994, Zl. 93/03/0203. 93/03/0276). Beim Zeugen handelt es sich um einen im Straßenaufsichtsdienst erfahrenen Beamten, der aufgrund des von ihm abgelegten Diensteides und seiner verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht unterliegt, sodass ihn im Falle der Verletzung dieser Wahrheitspflicht straf- und dienstrechtliche Sanktionen treffen würden (vgl. VwGH 28.11.1990, 90/03/0172). Auch konnte ihm als qualifizierten und eigens geschulten Organ zugebilligt werden, derartige Wahrnehmungen zu treffen und hierüber zutreffend Bericht zu erstatten (vgl. VwGH 28.11.1990, 90/03/0172). Der Beschwerdeführer selbst hat angegeben, nicht geblinkt zu haben, dass er zweimal einen Fahrstreifenwechsel durchgeführt hat, ist im offensichtlich nicht bewusst geworden, obwohl ihm dies bei Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt auffallen hätte müssen.
Es war somit von dem im Spruch des Straferkenntnisses umschriebenen Sachverhalt auszugehen und dieser gegenständlicher Entscheidung zu Grunde zu legen.
Damit erweist sich aber die objektive Tatseite als gegeben.
Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Der Gesetzgeber präsumiert somit in einem solchen Fall die Schuld bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteiles durch den Beschuldigten. Solange er also nicht glaubhaft gemacht hat, dass ihn kein Verschulden träfe, darf die Behörde annehmen, dass der Verstoß bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermieden werden können.
Es wurde kein Vorbringen erstattet, das geeignet gewesen wäre, das mangelnde Verschulden des Beschwerdeführers glaubhaft zu machen. Vielmehr ist aufgrund der Tatumstände davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer seines strafbaren Handelns durchaus bewusst war bzw dies zumindest billigend in Kauf nahm.
Das Verschulden des Beschwerdeführer konnte nicht als gering eingestuft werden, da nicht hervorgekommen ist, noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen ist, dass die Einhaltung der übertretenen Verwaltungsvorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder dass die Verwirklichung der Tatbestände aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Es war somit von der Verwirklichung der Schuldfrage auszugehen und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich zu bestätigen.
Zum Einwand der Verjährung wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.5.1996, 96/03/00 16 und vom 25. Januar 2005, 2001/02/0154 verwiesen, wonach ein Fahrstreifenwechsel auch dann vorliegt, wenn ein Fahrzeug seine Fahrtrichtung so ändert, dass es auch nur teilweise auf einen anderen Fahrstreifen gerät. Es ist damit davon auszugehen, dass durch die von der Behörde vorgenommene Tatanlastung, wenn auch von einer Fahrtrichtungsänderung gesprochen wurde, die Tat hinreichend umschrieben war und eine Konkretisierung mit gegenständlicher Entscheidung zulässig war.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass es unmöglich erscheine, dass ein Delikt um 13:44 Uhr und eines von 13:45 verwirklicht worden sei ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Tatzeitangabe ausreichend ist, um den Beschwerdeführer in die Lage zu versetzen sich zu rechtfertigen und um die Gefahr einer Doppelbestrafung hintanzuhalten. Darüber hinaus sagt diese Tatzeitangabe nicht, dass zwischen den beiden Delikten tatsächlich eine volle Minute verstrichen ist.
Schlussendlich ist auszuführen, dass auf den Einwand der Befangenheit schon im Hinblick darauf, dass die Entscheidung der Behörde der vorliegenden Überprüfung durch das Verwaltungsgericht unterworfen wurde, nicht näher einzugehen ist.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind gemäß § 19 Abs. 2 VStG überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die vorliegenden Verwaltungsübertretungen schädigen das besonders bedeutsame Rechtsgut der Verkehrssicherheit; der objektive Unrechtsgehalt der Übertretung erweist sich als nicht gering. Das Rechtsgut wurde auch nicht unerheblich beeinträchtigt.
Auch das Verschulden kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen ist, dass die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Der Beschwerdeführer ist verwaltungsstrafrechtlich unbescholten, dieser Milderungsgrund wurde bereits von der Behörde beachtet. Sonstige Milderungsgründe oder Erschwerungsgründe sind nicht hervorgekommen.
Die in der Verhandlung angegebenen Einkommens- und Familienverhältnisse sind als durchschnittlich zu werten und wurden bei der Bemessung berücksichtigt.
Eine Strafherabsetzung kam unter Bedachtnahme auf die vorangeführten Strafbemessungsgründe, die general- und spezialpräventive Funktion der Verwaltungsstrafe und den gesetzlichen Strafsatz nicht in Betracht, zumal die von der belangten Behörde verhängten Strafen den gesetzlichen Strafrahmen bis zu 726,- Euro nur geringfügig ausschöpfen.
Zudem wird auf die Judikatur des VwGH verwiesen, wonach die Verhängung einer Geldstrafe auch dann gerechtfertigt ist, wenn der Bestrafte kein Einkommen bezieht und selbst das Vorliegen ungünstiger Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht bedeutet, dass Anspruch auf Verhängung der Mindeststrafe besteht (vgl. VwGH vom 1.10.2014, Ra 2014/09/0022 u.a.).
Auch kann eine Strafbemessung, die von dem Gedanken getragen ist, die Einhaltung einer Verwaltungsvorschrift durch die Verhängung entsprechend einschneidender Strafen, allenfalls der gesetzlich zulässigen Höchststrafen, zu erzwingen, nicht als gesetzwidrig angesehen werden, sofern bei der Strafbemessung mildernde Umstände und die Vermögenslage des Beschuldigten mit in Betracht gezogen worden sind (vgl. VwGH vom 11.11.1985, 85/10/0118).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Vorschreibung der Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten zwingenden gesetzlichen Vorschriften.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Fahrstreifenwechsel; kein BlinkerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.031.020.4789.2018Zuletzt aktualisiert am
26.11.2018