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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §18 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Dr. Helga Schmidt in Buchholz, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Gemeinderat der Stadtgemeinde Neusiedl am See wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bausache (weitere am Verfahren gemäß § 8 AVG beteiligte Parteien:
1. Ingrid Huber, 2. Dipl. Ing. Ernst Huber, beide in Wien XIII, Auhofstraße 231-237/VII/3), zu Recht erkannt:
Spruch
In Anwendung des § 42 Abs. 4 in Verbindung mit § 62 Abs. 2 VwGG und § 66 Abs. 4 AVG wird der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Neusiedl am See vom 3. September 1997, betreffend Bauplatzerklärung, aufgehoben und das Ansuchen der Ingrid und des Dipl.Ing. Ernst Huber vom 3. Dezember 1996 um Bauplatzerklärung für die Teilung von Grundstücken entsprechend dem Teilungsplan des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen D.I. Johann Horvath zurückgewiesen.
Die Stadtgemeinde Neusiedl am See hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 3. Dezember 1996 haben I.H und Dipl.Ing. E.H beantragt, das Grundstück Nr. 5757/292, EZ 5731, KG Neusiedl, zum Bauplatz zu erklären. Die Beschwerdeführerin sprach sich gegen die beantragte Bauplatzerklärung aus. Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 3. September 1997 wurde den Antragstellern die beantragte Genehmigung des Teilungsplanes GZ 1637-D/96 erteilt. Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin hat der Gemeinderat eine Erledigung vom 12. Dezember 1997 erlassen, mit der die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 3. September 1997 als unbegründet abgewiesen wurde. Diese Erledigung ist als Berufungsbescheid bezeichnet und für den Gemeinderat mit einer unleserlichen Unterschrift unterfertigt. Eine leserliche Beisetzung des Namens des Gefertigten oder ein Beglaubigungsvermerk der Kanzlei ist auf dieser Erledigung nicht enthalten.
Gegen diese Erledigung brachte die Beschwerdeführerin in der Folge Vorstellung an die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See ein. In weiterer Folge brachte die Beschwerdeführerin einen Devolutionsantrag an die Burgenländische Landesregierung ein. Mit Bescheid vom 19. Jänner 1999 wurde gemäß § 73 AVG der Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin mangels Vorliegens eines letztinstanzlichen Gemeindebescheides als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Erledigung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Neusiedl am See vom 12. Dezember 1997 stelle keinen Bescheid dar.
Am 1. Februar 1999 brachte die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Gemeinderat der Stadtgemeinde Neusiedl am See ein. Nach Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes, den versäumten Bescheid nachzuholen oder die Akten vorzulegen, legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor.
Mit Verfügung vom 4. August 1999 wurden die Antragsteller von der anhängigen Säumnisbeschwerde verständigt, diese nahmen daraufhin Akteneinsicht und gaben eine Stellungnahme ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG u.a. erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.
Gemäß § 18 Abs. 4 AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 158/1998 müssen alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden konnte die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der nach Abs. 2 genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmte. Da die im Akt einliegende Erledigung des Gemeinderates der Stadt Neusiedl am See mit einer unleserlichen Unterschrift unterfertigt und eine leserliche Beifügung des Namens des Genehmigenden fehlt und, wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, die leserliche Beifügung des Namens auch nicht durch die Angabe einer bloßen Funktionsbezeichnung - "Für den Gemeinderat" ersetzt werden kann (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1994, Zl. 94/05/0097), stellt die Erledigung vom 12. Dezember 1997 somit keinen Bescheid dar.
Da die belangte Behörde auch zwischenzeitlich nicht über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters entschieden hat, ein Antragsteller, der als Partei im Verwaltungsverfahren berechtigt war, die Entscheidungspflicht der Behörde geltend zu machen, aber jedenfalls Anspruch auf eine Entscheidung hat, selbst dann, wenn die Entscheidung nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung bestehen kann (vgl. den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A), war die Beschwerdeführerin berechtigt, Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Dieser hat, da die belangte Behörde in der eingeräumten Frist den Bescheid nicht nachgeholt hat, in der Sache selbst zu entscheiden.
Mit 1. Februar 1998 trat das Burgenländische Baugesetz 1997, LGBl. Nr. 10/1998, gemäß seinem § 35 in Kraft. Mangels anders lautender Übergangsbestimmungen ist dieses Gesetz auf das vorliegende, bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes anhängige Verfahren anzuwenden.
Das Burgenländische Baugesetz 1997 sieht, anders als die Burgenländische Bauordnung, LGBl. Nr. 13/1970 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 11/1994, keine Bauplatzschaffung mehr vor und auch keine Genehmigung von Teilungsplänen. Der Bauplatzerklärungsbescheid vom 3. September 1997 war daher mangels Rechtsgrundlage auf Grund der Berufung der Beschwerdeführerin zu beheben. Das Ansuchen der Mitbeteiligten war als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999050017.X00Im RIS seit
20.11.2000