TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/28 95/05/0202

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Veröffentlicht am 28.09.1999
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;

Norm

BauO NÖ 1976 §118 Abs9 Z1;
BauO NÖ 1976 §27 Abs2 idF 8200-12;
BauO NÖ 1976 §35 Abs1;
BauO NÖ 1976 §35 Abs3;
BauO NÖ 1976 §36 Abs4;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Roland Gassmann in Wien, vertreten durch Dr. Heinrich Nesvadba, Rechtsanwalt in Wien VI, Königsklostergasse 7, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems an der Donau vom 24. Mai 1995, Zl. MD-S-2/95/LA-Be, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: SK Immobilien GmbH in Krems an der Donau, vertreten durch Dr. Herwig Hammerer, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, Utzstraße 13), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Stadt Krems hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aufgrund der Baubewilligung vom 24. April 1914 errichtete die damalige Grundeigentümerin an der Anschrift Krems, Untere Landstraße 3, ein Bankgebäude. Das Gebäude wurde beidseits an den Grundstücksgrenzen errichtet; an das mehrstöckige, ca. 12,5 m tiefe Hauptgebäude schloss sich eine einstöckige Kassenhalle an. Mit Bescheid vom 6. November 1967 wurde antragsgemäß die Baubewilligung für einen Umbau der Kassenhalle und eine Ersetzung des gesamten Dachtragwerkes samt Glasdach (Laterne) über der Kassenhalle durch ein 2 Grad geneigtes Flachdach mit Acrylglaskuppeln erteilt.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 1988 zeigte die Sparkasse in Krems an, dass das aus den 60er-Jahren stammende Flachdach über dem Kassensaal mit seinen insgesamt 48 Lichtkuppeln Undichtheiten aufweise und daher rasch, noch vor dem Wintereinbruch, saniert werden müsse.

Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer des westseitigen Nachbargrundstückes auf Höhe der Kassenhalle, Pfarrplatz 16. Er fragte mit Schreiben vom 15. November 1988 bei der Baubehörde an, ob die bauliche Veränderung (neue Dachgestaltung des Kassenraumes) im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen erfolge.

Da in der Folge auch die Baubehörde die Auffassung vertrat, dass das Vorhaben bewilligungspflichtig sei, richtete die Sparkasse in Krems am 18. Februar 1989 an den Magistrat der Stadt Krems das Ansuchen um Bewilligung für die durchgeführte Neueindeckung des Flachdaches und den Einbau von vier Lichtbändern über dem Kassensaal der Sparkasse. Das Ansuchen wurde von der Mitbeteiligten als neuer Grundeigentümerin unterfertigt.

Der Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems an der Donau vom 26. September 1989, mit welchem eine Berufung des Beschwerdeführers gegen die aufgrund des genannten Gesuches erteilte Baubewilligung vom 26. Juli 1989 zurückgewiesen worden war, war Gegenstand des hg. Erkenntnisses vom 26. Juni 1990, Zl. 89/05/0212. Der Verwaltungsgerichtshof behob den angefochtenen Bescheid, weil selbst die Berufung eines Präkludierten nicht zurückzuweisen, sondern abzuweisen wäre. Die Behörde habe aber auch verkannt, dass sich der Beschwerdeführer gegen eine Erhöhung des Baues gegenüber seinem bisherigen Bestand ausgesprochen hätte, weshalb die Behörde verpflichtet gewesen wäre, in dieser Beziehung das Berufungsvorbringen auf seine sachliche Berechtigung hin zu prüfen. Weiters habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, dass ihm nicht in ausreichendem Maße Akteneinsicht gewährt worden wäre.

Zum weiteren Behördenverfahren wird auf die folgende Darstellung im hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1993, Zl. 92/05/0098, verwiesen:

"Schon vor Durchführung der mündlichen Verhandlung am 30. Juli 1991 erhob der Beschwerdeführer schriftlich eine Reihe von Einwendungen gegen das Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei. Bei der Verhandlung am 30. Juli 1991 beschrieb der die Verhandlung leitende bautechnische Amtssachverständige zunächst die Lage der Liegenschaft und das Bauvorhaben betreffend Sanierung eines Flachdaches. Hiebei wurde festgestellt, dass für diesen innerhalb des geschlossenen Altortkernes gelegenen Baukomplex nach dem Flächenwidmungsplan die Widmung Bauland-Kerngebiet festgesetzt sei. Ein Bebauungsplan existiere nicht. Mit Bescheid vom 24. April 1949 sei die gegenständliche Filiale genehmigt worden, wobei die räumliche Aufteilung gegenüber dem heutigen Bestand nahezu unverändert sei. Sanierungsmaßnahmen betreffend das seinerzeit schadhafte Dach seien Gegenstand der Baubewilligung vom 6. November 1967 gewesen. Im Zuge dieser Umbauarbeiten sei auch die derzeit bestehende Deckenkonstruktion in Form einer Tramtraversendecke eingebaut bzw. die bestehende Tramtraversendecke umgebaut worden. Im Jahre 1988 sei eine neuerliche Sanierung des Daches erforderlich geworden, welche Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens sei. Noch vor Abschluss des Baubewilligungsverfahrens seien die Arbeiten vorgenommen worden. Die Sanierung sei dadurch erfolgt, dass die bestehenden Lichtkuppeln durch ein geschlossenes Lichtkuppelband überdacht worden seien; durch diese und weitere Sanierungsmaßnahmen sei in die Deckenkonstruktion nicht eingegriffen worden. Die Überdachung der bestehenden Lichtkuppeln habe eine Erhöhung des Aufsatzkranzes von 20 cm gegenüber den seinerzeitigen Lichtkuppelaufsatzkränzen von 14 cm mit sich gebracht. Bedingt durch die örtliche Situation würden die Lichtkuppelbänder unmittelbar bis an die den Innenhof umschließenden Hausmauern reichen. Im Bereich der Außenmauern des Hauses des beschwerdeführenden Nachbarn und eines weiteren Nachbarn seien jeweils Haupt- und Nebenfenster vorhanden, wobei die Parapethöhe der Fenster des Beschwerdeführers in der Höhe des Flachdaches liege. In seinem Gutachten vertrat der technische Amtssachverständige die Auffassung, dass nur die Sanierung des bestehenden Daches Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens sei. Bei der Durchführung und Planung der Adaptierungsarbeiten sei der vorbeugende Brandschutz nicht berücksichtigt worden. Im Falle eines Brandereignisses wäre in jedem Fall mit einem direkten Durchbrand durch die Lichtkuppeln und die unmittelbar danebenliegenden Fenster in die darüberliegenden Wohnungen zu rechnen, da die Lichtkuppelkonstruktion zusammen mit der bestehenden Dach- und Deckenkonstruktion rechnerisch als F 0 zu bezeichnen sei. Gerade jedoch auf diese Maßnahmen, im Besonderen den erhöhten Brandschutz zur Sicherung bzw. zum Schutz von Personen und Sachen, sei gemäß § 63 der NÖ Bauordnung einzugehen, um eine Baubewilligung erteilen zu können. In Anbetracht dieser Tatsache erachtete der Amtssachverständige eine Reihe von Baumaßnahmen als erforderlich, die er als vorzuschreibende Auflagen in Aussicht nahm. Unter Punkt

1) wurde hiebei die Entfernung des ersten Feldes der drei Lichtkuppelbänder entlang der Mauer des Hauses des Beschwerdeführers vorgesehen, um einen direkten Übergriff beim Brand der großflächigen PVC-Felder der Lichtkuppeln auf die Fenster des Anrainers hintanzuhalten. Dadurch würden die zwei bestehenden Lichtkuppeln im Bereich jeden Lichtbandes, wie seinerzeit vorhanden, frei und seien in die neue Blechdachkonstruktion feuchtigkeitsdicht einzubinden. Unter Punkt 2) wurde im Bereich der frei werdenden bestehenden Lichtkuppeln und im Bereich anderer Lichtkuppeln die Ersetzung der bestehenden Drahtglasfelder durch G 60-Verglasungen in Aussicht genommen. In einem Punkt 3) erachtete der Amtssachverständige eine Prüfung der Tragkonstruktion der abgehängten Glasdecke auf ihre Tragsicherheit und das Standhalten einer Brandeinwirkung von mindestens 60 Minuten als erforderlich; dies sei durch ein Gutachten zu belegen, sollte die Abhängekonstruktion dem nicht entsprechen, wäre sie entsprechend zu sanieren. Auf Grund eines Vorbringens der mitbeteiligten Bauwerberin stellte der Amtssachverständige einvernehmlich mit einem Vertreter der freiwilligen Feuerwehr fest, dass bei Installation einer Brandmeldeanlage die Auflagen als erfüllt betrachtet werden könnten bzw. eine solche Installation im Hinblick auf den Brandschutz eine Verbesserung darstellen würde.

Zu den Einwendungen des Beschwerdeführers stellte der Amtssachverständige fest, dass die Verbauung des Hofes einschließlich der gegenständlichen Decke und der Flachdachkonstruktion nicht Gegenstand des Verfahrens sei, da es sich um einen konsensgemäßen Altbestand handle. In jedem Fall sei jedoch eine Hofverbauung innerhalb des geschlossenen Ortskernes möglich und auch im eingegrenzten Beurteilungsbereich vorhanden. Die Belichtung und Belüftung der Anrainerfenster werde durch die baulichen Maßnahmen nicht eingeschränkt.

Mit Bescheid vom 19. September 1991 erteilte der Magistrat Krems die nachträgliche Baubewilligung für die Sanierung des Flachdaches unter gleichzeitiger Vorschreibung von Auflagen. Weiters wurde festgehalten, dass als Alternative für die Auflagen Punkte 2) und 3) eine Brandmeldeanlage eingebaut werden könne. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden zum Teil als unbegründet abgewiesen, zum Teil als unzulässig zurückgewiesen."

Der Bescheid der belangten Behörde, mit welchem einer vom Beschwerdeführer gegen die Baubewilligung vom 19. September 1991 erhobenen Berufung keine Folge gegeben worden war, wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit dem genannten Erkenntnis vom 18. Mai 1993 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Ausgehend davon, dass dem Nachbarn ein Rechtsanspruch auf die Einhaltung von Bestimmungen über den Brandschutz zukomme (§ 118 Abs. 9 Z. 1 der N.Ö. BauO 1976) teilte der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis die Auffassung des Beschwerdeführers, dass das eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen nicht schlüssig sei:

"Wenn nämlich in brandtechnischer Hinsicht das Projekt als unzureichend zu beurteilen ist, dann kann eine Sanierung dieses Mangels nicht dadurch erreicht werden, dass eine Brandmeldeanlage installiert wird, kann doch diese nur den rascheren Einsatz von Brandbekämpfungsmaßnahmen ermöglichen, nicht aber den durch baurechtliche Bestimmungen gewährleisteten Schutz des Nachbarn garantieren. Jedenfalls hat der Amtssachverständige nicht in nachvollziehbarer Weise dargetan, dass der Schutz des Nachbarn dennoch ausreichend gewährleistet ist." Jedenfalls habe das bisher durchgeführte Ermittlungsverfahren nicht ergeben, dass die Bestimmungen über den Brandschutz, auf deren Einhaltung dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht zustehe, eingehalten seien.

Über Auftrag der Berufungsbehörde äußerte sich der Amtssachverständige in seinem Gutachten vom 21. März 1995 dahingehend, dass er mit den Punkten 1 bis 3 der Auflagen einen erhöhten vorbeugenden Brandschutz vorgeschlagen habe. Diesen Vorschreibungen sei aus bau- und brandschutztechnischer Hinsicht nichts mehr hinzuzufügen. Sie stellten die Mindestanforderungen im Hinblick auf den Altbestand dar und blieben nach wie vor vollinhaltlich aufrecht. Im Spruch des Bescheides sei anscheinend irrtümlich ein Alternativvorschlag aufgenommen worden, wonach für die Auflagenpunkte 2 und 3 auch eine Brandmeldeanlage mit Vollschutz im gesamten Kassenbereich eingebaut werden könne. Dazu stellte der Sachverständige fest, dass es sich um einen Alternativvorschlag gehandelt habe, bei dessen Verwirklichung die Vorlage von Projektsunterlagen zur genauen Beurteilung und Erstellung eines Gutachtens unumgänglich notwendig wären, da dies eine Abweichung zum seinerzeit beantragten Konsens dargestellt hätte. Jedenfalls sei dieser Alternativvorschlag nicht Gegenstand seiner Begutachtung und blieben die Auflagenpunkte 1 bis 3 des in der Verhandlung vom 30. Juli 1991 erstatteten Gutachtens vollinhaltlich aufrecht.

In seiner Stellungnahme dazu forderte der Beschwerdeführer die Einholung eines "neutralen" Brandschutzgutachtens. Die gesamte Einheit der Dach- und Deckenkonstruktion sei nach wie vor nicht entsprechend brandgesichert. Die Bestimmungen F 90 seien nicht gegeben. Es sei festgestellt worden, dass die Tramtraversendecke brandschutzmäßig als F 0 zu bezeichnen sei, also unzulässig wäre. Die Bedingungen der Punkte 1 bis 3 würden keinesfalls das Konstruktions- bzw. Brandschutzerfordernis nach F 90 erfüllen.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 19. September 1991 dahingehend Folge, dass der vorletzte Absatz der Seite 2 des Bescheides, "als Alternative für die Auflagenpunkte 2 und 3 kann auch eine Brandmeldeanlage mit Vollschutz im gesamten Kassenbereich entsprechend der TRVB 123 eingebaut werden. In diesem Falle sind die Auflagenpunkte 2 und 3 als erfüllt zu betrachten, wobei keine Änderung in der Ausführungsfrist eintritt", (ersatzlos) zu streichen war. Die übrigen Teile des erstinstanzlichen Bescheides blieben unverändert.

In ihrer Begründung ging die belangte Behörde davon aus, dass bei der Sanierung des gegenständlichen Flachdaches ein vorbeugender Brandschutz in einem Ausmaß von F 90 gegeben sein müsse. Gemäß § 63 Abs. 2 der N.Ö. BauO könne die Baubehörde von den Vorschriften des ersten Unterabschnittes (und somit von technischen Vorschriften hinsichtlich Brandschutz) absehen, soferne vom Standpunkt der Sicherheit von Personen und Sachen keine Bedenken bestünden. Der Amtssachverständige habe sich unter Berücksichtigung der speziellen Lage der angrenzenden Fenster mit der Problematik des Brandschutzes auseinander gesetzt und zur Hintanhaltung der Brandgefahr auch für das Objekt des Berufungswerbers die Vorschreibung von Auflagen für nötig erachtet. Dabei sei er von einer Tragsicherheit der abgehängten Glasdecke und dem Standhalten einer Brandwirkung von mindestens 60 Minuten ausgegangen. Aus seiner fachlichen Sicht hätten bei Erfüllung dieser Auflagen und somit eines Standhaltens der Decke für 60 Minuten vom Standpunkt der Sicherheit von Personen und Sachen keine Bedenken bestanden. Im Übrigen verwies die Berufungsbehörde auf ihre grundsätzliche Verpflichtung, Amtssachverständige beizuziehen. Soweit der Beschwerdeführer die Ausstattung der Decke in der Brandschutzklasse F 90 verlange, sei er nicht auf gleicher fachlicher Ebene darauf eingegangen, worin die Bedenken der Sicherheit von Personen und Sachen bestünden. Er hätte dem Amtssachverständigengutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten können, wenn er grundlegende Bedenken an der Richtigkeit des Gutachtens gehabt hätte. Die Behörde habe keinen Grund erkennen können, die Schlüssigkeit des Gutachtens anzuzweifeln. Die vom Verwaltungsgerichtshof aufgezeigte Unschlüssigkeit sei aufgeklärt worden, in dem der den Alternativvorschlag beinhaltende Bescheidteil ersatzlos behoben worden sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich insbesondere in seinem Recht auf Einhaltung der Brandschutzvorschriften verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor; die Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Dieser Verpflichtung ist die belangte Behörde insoferne nachgekommen, als die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis aufgezeigte Unschlüssigkeit beseitigt wurde. Der Gerichtshof hat aber auch darauf hingewiesen, dass das bisher durchgeführte Ermittlungsverfahren nicht ergeben hätte, dass die Bestimmungen über den Brandschutz, auf deren Einhaltung den Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht zustehe, eingehalten seien.

Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides galt die Nö BauO 1976 in der zuletzt durch die Novelle LGBl. 8200-12 geschaffenen Fassung (BO). Daher waren insbesondere die technischen Bauvorschriften des V. Abschnittes, die erst am 1. Jänner 1996 außer Kraft getreten sind, noch anwendbar.

Zu den Brandschutzbestimmungen, auf deren Einhaltung der Nachbar gemäß § 118 Abs. 9 Z 1 BO einen Rechtsanspruch hat, zählt zunächst § 27 Abs. 1 Z. 2 BO, wonach das Bauwerk derart geplant und ausgeführt sein muss, dass bei einem Brand u.a. die Ausbreitung von Feuer auf benachbarte Bauwerke begrenzt wird. Das Vorhaben betraf die Eindeckung des Flachdaches über dem Kassensaal; der Abs. 4 des Decken regelnden § 36 BO lautet:

"Decken über freien Räumen (Durchfahrten, Arkaden, auskragende Gebäudeteile u. dgl.) oder über Betriebsräumen müssen mindestens die für die Außenwände des betreffenden Gebäudes geforderten Brandwiderstandsfähigkeit aufweisen und samt Fußboden den besonderen Anforderungen hinsichtlich Wärme- und Schallschutz entsprechen. Die Decken von Stiegenhäusern und Hauptgängen müssen, soferne nicht anderes bestimmt ist, brandbeständig sein."

Da hier eine Decke über einer Betriebsräumlichkeit gegenständlich ist, muss sie die für die Außenwände des Gebäudes geforderte Brandwiderstandsfähigkeit aufweisen; die Außenwände sind aber Außenwände an einer Grundstücksgrenze, weshalb gemäß § 35 Abs. 1 BO auch die Decke die Widerstandsfähigkeit einer äußeren Brandwand aufweisen muss. Nach § 35 Abs. 3 BO müssen äußere und innere Brandwände brandbeständig sein.

Die vom Sachverständigen geforderten Auflagen, die nunmehr ohne Alternative in den Bescheid Eingang gefunden haben, sahen sowohl für die Drahtglasfelder selbst als auch für die Tragekonstruktion das Standhalten einer Brandeinwirkung von mindestens 60 Minuten (Brandwiderstandsklasse F 60) vor. Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid aus, aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und des vorliegenden Sachverhaltes sei davon auszugehen, dass bei der Sanierung des gegenständlichen Flachdaches ein vorbeugender Brandschutz in einem Ausmaß von F 90 gegeben sein müsse. Dem ist zuzustimmen, da § 27 Abs. 2 BO vorsieht, dass die wesentlichen Anforderungen jeweils den Erkenntnissen der technischen Wissenschaften entsprechend zu erfüllen sind und dies jedenfalls anzunehmen sei, wenn harmonisierte Normen, europäische technische Zulassungen oder österreichische technische Zulassungen eingehalten werden. Die bei Hauer-Zaussinger, Nö BauO4, 200 wiedergegebene ÖNORM B 3800 definiert die Brandwiderstandsklasse F 90 als "brandbeständig"; ausgehend davon, dass die ÖNORM den Stand der technischen Wissenschaften widergibt, entspricht somit die Brandwiderstandsklasse F 90 den Anforderungen an äußere und innere Brandwände im Sinne des § 35 Abs. 3 BO.

Unter Anwendung des § 63 Abs. 2 BO gelangte allerdings die belangte Behörde auf Grundlage des Sachverständigengutachtens zum Ergebnis, dass im besonderen Fall die Brandwiderstandsklasse F 60 ausreichend sei. Nach dieser Bestimmung kann zur Erhaltung von künstlerisch wertvollen Bauwerken sowie bei Erneuerung von Ortskernen und Altortgebieten von den Vorschriften des ersten Unterabschnittes (§§ 27 bis 61 BO) abgesehen werden, soferne vom Standpunkt der Sicherheit von Personen und Sachen keine Bedenken bestehen. Die belangte Behörde zieht also diese Gesetzesbestimmung heran, um anstelle des gesetzlichen Erfordernisses der Brandbeständigkeit (§ 36 Abs. 4 in Verbindung mit § 35 Abs. 3 BO) eine bloß hochbrandhemmende Ausführung (F 60) zuzulassen.

Für die Einräumung dieser Begünstigung fehlen jedoch, wie der Beschwerdeführer richtig aufzeigt, die erforderlichen Tatsachenfeststellungen. Ohne Begründung hat die Behörde vorausgesetzt, dass die hier gegenständliche Deckensanierung der "Erhaltung von künstlerisch wertvollen Bauwerken" dient. Der Sachverständige ging von der früheren Deckenkonstruktion aus, die er der Brandschutzklasse "F 0" zuordnete, und forderte Baumassnahmen, mit denen die Brandschutzklasse F 60 erreicht werden könne. Es fehlt aber eine gutächtliche Äußerung dazu, warum vom gesetzlichen Erfordernis der Brandbeständigkeit (F 90) bedenkenlos (im Sinne des § 63 Abs. 2 BO) abgegangen werden kann. Dabei könnte auch die erschwerte Brandbekämpfungsmöglichkeit in einem allseits umschlossenen Innenhof eine Rolle spielen. Erst nach vollständiger Klärung durch ein entsprechendes Gutachten kann die vom Gesetz geforderte Abwägung ("kann abgesehen werden") vorgenommen werden.

Jedenfalls reichen die bisherigen Verfahrensergebnisse nicht aus, um Bedenken vom Standpunkt der Sicherheit von Personen und Sachen auszuräumen. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie - ausgehend von der hier noch gegebenen Rechtslage - ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG Abstand genommen werden.

Wien, am 28. September 1999

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Brandschutz (Bestimmungen feuerpolizeilichen Charakters) BauRallg5/1/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1995050202.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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