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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Caroline Hebenstreit, des Helmut Winterleitner, der Magarethe Tomasec, des Johannes Katzenbeißer, des Christian Ecker, der Elisabeth Gaisrucker, des Bernd Gaisrucker, des Johann Reiser, der Josefine Zehetner, des Dr. Paul Mayer, der Ruth Mayer, der Monika Storczer und des Johann Storczer, alle in Neulengbach, alle vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, Wiener Straße 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. Mai 1999, Zl. RU1-V-96008/01, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Rehau Polymer Industrie Gesellschaft mbH in Neulengbach, vertreten durch Schönherr Barfuss Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Tuchlauben 13, 2. Marktgemeinde Neulengbach, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben zusammen dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 21. Juni 1995, eingelangt bei der Behörde am 23. Juni 1995, beantragte die Erstmitbeteiligte die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Lagerplatzes auf den Grundstücken Nr. 487/2 und 549/1 der KG Tausendblum. Über dieses Ansuchen wurde mit Ladung vom 28. Juni 1995 eine mündliche Verhandlung für den 13. Juli 1995 anberaumt, zu der die Beschwerdeführer als Anrainer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurden. Anlässlich der Verhandlung sprachen sich die Beschwerdeführer gegen die Erteilung der Baubewilligung aus und erhoben Einwendungen hinsichtlich Staub und Lärm, Verletzung des Ortsbildes, Rutschgefahr sowie Brand- und Rauchgasgefährdungen. Der bautechnische Sachverständige erachtete die ergänzende Beibringung eines sanitätstechnischen Gutachtens, eines lärmschutztechnischen Gutachtens, eines geologischen Gutachtens und einer statischen Berechnung für erforderlich.
Mit einer am 9. August 1995 bei der Baubehörde eingelangten Eingabe brachten die Anrainer vor, der Lagerplatz stehe hinsichtlich seiner Anordnung auf dem Bauplatz oder seiner Höhe in einem auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung.
Nachdem die erstmitbeteiligte Partei die erforderlichen Gutachten nachgereicht hatte, wurden diese den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebracht.
Mit Bescheid vom 6. Dezember 1995 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die beantragte Baubewilligung. Die dagegen eingebrachte Berufung der Beschwerdeführer hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 25. Juni 1996 abgewiesen. Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 8. Jänner 1997 das Verfahren ausgesetzt. Beim Verfassungsgerichtshof sei derzeit ein durch die Beschwerdeführer angestrengtes Beschwerdeverfahren anhängig. Die Anrainer fühlten sich in ihren Rechten einerseits durch die Anwendung des ihrer Ansicht nach verfassungswidrigen § 118 Abs. 9 letzter Satz der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 in der Fassung LGBl. 8200-13, andererseits durch die Ausweisung im Flächenwidmungsplan (teilweise als Betriebsgebiet und teils als Industriegebiet) in ihren Rechten verletzt. Dieser Bescheid blieb unbekämpft.
Mit Bescheid vom 14. Mai 1999 hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 25. Juni 1996 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen ausgeführt, der erstinstanzliche Bescheid sei ein Bescheid im Rechtssinn, da es sich um eine vervielfältigte Ausfertigung handle, dem Originalbescheid sei die Unterschrift des Genehmigenden beigesetzt. Der Verfassungsgerichtshof habe mittlerweile in seinem Erkenntnis vom 9. Dezember 1998, G 134/98, den letzten Satz des § 118 Abs. 8 der Nö BauO 1976 als verfassungswidrig aufgehoben, diese Aufhebung gelte jedoch nur für den Anlassfall bzw. auf die dem Anlassfall gleichzuhaltenden Beschwerdefälle, wozu der gegenständliche Fall aber nicht zähle, sodass hier das Mitspracherecht der Nachbarn nur in jenen Fällen gegeben sei, die in § 118 Abs. 9 Z. 4 der Nö BauO 1976 umschrieben seien. Die dort genannten Kriterien bezögen sich auf Gebäude. Verfahrensmängel könnten die Nachbarn nur insoweit mit Erfolg geltend machen, als sie dadurch in der Verfolgung ihrer subjektiv-öffentlichen Anrainerrechte beeinträchtigt würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Das Original des erstinstanzlichen Bescheides vom 6. Dezember 1995, das im Verwaltungsakt einliegt, ist vom Bürgermeister eigenhändig unterfertigt. Dieser Bescheid ist an insgesamt 35 Adressaten ergangen. Die von den Beschwerdeführern vorgelegte, ihnen zugekommene Ausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides ist eindeutig eine Vervielfältigung.
Gemäß § 18 Abs. 4 AVG in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 158/1998, müssen alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt. Bei vervielfältigten Ausfertigungen oder in Fällen, in denen der Inhalt einer Erledigung in einer solchen technischen Weise mitgeteilt wird, die eine genaue Wiedergabe des Originals ermöglicht, ist die Unterschrift oder deren Beglaubigung auf der zu vervielfältigenden Ausfertigung oder auf dem Original anzubringen.
Da das Original unterfertigt ist, und es sich um eine Vervielfältigung handelt, die den Inhalt des Originals genau wiedergibt, entspricht der erstinstanzliche Bescheid dem Erfordernis des § 18 Abs. 4 AVG in der hier maßgeblichen Fassung. Die Ansicht der Beschwerdeführer, es könne sich um keine Kopie handeln, da bei einer Kopie des Originals auch die dort befindliche eigenhändige Unterschrift mitkopiert werden müsste, ist zwar richtig, bei anderen als durch Kopieren hergestellten Vervielfältigungen, zB durch Druck oder mit Schreibautomaten, ist dieses Argument jedoch nicht stichhaltig; entscheidend ist gemäß § 18 Abs. 4 letzer Satz AVG, dass sich die Unterschrift auf der zu vervielfältigenden Ausfertigung oder auf dem Original befinden kann.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom 9. Dezember 1998, G 134/98-9, G 237/98-3, § 118 Abs. 9 letzter Satz der Nö BauO 1976 als verfassungswidrig aufgehoben. Die Bestimmung war diesem Erkenntnis zufolge auch in dem beim Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 96/05/0020 anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.
Die Beschwerdeführer haben zwar eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof eingebracht, diese bezog sich jedoch nicht auf den gegenständlichen Beschwerdefall, sondern auf ein nahe gelegenes Grundstück. Im hier beschwerdegegenständlichen Fall waren die Beschwerdeführer weder Partei im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofs, Zl. 96/05/0020, noch lagen ihre Beschwerden dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 9. Dezember 1998, G 134/98-9, G 237/98-3, zu Grunde. Das Beschwerdeverfahren war daher kein "Anlassfall". Die belangte Behörde hatte somit die Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeinderates geltende Rechtslage, somit § 118 Abs. 9 inklusive seines letzten Satzes der Nö BauO 1976 anzuwenden.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist unter den "vor der Aufhebung verwirklichten Tatbeständen" im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG nicht die Errichtung des Baues, sondern das baubehördlichen Bewilligungsverfahren zu verstehen.
Im vorliegenden Fall wurden daher subjektiv-öffentliche Rechte nur durch die Bestimmungen gemäß § 118 Abs. 9 Z. 4 Nö BauO 1976, d. h. die Bestimmungen über die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung begründet, da das gegenständliche Bauvorhaben außer der baubehördlichen auch einer gewerbebehördlichen Genehmigung bedurfte. Die Bestimmungen über den Brandschutz und den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf Anrainergrundstücke ausdehnen können, begründeten im vorliegenden Fall daher keine subjektiv-öffentlichen Rechte der Beschwerdeführer. Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf der unvollständlichen Ermittlungstätigkeit bezieht sich aber gerade auf Bestimmungen über den Brandschutz und auf Bestimmungen über den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen könnten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/05/0201, u. v.a.) können die einer Partei eingeräumten prozessualen Rechte aber nicht weiterreichen, als die ihr durch das Gesetz eingeräumten materiellen Rechte. Auch die in der Beschwerde geltend gemachte Befangenheit des Sachverständigen bezog sich auf die in der Beschwerde monierte Einhaltung der Bestimmungen über den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf Anrainergrundstücke ausdehnen könnten. Da den Beschwerdeführern im Hinblick auf diese anderen Gefahren kein Mitspracherecht zukommt, stand ihnen in diesem Zusammenhang auch kein Ablehnungsrecht nach § 53 AVG zu.
Die Beschwerdeführer rügen weiters, die Behörde hätte sich mit den Einwendungen, die den Widerspruch des Bauvorhabens zur bestehenden Bebauung betreffen, zu Unrecht nicht befasst.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, ausgesprochen, dass sowohl die Berufungsbehörde als auch die Aufsichtsbehörde und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts durch eine gemäß § 42 AVG eingetretene Präklusion auf die Prüfung rechtzeitig erhobener Einwendungen beschränkt sind. Die Beschwerdeführer waren zur mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 1995 unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen geladen worden. Eine weitere mündliche Verhandlung wurde nicht durchgeführt. Da die Beschwerdeführer nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung oder während der Verhandlung ein Vorbringen hinsichtlich eines auffallenden Widerspruchs und hinsichtlich der Anordnung des Bauvorhabens auf dem Bauplatz vorgebracht haben, hat die Baubehörde erster Instanz mit Recht dieses Vorbringen als präkludiert beurteilt.
Da sich somit die Beschwerde zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. September 1999
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2Umfang der Abänderungsbefugnis Allgemein bei Einschränkung der Berufungsgründe beschränkte ParteistellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999050164.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
08.08.2009