TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/23 L521 1432443-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.2018
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Entscheidungsdatum

23.07.2018

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L521 1432443-2/9E

L521 1432444-2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias KOPF, LL.M. über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2017, Zl. 570259601-161699371, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.05.2018 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass er in seinem Spruchpunkt III. zu lauten hat:

"Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX, geb. XXXX, ist gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig. Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt."

III. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias KOPF, LL.M. über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2017, Zl. 570259710-161699380, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.05.2018 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass er in seinem Spruchpunkt III. zu lauten hat:

"Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX, geb. XXXX, ist gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt."

III. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet, Staatsangehörige der Türkei, der kurdischen Volksgruppe zugehörig und alevitischen Glaubens.

2.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin stellten im Gefolge ihrer gemeinsamen unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 10.11.2011 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Erstverfahren einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tag der Antragstellung gab der Erstbeschwerdeführer bezüglich seiner Ausreisegründe an, dass er als Kurde immer im Nachteil gewesen sei. Er habe immer Schläge erhalten. Sogar die Polizei habe ihn geschlagen und bedroht und habe er auch Grundstücke hergeben müssen. Ein Onkel von ihm sei von der Polizei getötet worden.

Er sei immer bei der demokratischen Partei gewesen und habe ihn das Militär festgenommen und zusammengeschlagen. 1993 sei er vom Militär oft eingesperrt und gefoltert worden. Des Weiteren habe man auch versucht, ihn zur Spionage zu verpflichten und habe man ihn mit dem Umbringen bedroht, wenn er dies nicht mache.

Bei einer Rückkehr in die Türkei werde ihn die Polizei umbringen. Diese hätte ihn schon oft in der Nacht mitgenommen. Er werde zusammengeschlagen und irgendwo liegen gelassen, dies sei schon einmal so gewesen.

2.2. Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tag der Antragstellung gab die Zweitbeschwerdeführerin bezüglich ihrer Ausreisegründe an, dass sie die Türkei wegen ihres Ehegatten verlassen habe, da dieser von der Polizei nie in Ruhe gelassen worden sei. Dieser sei am Abend oft abgeholt worden und erst am nächsten Tag wieder nach Hause gekommen. Bei diesen Mitnahmen sei er von der Polizei gefragt worden, ob er spioniere und habe man ihn auch geschlagen und bedroht.

Es sei ihr und ihrem Ehegatten in der Türkei gut gegangen. Dies habe der Polizei nicht gepasst. Sie seien immer gekommen, weil sie Kurden seien. Ihr Ehegatte habe dies nicht mehr ausgehalten, weshalb sie geflohen seien.

3.1. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesasylamt am 15.11.2011 und am 03.08.2012 im Beisein eines Dolmetschers in türkischer Sprache im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen, wobei er angab, dass er jeden zweiten Tag in Gewahrsam genommen und geschlagen bzw. gefoltert worden sei.

Ein Bruder namens XXXX, lebe in Österreich und habe die österreichische Staatsbürgerschaft. Auch ein Onkel und mehrere Cousins würden sich in Vorarlberg befinden.

Ein Onkel bzw. Cousin der Mutter namens XXXX sei bei der Partiya Karkerên Kurdistanê (nachfolgend: PKK) und Guerilla gewesen. Dieser sei verhaftet und drei Monate danach sei er in Gewahrsam genommen worden. Sein Onkel verbüße eine lebenslängliche Freiheitsstrafe. Ein anderer Onkel, XXXX, sei vom Militär umgebracht worden. Bei einer Rückkehr in die Türkei werde er verhaftet und getötet, weil er Kurde und Alevit sowie Mitglied der Baris ve Demokrasi Partisi (nachfolgend: BDP) sei. Am 01.05.1988 sei er in Istanbul nach einer Demonstration von der Polizei verhaftet und gefoltert worden. Er sei mehrmals von der Polizei in Zusammenhang mit Demonstrationen mitgenommen worden, dies sei bis zur Ausreise so gegangen. Die Polizei sei zu ihm nach Hause gekommen und habe ihn mitgenommen. Im Jahr 1993 sei er wegen Unterstützung er PKK angeklagt, jedoch freigesprochen worden. Seit 1988 sei er unterschiedlich oft mitgenommen worden, es habe ein Jahr gegeben, wo es nur einmal gewesen sei, dann wiederum mehrmals im Monat. In seiner Familie habe es keine Verbindungen zur PKK gegeben.

Er wisse nicht, ob er derzeit in seiner Heimat von der Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht oder sonstigen Behörden gesucht werde. Er sei ungefähr seit dem Jahr 2010 Mitglied der BDP und früher Sympathisant gewesen.

3.2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt am 15.11.2011 und am 03.08.2012 im Beisein eines Dolmetschers in türkischer Sprache im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen, wobei sie angab, dass ihr Ehegatte gefoltert und ständig in Gewahrsam genommen worden sei, weshalb sie mit ihm geflohen sei. Die Zweitbeschwerdeführerin habe keine eigenen Gründe. Wegen des Stresses habe sie während der Schwangerschaft ein Kind verloren. Was ihr Ehegatte erzählt habe, sei richtig. Er sei oft von der Polizei mitgenommen worden. Er habe ihr nie erzählt, was die Polizei von ihm gewollt habe. Als er nach Hause gekommen sei, habe er blaue Flecken, jedoch keine größeren Verletzungen gehabt. Im Jahr 1993 sei er einmal vor Gericht gestanden, jedoch freigesprochen worden. Sie wisse nicht, ob es später Anzeigen gegen ihren Ehegatten gegeben habe.

Bei einer Rückkehr in die Türkei habe sie Angst, dass ihrem Ehegatten etwas passieren könne. Ein Bruder namens XXXX lebe in XXXX und besitze einen fremdenrechtlichen Aufenthaltstitel für Österreich.

4.1. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.12.2012 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf internationalen Schutz in Spruchteil I. unter Berufung auf

§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen; in Spruchteil II. wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen; in

Spruchpunkt III. wurde der Erstbeschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

Das Bundesasylamt traf darin aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben zur allgemeinen Lage in der Türkei.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die Angaben des Erstbeschwerdeführers, wonach er im Jahr 1988 festgenommen und im Jahr 1993 wegen Unterstützung der PKK angeklagt, jedoch freigesprochen worden sei, ebenso glaubwürdig seien, wie das Vorbringen, dass er mehrmals von der Polizei mitgenommen worden sei, da Verwandte bei der PKK seien. Nicht nachvollziehbar und daher unglaubwürdig sei hingegen, dass er dabei jedes Mal gefoltert worden sei. Der vom Erstbeschwerdeführer zur Begründung vorgebrachte Fluchtgrund habe daher in keinster Weise als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden können.

Zu Artikel 2 und 3 EMRK wurde ausgeführt, dass keine Umstände amtsbekannt seien, dass in der Türkei eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, einer Gefährdung im Sinne der Artikel 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Der Erstbeschwerdeführer habe es auch nicht vermocht, glaubhaft darzulegen, dass er im Falle einer Rückkehr keine Lebensgrundlage mehr hätte, da ihm zugemutet werden könne, dass er im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen könne.

Hinsichtlich Artikel 8 EMRK wurde ausgeführt, dass die Ehegattin des Erstbeschwerdeführers im selben Umfang wie er selbst von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen sei, weshalb diesbezüglich die Ausweisung keinen Eingriff in sein Familienleben darstelle. Es hätten sich keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen in Österreich ergeben und sei dies vom Erstbeschwerdeführer auch nicht behauptet worden. Der Erstbeschwerdeführer sei auf die Unterstützung aus der Grundversorgung angewiesen und sei daher sein Unterhalt in Österreich keinesfalls auf Dauer gesichert. Aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer sei daher davon auszugehen, dass in Österreich ein schützenswertes Privatleben nicht entstanden sei. Daher ergebe sich, dass die Ausweisung dringend zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten sei und seien auch keine weiteren Umstände ersichtlich, die für eine gegenteilige Entscheidung zu seinen Gunsten sprechen würden.

4.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.12.2012 wurde der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz in Spruchteil I. unter Berufung auf § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen; in Spruchteil II. wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen; in Spruchpunkt III. wurde die Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

Das Bundesasylamt traf darin aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben zur allgemeinen Lage in der Türkei.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die Zweitbeschwerdeführerin ihren Fluchtgrund auf die Probleme ihres Ehegatten gestützt und erklärt habe, nur wegen den Schwierigkeiten ihres Ehegatten die Türkei verlassen zu haben. Dieser habe jedoch keine konkrete Verfolgung glaubhaft darlegen können. Des Weiteren seien keine Umstände ersichtlich, dass die Zweitbeschwerdeführerin in ihrem Heimatland einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Hinsichtlich Artikel 8 EMRK wurde ausgeführt, dass die Kernfamilie der Zweitbeschwerdeführerin, ihr Ehegatte, im selben Umfang wie sie selbst von aufenthaltsbeendigenden Maßnahmen betroffen sei, weswegen die Ausweisung keinen Eingriff in ihr Familienleben darstelle. Aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich sei davon auszugehen, dass ein schützenswertes Privatleben nicht entstanden sei. Daher ergebe sich, dass die Ausweisung dringend zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten sei.

5. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesasylamtes vom 17.12.2012 wurde den Beschwerdeführern jeweils gemäß § 66 Abs. 1 AsylG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

6. Gegen diesen den beiden Beschwerdeführern jeweils am 22.01.2013 zugestellten Bescheid wurde am 31.01.2013 mit einem für die Beschwerdeführer identen Schreiben fristgerecht Beschwerde erhoben.

Begründend wurde im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt und ausgeführt, dass die Angaben des Erstbeschwerdeführers immer gleichlautend, vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nachvollziehbar, plausibel und in sich schlüssig seien, weshalb eine Verfolgung aus politischen Gründen im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden vorliege.

7. Die gegen diese Bescheide des Bundesasylamtes vom 14.12.2012 erhobenen Beschwerden wurden jeweils mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes, Außenstelle Linz, vom 13. März 2013 als unbegründet abgewiesen.

Der gegenständlich relevante Teil der Beweiswürdigung in der Entscheidung des Erstbeschwerdeführers gestaltete sich wie folgt:

"[...] I.3.3. Die zentrale Begründung des Beschwerdeführers für seinen Antrag auf internationalen Schutz bestand darin, dass er ständig in Gewahrsam genommen und gefoltert worden sei. Zudem sei er im Jahr 1988 nach einer Demonstration festgenommen und gefoltert worden. Im Jahr 1993 sei er wegen Unterstützung der PKK angeklagt, jedoch freigesprochen worden. Der Cousin der Mutter des Beschwerdeführers sei Mitglied der PKK gewesen und verbüße eine lebenslängliche Haftstrafe.

I.3.4. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er am 01.05.1988 nach einer Demonstration in Istanbul festgenommen und gefoltert worden sei, sowie bis zu seiner Ausreise Ende 2011 mehrmals von der Polizei mitgenommen und gefoltert worden sei, ist auszuführen, dass es der Asylgerichtshof zwar nicht für ausgeschlossen hält, dass diese Mitnahmen (zum Teil) tatsächlich erfolgt seien. Jedoch ist es dem Beschwerdeführer keinesfalls gelungen, damit in Zusammenhang stehende Folterhandlungen bzw. Schläge durch die Polizei glaubhaft und nachvollziehbar zu schildern.

Seine diesbezüglichen Ausführungen waren überaus allgemein gehalten und ließen jegliche Detailgenauigkeit vermissen, sodass nicht davon ausgegangen werden konnte, dass sich die Folterungen tatsächlich ereignet hätten. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers beschränkte sich darauf, dass er lediglich allgemein gehalten angab, oft mitgenommen und dabei gefoltert worden sei. Der Beschwerdeführer erwähnte auch mit keinem Wort, in welcher Art und Weise er gefoltert worden sei, und konnte aufgrund dieses überaus allgemein gehaltenen Vorbringens des Beschwerdeführers zu Folterungen und Schlägen kein Wahrheitsgehalt zugesprochen werden.

Ebenfalls gegen die Glaubwürdigkeit der geschilderten Misshandlungen durch die türkische Polizei spricht, dass der Beschwerdeführer selbst angibt, er habe von diesen auch Narben davon getragen, während seine Ehegattin demgegenüber angibt, er habe blaue Flecken, jedoch keine größeren Verletzungen gehabt, wenn er von den Anhaltungen nachhause gekommen sei. Wenn die Narben des Beschwerdeführers nun tatsächlich von den Folterungen stammten würden, so ist davon auszugehen, dass diesen jedenfalls "gröbere" Verletzungen als blaue Flecken vorangegangen seien, was dann auch der Ehegattin auffallen hätte müssen. Doch selbst wenn man den Angaben der Ehegattin folgen würde, wonach der Beschwerdeführer von den Anhaltungen jedes Mal mit blauen Flecken nachhause gekommen sei und ihr der Beschwerdeführer nie erzählt habe, was die Polizei von ihm gewollt habe, ist es nicht nachvollziehbar, dass diese nicht nachgefragt habe, was hinter den Mitnahmen durch die Polizei steckt, zumal diese beinahe über einen Zeitraum von 20 Jahren hinweg immer wieder stattgefunden haben müssten.

Darüber hinaus können die Narben des Beschwerdeführers am Kopf, am rechten Ellbogen und am rechten Knie auf verschiedensten Wegen entstanden sein. Insbesondere können damit die vom Beschwerdeführer behaupteten Misshandlungen durch die Polizei nicht belegt werden.

Aus diesen Gründen geht der Asylgerichtshof wie auch schon das Bundesasylamt davon aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu den behaupteten Folterungen und Misshandlungen nicht den Tatsachen entsprechen und war daher diesem Vorbringen die Glaubwürdigkeit zu versagen.

Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang auch, dass es trotz der behaupteten zahlreichen Mitnahmen und Anhaltungen des Beschwerdeführers, welche von 1988 bzw. 1993 bis zur Ausreise Ende 2011 immer wieder stattgefunden hätten, niemals zu weitergehenden behördlichen oder gerichtlichen Konsequenzen für die Person des Beschwerdeführers gekommen und es dem Beschwerdeführer möglich gewesen sei, einer geregelten Arbeit nachzugehen und ein ungestörtes sowie geordnetes Leben in seiner gewohnten Umgebung zu führen, was wiederum ein gewichtiges Indiz für die Unglaubwürdigkeit dieser Angaben des Beschwerdeführers darstellt.

Unabhängig davon ist zu den vom Beschwerdeführer behaupteten Anhaltungen und Befragungen - abgesehen von der Glaubwürdigkeit - generell auszuführen, dass Befragungen durch die Polizei von ihrer Intensität her nicht als asylrelevant anzusehen sind, da schon allgemein kurzfristige Anhaltungen, Verhöre und Hausdurchsuchungen für sich allein nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die asylrechtliche Relevanz aufweisen - nicht geeignet sind, die Flüchtlingseigenschaft zu indizieren (VwGH vom 05.06.1996, 96/20/0323, VwGH vom 18.12.1996, 95/20/0651, VwGH vom 11.12.1997, 95/20/0610).

Die behaupteten körperlichen Übergriffe waren in Anbetracht der oben aufgezeigten Unglaubwürdigkeit im Zusammenhang mit der Allgemeinheit des diesbezüglichen Vorbringens ebenso als nicht glaubhaft zu beurteilen.

Das einzige Mal, dass es gegen den Beschwerdeführer eine Anzeige bzw. Gerichtsverhandlung gegeben hat, war im Jahr 1993, als der Beschwerdeführer wegen Unterstützung der PKK angeklagt, jedoch im Jahr 1994 von diesem Vorwurf freigesprochen wurde, sodass nicht ersichtlich ist, woraus der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eine asylrelevante Verfolgungsgefahr seiner Person ableiten will, da der Freispruch gerade gegen ein nachhaltiges Interesse der türkischen Behörden an seiner Person spricht.

In diesem Zusammenhang brachte der Beschwerdeführer auch vor, dass zuvor der Cousin seiner Mutter, der Mitglied der PKK gewesen sei, festgenommen worden sei und nunmehr eine lebenslange Haftstrafe verbüßen würde. Gegen eine Verfolgung des Beschwerdeführers wegen dieser Aktivitäten des Cousins seiner Mutter spricht jedoch gerade der Umstand, dass der Beschwerdeführer in weiterer Folge vom Vorwurf der Unterstützung der PKK freigesprochen wurde.

Überdies ist allein aus dem Umstand, dass der Cousin der Mutter wegen der PKK-Mitgliedschaft eine lebenslange Haftstrafe verbüßen würde, kein asylrelevantes Vorbringen zu entnehmen. Zudem stellte der Beschwerdeführer dieses Vorbringen lediglich in den Raum, ohne einen Bezug zu seiner Person oder zu den Gründen, die zu seiner Ausreise geführt hätten, herzustellen.

Dazu ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch festzuhalten, dass es in der Türkei keine "Sippenhaft" in dem Sinne gibt, dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden. Die nach türkischem Recht aussagepflichtigen Familienangehörigen - etwa von vermeintlichen oder tatsächlichen PKK-Mitgliedern oder Sympathisanten - werden allerdings zu Vernehmungen geladen, z.B. um über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt zu werden. Werden Ladungen nicht befolgt, kann es zur zwangsweisen Vorführung kommen.

Sofern der Beschwerdeführer vermeint, die Mitnahmen und Anhaltungen seien wegen (angeblicher) Unterstützung der PKK erfolgt, ist dem zu entgegnen, dass Befragungen (die der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet hat, sondern immer nur davon gesprochen hat, mitgenommen worden zu sein) durch Sicherheitsbehörden wegen des Verdachtes der Unterstützung der PKK nicht als Verfolgung im Sinne der GFK anzusehen sind, sondern die vom Beschwerdeführer als Verfolgungsmaßnahmen definierten Behauptungen - selbst bei Wahrunterstellung seiner Angaben - lediglich im Zusammenhang mit dem Verdacht der Begehung einer strafbaren Handlung (Unterstützung einer terroristischen Organisation oder von Terroristen) stehen und somit im Rahmen der zulässigen Strafrechtspflege erfolgt seien, weshalb der vom Beschwerdeführer geschilderte Sachverhalt schon für sich genommen keine Asylrelevanz entfaltet.

Zur Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der BDP ist auszuführen, dass laut den vom Bundesasylamt ins Verfahren eingeführten Länderberichten politische Oppositionelle nicht systematisch verfolgt werden und aus diesen Berichten überdies nicht hervorgeht, dass die einfache Mitgliedschaft - ohne besondere, z.B. strafrechtlich relevante Verdachtsmomente - zu Repressalien gegen die Betreffenden geführt hätte, weshalb der Asylgerichtshof davon ausgeht, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Mitgliedschaft bei der BDP keine Verfolgung droht. Dass der Beschwerdeführer innerhalb der Partei eine exponierte oder führende Stellung innegehabt hätte, wurde von diesem nicht behauptet.

Vor diesem Hintergrund konnte somit nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der BDP irgendwelche Schwierigkeiten seitens des türkischen Staates drohen würden oder er deshalb asylrelevante Probleme gehabt hätte. [...]"

Diese Erkenntnisse wurden den Beschwerdeführern am 18.03.2013 zugestellt und erwuchsen am 18.03.2013 in Rechtskraft. Die Beschwerdeführer kamen der Ausweisung nicht nach.

8. Auch die gegen die Erkenntnisse des Asylgerichtshofes, Außenstelle Linz, vom 13. März 2013 eingebrachten Verfassungsgerichtshofbeschwerden vom 18.04.2013 waren nicht erfolgreich; die Behandlung der Beschwerden wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichthofes vom 02.10.2010, Zahl: U1815/2013 ua, abgelehnt.

9. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin stellten am 04.11.2014 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Absatz 1 AsylG (Aufenthaltsberechtigung plus) aus Gründen des Artikels 8 EMRK.

10. Am 19.12.2016 stellten die Beschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes jeweils den - verfahrensgegenständlichen - zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde die Beschwerdeführer am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Vorarlberg erstbefragt.

Seitens des Erstbeschwerdeführers wurde im Wesentlichen vorgebracht, den Namen XXXX </nichtanonym><anonym>XXXX</anonym></person>zu führen und Staatsangehöriger der Türkei zu sein. Er sei XXXX in XXXX geboren, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und der alevitischen Religionsgemeinschaft sowie verheiratet.

Zu den Gründen seiner neuerlichen Antragstellung befragt führte der Erstbeschwerdeführer aus, in der Türkei herrsche seit etwa einem Jahr ein außerordentlicher Zustand. Es bestünde keine Gewähr auf Recht. In der Türkei seien sechs Städte durch Bombenattentate zerstört worden. Hiebei seien ungefähr 700 Menschen - davon 150 Kinder - umgekommen. Dies hätte er aus den Fernsehnachrichten erfahren. Seit zehn Tagen würden Gebäude von kurdischen Organisationen zerstört oder verbrannt werden. Die kurdischen Abgeordneten und Parlamentarier seien in Haft. In der Türkei herrsche keine Demokratie und Freiheit. Tausende Akademiker und auch 200 Reporter seien inhaftiert worden. Er wolle keinesfalls in die Türkei zurückkehren, da er sich selbst um sein Leben fürchten würde. Staatspräsident Erdogan habe verlautbart, dass alle verdächtigen Person angezeigt und verurteilt werden würden. Dies betreffe etwa 25.000 Personen. Er hätte seit etwa zwei bis drei Jahren in den sozialen Medien, nämlich auf Facebook, seine Meinung geäußert. Daraufhin habe man seine in der Türkei lebende Mutter auf ihn angesprochen und befragt. Seine Mutter sei krank und müsse etwa zehn Tabletten am Tag nehmen. Die Gendarmerie habe ihr dies aber nicht erlaubt. Es zeige sich, dass sich die Türkei zu einer Diktatur wandle. In der Türkei würden die Menschenrechte nicht anerkannt werden. Im Südosten der Türkei herrsche in 30 Dörfern eine Ausgangssperre.

Er sei in der Türkei verurteilt worden und im Gefängnis gewesen. Er hätte den Beschluss hier. Wenn er in die Türkei zurückkehren müsse, würde er aus diesem Grund nochmals in das Gefängnis müssen. Dieses Strafverfahren seit laut dem Beschluss mangels Beweisen aufgehoben worden. Er hätte trotzdem Angst, dass er wieder eingesperrt werden würde. Er sei immer wieder der polizeilichen Willkür ausgeliefert und insoweit immer wieder - auch für mehrere Tage - auf der Polizei- oder Militärwache eingesperrt gewesen. Er habe seit 15 Jahren nicht einmal seine Mutter besuchen können, da er ansonsten immer wieder von der Gendarmarie abgeführt werden würde. Wenn man die Massenmedien beachte, erfahre man sehr viel über den Zustand in der Türkei.

Bei einer Rückkehr bestehe keine rechtliche Gewähr auf sein Leben. Es gebe bereits seit 40 Jahren zwischen der türkischen Regierung und der kurdischen Bevölkerung Probleme. Er würde aufgrund der im Südosten herrschenden Kriegszustände um sein Leben fürchten.

Seitens der Zweitbeschwerdeführerin wurde im Wesentlichen vorgebracht, den Namen XXXX zu führen und Staatsangehörige der Türkei zu sein. Sie sei XXXX in XXXX geboren, Angehörige der kurdischen Volksgruppe und der alevitischen Religionsgemeinschaft sowie verheiratet.

Zu den Gründen ihrer neuerlichen Antragstellung befragt führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, sich bereits seit fünf Jahren in Österreich zu befinden und hier bleiben zu wollen, weil in der Türkei Krieg herrsche. In der Türkei verfüge sie weder über eine Wohnung, noch eine andere Unterkunft. Aufgrund der Ehe mit dem Erstbeschwerdeführer würde sie sich ebenso - wie dieser - verfolgt fühlen. Sie wisse nicht allzu viel über die Probleme ihres Gatten, jedoch habe ihn die Polizei bzw. die Gendarmarie öfters mitgenommen und in Gewahrsam genommen. Den Grund hiefür wisse sie nicht. Ihr Gatte habe in den kurdischen Bewegungen mitgewirkt bzw. sei er bei der kurdischen Partei gewesen. Sie wolle in Österreich bleiben, da sie hier menschlich behandelt werden würden. In der Türkei hätte sie keine Möglichkeit. Man habe die kurdischen Abgeordneten inhaftiert. Erdogan habe sehr viele Kurden einsperren lassen. Sie würden dasselbe Schicksal erleiden. In der Türkei würden sie keinerlei Unterstützung erhalten.

Bei einer Rückkehr würden sie und ihr Gatte sofort inhaftiert werden. Die Situation in der Türkei habe sich seit 2013 deutlich verschärft, weshalb sie umso mehr die Befürchtung hätte, als Kurdin verfolgt zu werden.

Im Rahmen der Erstbefragung wurden von Seiten der rechtsfreundlichen Vertretung des Erstbeschwerdeführers das bereits im Erstverfahren vorgelegte türkische Gerichtsurteil aus dem Jahr 1994 und die bereits im Erstverfahren vorgelegten Zahlungsbelege an die BDP aus dem Jahr 2011 - jeweils in Kopie - in Vorlage gebracht. Des Weiteren legte die rechtsfreundliche Vertretung für beide Beschwerdeführer einen Schriftsatz vom 18.12.2016 bezüglich des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz vor, in welchem zunächst das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers aus dem Erstverfahren wiederholt wird. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Türkei würde der Erstbeschwerdeführer jederzeit wieder Gefahr laufen, ins Visier der Strafverfolgungsbehörden zu gelangen und unrechtmäßig verfolgt zu werden. Ferner wird unter auszugsweiser Zitierung verschiedener Medienberichte und einer partiellen Reisewarnung des österreichischen Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres auf die aktuelle Sicherheits- und Menschenrechtssituation in der Türkei verwiesen.

11. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, vom 29.12.2016 wurde der jeweilige Antrag der Beschwerdeführer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG gemäß § 58 Absatz 9 Z 2 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Eine Anfechtung dieser Entscheidung vor dem Bundesverwaltungsgericht unterblieb und erwuchs diese in Rechtskraft,

12.1. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Erstbeschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, am 19.06.2017 im Beisein der rechtsfreundlichen Vertretung und einer Dolmetscherin in türkischer Sprache vom zur Entscheidung berufenen Organwalter im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.

Eingangs ersuchte die rechtsfreundliche Vertretung des Erstbeschwerdeführers um Ausfolgung der aktuellen Länderberichte und Erhalt einer zweiwöchigen Frist zur Stellungnahme. Diesem Ersuchen wurde im weiteren Verlauf der Einvernahme entsprochen.

Zur Person und seinen Lebensumständen befragt gab der Erstbeschwerdeführer an, den Namen XXXX zu führen. Er sei im Jahr 1971 in Bingöl geboren, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und des alevitischen Glaubens sowie kinderlos. Er sei in der Lederverarbeitung tätig gewesen und habe auch eine Fabrik bzw. ein Handelsgeschäft besessen. Seine Familie sei reich, zumal seine Geschwister alle Lederhändler seien. Die Familie besitze etliche Grundstücke und Wohnungen. Etwa die letzten fünf Jahre vor seiner Ausreise habe er gemeinsam mit seiner Gattin in Istanbul im Stadtteil Tuzla in einer Mietwohnung gelebt. Seine Mutter und zahlreiche Geschwister sowie Freunde und Bekannte seien in der Türkei aufhältig.

Befragt weshalb er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei erwiderte der Erstbeschwerdeführer, dass er mit Österreich zufrieden sei. Er sei stolz hier sein zu dürfen und bedanke sich herzlichst. Man mache hier keinen Unterschied zu den Hiesigen. Dafür müsse man dankbar sein.

Zu den Gründen seiner neuerlichen Antragstellung befragt gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er nicht in die Türkei - einem Land ohne Demokratie - zurückwolle. Es sei ein Land ohne Rechte. Personen, die auf legalem Wege gegangen seien, wie er selbst, hätten nicht das Recht zu leben. Dies bedeute nicht, sterben zu müssen, aber das dort geführte Leben sei fast so als ob man jeden Tag sterbe. Man werde nicht als erstklassiger Mensch betrachtet, sondern erniedrigt. Man könne seinen Glauben nicht erleben, wobei er an überhaupt keine Religion glauben würde. Es gebe vielleicht 12 000 000 Aleviten, die ihren Glauben nicht richtig leben könnten. Jede oder jede zweite Woche erkundige sich die Polizei bei seiner Mutter nach seinem Aufenthaltsort. Ein Neffe von ihm sei seit neun Monaten in Haft. 4500 bis 5000 Richter und Staatsanwälte seien entlassen und inhaftiert worden. Auch 3000 bis 5000 Anwälte seien inhaftiert. Tausende Akademiker seien entlassen und inhaftiert worden. Glaublich im Jahr 2013 seien sechs Städte schlimmer als in Syrien zerstört worden. Dies sei vor etwa ein oder eineinhalb Jahren passiert. In Cizre - einer kurdischen Stadt - seien 300 Kinder mit chemischen Waffen bombardiert worden. Diese seien alle verbrannt. Alle Fotos und Beweise seien in den Zeitschriften auf der ganzen Welt veröffentlicht worden. Von jenen Journalisten, die dies veröffentlicht hätten, seien einige im Gefängnis. Erdogan sei ein Diktator, ein Faschist, Nationalist und bringe Menschen um. Es gebe ein internationales Strafgericht. Dort müsse Erdogan verurteilt werden, da er die Menschenrechte verletze.

Nachgefragt zu Details führte der Erstbeschwerdeführer unter anderem aus, dass er etliche Male in Polizeigewahrsam gewesen sei. Es gebe keine Zahl, die er für die Folterungen nennen könnte, welche er - beispielsweise bei dieser PKK-Sache - erlebt habe. Er sei 1993 einmal vor einem Militärgericht gewesen. Er könne sich nicht an die Höhe der erhaltenen Haftstrafe erinnern. Es sei nicht rechtskräftig gewesen, aber man habe es ausgesprochen. Er sei etliche Male im Gefängnis gewesen und gefoltert worden. Der Onkel mütterlicherseits und ein Cousin seiner Mutter seien von Polizisten umgebracht worden. Der Sohn einer Schwester sei ein Guerilla. Sie wüssten nicht, was mit diesem passiert sei. Jeden Tag erkundige sich die Polizei oder Gendarmerie nach dieser Person. Ein weiterer Onkel mütterlicherseits sei auch ein Guerilla gewesen. Dieser habe eine lebenslange Strafe erhalten. Er sei kein aktiver Unterstützer der PKK, aber Sympathisant der Kurden. Er hätte auch legal viel kurdische Politik gemacht. Die türkischen Behörden würden sich bei seiner Mutter nach seiner Person seit seiner Einreise nach Österreich erkundigen. Etwa seit diesem Zeitpunkt wisse er davon.

Im Fall einer Rückkehr würden ihn wegen seiner Mitteilungen in den sozialen Medien 15 bis 20 Jahre, sicher aber 5 Jahre Haft erwarten. 300 Personen des Geheimdienstes würden nur für Erdogan arbeiten und die sozialen Medien beobachten. Dann würde dies dem Staatsanwalt gemeldet und komme es zu einer Verhaftung. Kein Diktator sei mit Kritik einverstanden. Er hätte in den sozialen Medien unter Freunden auf Facebook und seit zwei Wochen auf Twitter gewisse Sachen geschrieben und geteilt. Er wisse nicht mehr, was er alles geschrieben habe. Es gebe keinen offiziellen Haftbefehl oder ein Dokument gegen ihn.

In der Folge wurden dem Erstbeschwerdeführer auch Fragen bezüglich seiner Integration in Österreich gestellt.

Abschließend erklärte der Erstbeschwerdeführer auf Befragung durch seine rechtsfreundliche Vertretung, dass der Putsch im Jahr 2016 ein Grund für seine neuerliche Antragstellung sei. Man habe 200.000 bis 300.000 Menschen inhaftiert.

12.2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, am 19.06.2017 im Beisein der rechtsfreundlichen Vertretung und einer Dolmetscherin in türkischer Sprache vom zur Entscheidung berufenen Organwalter im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.

Eingangs bestätigte die Zweitbeschwerdeführerin, bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht zu haben.

Was den Gesundheitszustand betrifft legte die Zweitbeschwerdeführerin dar, wegen ihrer Schilddrüse in medikamentöser Behandlung zu sein. Des Weiteren stehe sie aufgrund eines Kinderwunsches in medizinischer Behandlung. Sie habe sieben Fehlgeburten erlitten. Man habe ihr ein Myom entfernt. Jetzt gehe es ihr gut.

In diesem Zusammenhang wurde die Zweitbeschwerdeführerin aufgefordert binnen zwei Wochen aktuelle medizinische Unterlagen in Vorlage zu bringen.

Zur Person und den Lebensumständen befragt gab die Zweitbeschwerdeführerin an, Angehörige der kurdischen Volksgruppe und des alevitischen Glaubens sowie kinderlos zu sein. Sie habe weder eine Schule besucht, noch eine berufliche Tätigkeit ausgeübt. Ihre finanzielle Situation in der Türkei sei gut gewesen. Zuletzt habe sie gemeinsam mit ihrem Gatten in Istanbul im Stadtteil Tuzla gelebt. Ihre Mutter und mehrere Geschwister seien in der Türkei aufhältig. Weitere Geschwister befänden sich in Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Frankreich.

Zu den Gründen ihrer neuerlichen Antragstellung befragt gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass die Gründe gleichgeblieben seien. Seit dem Abschluss ihres letzten Verfahrens auf internationalen Schutz habe sich bezüglich ihrer Fluchtgründe nichts geändert. Sie wolle wegen ihres Gatten nicht zurück.

Nachgefragt zu Details führte die Zweitbeschwerdeführerin unter anderem aus, dass ihr Gatte ein Problem in Zusammenhang mit der PKK gehabt habe. Die Soldaten hätten ihn festgenommen. Man habe sie immer wieder gestört. Ihr Mann sei in Istanbul und im Dorf verhaftet worden. Der Neffe ihres Gatten sei seit acht Monaten inhaftiert, weil er sich bei der PKK beteiligt habe. Dessen Bruder sei umgebracht worden. Ihr Mann sei Mitglied der PKK gewesen. Er habe an Demonstrationen mitgewirkt. Dies sei vor zehn bis 15 Jahren gewesen. Im Jahre 1994 sei er verhaftet worden. Vor ihrer Ehe solle er auch einmal verhaftet worden sein.

Im Fall einer Rückkehr würden sie auf jeden Fall ihren Gatten nehmen. Ohne ihren Gatten hätte sie finanzielle Probleme.

Im Übrigen wurden der Zweitbeschwerdeführerin auch Fragen bezüglich ihrer Integration in Österreich gestellt.

13. Am 05.07.2017 langte ein - für die beiden Beschwerdeführer gemeinsam verfasstes - Schreiben der rechtsfreundlichen Vertretung bei der belangten Behörde ein. Zunächst wurde um eine Fristerstreckung bezüglich der Vorlage der medizinischen Unterlagen der Zweitbeschwerdeführerin und der Stellungnahme zum Länderbericht ersucht. Des Weiteren wurde - unter Übermittlung von Twitter-Protokollen - wiederholt, der Erstbeschwerdeführer sei in Österreich politisch aktiv gewesen. Er habe über Twitter regimekritische Nachrichten gepostet und daher in Österreich Nachfluchtgründe gesetzt. Zudem sei der Erstbeschwerdeführer Mitglied zweier kurdischer/alevitischer Vereine und habe sich auch dort kritisch über Erdogan und das Regime geäußert, weshalb beantragt wurde, die jeweiligen Obmänner der beiden Vereine zum Beweis dafür als Zeugen einzuvernehmen, dass der Erstbeschwerdeführer in Österreich Nachfluchtgründe gesetzt habe.

14. Im Zuge einer Stellungnahme vom 18.07.2017 übermittelten die Beschwerdeführer im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung die Krankenunterlagen bezüglich der Zweitbeschwerdeführerin. Des Weiteren wurde das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers, speziell zu seinen regimekritischen Äußerungen in Österreich, wiederholt und - unter auszugsweiser Zitierung verschiedener Medienberichte und der an die Beschwerdeführer ausgefolgten Länderberichte - auf die Sicherheits- und Menschenrechtssituation nach dem gescheiterten Putschversuch im Jahr 2016 verwiesen. Was den Themenkomplex "Behandlung nach Rückkehr" betrifft, sei der Länderbericht nicht mehr aktuell. In diesem Zusammenhang wurde beantragt, einen länderkundigen Sachverständigen zum Beweis dafür zu bestellen, dass den Beschwerdeführern als alevitischen Kurden im Falle der Rückkehr aufgrund der seit dem Putschversuch massiv geänderten Situation die Verletzung ihrer Rechte nach Artikel 3 EMRK und asylrechtlich relevante Verfolgung drohe und diesen zur speziellen Situation der Beschwerdeführer in mündlicher Verhandlung zu befragen. Schließlich wurden zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer deren Angaben in den vorangegangen Verfahren wiederholt sowie zur drohenden Verletzung des Artikel 3 EMRK im Wesentlichen die im Schriftsatz vom 18.12.2016 bezüglich des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz bereits angeführten Medienberichte sowie die partielle Reisewarnung des österreichischen Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres erneut zitiert.

Dem Schreiben sind unter anderem die medizinischen Unterlagen bezüglich der Zweitbeschwerdeführerin, Deutschkursbestätigungen, ein Sprachdiplom Niveau A2 bezüglich der Zweitbeschwerdeführerin vom 16.09.2015, jeweils ein Arbeitsvorvertrag für die Beschwerdeführer, eine Bestätigung über von der Zweitbeschwerdeführerin durchgeführte Reinigungstätigkeiten vom 06.06.2017, eine Bestätigung "Nachbarschaftshilfe" bezüglich der Zweitbeschwerdeführerin vom 08.06.2017 und eine Unterschriftenaktion für ein Bleiberecht der Beschwerdeführer (insgesamt 18 davon 2 vom Mai und 16 vom Juni 2017) sowie ein Konvolut an privaten Fotografien angeschlossen.

15.1. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2017 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei ebenso abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Erstbeschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz - nach der Wiedergabe der Einvernahmen des Erstbeschwerdeführers und den Feststellungen zu dessen Person insbesondere aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Erstbeschwerdeführer in der Türkei einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. dass er eine derartige Verfolgung zukünftig zu befürchten hätte. Er sei im Falle einer Rückkehr in die Türkei keiner wie auch immer gearteten Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt. Es sei nicht feststellbar, dass gegen ihn ein Strafverfahren geführt und ein solches mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit zu einer Haftstrafe führen werde. Der Erstbeschwerdeführer verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte in der Türkei und stünde mit diesen Angehörigen in Kontakt. Es habe nicht festgestellt werden können, dass ihm in seinem Heimatland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen gewesen sei oder dass er bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende Notlage gedrängt werde. Es habe unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden können, dass der Erstbeschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Türkei einer realen Gefahr der Verletzung von Artikel 2, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen könnte. Eine Rückkehr in die Türkei ist ihm zumutbar und möglich. Was das Privat- und Familienleben betrifft, so wurde festgestellt, dass sich der Erstbeschwerdeführer seit Stellung des ersten Asylantrags im Jahre 2011 in Österreich aufhalte. Er sei nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Verfahrens bis zur Zulassung des zweiten Verfahrens am 22.12.2016 rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Er verfüge im Bundesgebiet über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Ehefrau, einem Bruder und zahlreichen weiteren Angehörigen. Er lebe mit seinem Bruder oder den sonstigen Angehörigen weder in einem gemeinsamen Haushalt, noch bestehe ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Er habe auch Freundschaften im Bundesgebiet begründet, besuche zeitweise einen kurdischen und alevitischen Verein und habe einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag sowie eine Unterschriftensammlung in Vorlage gebracht.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte seiner Entscheidung aktuelle Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des Erstbeschwerdeführers zugrunde (vgl. die Seiten 18 bis 110 des angefochtenen Bescheides).

In der rechtlichen Beurteilung wird begründend dargelegt, warum der seitens des Erstbeschwerdeführers vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG 2005 biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 8 Absatz 1 AsylG 2005 ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt wurde, weshalb gegen den Erstbeschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt wurde, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei.

15.2. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2017 wurde der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei ebenso abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Zweitbeschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz - nach der Wiedergabe der Einvernahmen der Zweitbeschwerdeführerin und den Feststellungen zu deren Person insbesondere aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Zweitbeschwerdeführerin in der Türkei einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. dass sie eine derartige Verfolgung zukünftig zu befürchten hätte. Sie sei im Falle einer Rückkehr in die Türkei keiner wie auch immer gearteten Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt. Die Zweitbeschwerdeführerin verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte in der Türkei und stünde mit diesen Angehörigen in Kontakt. Es habe nicht festgestellt werden können, dass ihr in ihrem Heimatland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen gewesen sei oder dass sie bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende Notlage gedrängt werde. Es habe unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden können, dass die Zweitbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in die Türkei einer realen Gefahr der Verletzung von Artikel 2, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen könnte. Eine Rückkehr in die Türkei ist ihr zumutbar und möglich. Was das Privat- und Familienleben betrifft, so wurde festgestellt, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin seit Stellung des ersten Asylantrags im Jahre 2011 in Österreich aufhalte. Sie sei nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Verfahrens bis zur Zulassung des zweiten Verfahrens am 22.12.2016 rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Sie verfüge im Bundesgebiet über familiäre Anknüpfungspunkte in Form ihres Ehemannes und eines Bruders sowie zahlreicher weiterer Familienangehöriger ihres Ehegatten. Sie lebe weder mit ihrem Bruder oder sonstigen Angehörigen oder Bekannten in einem gemeinsamen Haushalt, noch bestehe ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis. Sie habe einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag und eine Unterschriftensammlung in Vorlage gebracht, einen Deutschkurs Niveau A2 absolviert und sei im Wege der Nachbarschaftshilfe, auch als Reinigungskraft, tätig gewesen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte seiner Entscheidung aktuelle Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat der Zweitbeschwerdeführerin zugrunde (vgl. die Seiten 14 bis 109 des angefochtenen Bescheides).

In der rechtlichen Beurteilung wird begründend dargelegt, warum der seitens der Zweitbeschwerdeführerin vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG 2005 biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 8 Absatz 1 AsylG 2005 ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt wurde, weshalb gegen die Zweitbeschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt wurde, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei.

16. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.09.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und diese ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass sie verpflichtet seien, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

17. Gegen die der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführer jeweils am 14.09.2017 zugestellten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht eingebrachte - für die Beschwerdeführer gemeinsam verfasste - Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird - abgesehen von einer kurzen Wiederholung des bisherigen Vorbringens - zunächst moniert, dass die belangte Behörde das umfangreiche schriftliche Vorbringen und die Beweisanträge vom 05.07.2017 und 18.07.2017 völlig ignoriert habe. Die Vernehmung der beantragten Zeugen, zu den vom Erstbeschwerdeführer gesetzten Nachfluchtgründen wäre jedenfalls erforderlich gewesen. Diesbezüglich wird auszugsweise aus einem Artikel der Wochenzeitung "DIE ZEIT" vom 21.07.2017 bezüglich türkischer Spionagetätigkeiten gegen regimekritisch tätige türkische Staatsbürger in Deutschland und Österreich zitiert.

Insoweit die Sachverhaltsfeststellungen zu den Fluchtgründen in dem insgesamt 133 Seiten umfassenden Bescheid auf Seite 17 genau einen Satz umfassen, sei der belangten Behörde willkürliches Verhalten vorzuwerfen.

Mit Schriftsatz vom 05.07.2017 hätten die Beschwerdeführer einen übersetzten Auszug der regimekritischen Nachrichten an die belangte Behörde übermittelt und die Einvernahme der beiden Obmänner des alevitischen und des mesopotamischen Kulturvereins als Zeugen beantragt. Diese Anträge habe die belangte Behörde ignoriert.

Des Weiteren wird zum Beweis dafür, dass der Erstbeschwerdeführer in der Türkei regelmäßig von der Polizei gesucht werde und ihm im Falle der Rückkehr asylrechtlich relevante Verfolgung drohe, beantragt, die Mutter des Erstbeschwerdeführers im Wege der österreichischen Berufsvertretungsbehörde als Zeugin zu vernehmen.

Darüber hinaus wird nochmals - im Wesentlichen ident mit den Ausführungen in der Stellungnahme vom 18.07.2017 - unter auszugsweiser Zitierung verschiedener Medienberichte und der an die Beschwerdeführer ausgefolgten Länderberichte - auf die Sicherheits- und Menschenrechtssituation nach dem gescheiterten Putschversuch im Jahr 2016 verwiesen. Ebenso werden erneut großteils die damals dargelegten Ausführungen zu den in Österreich aufhältigen Verwandten und die bezüglich einer drohenden Verletzung des Artikel 3 EMRK angeführten Medienberichte sowie die partielle Reisewarnung des österreichischen Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres zitiert. In diesem Zusammenhang wird daher ebenso nochmals beantragt, einen länderkundigen Sachverständigen zum Beweis dafür zu bestellen, dass den Beschwerdeführern als alevitischen Kurden im Falle der Rückkehr aufgrund der seit dem Putschversuch massiv geänderten Situation die Verletzung ihrer Rechte nach Artikel 3 EMRK und asylrechtlich relevante Verfolgung drohe, und diesen zur speziellen Situation der Beschwerdeführer in mündlicher Verhandlung zu befragen.

In der Beschwerde wird zudem neu erwähnt, dass der Erstbeschwerdeführer gegenüber der rechtsfreundlichen Vertretung anlässlich der Besprechung der angefochtenen Bescheide mitgeteilt habe, dass sein Cousin XXXX erst jüngst aus einer fünfmonatigen Haft aufgrund eines kritischen Postings auf Facebook entlassen worden sei. Zur Integration wird ausgeführt, dass die Zweitbeschwerdeführerin diesen Herbst noch mit dem

B1-Vorbereitungskurs beginnen und voraussichtlich im Dezember zur Prüfung antreten werde. Der Erstbeschwerdeführer habe sich zum A2-Sprachdiplomkurs angemeldet. Die Beschwerdeführer seien an der österreichischen Kultur interessiert und besuchen mit ihren österreichischen Nachbarn Veranstaltungen und würden regelmäßig an Festen teilnehmen, wobei in diesem Zusammenhang auszugsweise auf die Schilderungen mehrerer Personen im Zuge der Unterschriftenaktion für ein Bleiberecht der Beschwerdeführer verwiesen wird.

Was den Bescheidumfang betrifft, so gehe dieser hier konkrete und regelmäßig unsägliche Bescheidumfang darauf zurück, dass die Bescheidverfasser der belangten Behörde ebenso regelmäßig die Verhältnisse im Herkunftsland nicht einmal ansatzweise kennen und daher auch nicht selbst einschätzen können, was sie aus dem zusammenkopierten Material aus dem Internet und aus den Vorgaben der Zentrale alles verwenden können und sollen.

Ferner wird die Beschwerdefrist des § 16 Abs. 1 BFA-VG als verfassungswidrig beanstandet.

Abschließend wird beantragt, die beantragten Zeugeneinvernahmen durchzuführen und ein länderkundliches Gutachten einzuholen, den Beschwerdeführern in Österreich internationalen Schutz zu gewähren, hilfsweise den Beschwerdeführern den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise auszusprechen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und den Beschwerdeführern aufgrund ihres langjährigen Aufenthaltes in Österreich und des von ihnen erreichten Grades an Integration einen humanitären Aufenthaltstitel zu erteilen und wird jedenfalls eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.

Diesem Schriftsatz sind eine Bestätigung "Nachbarschaftshilfe" bezüglich der Zweitbeschwerdeführerin und eine Anmeldebestätigung für einen Deutschkurs Niveau A2 bezüglich des Erstbeschwerdeführers in Kopie angeschlossen.

18. Die Beschwerdevorlage langte jeweils am 03.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssachen wurden in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

19. Am 17.05.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein der Beschwerdeführer und deren rechtsfreundlicher Vertretung sowie eines Dolmetschers für die türkische Sprache durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde den Beschwerdeführern einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich ihre Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung in der Türkei anhand aktueller länderkundlicher Berichte erörtert, welche den Beschwerdeführern ausgefolgt und eine Stellungnahme hiezu freigestellt wurde

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist der mündlichen Verhandlung entschuldigt ferngeblieben und hat die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde mit Schreiben vom 17.04.2018 beantragt.

20. Mit Telefax vom 04.06.2018 wurde die belangte Behörde im Hinblick auf die lange Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführer im Bundegebiet und das Bestehen einer durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung seit dem 18.03.2013 um Mitteilung ersucht, ob das Unterbleiben einer Abschiebung (bis zum nunmehr gegenständlichen Folgeantrag) von den Beschwerdeführern zu vertreten oder anderen Umständen geschuldet sei.

21. Mit Schreiben vom 13.06.2018 teilte die belangte Behörde mit, dass nach dem plötzlichen Tod des zuvor in der Sache zuständigen Referenten der Akt einem anderen Referenten zugewiesen worden sei. Im Zuge des Referentenwechsels sei wohl die durchsetzbare Ausweisungsentscheidung übersehen worden.

22. Am 02.07.2018 (und somit nach der eingeräumten Frist) langte im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung eine - für die Beschwerdeführer gemeinsam verfasste - Stellungnahme bezüglich der an diese ausgefolgten Länderberichte zum Herkunftsstaat ein.

In dieser wird - im Wesentlichen ident mit den bisherigen Ausführungen - unter auszugsweiser Zitierung verschiedener Medienberichte und der an die Beschwerdeführer ausgefolgten Länderberichte - auf die Sicherheits- und Menschenrechtssituation nach dem gescheiterten Putschversuch im Jahr 2016 verwiesen. Ebenso werden erneut die bereits dargelegten Ausführungen zur Integration der Beschwerdeführer und zu den in Österreich aufhältigen Verwandten dargelegt sowie die bezüglich einer drohenden Verletzung des Artikel 3 EMRK angeführten Medienberichte sowie die partielle Reisewarnung des österreichischen Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres zitiert.

Abschließend wird nochmals beantragt, den Beschwerdeführern in Österreich internationalen Schutz zu gewähren, hilfsweise den Beschwerdeführern den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise auszusprechen, dass eine Rückkehrentscheidung au

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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