TE Bvwg Beschluss 2018/7/27 L526 2168042-2

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Veröffentlicht am 27.07.2018
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Entscheidungsdatum

27.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L526 2168042-2/7Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Schrey LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Türkei, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH als Mitglied der ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.07.2018, XXXX, beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gem. § 18 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz

(BFA-VG), BGBl. I. Nr. 87/2012 idgF, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz "BF" genannt), ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 12.03.2011 im Rahmen einer fremdenrechtlichen Kontrolle einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.03.2011 abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31.05.2011, Zl. XXXX, gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

2. Am 03.11.2016 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden kurz "bB" oder "BFA" genannt) mitgeteilt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG in Verbindung mit einem Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG und eine eventuelle Erlassung eines ordentlichen Schubhaftbescheides gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG beabsichtigt sei. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, binnen 10 Tagen eine Stellungnahme abzugeben.

3. Am 21.07.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen eines Suchtgiftdeliktes festgenommen und mit Urteil des Landesgerichts Wien vom 17.01.2017, XXXX gemäß § 28a Abs. 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2017, XXXX wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG werde eine Frist für die freiwillig Ausreise nicht gewährt. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung werde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG wurde ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).

5. Gegen den angefochtenen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.08.2017 wurde der in Beschwerde gezogene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die bB zurückverwiesen. Begründend wurde darin ausgeführt, dass sich das BFA im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen nur auf Vermutungen stütze. Im fortgesetzten Verfahren seien konkrete Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich zu treffen, Ermittlungen zu einer italienischen Aufenthaltserlaubnis anzustellen und ob ihn diese zu einem Aufenthalt in Österreich berechtigt, Feststellungen zu familiären Beziehungen in Österreich zu treffen und dem Beschwerdeführer Länderberichte zu Lage in der Türkei zur Kenntnis zu bringen.

7. Am 18.06.2018 wurde der BF von der bB einvernommen. Anlässlich dieser Einvernahme gab der BF zusammengefasst an, er sei anerkannter Flüchtling in Italien; das Verfahren sei rechtskräftig abgeschlossen und er habe auch eine "Permesso di Siogiorno" bekommen. Dieser Aufenthaltstitel sei abgelaufen; seiner Bewährungshelferin sei es nicht gelungen, mit den italienischen Behörden zu kommunizieren. Er habe jedoch die anwaltliche Rechtsauskunft erhalten, dass eine Verlängerung in seinem Fall auch ein Jahr nach Ablauf noch möglich sei. In Italien habe er als Koch gearbeitet und dort würde er auch wieder arbeiten. In Österreich habe er Verwandte, Kontakt habe er lediglich zu seinem Cousin. Er habe die Straftat in Österreich begangen, da er selbst Drogenabhängig war. Er habe in seiner Haft eine Therapie gemacht und sei jetzt geheilt. Dass er nicht mehr nach Österreich kommen dürfe, akzeptiere er, jedoch nicht seine Verbringung in die Türkei. Dorthin könne er nicht zurück, da dort sein Leben in Gefahr sei.

8. Auf Anfrage, ob der BF einen Aufenthaltstitel in Italien besitze, ob er dort anerkannter Flüchtling sei, ob er dort vorbestraft sei, ob eine Strafhaft anhängig sei und ob den italienischen Behörden bekannt sei, dass der BF in Österreich in Strafhaft sei, erteilte das Polizeikooperationszentrum XXXX am 10.06.2018 der bB die Auskunft, dass es eine "Permesso" gebe, welche mit 05.11.2017 abgelaufen ist und keine weiteren Informationen vorliegen. Es gebe noch eine kriminalpolizeiliche Vormerkung wegen Hehlerei. Weitere Ermittlungen wurden von der bB nicht getätigt.

9. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.07.2018 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

10. Mit Verfahrensanordnung vom 02.07.2018 wurde dem BF ein Rechtsberater zur Verfügung gestellt und wurde er verpflichtet, ein Rückkehrgespräch in Anspruch zu nehmen.

11. Am 16.07.2018 erging ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3

BFA-VG.

12. Mit Schreiben vom 16.07.2018 wurde der BF von der bevorstehenden Abschiebung in die Türkei informiert. Als Begründung wurde angegeben, dass eine Rückkehrentscheidung seit 02.07.2018 durchsetzbar sei und auch ein durchsetzbares Einreiseverbot bestehe. Ein Nachweis über die rechtsgültige Zustellung dieses Bescheides kann dem Akt nicht entnommen werden.

13. Mit Schreiben vom 17.07.2018 wurde Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

14. Die Beschwerdevorlage langte am 20.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.07.2018 wurde der bB mitgeteilt, dass der Verwaltungsakt am 23.07.2018 in der Außenstelle des Bundesverwaltungsgerichtes eingelangt ist.

15. Mit Schreiben vom 23.07.2018 wurde der zuständigen Gerichtsabteilung ein Bericht über die erfolgte Abschiebung des BF gem. § 46 FPG in die Türkei übermittelt.

16. Am 23.07.2018 übermittelte die bB dem Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben, in welchem sie ihre Rechtsansicht zur Vorgehensweise in gegenständlicher Rechtssache darlegte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der Verwaltungsbehörde und der eingebrachten Beschwerde.

1. Feststellungen:

Es kann derzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat eine reelle Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde.

2. Beweiswürdigung:

Der für die gegenständliche Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung relevante Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reelle Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

In gegenständlichem Fall hat die bB die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz aberkannt. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn nicht mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden kann, dass die Effektuierung der Rückkehrentscheidung in den in Aussicht genommenen Zielstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde. Der BF gab anlässlich seiner Einvernahme durch die bB unter anderem an, er werde in der Türkei verfolgt, weshalb er anerkannter Flüchtling in Italien sei. Bei seiner Rückkehr in die Türkei fürchte er seinen Tod. Der Aktenlage lässt sich lediglich entnehmen, dass das Polizeikooperationszentrum XXXX, abgesehen von der nicht mehr vorhandenen Gültigkeit einer italienischen "Permesso" und einer kriminalpolizeilichen Vormerkung, über keine weiteren Informationen zu diesem Fall verfügte. Dass weitergehende Ermittlungen zur Klärung des Sachverhaltes getätigt wurden, lässt sich der Aktenlage nicht entnehmen.

Aufgrund des Vorbringens des BF im Hinblick auf seine Rückkehrbefürchtungen und der diesbezüglich fehlenden Ermittlungen kann derzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat eine reelle Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde.

Der Beschwerde war daher die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

3.4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielshaft Erk. d. VwGH v. 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482; Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167) auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L526.2168042.2.00

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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