TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/6 L515 2131763-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2018
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Entscheidungsdatum

06.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs1

Spruch

L515 2131763-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX (Identität steht NICHT fest), StA der Republik Armenien (alias Syrien), vertreten durch Verein ZEIGE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.06.2016, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über

das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge als "bP" bezeichnet), ist ein männlicher Staatsangehöriger der Republik Armenien und brachte nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am bei der belangten Behörde (in weiterer Folge "bB") einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

2.1.2.Die bP brachte zusammengefasst vor, syrischer Staatsbürger zu sein, der Volksgruppe der Kurden anzugehören und sich zum jezidischen Glauben zu bekennen. Da der IS (in Syrien) die Jeziden töten und die Frauen verkaufen, hätte die bP Syrien verlassen.

2.1.3.1. Die bB führte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens eine Sprach- und Herkunftsanalyse über das Institut Sprakab durch, welche zum einen die Einschätzung ergab, dass die bP nicht jenes Kurmandschi spricht, welches in der Herkunftsregion der bP in Syrien gesprochen wird. Der Gutachter berief sich sowohl auf grammatische und lexikalische und führte darüber hinaus eine Kenntniskontrolle zum Herkunftsgebiet durch. Im Rahmen einer Zusammenfassung kam der Sachverständige zum Schluss, dass die bP mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit aus Syrien stammt.

2.1.3.2. Eine weitere Sprachanalyse ergab ebenfalls unter Berücksichtigung grammatischer und lexikalischer Aspekte, dass die bP jenes Kurmandschi spricht, welches in der Republik Armenien gesprochen wird und kam zur Einschätzung, dass der sprachliche Hintergrund der bP mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Armenien liegt.

2.1.3.3. Die bB ging in weiterer Folge davon aus, dass der Herkunftsstaat der bP nicht Syrien, sondern Armenien ist.

I.2.1. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf Armenien gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 FPG mit 14 Tagen festgelegt.

I.2.2. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu zusammengefasst aus, dass sich aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens, insbesondere des Ergebnisses der Sprach- und Herkunftsanalysen das Vorbringen, die bP stamme aus Syrien, sich als nicht glaubhaft darstelle. Viel mehr sei davon auszugehen, dass sie aus der Republik Armenien stammt. In Bezug auf die Republik Armenien seien keine Gefährdungsmomente feststellbar.

I.2.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Armenien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der armenische Staat grundsätzlich gewillt und befähigt ist, sich auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich diese zwar in manchen Bereichen als verbesserungsfähig darstellt, sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt, zumal die bP von diesen Problempunkten nicht betroffen ist. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.

Ebenso ist von einer im Wesentlichen unproblematischen Lage der Angehörigen der kurdischen Jeziden in Armenien auszugehen.

I.2.4. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

I.3. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wurde die Herkunft aus Armenien bestritten. Die bP stamme aus Syrien und wäre ihr in Bezug auf Syrien der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Die bB hätte ein nicht ausreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt.

I.4.1. Das ho. Gericht beraumte für den 07.12.2016 eine Beschwerdeverhandlung an, welche abberaumt werden musste, weil der Dolmetsch nicht erschien.

I.4.2. Da die bP bei der bB eine - seitens der bB unübersetzt und auf ihre Echtheit und Authentizität unüberprüft gebliebene- Urkunde vorlegte, wurde die bB im Rahmen einer mittelbaren Beweisaufnahme gem. § 55 Abs. 1 AVG aufgefordert, eine Übersetzung zu veranlassen und ein Gutachten über die Echtheit und Authentizität der Urkunde einzuholen. Die bB teilte in weiterer Folge mit, dass es sich beim genannten Dokument um einen Registerauszug aus Syrien handeln solle, welcher jedoch von sachkundigen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes als Fälschung qualifiziert wurde.

I.4.3. Am 22.03.2018 fand eine weitere Beschwerdeverhandlung statt.

Deren wesentlicher Verlauf wird wie folgt wiedergegeben:

"...

RI: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheids etwas geändert?

P: Es ist schlechter geworden, es herrscht Krieg.

RI: Wer hat in ihrer Herkunftsregion momentan das sagen?

P: ich glaube die Region ist in der Hand der Türken, noch nicht ganz, weil sie noch kämpfen.

RI: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht [die Begriffe werden mit der P abgeklärt, sodass ihr diese geläufig sind]): Sind sie insbesondere in ärztlicher Behandlung, befinden Sie sich in Therapie, nehmen Sie Medikamente ein?

P: Ich bin gesund, ich bin in keiner Behandlung.

RI: Besitzen Sie außer den asylrechtlichen Aufenthaltstitel in Österreich noch ein weiteres Aufenthaltsrecht?

P: Nein.

RI: Leben Sie in Österreich alleine oder mit jemanden zusammen?

P: Ich habe eine Freundin bzw. Lebensgefährtin. Nachgefragt gebe ich an, dass wir in einer Wohnung in XXXX leben.

Fragen an die Lebensgefährtin:

RI: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

LG: Ich bin Jezidin und Armenische Staatsangehörige.

RI: Wann haben Sie ihren Aufenthaltstitel bekommen?

LG: Ich bin seit 2003 in Österreich und habe 2007 im Familienverfahren den Pass bekommen. Ich habe im Verfahren keine eigenen Gründe geltend gemacht.

RI: Welche Sprachen sprechen Sie?

LG: Außer Deutsch noch Armenisch, Jezidisch -das ist meine Muttersprache.

RI: Haben Sie in Österreich oder in anderen Staaten außerhalb Ihres Herkunftsstaates noch Verwandte?

P: Nein.

RI: (ohne Dolmetscher) Sprechen Sie Deutsch?

P: Ein bisschen schon gut.

RI: (ohne Dolmetscher) Was haben Sie gestern gemacht?

P: Gestern? -ganzen Tag zu Hause, meine Frau gearbeitet und so.

RI: Sind Sie selbsterhaltungsfähig (Frage wird erklärt)?

P: Nein, meine Frau unterstützt mich, ich bin auch mit ihr versichert. Ich bekomme keine Geld vom Staat.

RI: Haben Sie versucht (sei es erfolgreich oder erfolglos) um Ihre Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen?

P: Ich habe beim AMS nachgefragt, sie sagten eine Saisonarbeit wäre möglich. Aber nachdem ich den neg. Bescheid bekam, haben sie mir erklärt, dass auch diese Arbeit nicht möglich ist.

RI: Wie würden Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich bestreiten, wenn Sie ein Aufenthaltsrecht bekämen?

P: Ich würde arbeiten ich möchte eine Ausbildung machen und eine Arbeit finden.

RI: Haben Sie noch zu jemanden in ihrem Herkunftsstaat Kontakt?

P: Ich habe mein Telefon verloren, als ich zum BFA XXXX unterwegs war. Es waren alle meine Kontaktdaten darauf. Ich habe daher keinen Kontakt.

RI: Das ho. Gericht kann sich nunmehr ein Bild über ihre privaten und familiären Bindungen in Österreich machen und erscheinen hierzu seitens des ho. Gerichts keine weiteren Fragen offen. Wollen Sie sich noch weitergehend zu Ihren privaten und familiären Bindungen in Österreich bzw. der Integration äußern?

P: Nein.

P legt vor:

Prüfungszeugnis für Deutsch A1 und A2 vor.

RI: Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde seitens der belangten Behörde abgewiesen und wurde im angefochtenen Bescheid die Entscheidung begründet. Wie treten Sie den Argumenten der belangten Behörde entgegen.

P: Ich weiß nicht was ich sagen soll. Sie wissen es selber.

RI: Was würde Sie im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat konkret erwarten?

P: Es herrscht dort krieg, ich werde auch getötet werden. Ich weiß es nicht, was mich dort wartet.

RI: Welche Orte haben sie in Ihrem Herkunftsstaat anlässlich Ihrer Reise nach Österreich durchreist?

P: Ich erinnere mich nicht, weil ich stress hatte bei der Ausreise.

RI: Gab es in Ihrer Herkunftsregion Radio und Fernsehen bzw. Zeitungen?

P: Mein Vater hatte Fernsehen.

RI: Nennen Sie Radio-bzw. Fernsehsender, Sendungen bzw. Zeitungen.

P: Mein Vater hat immer kurdische Lieder gehört, ich weiß aber nicht welcher Sender. Ich erinnere mich nicht, ich konnte damals auch nicht schreiben und lesen

RI: Beschreiben Sie die Wasserversorgung in ihrem Herkunftsdorf.

P: Wir hatten einen Brunnen.

RI: Beschreiben Sie die Umgebung Ihres Dorfes (Topographie, Vegetation, Fauna, Flora).

P: Es gab viele Olivenbäume. Unsere Stadt war groß.

RI: Welche Orte durchfährt man, wenn man von ihrem Heimatdorf nach XXXX fährt?

P: Wir sind durch 3 Dörfer gefahren. Ein Dorf hat XXXX geheißen, mehr weiß ich nicht. Es gab auch ein anderes Dorf, namens XXXX, dieses lag nicht am Weg.

RI: Nennen Sie Nachbarorte von ihrem Heimatdorf.

P denkt nach: XXXX und XXXX kenne ich, die anderen habe ich vergessen.

RI: Beschreiben Sie die Jahreszeiten in der Region XXXX.

P: Es gab den Sommer, Frühling -wir haben ganz kurz Winter. Nachgefragt gebe ich an, dass es im Winter nicht geschneit hat.

RI: Gibt es markante Gewässer in der Umgebung ihres Heimatdorfes (bis ca. 10 km Umkreis)

P: Ich kann es nicht sagen, aber wir gingen ins Dorf Kibar dort haben wir Jezidische/ kurdische Feste gefeiert.

RI: Fährt man auf Syriens Straßen links oder rechts?

P: Ich kenne mich nicht aus, ich weiß auch nicht was rechts und links ist.

RI: Fährt man in Syrien auf derselben Seite wie in Österreich?

P: Es gab einen Teil wie in Österreich.

RI: Was meinen Sie damit?

P: Von 1000 waren die meisten wie in Österreich, aber 2 oder 3 fuhren auf der anderen Seite.

RI: Was machten Sie mit den Schafen, die sie züchteten?

P: Ich war Schafhirte, ich bin mit ihnen gegangen.

RI: Frage wird erklärt und konkretisiert.

P: Genau kann ich es nicht sagen, die Schafe waren noch da als ich ausreiste.

RI: wiederholt die Frage und erklärt nochmals.

P: Gehütet, und wir haben uns um die Schafe gekümmert. Wir haben sie geschoren und Matratzen daraus gemacht.

RI: Haben Sie gewartet bis die Schafe starben?

P: Wir haben Milch und Joghurt gemacht. Die jungen Schafe haben wir verkauft.

RI: Wo haben Sie die Produkte verkauft?

P: Mein Vater hat das verkauft. Er nahm hin und wieder einige mit. Auch andere Personen kamen zu uns haben sie gekauft.

RI: Wer sollte mal die Schaftzucht Ihres Vaters übernehmen?

P: Ich sollte das machen.

RI: Haben Sie zu Ihren Eltern Kontakt?

P: Nein.

RI: Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu Ihren Eltern?

P: Meine Eltern sind mit mir in die Türkei ausgereist. Sie wollten mit mir weiterreisen, aber sie hatten kein Geld und wollten dann zurück.

RI: Wovon bestreiten Ihre Eltern ihren Lebensunterhalt?

P: Zuletzt habe ich gehört, dass mein Vater in XXXX ist und meine Mutter in XXXX sind.

RI: Nennen Sie Banknoten und Münzen der syrischen Währung.

P: Es gab Waraqa, (kurdischer Ausdruck für Lira) -aber ich erinnere mich nicht. Unser Geld war immer bei meinem Vater. Wenn wir etwas brauchten sagten wir unserem Vater Bescheid.

RI: Nennen Sie die syrischen staatliche Feiertage?

P: Fasten haben sie, sie haben ein neues Jahr, ich kann die jezidischen Feiertage sagen.

RI: Zählen Sie auf Arabisch von 1 -10.

P: Kann ich nicht. P nennt 1 und 3.

RI: Nennen Sie die Wochentage auf Arabisch?

P: Nein, kann ich nicht.

RI: Sagen Sie etwas in Arabisch was sei können?

P: Ich kann gar nicht. Ich habe keine Schule besucht und hatte keine arabischen Freunde.

RI: Sie wurden am 17.9.2015 mit dem Ermittlungsergebnis hinsichtlich des Ergebnisses der Sprach-und Herkunftsgutachten konfrontiert. Was haben Sie seither unternommen -wieder erfolgreich oder erfolglos-um Ihr Vorbringen bescheinigen zu können?

P: Ich wollte die Telefonnummer meines Vaters hergeben, ich habe aber mein Handy verloren. Ich habe geglaubt, dass ich diese zu Hause in Österreich habe, aber es war nicht zu Hause. Ich habe einen Auszug aus dem Personalregister vorgelegt, aber mir wurde erklärt, dass es sich nicht um einen echten handelt.

RI: Wie kam dieser in ihren Besitz bzw. den Akt?

P: Meine Mutter hat es mir über einen Nachbar geschickt und der hat es mir in Österreich gegeben.

RI: Woher wusste ihre Mutter, dass sie mit dem Nachbar Kontakt hatten?

P: Wir haben telefoniert, dass war bevor ich mein Handy verlor.

RI: Welche Handyvorwahlen gibt es im syrischen Netz?

P: wir hatten kein syrisches Netz, wir haben ein türkisches Netz.

RI: In Syrien hatten Sie kein Telefon?

P: Nein.

RI: Was haben Sie in Syrien gemacht, wenn Sie oder jemand der Familie telefonieren wollte?

P: Mein Vater hat telefoniert.

RI wiederholt die Frage.

P: Mein Vater hat ein Handy gehabt. Ein Festnetz hatten wir nicht.

RI: Welche Syrischen Handynetze gab es damals?

P: Mein Vater hatte ein türkisches Netz.

RI: Haben Sie gelegentlich telefoniert, als sie in Syrien waren?

P: Ich nicht, nein.

RI: Sie haben also das erste Mal in ihrem Leben telefoniert, als Sie Syrien verlassen haben?

P: Ja.

RI: Der Auszug wurde von der Polizei als Fälschung qualifiziert.

P: Ich weiß es nicht, sie haben es organisiert.

RI: Wann und wo haben Sie das Handy erhalten, welches Sie in Österreich verloren haben?

P: Es war das alte Handy von meiner Frau.

RI: Wie sind die Nummern ihrer Eltern auf dieses Handy gekommen?

P: Als ich nach Österreich kam, hatte ich einen Zettel, wo mein Vater die Nummern aufgeschrieben hatte. Ich erinnere mich nicht, an die Nummern selbst.

RI: Wo ist der Zettel?

P: Ich glaubte, dass es zu Hause ist. Ich habe ihn aber nicht mehr gefunden.

RI: Wann, wo und wie haben Sie Ihre Lebensgefährtin kennengelernt?

P: Genau erinnere ich mich nicht. Ob es 2014 oder 2015 war. (denkt nach) Ich bin mir jetzt sicher, dass es 2015 war. Es war am Bahnhof in XXXX. Sie hat telefoniert und kurdisch gesprochen. Ich war mit einem Freund unterwegs und er hat mich dort gelassen. Ich kannte mich nicht aus, wie ich weiter komme. Ich bin dann zu ihr gegangen, weil sei Kurmanci gesprochen hat und sie hat mir einen Fahrplan organisiert. Wir haben ca. 1 oder 2 Stunden miteinander gesprochen. Sie hat mir dann ihre Stadt genannt und ich meine auch und sie hat mich dann besucht.

RI: Welcher Freund hat sie am Bahnhof alleine gelassen?

P: Ein anderer Asylwerber aus dem Camp, namens XXXX, er war aus XXXX oder XXXX.

RI: Ihnen wurden Feststellungen zur asyl-und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien zur Kenntnis gebracht. Wollen Sie sich hierzu äußern?

P: Ich habe die Papiere nicht gelesen. Ich will nichts dazu sagen.

RV: Wer war 2016 dabei, als wir uns kennengelernt haben?

P: Der Vater meiner Frau.

RV: War er bei nachfolgenden Treffen auch dabei?

P: Ja.

RV: Das heißt, der Vater ihrer Freundin hat die Beziehung akzeptiert?

P: Ja, weil wir beide Jeziden sind.

RI: Hat Ihr Vater arabisch gesprochen?

P: Ja, aber nicht viel. Er konnte sich verständigen.

RI: Wissen Sie wie er es gelernt hat?

P: Ich weiß es nicht, vielleicht mit anderen Leuten.

RI: Hatte er arabische Bekannte?

P: Wenige, die die auch Schafe und Milch gekauft haben.

..."

II.4. Das Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung stellt die letzte Äußerung der bP im Verfahren zum gegenständlichen Antrag bzw. zu ihren Anknüpfungspunkten im Bundesgebiet dar.

II.5. Die bB wurde nach Beendigung der Verhandlung ersucht, die letzte Adresse der Lebensgefährtin der bP bzw. deren Eltern im Herkunftsstaat bekannt gegeben. Diesem Ersuchen wurde nicht entsprochen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die beschwerdeführende Partei

Bei der bP handelt es sich um einen im Herkunftsstaat der ethnischen Minderheit der Kurden angehörigen armenischen Staatsbürger, welcher sich zum jezidischen Glauben bekennt.

Die bP ist ein junger, gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.

Ob noch Familienangehörige in Armenien leben ist ungewiss.

Die bP hat in Österreich keine Verwandten und lebt mit einer armenischen Staatsbürgerin, welche der Ethnie der Kurden/Jeziden angehört, zusammen. Sie möchte offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit ihrer Einreise und anschließenden Antragstellung im Bundesgebiet auf. Sie reiste rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie lebt von der Unterstützung ihrer Lebensgefährtin und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Sie hat sich Grundkenntnisse in der deutschen Sprache angeeignet und ist strafrechtlich unbescholten.

Die Identität der bP steht nicht fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Armenien

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien schließt sich das ho. Gericht den schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der belangten Behörde an und werden diese wie folgt aktualisiert:

Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hat etwas über 3 Millionen Einwohner (2016). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier, 1,2% Jesiden, 0,4% Russen und Angehörige kleinerer Minderheiten wie Assyrer, Kurden oder Griechen (NSS-RA 2013, vgl. CIA 12.1.2017).

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat 131 Mitglieder und wird alle fünf Jahre gewählt. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch das Referendum vom 06.12.2015 weitreichend geändert. Die neue Verfassung sieht die Umwandlung des bisherigen semi-präsidialen Regierungssystems in ein parlamentarisches System vor. Das Amt des Staatspräsidenten wird im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben reduziert (AA 3.2017a).

Die Opposition warf dem amtierenden Präsidenten Sarksyan, dessen letzte Amtszeit 2018 ausläuft, vor, das Amt des Regierungschefs anzustreben (Standard 7.12.2015). Laut zentraler Wahlkommission stimmten bei einer Beteiligung von 50,5 Prozent 63,5 Prozent für die Annahme der Verfassungsänderungen. Die Oppositionspartei Armenischer Nationalkongress warf der Regierung Wahlbetrug vor. Hunderte Demonstranten protestierten gegen den Ausgang (RFE/RL 7.12.2015). NGOs, wie das Anti-Korruptions-Zentrum von Transparency International, berichteten von massiven Unregelmäßigkeiten, darunter über 900 Verletzungen der Wahlordnung sowie Fälle von Einschüchterung (Caucasian Knot 9.12.2015, vgl. EN 7.12.2015).

Die Republikanische Partei Armeniens gewann bei den Parlamentswahlen vom 2.4.2017 über 49% und die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Das Mitte-Rechts-Bündnis des russlandfreundlichen Oligarchen Gagik Tsarukyan erreichte 27%. Daneben schaffte das Bündnis Yelq und die nationalistische Armenische Revolutionäre Föderation den Einzug ins Parlament (EN 3.4.2017; vgl. PA 4.4.2017). Insbesondere die künftige Orientierung des Landes vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise zwischen einer EU-Annäherung einerseits und einem starken Bündnis mit Russland infolge des militärischen Konflikts mit Aserbaidschan andererseits, dominierten thematisch den Wahlkampf (RFL/RL 3.4.2017).

Trotz der Einhaltung der Grundfreiheiten und der guten Administrierung der Parlamentswahlen unter Einführung neuer Technologien, wurden die Wahlen durch glaubwürdige Berichte über Stimmenkauf und Druckausübung auf WählerInnen, Beamte sowie Angestellte von Privatunternehmen überschattet (OSCE/ODIHR 3.4.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Aussenpolitik_node.html#doc339304bodyText3, Zugriff 4.5.2017

-

Caucasian Knot (9.12.2015): TI states gross violations at Armenian referendum, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/33921/, Zugriff 4.5.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): The World Factbook, Armenia;

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, Zugriff 4.5.2017

-

Der Standard (7.12.2015): Armenien: Ja zu umstrittener Verfassungsänderung,

http://derstandard.at/2000027073366/Armenier-stimmten-fuer-umstrittene-Verfassungsaenderung, Zugriff 4.5.2017

-

EN - Eurasiannet.org (7.12.2015): Armenia: Widespread Reports of Irregularities Mar Constitutional Referendum, http://www.eurasianet.org/node/76461, Zugriff 4.5.2017

-

EN - EurasiaNet.org (3.4.2017): Armenia: Voters Opt for More of the Same, http://www.eurasianet.org/node/83066, Zugriff 4.4.2017

-

NSS-RA - National Statistical Service of the Republic of Armenia (2013): The Results of 2011 Population Census of the Republic of Armenia, Table 5.1: Population (urban, rural) by Ethnicity, Sex and Age, http://armstat.am/en/?nid=517, http://armstat.am/file/doc/99486253.pdf, Zugriff 5.5.2017

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OSCE/ODIHR - Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (3.4.2017): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017:

Statement of Preliminary Findings and Conclusions, http://www.osce.org/office-for-democratic-institutions-and-human-rights/elections/armenia/309156?download=true, Zugriff 4.4.2017

-

PA - PanARMENIAN Network (4.4.2017): Republican Party of Armenia secures 55 parliamentary seats, http://www.panarmenian.net/eng/news/236627/, Zugriff 4.5.2017

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RFL/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (7.12.2015): Protesters Gather in Yerevan, Claim Fraud In Armenian Referendum,http://www.rferl.org/content/armenia-referendum-sarkisian/27410980.html, Zugriff 4.5.2017

-

RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Liberty (3.4.2017): Ruling Republican Party Wins 'Tainted' Armenian Elections, http://www.rferl.org/a/armenian-vote-parliament-sarkisian-tsarukian/28404992.html, Zugriff 4.5.2017

Sicherheitslage

Kernproblem für die armenische Außenpolitik bleibt der Konflikt um Nagorny Karabach sowie die in diesem Zusammenhang geschlossenen Grenzen zu Aserbaidschan und zur Türkei. Seit dem Krieg (1992-94) um das überwiegend von Armeniern bewohnte Gebiet Bergkarabach, halten armenische Verbände etwa 17% des aserbaidschanischen Staatsgebiets (Bergkarabach und sieben umliegende Provinzen) besetzt. Im Zuge der bewaffneten Auseinandersetzungen mussten ca. eine Million Menschen ihre angestammte Heimat verlassen, überwiegend Aserbaidschaner, aber auch bis zu 200.000 Armenier. An der Waffenstillstandslinie kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Trotz der seit 1994 laufenden Vermittlungsbemühungen der Ko-Vorsitzstaaten (USA, Russland, Frankreich) der sogenannten Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und regelmäßiger Treffen der Außenminister Armeniens und Aserbaidschans bzw. der beiden Staatspräsidenten ist eine Lösung des Konflikts um Nagorny Karabach weiterhin nicht in Sicht (AA 3.2017a).

Bei heftigen Gefechten vom 2.4 bis 5.4.2016, den schwersten seit 22 Jahren zwischen den Nachbarländern Armenien und Aserbaidschan an der Frontlinie zu Nagorny Karabach, kam es zu Opfern unter den militärischen Einheiten. Laut aserbaidschanischen Angaben starben auch Zivilisten (Standard 3.4.2016, RFL/RL 4.4.2016). Das Verteidigungsministerium der de facto Republik Nagorny Karabach berichtete ebenfalls von zivilen Opfern (CN 2.4.2016). Am 5.4.2016 vereinbarten Aserbaidschan und Nagorny Karabach einen Waffenstillstand. Im Zuge der viertägigen Kampfhandlungen starben mehr als 64 Menschen (Standard 5.4.2016).

Am 25.2.2017 kam es erneut zu Zusammenstößen zwischen armenischen und Truppen von Nagorny Karabach einerseits und der aserbaidschanischen Armee andererseits, bei denen mindestens fünf aserbaidschanische Armeeangehörige den Tod fanden. Am 1.3.2017 wurde bei einem aserbaidschanischen Artillerieangriff u.a. eine armenische Kaserne zerstört und tagsdrauf griff Armenien aserbaidschanische Stellungen an (EurasiaNet 10.3.2017).

Mitglieder der außerparlamentarischen Oppositionsgruppe "Gründungsparlament" besetzten am 17.7.2016 in Jerewan eine Polizeistation und nahmen zeitweise mehrere Geiseln. Ein Polizist starb dabei (RFE/RL 17.7.2016). Die Geiselnehmer forderten die Freilassung von Schirajr Sefiljan, eines inhaftierten Oppositionsführers, und den Rücktritt des Staatspräsidenten. Kriegsveteran Sefiljan kritisierte vor allem das Verhalten der Regierung im Konflikt um die Region Nagorny Karabach (DW 17.7.2016). In der darauf folgenden Woche kam es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Demonstranten verlangten eine Versorgung der Geiselnehmer mit Lebensmitteln, was die Polizei jedoch ablehnte. Nach offiziellen Angaben wurden 51 Personen verletzt und 136 verhaftet (NZZ 21.7.2016). Bei erneuten Zusammenstößen am 29.7.2016 zwischen Sympathisanten der Besetzer der Polizeistation und Sicherheitskräften wurden 75 Personen verletzt und 20 verhaftet (RFE/RL 30.7.2016). Nach zwei Wochen endete der Konflikt um die besetzte Polizeistation mit der Kapitulation der bewaffneten Gruppe (RFE/RL 1.8.2016, vgl. Spiegel online 31.7.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Aussenpolitik_node.html#doc339304bodyText3, Zugriff 4.5.2017

-

CN - Caucasus Knot (2.4.2016): One child killed and two wounded in shelling in the Karabakh conflict zone, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/35119/, Zugriff 4.5.2017

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Der Standard (3.4.2016): Bergkarabach: Militärische Eskalation im Kaukasus,

http://derstandard.at/2000034103285/Bergkarabach-Militaerische-Eskalation-am-Kaukasus, Zugriff 4.5.2017

-

Der Standard (5.4.2016): Waffenruhe nach vier Tagen Krieg im Kaukasus,

http://derstandard.at/2000034245475/Waffenruhe-nach-vier-Tagen-Krieg-im-Kaukasus, Zugriff 4.5.2017

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DW - Deutsche Welle (17.7.2016): Blutige Geiselnahme in Armeniens Hauptstadt,

http://www.dw.com/de/blutige-geiselnahme-in-armeniens-hauptstadt/a-19406245, Zugriff 4.5.2017

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EurasiaNet.org (10.3.2017): Karabakh: Diplomatic Attention Needed to Address Growing Risks, http://www.eurasianet.org/node/82771, Zugriff 4.5.2017

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (21.7.2016): Blutiges Patt in Armenien, http://www.nzz.ch/international/europa/proteste-und-geiselnahme-blutiges-patt-in-armenien-ld.106951, Zugriff 4.5.2017

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (4.4.2016): Baku Announces Cease-Fire Amid Continued Karabakh Fighting, http://www.rferl.org/content/azerbaijan-armenia-nagorno-karabakh-violence-erupts/27651414.html, Zugriff 4.5.2017

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.8.2016): Remaining Gunmen In Armenia Standoff Surrender, http://www.rferl.org/content/armenia-yerevan-standoff-police-killed/27890220.html, Zugriff 4.5.2017

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (17.7.2016): Armed Attackers Storm Yerevan Police Headquarters, http://www.rferl.org/media/video/armenia-police-hq/27863342.html, Zugriff 4.5.2017

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (30.7.2016): Dozens Injured In Police Clashes With Protesters In Yerevan, http://www.rferl.org/content/dozens-injured-police-protester-clashes-yerevan-/27889053.html, Zugriff 4.5.2017

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Spiegel online (31.7.2016): Armenien: Geiselnahme in Eriwan nach zwei Wochen beendet,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/armenien-bewaffnete-regierungsgegner-ergeben-sich-a-1105565.html, Zugriff 4.5.2017

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist, ebenso wie der Nationale Sicherheitsdienst (NSD), direkt der Regierung unterstellt. Allein der Präsident hat die Befugnis, die Leiter beider Behörden zu ernennen. Die Aufgaben beider Organe sind voneinander abgegrenzt. Für die Wahrung der nationalen Sicherheit sowie für Nachrichtendienst und Grenzschutz ist der Nationale Sicherheitsdienst zuständig, dessen Beamte auch

Verhaftungen durchführen dürfen. . Der Polizeichef füllt in

Personalunion die Funktion des Innenministers aus. Ein Innenministerium gibt es nicht mehr. Das Fehlen der politischen Instanz wird damit begründet, dass damit eine "Politisierung" der Sicherheitsorgane verhindert werden soll (AA 22.3.2016).

Straffreiheit ist ein Problem und es gibt keine unabhängige Institution, die ausschließlich Polizeiübergriffe untersucht. Laut NGOs sehen sich die Gesetzesvollzugsorgane eher als Verteidiger der Autorität denn als Diener des Gesetzes und der Öffentlichkeit. Der Verteidigungsminister bemüht sich, die Disziplin auch durch den Einsatz von Lehroffizieren für Menschenrechte zu verbessern, wozu auch die Bereitstellung sozialer, psychologischer und Rechtskurse im Rahmen des Wehrdienstes dienen sollen. Im November 2015 wurde seitens des Verteidigungsministeriums das Zentrum für Menschenrechte und Integritätsbildung errichtet, mit dem Mandat, u.a. die Menschenrechte zu schützen, Ethik zu fördern und eine Anti-Korruptions-Politik einzuführen (USDOS 3.3.2017).Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 muss die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen (USDOS 3.3.2017).Am 17.7.2016 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der bewaffneten Gruppe "Sasna Tsrer", die eine Polizeistation besetzte, und Sicherheitsorganen. In jenen Tagen kam es zu Versammlungen von Demonstranten am Freiheitsplatz in Jerewan, welche laut der "Foundation Against the Violation of Law" (FAVL) unrechtmäßig verhaftet wurden. Zahlreiche Berichte zeigten, dass die Protestierenden Schlägen, Erniedrigungen und grausamen Behandlungen in Gewahrsam der Polizei ausgesetzt waren. Den Rechtsanwälten wurde der Zugang zu den verhafteten Demonstranten für mehrere Stunden verwehrt. Demonstranten wurden bis zu 32 Stunden statt der vorgesehenen maximal drei Stunden festgehalten und zwar ohne Wasser und Nahrung (FAVL 7.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

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FAVL - Foundation Against the Violation of Law" (7.2016):

Statement And Call For Action,

http://www.favl.am/blog/2016/07/23/statement-and-call-for-action/, Zugriff 3.5.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/337119/466879_en.html, Zugriff 3.5.2017

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und -freiheiten unantastbar. Menschenrechte werden zum größten Teil durch die Sicherheitsorgane, politische Amtsträger und Privatpersonen aus dem Umfeld der sich über dem Gesetz wähnenden Oligarchen oder deren Strukturen verletzt (AA 22.3.2016).

Das US Department of State sah die signifikantesten Menschenrechtsprobleme in der Straffreiheit der Gesetzesvollzugsorgane. Andere Probleme waren unerklärliche Todesfälle in der Armee ohne Kampfeinwirkung, Misshandlungen von Rekruten durch Offiziere, Vorwürfe von Polizeiübergriffen während des Verhörs und des Arrestes, der Mangel an Transparenz hinsichtlich der Gründe für die Festnahmen und unklare Kriterien für die Freilassung. Gerichtsprozesse waren oft langwierig und die Gerichte waren nicht fähig, die Gesetze im Sinne der Gewährung eines fairen Verfahrens anzuwenden. Die Polizei hatte Journalisten im Visier. Im Bereich der Medien waren der Mangel an Diversität und die Selbstzensur ein Problem. Die Achtung der Versammlungsfreiheit verschlechterte sich, und die Autoritäten schränkten die Freiheit zur Teilhabe am politischen Prozess sowie den politischen Pluralismus ein. Mitgliedern religiöser Minderheiten widerfuhr gesellschaftliche Stigmatisierung und LGBTI-Personen sahen sich mit Diskriminierung von offizieller Seite sowie gesellschaftlicher Gewalt konfrontiert. Die Regierung schränkte ArbeitnehmerInnenrechte ein und setzte Bestimmungen des Arbeitsrechtes kaum um (USDOS 3.3.2017).

Laut Human Rights Watch wandten die Autoritäten exzessive und unverhältnismäßige Gewalt gegen friedliche Demonstranten an, attackierten Journalisten und erwirkten ungerechtfertigte Strafanzeigen gegen Demonstrationsanführer und -teilnehmer. Misshandlungen während der Haft blieb ein stetes Problem und Untersuchungen hierzu blieben ineffektiv (HRW 12.1.2017).

Auch Amnesty International sah vor allem das Agieren der Polizei als problematisch. Neben der exzessiven Polizeigewalt gegen Demonstranten, den willkürlichen Verhaftungen, nahmen Vorwürfe wegen Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam den Großteil des Berichtes 2016/17 ein (AI 22.2.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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