Entscheidungsdatum
28.08.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
1. L526 2201064-1/7E
2. L526 2201063-1/7E
Beschluss
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde vonXXXX, StA: Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2018, Zl. XXXX beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid
behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
2. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHREY,
LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA: Irak, vertreten durch XXXX , diese vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für
Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2018, XXXX, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid
behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführer (im Weiteren kurz "BF" oder gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch "BF1" oder "BF2" genannt) sind irakischer Staatsbürgerinnen. BF1 ist die Mutter der minderjährigen BF2. BF1 stellte am 18.10.2015 für sich und BF2 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 19.10.2015 einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Dort gab BF1 an, dass sie und ihrer Familie aufgrund ihrer modernen Lebensweise bedroht worden seien. Grund sei auch, dass Schiiten glaubten, dass sie Sunniten und in ihren Augen daher Ungläubige seien.
Am 27.04.2017 wurde BF1 durch die belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Weiteren kurz "bB" genannt) niederschriftlich einvernommen. Anlässlich dieser Einvernahme gab BF1 zusammengefasst an, dass sie Schneiderin gewesen sei und gegenüber Kundinnen ihre Meinung frei zum Ausdruck gebracht habe. Sie habe auch geäußert, dass ein Mann nicht mit mehreren Frauen verheiratet sein solle. Außerdem habe sie auch klargemacht, dass sie ohne Bekenntnis sei und deshalb sei sie von einigen als ungläubig bezeichnet worden. Die Männer dieser Frauen seien zum Teil in bewaffneten Gruppierungen tätig. Eines Tages seien einige Frauen mit ihren Männern vor ihrer Tür gestanden und hätten ihr erklärt, dass sie sie wieder auf den richtigen Weg bringen wollten und ihr mit Tötung gedroht, wenn sie dies nicht akzeptieren würde. Die Gefahr, in der sie sich befand, habe sie erkannt und bei nächster Gelegenheit das Land verlassen.
2. Aufgrund eines Auftrages der bB erstattete das Bundeskriminalamt des Bundesministeriums für Inneres der Republik Österreich einen Bericht über die Untersuchung hinsichtlich des Vorliegens von Total- oder Verfälschungsmerkmalen der vorgelegten Personalausweise lautend auf die Namen der BF1 und BF2. Aus den in den Akten erliegenden Berichten geht hervor, dass keine Beurteilung der Ausstellungsmodalitäten möglich sei, die fraglichen Formularvordrucke authentisch seien und die urkundentechnischen Untersuchungen das Vorliegen von verfälschten Urkunde ergeben hätten, da jeweils eine behördliche Eintragung (Auswechslung des Lichtbildes) erfolgt sei.
3. Mit Schreiben der bB vom 29.03.2018 wurden die BF aufgefordert, schriftlich ergänzende Angaben zu tätigen, "insbesondere, wenn sich hinsichtlich der im Schreiben aufgelisteten Fragestellungen seit der letzten Einvernahme wesentliche Änderungen ergeben haben".
Diese Fragestellungen wurden formuliert wie folgt:
"1. Halten Sie Ihr bisheriges Fluchtvorbringen aufrecht?
2. Möchten Sie Ihr bisheriges Fluchtvorbringen ergänzen?
3. Haben sich zwischenzeitig neue Sachverhalte im Zusammenhang mit Ihrem Fluchtvorbringen ergeben?
4. Gibt es bis dato der Behörde noch nicht vorgelegte Beweismittel, die Sie nunmehr in Vorlage bringen möchten?
5. Haben sich sonstige verfahrensrelevante Umstände (beispielsweise gesundheitliche Aspekte) ergeben?
Legen Sie dazu aktuelle Nachweise (z.B. med. Befunde oder dergleichen) vor, nur dann kann dies entsprechend im Bescheid Berücksichtigung finden."
4. Mit Schreiben vom 11.04.2018 verlangte BF1, dass die ihr gestellten Fragen in einer für sie verständlichen Sprache übermittelt oder sie erneut geladen werde. Die bB kam dieser Aufforderung durch die Übermittlung einer Übersetzung der gestellten Fragen nach.
5. Mit Schreiben vom 04.05.2018 berichtete BF1 von einer Verschlechterung ihrer Situation, zumal sie mittlerweile von ihrem Ehemann, mit welchem sie nach Österreich gekommen sei, geschieden wurde und nun auch von Seiten der Familie bedroht würde. Zudem habe sie einen jungen Mann kennen gelernt und sei von diesem schwanger geworden, weshalb sie auch befürchte, im Falle einer Rückkehr bedroht zu werden und dass man ihr die Tochter wegnehmen würde. Ihr und ihrer Tochter ginge es auch gesundheitlich nicht gut.
7. Mit Bescheid vom 13.06.2018 wies die bB den Antrag der BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkte I. und II). Außerdem wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2. Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen die Entscheidung wurde gem. § 18 Abs. 1 Z 3 und 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII).
Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftslandes führte die bB im Wesentlichen aus, dass die Angaben der BF1 zum vermeintlichen Fluchtgrund unlogisch seien, zumal sie in ihrem Heimatort im Irak ihren Angaben zufolge offenbar für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr unbehelligt hätte leben können. Ferner wurde festgestellt, dass ihre Konfessionslosigkeit keinen Asylgrund darstelle, zumal ihr durchaus zugemutet werden könne, diesen Umstand nicht an die Öffentlichkeit zu tragen. In einer Großstadt wie Bagdad etwa würde es auch nicht auffallen, wenn sie nicht zur Moschee ginge. Auch ihr geschiedener Ehemann hätte den von BF1 geschilderten Fluchtgrund anlässlich seiner Einvernahme nicht erwähnt. Insgesamt sei es ihr nicht gelungen, glaubhaft darzulegen, dass sie aufgrund einer Verfolgung bzw. Furcht vor dieser nach Österreich gekommen sei. Zur Befürchtung der BF1, die Tochter könnte zwangsverheiratet werden, wurde ausgeführt, dass es sich bei der behaupteten Gefahr weder um eine von einer staatlichen Behörde des Iraks ausgehende, noch um eine dem irakischen Staat zurechenbare Verfolgung handle.
Auch aus den sonstigen Umständen vermochte die bB keine asylrelevante Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention zu erkennen und konnte auch nicht feststellen, dass die BF im Falle einer Rückkehr in die Heimat einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wären oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt sein würden.
Zu Spruchpunkt VII. führte die bB unter Anführung der gesetzlichen Normen begründend aus: "Sie brachten die Fälschung Ihres vermeintlichen irakischen Personalausweises in Vorlage. Dadurch ist der Tatbestand gem. § 18 Abs. 1 Ziffer 3 erfüllt. Wie zuvor schlüssig dargelegt worden ist, entspricht Ihr Vorbringen zu Ihrer vermeintlichen Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen. Dadurch ist der Tatbestand gemäß § 18 Abs. 1 Ziffer 5 erfüllt".
Gegen den Bescheid wurde binnen offener Frist eine begründete Beschwerde erhoben.
Mit Erkenntnissen vom 23.07.2018 wurde Spruchpunkt VII. der angefochtenen Bescheide gem. § 28 Abs. 1 und 5 VwGVG ersatzlos behoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1 Feststellungen:
Die bB hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen, weshalb dieser zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht hinreichend feststand. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des festzustellenden Sachverhaltes wird auf die unter Punkt I getroffenen Ausführungen verwiesen.
II.2 Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in die behördlichen Verwaltungsakte unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben der BF, der Bescheidinhalte sowie des Inhaltes der gegen die Bescheide der bB erhobenen Beschwerden.
Der für die gegenständliche Zurückverweisung des Bundesverwaltungsgerichtes relevante Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.
II.3 Rechtliche Beurteilung:
II.3.1 Zuständigkeit, Entscheidung durch die Einzelrichterin
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind.
In einem erst jüngst ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.02.2017, Ra 2015/11/0089 betonte dieser weiters das Interesse der Rechtsunterworfenen an einer raschen Entscheidung und führte dazu aus, dass es nicht zu erkennen sei, weshalb es nicht im Interesse der Raschheit gelegen sein sollte, wenn das Verwaltungsgericht - ausgehend freilich von einer zutreffenden Beurteilung der entscheidenden Rechtsfrage - selbst die notwendige Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens veranlasst und den entscheidungsrelevanten Sachverhalt feststellt."
Einzelfallbezogen ergibt sich hieraus Folgendes:
Im vorliegenden Fall war es Aufgabe der belangten Behörde, den Sachverhalt vollständig zu ermitteln und sich mit dem Vorbringen der BF1 und den gegebenen Umständen des Falls ausführlich und umfassend auseinanderzusetzen, um zu einer profunden Feststellung des gegenständlichen Sachverhalts zu kommen. Es war Aufgabe der bB, zu klären, ob die BF zum einen eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnten und zum anderen, ob darüber hinaus menschen- bzw. asylrechtliche Gründe einer Rücküberstellung bzw. Ausweisung in ihren Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
Mit beiden Fragen hat sich die bB nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts im gegenständlichen Fall nicht ausreichend auseinandergesetzt. Die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren sind in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus den nachfolgend dargestellten Erwägungen:
Die BF1 gab mit Schreiben vom 04.05.2018 bekannt, einen jungen Mann kennengelernt zu haben und schwanger zu sein. Eine Kopie des Mutter-Kind-Passes wurde vorgelegt. Von der bB wurde bescheidmäßig festgestellt, dass die BF1 im 7. Monat schwanger ist ([Aktenseite] AS 351 bei BF1).
Die bB hat es gänzlich unterlassen, Erhebungen zum Kindesvater zu tätigen. Obwohl die BF1 angegeben hat, einen jungen Mann kennengelernt zu haben, hat die bB keine Erhebungen im Sinne von Befragungen zur Identität und Nationalität des Kindesvaters sowie zur Frage des möglichen Bestehens einer Lebensgemeinschaft zwischen der BF1 und dem Kindesvater betrieben. Die Ausführungen der bB im Bescheid erschöpfen sich darin, festzustellen, dass sich das Privatleben der BF1 hauptsächlich auf den Kontakt zu ihrer Tochter beschränkt und sie lediglich oberflächliche freundschaftliche Beziehungen pflegt (AS 483 f. bei BF1). Eine Abklärung der familiären Situation der BF1, welche sich aufgrund ihrer Aussage in ihrem Schreiben vom 04.05.2018 neuen Aspekt beinhaltet, wurde von der bB gänzlich außer Acht gelassen und behaftet das Verfahren daher mit einem Mangel.
Der angefochtene Bescheid leidet unter dem schweren Mangel, dass sich die bB nicht in gehöriger Weise mit der Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung auseinandergesetzt hat und den bP weder Parteiengehör zur Situation in Österreich gewährt noch diese im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme zu ihrem aktuellen, seit der letzten Einvernahme geänderten Privat- und Familienleben in Österreich, welches die BF1 zudem in ihrer Stellungnahme vom 04.05.2018 dargelegt hat, befragt hat.
Die bB begründet die Verneinung eines bestehenden Privatlebens damit, dass die BF1 lediglich oberflächliche freundschaftliche Beziehungen pflege (AS 484 bei BF1). Wie oben ausgeführt, lässt die bB die Angaben der BF1 in ihrer Stellungnahme gänzlich außer Betracht, wonach sie einen jungen Mann kennengelernt habe und schwanger sei.
Die bB gibt in ihren Ausführungen, AS 469 bei BF1, an, dass sich aus dem Vorbringen, welches die BF1 in ihrer Stellungnahme dahingehend gesteigert hätte, dass sich die Situation verschlechtert hätte, da ihr Clan von ihrer Schwangerschaft erfahren hätte, selbst bei Wahrunterstellung ihres Vorbringens keine maßgebliche Sachverhaltsänderung ergebe. Dabei übersieht sie jedoch gänzlich, dass genau dieses Vorbringen eine Sachverhaltsänderung nach sich zieht, die weitere Ermittlungstätigkeiten erfordert hätte.
Seitens der bB muss zumindest der aktive Versuch unternommen werden, sei es ihm Rahmen der Wahrung des Parteiengehörs oder der niederschriftlichen Einvernahme des Asylwerbers, neue Sachverhaltselemente in Erfahrung zu bringen.
Im Rahmen der nachzuholenden Ermittlungstätigkeiten wird sich die bB in geeigneter Weise mit dem Privat- und Familienleben der bP im Rahmen von neuerlichen, ausführlichen Einvernahmen und dementsprechenden Feststellungen hinreichend auseinanderzusetzen haben und wird eine entsprechende Würdigung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung zu erfolgen haben.
Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 idgF kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
Die bB hat sich, trotz mehrfacher Anhaltspunkte - die BF 1 wurde am 06.09.2016 in Österreich von XXXX geschieden (Vergleichsausfertigung, AS 313 bei BF1), die BF 1 erwartet ein uneheliches Kind - nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die BF1 einen Lebensstil pflegt, welcher möglicherweise einen Nachfluchtgrund darstellte. Hinzu kommt, dass die BF1 behauptete, konfessionslos zu sein.
Ohne entsprechende Erhebungen und Feststellungen zur Frage eines möglichen Nachfluchtgrundes getätigt zu haben, stellt ein solches Außerachtlassen einen gravierenden Mangel des erstbehördlichen Verfahrens dar.
Die Einvernahme der BF1 fand am 27.4.2017, jene des genannten Exmannes am 10.05.2017 statt. Die - konträren - Fluchtgeschichten wurden den jeweiligen Bescheiden zugrunde gelegt.
Einen Vorhalt dahingehend, warum sich die Fluchtgeschichten unterscheiden, hat die bB weder der BF1, noch dem geschiedenen Ehemann der BF1, AL JASHAMI Ali, gegenüber vorgenommen. Alleine die Angaben der BF1 in ihrer niederschriftlichen Einvernahme wurden einer bescheidmäßigen Wertung bei genanntem Exmann zugeführt, indem, wie die bB ausführt, ein weiteres Indiz für seine konstruierte Fluchtgeschichte der Umstand sei, dass seine Exgattin (BF1), mit der er gemeinsam ausreiste, bei ihrer eigenen Einvernahme den vom Genannten geschilderten Vorfall, bei dem angeblich auf deren Haus geschossen und er von Milizen bedroht worden sei, ebenso wenig erwähnt hatte, wie den vom Genannten ins Treffen geführte Drohbrief, den ihm seine Frau angeblich vorgelesen hatte. Demgegenüber fand das zu BF1 divergierende Fluchtvorbringen des Genannten keine Berücksichtigung in den Bescheiden der BF1 und BF2. Die bB hätte in diesem Zusammenhang die unterschiedlichen Fluchtvorbringen zu hinterfragen gehabt.
Die bB hat ferner angenommen, dass die BF1 arbeits- und selbsterhaltungsfähig sei (AS 465 bei BF1). Dabei lässt sie vollkommen außer Acht, dass die BF1 ein Kind erwartet, geschieden ist und eine minderjährige Tochter (BF2) hat. Vor diesem Hintergrund der zudem ungeklärten Frage, ob sie als geschiedene Frau im Familienverband im Irak wieder Aufnahme fände, erweisen sich die Aussagen der bB, die BF seien im Falle ihrer Rückkehr nicht gefährdet, als spekulativ. Es erschließ sich dem Gericht nicht, auf welcher Grundlage die bB diese Schlüsse gezogen hat.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Behörde gemäß § 18 Abs. 1 AsylG in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Dies Vorgehensweise der bB, nicht den gesamten, hinsichtlich einer Bedrohung vorgebrachten Sachverhalt in die Beurteilung miteinzubeziehen, führt zur Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung und belastet das gegenständliche Verfahren mit einem wesentlichen Mangel.
Nach st Rsp des VwGH ist von den Asylbehörden zu erwarten, dass sie insoweit, als es um Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern geht, von den zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten Gebrauch machen und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einbeziehen (vgl. das hg. Erk.
vom 11.11.2008, 2007/19/0279, mwN zur Pflicht der Asylbehörden, von Amts wegen aktuelles Berichtsmaterial heranzuziehen, sowie das hg. Erk. v. 19.3.2009, 2008/01/0738).
Diesbezüglich ist zweierlei anzumerken:
Die Länderfeststellungen lassen, obwohl die BF aus XXXX in der Provinz XXXX stammen, eine Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in der betreffenden Provinz vermissen. Durch Einsichtnahme in den Akt des geschiedenen Ehemannes der BF1 und Vater der BF2,XXXX ebenfalls aus XXXX in der Provinz XXXX stammend, ist demgegenüber ersichtlich, dass bei diesem - zur Lage im Herkunftsstaat - die genannte Sicherheitslage ihren Niederschlag fand. Die bei der Beurteilung der zur länderkundlichen Lage - die BF1 und BF2 betreffend - herangezogenen Länderfeststellungen erweisen sich als unzureichend.
Ferner wurde die Anfragebeantwortung von ACCORD vom 27.06.2016 (AS 187 ff. bei BF1), basierend auf der Anfrage an die Staatendokumentation vom 21.11.2017, welche sich im Akt wiederfindet, weder der BF1 zur Kenntnis gebracht wurde, noch als Beweismaterial verwendet - und somit auch keiner Beurteilung zugeführt.
Ergänzend ist zu bemerken, dass der Bescheid auch an gravierenden Begründungsmängeln leidet.
In diesem Zusammenhang sei auf Folgendes hingewiesen:
Gemäß § 45 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) idF BGBl. I Nr. 161/2013, welcher auch für die belangte Behörde maßgeblich ist, hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen sind ausweislich des § 60 AVG notweniger Teil der Begründung des Bescheides.
Das AVG erfordert eine fallbezogene Beweiswürdigung (VwGH 30.09.2004, Zl. 2001/20/0458). Bei Widersprüchen allerdings zwischen den Behauptungen und den Angaben der Verfahrenspartei und sonstigen Ermittlungsergebnissen bedarf es einer klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der maßgeblichen, bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen. Eine dem § 60 AVG entsprechende Entscheidungsbegründung muss zu widersprechenden Beweisergebnissen im einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was die Behörde veranlasst hat, dem einen Beweismittel mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen; die dabei vorgenommenen Erwägungen müssen schlüssig sein, das heißt mit den Gesetzen der Logik und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut im Einklang stehen (VwGH 25.05.2016, Zl. 2013/06/0097).
Darüber hinaus wird § 60 AVG auch durch die Feststellung allein, das Vorbringen einer Partei sei unglaubwürdig, nicht Rechnung getragen, sondern nur dann, wenn die Behörde mit tragfähigen Argumenten aufzeigt, warum sie diese Auffassung vertritt (VwGH 30.09.2004, Zl. 2002/20/0599). Schließlich genügt es nicht, dass die Behörde ihre Beweiswürdigung auf isolierte Überlegungen stützt, die zumindest zum Teil nicht ungeeignet erscheinen, zur Lösung beizutragen, die aber für sich allein und ohne Bedachtnahme auf den Gesamtkontext des Vorbringens, ohne Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit der Partei und ohne Auseinandersetzung mit der aktuellen Berichtslage betreffend Vorfälle der behaupteten Art nicht ausreichen, um die Entscheidung nachvollziehbar zu begründen (VwGH 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).
Die bB übersieht auch, dass beweiswürdigende Überlegungen zur Stichhaltigkeit einer Fluchtgeschichte sich regelmäßig nicht auf das Vorbringen des Asylwerbers beschränken dürfen. Vielmehr bedarf es idR auch einer Betrachtung der konkreten fallbezogenen Lage im Herkunftsstaat des Betreffenden, weil seine Angaben letztlich nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich sind (VwGH 18.4.2002, 2001/01/0002; in diesem Sinne auch VwGH 28.1.2005, 2004/01/0476). Von den Asylbehörden ist eine Einbeziehung des realen Hintergrundes der von einem Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in das Ermittlungsverfahren zu erwarten. Die Behauptungen des Asylwerbers sind auch am Verhältnis zu der Berichtslage in Bezug auf das Ereignis, von dem er betroffen gewesen sein will, zu messen (VwGH 30.9.2004, 2001/20/0135, in diesem Sinne auch VwGH 31.5.2005, 2005/20/0176). Auch der Verfassungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis 2001/10/02 B 2136/00 davon aus, dass sich die Asylbehörden nicht mit Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat begnügen dürfen, sondern fallbezogen konkrete Ermittlungen in Bezug auf das individuelle Vorbringen tätigen müssen, um dieses einer Plausibilitätskontrolle unterziehen zu können. Nach Ansicht des zitierten VfGH Erkenntnis besteht diese Verpflichtung selbst dann, "wenn die vom Beschwerdeführer gegebene Schilderung von vornherein als kaum glaubwürdig und als irreal erscheint. Dies entbindet die Asylbehörde nicht von ihrer Verpflichtung die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen".
Zusammengefasst ist festzustellen, dass sich die bB weder im Rahmen der Einvernahme noch in der darauf basierenden Beweiswürdigung des Bescheides mit dem Fluchtvorbringen und den Rückkehrbefürchtungen und einem möglicherweise bestehenden Nachfluchtgrund hinreichend auseinandergesetzt hat. Aufgrund der gravierenden Ermittlungslücken kann aber von der erkennenden Richterin nicht nachvollzogen werden, aufgrund welcher Sachverhaltselemente die bB davon ausgeht, dass die BF kein asylrelevantes Vorbringen erstattet hätten und sich keine Gefährdung im Falle ihrer Rückkehr für sie ergeben würde. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche.
Mangels Durchführung eines hinreichenden Ermittlungsverfahrens, auf dessen Grundlage tragfähige Feststellungen zu wesentlichen Tatbestandsmerkmalen erst möglich gewesen wären, wurde insofern im gegenständlichen Verfahren aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes der entscheidungswesentliche Sachverhalt für die abschließende Beurteilung bloß ansatzweise ermittelt, es lagen vielmehr besonders gravierende Ermittlungslücken vor (vgl. VwGH vom 30.09.2014, Ro 2014/22/0021), weshalb sich das erkennende Gericht zur Behebung der bekämpften Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Durchführung desselben und Erlassung eines neuen Bescheides veranlasst sah.
Insbesondere ist im gegebenen Fall aus obigen Erwägungen davon auszugehen, dass es sich aufgrund der zentralen Bedeutung der behördlichen Einvernahme für die Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes sowie das Unterlassen von weiterführenden, den Sachverhalt erhellenden Fragen um gravierende Ermittlungslücken im Sinne der Erkenntnisse des VwGH, Ra 2014/03/0054 vom 30.06.2015 sowie VwGH, Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016, handelt.
Es kann nicht Sache des Bundesverwaltungsgerichtes sein, die im gegenständlichen Fall dazu erforderlichen - jedoch im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wesentlich mangelhaft gebliebenen - Ermittlungen nachzuholen, um dadurch erst zu den erforderlichen Entscheidungsgrundlagen zu gelangen.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht liegt nicht im Sinne des Gesetzes, insbesondere bei Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll. Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall eine kassatorische Entscheidung zu treffen. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht der BF gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
Zur Ermittlung des Sachverhaltes, welcher unter die von ihr anzuwendenden Rechtsnormen zu subsumieren ist, wird die bB im fortgesetzten Verfahren eine umfassendes Ermittlungsverfahren entsprechend den Vorgaben des AsylG 2005 inklusive einer umfassenden Einvernahme der BF1 zu den behaupteten Ausreisegründen und Rückkehrbefürchtungen und ihren aktuellen Lebensumständen zu führen haben, wobei sie insbesondere die in diesem Beschluss getätigten Aussagen zu den bestehenden Ermittlungslücken, Ungereimtheiten und Widersprüchen zu beachten sowie eine vollständige Glaubwürdigkeitsprüfung vorzunehmen hat. Die bB wird auch aktuelle und vor allem sachverhaltsbezogene Feststellungen zur Lage im Irak zu treffen und diese in Bezug zu den konkreten Verhältnissen der BF und deren Vorbringen und Rückkehrbefürchtungen zu setzen haben.
Letztlich wird die bB im fortgesetzten Verfahren auch das Vorbringen in der Beschwerde zu berücksichtigen, ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchzuführen und das Ergebnis, nach Verständigung der BF1 bzw. Einräumung einer Gelegenheit zur Äußerung, entsprechend zu würdigen haben.
Der Vollständigkeit halber sei auch noch darauf hinzuweisen, dass der Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes nunmehr Teil des durch die bB zu berücksichtigenden Sachverhaltes ist und sich die bB mit den dort gemachten verfahrensrechtlichen Einwendungen auseinanderzusetzen hat.
Wie oben dargelegt, kann aus den Argumenten der bB auch nicht von einer den angefochtenen Bescheid tragenden, schlüssigen Beweiswürdigung ausgegangen werden, und die bB wird zwingend auf das durch die BF behauptete konkrete ausreisekausale Vorbringen einzugehen und ihre Entscheidungen mit einer Begründung zu versehen haben, die den oben dargelegten Anforderungen entspricht. Überdies wird die bB ihre rechtliche Beurteilung derart zu gestalten haben, dass die Voraussetzungen der von ihr angewendeten Rechtsnormen eingehend geprüft und der von ihr festgestellte Sachverhalt unter diese Normen nachvollziehbar subsumiert wird.
Der Vollständigkeit halber sei auch noch auf die Wahrung der Grundsätze des Parteiengehörs hingewiesen. Der BF1 wurde, wie bereits oben ausgeführt, die Anfragebeantwortung von ACCORD vom 27.06.2016 (AS 187 ff. bei BF1), basierend auf der Anfrage an die Staatendokumentation vom 21.11.2017, welche sich im Akt wiederfindet, nicht zur Kenntnis gebracht wurde, darüber hinaus auch nicht als Beweismaterial verwendet - und somit auch keiner Beurteilung zugeführt.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Familieneinheit, Familienverfahren, KassationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L526.2201063.1.01Zuletzt aktualisiert am
26.11.2018