Entscheidungsdatum
31.08.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G305 2187823-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA. Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD
Oberösterreich ASt Linz, vom 12.01.2018, Zl.: XXXX, nach
Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3
und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: so oder kurz: BF) stellte am 19.07.2015, um 11:30 Uhr vor Organen der LPD Niederösterreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde er noch am selben Tag, ab 14:59 Uhr, einer Erstbefragung unterzogen.
Anlässlich dieser Erstbefragung gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er um sein Leben fürchte und sich sicher sei, dass er nicht mit dem IS kämpfen wolle. Auch sei er nicht bereit, auf seine Familie oder seine Landsleute zu schießen. Er wolle auch keine Waffen tragen.
2. Anlässlich seiner am 21.08.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) stattgehabten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass er Träume gehabt hätte, die er nicht habe verwirklichen können. Auch habe er die Universität nicht beenden können, da er nicht wusste, ob er nach Hause zurückkommen würde, oder nicht. Auch sei er für die Dauer von 15 Tagen von Islamisten inhaftiert worden, da er während der Gebetszeit vergessen habe, den Laden zu schließen. In seinem Land, insbesondere in MOSSUL gebe es keine Sicherheit mehr. Sein Land sei zerstört. Die schiitischen Milizen könnten alles bezahlen, wenn man nur genügend Schmiergeld zahle. Weiter brachte er vor, dass sein Vater bedroht worden sei. Auch sei auf seinen Bruder geschossen worden, der dabei getötet worden sei.
3. Anlässlich einer am 06.12.2017 von Organen der belangten Behörde durchgeführten neuerlichen Einvernahme wurde er zur behördlichen Wahrnehmung, dass in seinem Personalausweis das Lichtbild ausgetauscht wurde, einer Befragung unterzogen.
4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12.01.2018, Zl. XXXX, dem BF am 22.01.2018 durch Hinterlegung zugestellt, wurden der auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichtete Antrag des BF vom 19.07.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und dessen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf dessen Herkunftsstaat gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und ausgesprochen, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und wider ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen werde (Spruchpunkt IV.). Zudem stellte die belangte Behörde gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
5. Gegen diesen Bescheid richtete sich die zum 13.02.2018 datierte, bei der belangten Behörde am 15.02.2018 im Wege seiner Rechtsvertretung übermittelte Beschwerde, in der er erklärte, dass er den angefochtenen Bescheid vollumfänglich anfechte. Die Beschwerde verband er weiters mit den Anträgen, das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: so oder kurz: BVwG) wolle der Beschwerde stattgeben und ihm den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zuerkennen, in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG zuerkennen, in eventu feststellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, sowie dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG vorliegen und dem BF daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG einen Aufenthaltstitel von Amts wegen erteilen und die Spruchpunkte IV. und V. beheben, oder den Bescheid zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverweisen und eine mündliche Verhandlung durchführen.
6. Mit Beschwerdevorlage vom 28.02.2018, eingelangt am 02.03.2018, legte die belangte Behörde dem BVwG die gegen den oben bezeichneten Bescheid gerichtete Beschwerde des BF samt den Bezug habenden Verwaltungsakten vor und wurde die Beschwerdesache hier der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.
7. Am 13.08.2018 wurde vor dem erkennenden Gericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF und seiner rechtsfreundlichen Vertretung, sowie eines Dolmetschers für die Muttersprache des BF durchgeführt. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX, geb. am XXXX) und ist irakischer Staatsangehöriger.
Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft sunnitischer Glaubensrichtung. Seine Muttersprache ist arabisch.
Er ist gesund und nimmt keine Medikamente oder Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung ein. Er ist arbeitsfähig und gibt sich arbeitswillig.
Er ist ledig und hat weder leibliche, noch adoptierte Kinder.
Nach seinen Angaben hat er im Bundesgebiet, sieht man von seiner Schwester, XXXX, deren Asylantrag von der belangten Behörde mit Bescheid vom 14.06.2017 zu Zl. XXXX abgelehnt wurde, ab, keine Verwandten bzw. nahen Angehörigen. Ob er mit einer in der Bundesrepublik Deutschland lebenden irakischen Staatsangehörigen, namens XXXX, liiert bzw. verlobt ist, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden. Es steht fest, dass im Haushalt des BF keine weibliche Person lebt [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S.4].
1.2. Zu den Reisebewegungen des Beschwerdeführers:
Zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2015 verließ er gemeinsam mit anderen Mitreisenden ausgehend von MOSSUL schlepperunterstützt mit dem PKW den Herkunftsstaat nach SYRIEN und reiste über den Jebel Abiad (weißer Berg) in die Türkei aus. Ausgehend von MOSSUL wurde er von Angehörigen des IS gegen Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von EUR 700,00 durch syrisches Gebiet bis an die Grenze zur Türkei geschleppt [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 6]. In der Türkei angekommen, reiste er über eine nicht feststellbare Reiseroute nach ISTANBUL und von dort - nach einem ca. zweitägigen Aufenthalt - nach IZMIR weiter, von wo aus er - schlepperunterstützt - mit dem Schlauchboot auf eine nicht feststellbare griechische Insel übersetzte. Nachdem ihm dort Fingerabdrücke abgenommen wurden, reiste er mit einem Schiff weiter nach ATHEN und sodann über MAZEDONIEN mit der Bahn und einem LKW über die Balkanroute illegal ins Bundesgebiet ein, wo er von Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden aufgegriffen wurde [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 19.07.2015, S. 4].
Am 19.07.2015, 11:30 Uhr, stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 19.07.2015, S. 2].
Ob er den Herkunftsstaat tatsächlich am 02.06.2015 verließ [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 19.07.2015, S. 2], konnte nicht festgestellt werden.
1.3. Zur persönlichen Situation des BF im Irak:
Der BF besuchte im Irak sechs Jahre lang die Grundschule und drei Jahre lang die Mittelschule. Anschließend besuchte er fünf Jahre lang eine Fachschule für die "schönen Künste", die er abschloss. Sodann besuchte er in MOSSUL für die Dauer von ca. 2,5 Jahren die Universität, schloss diese aber nicht ab [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 3; PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 5].
Den Lebensunterhalt verdiente er sich im Herkunftsstaat damit, dass er über einen nicht feststellbaren Zeitraum gemeinsam mit einem Freund im Stadtteil XXXX in MOSSUL ein Internetcafé betrieb. In diesem Stadtteil liegt auch das im Eigentum seines Vaters befindliche Familienhaus mit einer Fläche von ca. 500 m²; es konnte nicht festgestellt werden, dass dieses Haus nicht mehr existieren würde [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 5 und 7; siehe dazu jedoch BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 3].
Seinen Aussagen zufolge, war seine finanzielle Situation vor seiner am Ausreise aus dem Herkunftsstaat mittelmäßig [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 3].
Der Vater des BF, der ca. 66 jährige XXXX, dessen Mutter, die ca. 63 jährige XXXX, dessen zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1988 geborener Bruder, XXXX und dessen Schwester, die zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1993 geborene XXXX leben im Herkunftsstaat [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 19.07.2015, S. 3]. Die am 24.02.1983 geborene zweite Schwester des BF, XXXX, kam ebenfalls zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2015 nach Österreich und stellte hier am 18.08.2015, um 00:53 Uhr, einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.06.2017 hinsichtlich des auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Antrages gemäß § 3 Abs. 1 AsylG und hinsichtlich des auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichteten Antrages gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen wurde und hinsichtlich der eine Rückkehrentscheidung erging.
Am 29.10.2013 kamen ein Bruder des BF, XXXX, und ein Cousin väterlicherseits durch Schüsse, die von unbekannten Personen auf den vom Bruder gehaltenen und gelenkten Privat-PKW abgegeben wurden, ums Leben. Dieser Vorfall wurde vom Vater des BF den öffentlichen Sicherheitsbehörden des Herkunftsstaates zur Anzeige gebracht. Die in der Folge eingeleiteten Ermittlungen ergaben jedoch keine Hinweise auf konkrete Täter bzw. dahin, dass die Schüsse von Angehörigen einer Miliz abgegeben worden sein könnten.
Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die Familie des BF zwei Monate vor diesem Vorfall ein anonymes Drohschreiben erhalten hätte.
Es steht fest, dass der BF und dessen (Kern-)Familie auch nach dem Vorfall vom 29.10.2013 im Familienhaus in MOSSUL verblieben sind, wobei der BF am 02.06.2015 ausgereist ist, während die übrigen im Familienhaus wohnhaft gewesenen Familienangehörigen der Kernfamilie des BF weiterhin dort verblieben sind. Dass der BF oder die übrigen Familienangehörigen seiner Kernfamilie in dem zwischen dem 29.10.2013 und der Ausreise des BF am 02.06.2015 gelegenen Zeitraum einer asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung ausgesetzt gewesen wären, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.
1.4. Zur persönlichen Situation des BF in Österreich:
Der BF ist objektivierbar seit dem 19.07.2015 im Bundesgebiet aufhältig.
Er hat an der Volkshochschule XXXX im Zeitraum 18.09.2017 bis 04.12.2017 einen Deutschsprachkurs auf dem Niveau A2 für Asylwerber im Ausmaß von 75 Unterrichtseinheiten mit einer Anwesenheit von mindestens 80% besucht und an einem vom ÖIF veranstalteten Werte- und Orientierungskurs teilgenommen. Eine über rudimentäre Deutschkenntnisse hinausgehende, tiefergreifende sprachliche Integration konnte anlassbezogen jedoch nicht festgestellt werden [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 11].
Im Zeitraum Mai 2017 bis August 2017 war er am Bauhof der Marktgemeinde XXXX im Ausmaß von durchschnittlich 20 Stunden pro Monat tätig und betätigte er sich hier im Bereich der Straßenreinigung, in der Pflege des Ortsplatzes, in der Reinigung der Bauhoffahrzeuge, beim Unkrautjäten, beim Rasenmähen und bei diversen anderen Hilfstätigkeiten.
Am XXXX.2017 absolvierte er einen Erste-Hilfe-Grundkurs im Ausmaß von 16 Stunden beim ÖSTERREICHISCHEN ROTEN KREUZ.
Der BF lebt von den Mitteln der staatlichen Grundversorgung, ist im Bundesgebiet nicht erwerbstätig und hat auch keine konkreten Aussichten auf eine Erwerbstätigkeit in Österreich. Darüber hinaus ließen sich bei ihm keine wirtschaftlichen Interessen im Bundesgebiet feststellen. Seit dem 29.07.2015 bis laufend weist er durchgehend eine Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf und ist strafgerichtlich unbescholten.
Der BF hat lediglich mit seiner Schwester XXXX, deren Asylantrag abgelehnt wurde, eine im Bundesgebiet aufhältige Schwester. Während er mit Hauptwohnsitz XXXX, gemeldet ist, ist seine Schwester in Kärnten aufhältig [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 11]. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF von seiner Schwester finanziell und wirtschaftlich abhängig wäre.
Der BF ist ledig und hat selbst weder eigene, noch an Kindesstatt angenommene Kinder.
Mit Ausnahme seiner Schwester konnten bei ihm weder familiäre Anknüpfungspunkte, noch weitere, tiefgreifende und maßgebliche soziale Beziehungen bzw. Freundschaften im Bundesgebiet festgestellt werden [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 4].
In Bezug auf den BF konnten keine Vereinsmitgliedschaften, Hobbies, ein längerfristiges und tiefergehendes soziales bzw. ehrenamtliches Engagement konstatiert werden. Ebenso wenig konnten Anhaltspunkte für die Annahme einer besonderen maßgeblichen Integration der des BF in Österreich in sprachlicher oder gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.
1.5. Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Seit Oktober 2016 war die allgemeine Sicherheitslage im Irak von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den durch eine Reihe schiitisch dominierter nichtstaatlicher Milizen (PMF Popular Mobilization Forces kurz: PMF) unterstützten irakischen Streitkräfte (ISF), den Streitkräften der kurdischen Regionalregierung (PESCHMERGA) sowie ausländischen Militärkräften auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der des Islamischen Staates (IS) auf der anderen Seite geprägt. Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften, gemeinsam mit der PMF sowie der weiteren verbündeten, teilweise ausländischen, Streitkräfte im Laufe der Jahre 2016 und 2017 gelang, die Einheiten des IS sowohl aus den besetzten Teilen der südwestlichen Provinz ANBAR als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL-DIN zu verdrängen, beschränkte sich das Herrschaftsgebiet des IS auf in der Stadt MOSUL. Nach der sukzessiven Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von dieser terroristischen Gruppierung kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak stand zuletzt vor allem die Kontrolle der Stadt MOSSUL im Fokus. Der Südirak, insbesondere die Provinz BASRA, war nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in den Jahren 2013 und 2014 betroffen.
Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premierminister Haider AL-ABADI die Stadt MOSSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden von der Militärallianz auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie einer Enklave südlich von KIRKUK, doch gab der Premierminister AL-ABADI im Dezember 2017 bekannt, dass der IS auch in diesen Gebieten besiegt sei. Der IS wiederum versuchte die letzten zwei Jahre parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Südirak und im Zentralirak seine - wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte - Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.
Die Sicherheitslage innerhalb der KURDISCHEN AUTONOMIEREGION ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte sowie Grenzkontrollen und innerregionalen Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen.
Die sicherheitsrelevante Situation im Großraum BAGDAD ist durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des als sunnitisch zu bezeichnenden IS dazu dienen hätten sollen, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte zu richten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden.
Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit dem Jahr 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Leitung des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren. In Gebieten wie TIKRIT und MUQDADIYA sind wieder vermehrt Rückkehrer zu verzeichnen und ist eine deutliche Verbesserung beim Zugang zu Basisdiensten und beim Wiederaufbau von grundlegender Infrastruktur zu beobachten. Obwohl schiitische Milizen im Rahmen der Rückeroberung TIKRITS in einem Racheakt zunächst ganze Stadtteile zerstörten und Menschenrechtsverletzungen begingen (MOI 11.2.2016), sind inzwischen die meisten der ursprünglichen Einwohner TIKRITS dorthin zurückgekehrt und hat der Wiederaufbau der Stadt begonnen.
Die allgemeine Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen hat sich als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab dem Jahr 2008 stark verbessert und ist seit dem Jahr 2014 insgesamt als stabil anzusehen. Die Gegenoffensive der irakischen Militärallianz gegen den IS in ANBAR und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. In den südlichen Provinzen des Iraks ist der Großteil der Gewalt, die dort stattfindet, nicht terroristischer Natur, sondern krimineller und "tribaler" (d.h. stammesbezogener) Natur. Im Süden des Iraks leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten und liegen für die südlichen Provinzen (Anm.: BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. So finden sich auch keine Berichte über flächendeckende, langfristige Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten.
Der Bürgerkrieg im Irak in den Jahren 2006 und 2007 hat die vormals friedliche Koexistenz zwischen Sunniten und Schiiten im Irak schwer erschüttert, Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft werden häufig zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen. Weder von Seiten des irakischen Staates noch von Seiten der schiitischen Milizen ist eine landesweite, systematische Verfolgung und Misshandlung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft festzustellen. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht.
Mit einem Anteil von ca. 35 % - 40 % der Gesamtbevölkerung bilden die Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft die größte Gruppe der Minderheiten des Iraks. Sunniten sind in der Gesellschaft und in der Politik vertreten, so treten auch im Mai 2018 auch sunnitische Parteien zu den Parlamentswahlen an. Es gibt zudem nach wie vor Regionen und Stadtteile in der Hauptstadt BAGDAD, die mehrheitlich sunnitisch geprägt sind. Darüber hinaus sind auch im von Schiiten dominierten und weitestgehend stabilen Süden des Iraks sunnitische Enklaven und ein weitestgehend beständiges Nebeneinander von Sunniten und Schiiten zu beobachten.
Quelle: BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (letzter Zugriff am 28.08.2018).
Zu den innerstaatlichen Fluchtalternativen des BF als arabischer Sunnit im Irak:
Für den Süden des Irak (BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) liegen generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. Weitere Regionen, in denen vor allem Sunniten leben, sind MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA oder ANBAR.
Im Süden des Irak leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten. Die Region Südirak hat ca. 200.000 flüchtende irakische Staatsangehörige aufgenommen. Im Regelfall können sich irakische Staatsangehörige mit einer irakischen ID-Karte in den Gebieten des Südiraks frei und ohne Einschränkungen bewegen. Basra betreffend besteht Berichten zufolge grundsätzlich auch für Binnenflüchtlinge die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems. Laut eines Berichtes der IOM haben in BASRA zudem 80% der Binnenflüchtlinge die Möglichkeit, am örtlichen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt teilzuhaben. In den meisten Gemeinden ist es auch für Frauen möglich, Berufen nachzugehen, allerdings vor allem solche, die von zuhause aus ausgeübt werden können.
Der BF ist in genauer Kenntnis der Fluchtalternativen im Herkunftsstaat. Er hätte die Möglichkeit in anderen - ihnen bekannten - sunnitisch mehrheitlich bzw. ausschließlich sunnitisch besiedelten Gebieten des Herkunftsstaates zu leben, darunter Provinzen in MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA und ANBAR. Anlassbezogen sind keine Umstände hervorgekommen, dass es ihm nicht möglich wäre, dorthin zu ziehen und zu leben.
Es ist ihm überdies möglich, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragten. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.
Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region AL SULAYMANIYAH zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodass den Daueraufenthalt beantragen. In AL SULAYMANIYAH ist nach UNHCR kein Bürge notwendig, um sich hier niederlassen oder eine Arbeitsbewilligung zu können. Berichten der IOM zufolge leben 90% aller Binnengeflüchteten in AL SULAYMANIYAH in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83% Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in AL SULAYMANIYAH am Bildungssystem teilnehmen. Binnengeflüchtete haben in AL SULAYMANIYAH die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.
Quellen:
IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,
http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 27.08.2018)
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 27.08.2018)
1.6. Zum Fluchtvorbringen der des Beschwerdeführers:
Der BF hatte mit den Behörden des Herkunftsstaates, der Republik Irak, weder aufgrund seines Religionsbekenntnisses, noch auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme. Es konnte nicht festgestellt werden, dass für ihn in seinem Herkunftsstaat ein vom IS ausgehendes Bedrohungspotential bestehen würde, zumal zu bedenken ist, dass MOSSUL seit dem Jahr 2017 vom IS befreit ist.
Dass der BF auf Grund seiner Zugehörigkeit zur muslimischen Glaubensgemeinschaft sunnitischer Glaubensrichtung, einer individuellen und aktuellen Verfolgung durch schiitische Milizen ausgesetzt gewesen wäre, konnte nicht festgestellt werden. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er vom IS verfolgt oder bedroht worden wäre bzw. von dieser Organisation zu einem Beitritt oder dazu aufgefordert worden wäre, an deren Seite zu kämpfen. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er von der Sittenpolizei des IS wegen des Rauchens von Zigaretten oder aus religiösen Gründen verhaftet und mehrere Tage in einem Gefängnis festgehalten worden wäre. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er während seiner Haft von Angehörigen des IS öffentlich ausgepeitscht worden wäre.
Es steht jedoch fest, dass er und weitere Personen gegen Bezahlung eines Geldbetrages in Höhe von EUR 700,00 von Angehörigen des IS mit dem PKW - ausgehend von MOSSUL über syrisches Staatsgebiet - an die syrisch-türkische Grenze geschleppt wurden [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 6f].
Anlassbezogen konnte nicht festgestellt werden, dass er und seine Familie (wegen der vormaligen Zugehörigkeit des Vaters zur irakischen Armee Saddam HUSSEINS) von Milizen verfolgt worden wären bzw. einen Drohbrief erhalten hätten. Der Umstand eines an seine Familie angeblich übermittelten Drohschreibens wurde den öffentlichen Sicherheitskräften des Herkunftsstaates zu keinem Zeitpunkt zur Anzeige gebracht [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 17].
Anlassbezogen konnte ebenso wenig festgestellt werden, dass jenes Attentat vom 29.10.2013, bei dem sein Bruder bzw. der Cousin väterlicherseits getötet wurden, von Milizen verübt worden wäre. Es steht vielmehr fest, dass der Vater des BF, als er den Umstand, dass auf den Bruder, XXXX, und den Cousin des BF am 29.10.2013 geschossen wurde, wodurch die Genannten getötet wurden, den Sicherheitsbehörden des Herkunftsstaates zur Anzeige brachte, keine Angaben zu allfälligen Tätern machte. Den vorgelegten Urkunden lässt sich nicht einmal entnehmen, dass die Familie konkrete Personen bzw. konkrete Personengruppen der Täterschaft verdächtigen würde. Die Sicherheitsbehörden des Herkunftsstaates nahmen Ermittlungen auf, doch konnte die Täterschaft nicht geklärt werden.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Schießerei vom 29.10.2013 ein gegen die Familie des BF aus politischen oder religiösen Gründen inspirierter Angriff gewesen wäre.
Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass seine Familie zwei Monate vor dem 29.10.2013 ein (anonymes) Drohschreiben erhalten hätte, verbunden mit der Aufforderung, einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen oder die Gegend zu verlassen.
Weder vor, noch nach dem Vorfall vom 29.10.2013 wurde der BF von Milizen, oder von sog. "schlafenden Zellen" bedroht bzw. verfolgt.
Ein konkreter Anlass für sein (fluchtartiges) Verlassen des Herkunftsstaates oder der Umstand, dass er vor seiner Ausreise im Irak einer individuellen Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen ausgesetzt gewesen wäre, oder im Falle seiner Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein könnte, konnte nicht festgestellt werden.
Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt wäre oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
Letztlich konnte nicht festgestellt werden, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte oder er als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die daraus gezogenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF anlässlich der vom erkennenden Gericht durchgeführten mündlichen Verhandlung, den beigeschafften länderkundlichen Informationen und den von Amts wegen eingeholten Auskünften.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (XXXX, geb. XXXX), Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, auf dessen eigene Angaben im Rahmen des Verfahrens sowie auf dessen Kenntnis und Verwendung der arabischen Sprache und auf den Kenntnissen der geografischen Gegebenheiten des Irak.
Die zum Gesundheitszustand, zur Arbeitsfähigkeit und zur Arbeitswilligkeit des BF getroffenen Konstatierungen gründen sich im Wesentlichen auf dessen Angaben vor der belangten Behörde und auf seinen in der PV vor dem erkennenden Verwaltungsgericht am 13.08.2018 gemachten Angaben.
Die Feststellungen zu seinem Familienstand, dem aufenthaltsrechtlichen Status seiner Angehörigen in Österreich und zum Umstand getroffenen Konstatierungen, dass im Bundesgebiet auch dessen Schwester, XXXX, lebt, gründen einerseits auf den Angaben des BF, die dieser im Rahmen seiner PV vor dem BVwG gemacht hatte, andererseits auf den im Verwaltungsakt einliegenden Urkunden, die Schwester des BF betreffend, sowie auf den eingeholten Auskünften aus dem Zentralen Melderegister.
2.3. Zu den Reisebewegungen des Beschwerdeführers:
Die zur Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise nach Österreich getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus den unbestritten gebliebenen Angaben des BF anlässlich der Erstbefragung vor den Organen der Sicherheitsbehörden [Erstbefragungsprotokoll vom 19.07.2015, S. 4] und auf seinen, vor dem BVwG im Rahmen seiner PV in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gemachten Angaben [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 6f].
2.4. Zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers im Irak:
Die Konstatierungen zu seinem beruflichen Werdegang erschließen sich im Wesentlichen aus seinen Angaben vor der belangten Behörde [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 3] und aus seinen Schilderungen in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 5f]. Ebenso verhält es sich mit den Konstatierungen zu seiner Tätigkeit in einem Internetcafé in MOSSUL, wobei diesbezüglich hervorzuheben ist, dass er sich schon hinsichtlich dieser Angaben in Widersprüche, nämlich hinsichtlich Art und Zeitdauer der von ihm verrichteten Tätigkeit verstrickte Während er nämlich vor dem BFA angegeben hatte, dass er drei Monate in "einer Art Internetcafé" gearbeitet hätte und er damit zum Ausdruck brachte, dort einem nichtselbständigen Erwerb nachgegangen zu sein [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 3], gab er im Rahmen seiner PV vor dem erkennenden BVwG an, dass er gemeinsam mit einem Freund ein Internetcafé in der Nähe seines Wohnhauses für die Zeitdauer von ca. 7 bis 8 Monaten betrieben hätte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 5], was wiederum für eine selbständige Erwerbstätigkeit spricht.
Die vom BF im Rahmen der mündlichen Einvernahme durch die belangte Behörde und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 13.08.2018 gemachten Angaben belegen die weiteren, zur persönlichen und familiären Situation des BF im Irak getroffenen Feststellungen. Ebendiesen Ausführungen ist auch zu entnehmen, dass der überwiegende Teil seiner Familie nach wie vor im Irak lebt und sein Vater im Besitz eines ca. 500 m² umfassenden Familienhauses ist [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 23.08.2018, S. 7].
2.5. Zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers in Österreich:
Die Feststellungen zu den von ihm absolvierten Kursen gründen sich auf eine zum 11.11.2016 datierte Teilnahmebestätigung des Österreichischen Integrationsfonds über eine Teilnahme des BF an einem Werte- und Orientierungskurs, auf einem zum 10.06.2017 datierten Prüfungszeugnis des ÖIF über eine absolvierte Sprachprüfung auf dem Niveau A1 und auf einer Kursbestätigung der Volkshochschule XXXX über den Besuch eines Deutschsprachkurses auf dem Niveau A1. Eine besondere sprachliche Integration vermochte er mit seiner Demonstration der Verwendung der deutschen Sprache in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht zu belegen. Die Konstatierung, dass er im Bauhof der Marktgemeinde XXXX im Zeitraum Mai 2017 bis August 2017 durchschnittlich 20 Stunden pro Monat tätig war, basieren auf einer Bestätigung der erwähnten Marktgemeinde. Die ehrenamtliche Tätigkeit muss jedoch eine Relativierung dahingehend hinnehmen, dass dem Bestätigungsschreiben weder das wöchentliche Stundenausmaß, noch die Gesamtdauer oder die Regelmäßigkeit dieser Betätigung entnommen werden können.
Die zum Umstand getroffenen Konstatierungen, dass er in Österreich über keine Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes verfügt und von Leistungen der staatlichen Grundversorgung lebt, und die Feststellungen zu seiner Beschäftigungslosigkeit ergeben sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in das Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung des Bundes (GVS)) und aus den dieses Amtswissen bestätigenden Angaben. Dass der BF eine legale Erwerbstätigkeit zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes in Aussicht hätte, wurde weder behauptet, noch belegt. Die zu seiner Unbescholtenheit und zur Wohnsitzmeldung des BF getroffenen Feststellungen gründen auf den Auszügen aus dem Zentralen Melderegister und dem österreichischen Strafregister.
Die zu den familiären Anknüpfungspunkten des BF im Bundesgebiet getroffenen Feststellungen sowie dazu, dass er ledig und kinderlos ist und mit Ausnahme seiner Schwester, einer Asylwerberin, deren Asylantrag ebenfalls abgelehnt wurde, im Bundesgebiet keine weiteren Anknüpfungspunkte hat, gründen auf den Angaben des BF im Rahmen seiner PV vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht.
Im Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte für weitere Integrationsbemühungen des BF ergeben. Die integrationsrelevanten Feststellungen beruhen auf dem Umstand, dass er weder in der niederschriftlichen Einvernahme vom 28.09.2017, noch in der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2018 konkrete Angaben machte, die auf eine hinreichende Integration in Österreich in beruflicher oder sprachlicher Hinsicht schließen ließen. So ist sowohl in der niederschriftlichen Einvernahme, als auch in der mündlichen Verhandlung hervorgekommen, dass er erst Mitte 2017 einen Deutschsprachkurs in Angriff nahm und nur über geringe Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Eine Mitgliedschaft in einem Verein wurde weder behauptet, noch belegt. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, dass er in Österreich weitere soziale Kontakte, wie etwa Bekanntschaften und Freundschaften, hätte und diese pflegen würde.
2.6. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:
Sein Vorbringen zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates Irak und zu seiner Situation im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat beruhen auf seinen Angaben im Rahmen der Erstbefragung vom 19.07.2015, seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde vom 21.08.2017 und der verfahrensgegenständlichen Beschwerdeschrift. Zudem erschließen sich seine Fluchtgründe aus seinen Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13.08.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht und aus dem in Vorlage gebrachten Beweismaterial.
In seiner Erstbefragung stützte er sein Fluchtvorbringen im Wesentlichen darauf, dass er um sein Leben fürchte, weil er nicht mit dem IS kämpfen und auf seine Familie oder seine Landsleute schießen wollte. Auch habe er keine Waffen tragen wollen [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 19.07.2015, S. 5].
Vor der belangten Behörde gab er zu seinen Fluchtgründen befragt, im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass er Träume gehabt hätte, die er in seinem Land nicht habe verwirklichen können. Er habe sein Studium nicht abschließen können. Wenn er zur Universität ging, habe er nicht gewusst, ob er nach Hause zurückkommen werde, oder nicht, dies wegen der Bombardierungen der Flugzeuge der irakischen Kämpfer und der westlichen Allianzen. Auch sei er 15 Tage lang von Islamisten inhaftiert worden, weil er zur Gebetszeit vergessen hätte, den Laden zu schließen. Darüber hinaus gebe es in seinem Land, hier vor allen in MOSSUL, keine Sicherheit mehr. Das Land sei zerstört. Wenn man genügend Schmiergeld zahle, könnten die schiitischen Milizen alles machen. Sie hätten Schmiergeld zahlen müssen, um zu überleben. Eigentlich hätten sie alle den Irak verlassen wollen. Da sein Vater schwer krank gewesen sei, hätten sie das nicht können. Deshalb habe er das Land allein verlassen. In der Folge gab er an, dass sein Vater mit Drohschreiben bedroht worden sei. Da das Drohschreiben nicht ernst genommen habe, sei sein Bruder XXXX "von den Milizen getötet worden". Auch berichtete er davon, dass das Haus der Familie von den Islamisten als Stützpunkt genommen und zerstört worden sei. Auf die Frage, ob gegen ihn selbst Drohungen gerichtet gewesen wären, gab er an, dass er persönlich "keine Bedrohungen erlebt" hätte [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 5ff]. Auf die Frage, was er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat zu befürchten hätte, gab er an, dass er dasselbe Schicksal erleiden werde, wie sein Bruder XXXX.
Anlässlich seiner Vernehmung als Partei vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht gab er zu seinen Fluchtgründen befragt, an, dass sein Land und sein Haus zerstört seien und Völkermord stattfinde. Bis heute sei diese "Mafia HASCHD AL SCHAABI" so an der Macht, dass sie die Häuser stürme und das Hab und Gut sowie das Geld der Menschen verlange. Wenn sie nichts hergeben, würden sie auf offener Straße verurteilt und ins Gefängnis geworfen. Wer widerspreche, werde auf offener Straße verurteilt [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 12]. Auf die Frage, ob dies der Grund für das Verlassen des Landes gewesen sei, gab er wörtlich an: "Unser Leben ist bedroht. Als der IS kam haben Sie uns das Bitterste gezeigt. Wenn der IS und DIE kommen, das möchte ich nicht noch einmal erleben.". Sodann gab er auf die Frage "sind Sie wegen des IS geflüchtet?" an, dass er nicht vor dem IS geflohen sei [Ebda, S. 12]. Mit diesen inkonsistenten Angaben zu den Gründen für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat setzte er sich einerseits in Widerspruch zu seiner in der PV auf die Frage "War das der Grund, warum Sie den Irak 2015 verlassen haben?" gegebenen Antwort, aus der sich entnehmen lässt, dass er das Land u.a. wegen des IS verließ, die zudem in Widerspruch zu seinen im Erstbefragungsprotokoll gemachten Angaben stehen, das Land verlassen zu haben, weil er nicht mit dem IS habe kämpfen wollen und auch nicht bereit gewesen sei, auf seine Familie und seine Landsleute zu schießen [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 19.07.2015, S. 5]
Dennoch lässt sich vor dem BVwG eine Tendenz erkennen: während der IS in der Erstbefragung noch das ausschließliche Motiv für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat bildete, trat dieser Beweggrund für seine Ausreise in der PV vor dem erkennenden Verwaltungsgericht nahezu vollkommen in den Hintergrund; hier traten neben dem IS, der nur noch eine Randerscheinung in der Beweggrundschilderung des BF bildete, auf einmal Milizen und sogenannte "schlafende Zellen" auf, die nach den Angaben des BF das Motiv für seine Ausreise bildeten. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der BF auf die Frage, ob er jemals persönliche Berührungspunkte oder Kontakte mit dem IS gehabt hätte, wörtlich an: "Nein. Der IS hat von mir nichts gewollt." [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 13]. An einer anderen Stelle gab er an, dass er von der Sittenpolizei des IS mitgenommen und in ein kleines Zimmer gesteckt worden sei, weil er sich, nachdem er die Tür zum Internetcafé geschlossen hatte, vor die Tür setzte, um eine Zigarette zu rauchen. Um 05:00 Uhr in der Früh sei er zunächst zum Waschritual und dann zum Beten gezwungen worden. Nach drei oder vier Tagen seien er und "einige Leute", die ebenfalls verdächtigt wurden, etwas gemacht zu haben, auf die Straße vor den SUQ gestellt und öffentlich ausgepeitscht worden.
Damit ist der BF insgesamt nicht glaubwürdig, zumal ein derartiger Paradigmenwechsel in der Darstellung der Beweggründe für die Ausreise notorisch nicht beobachtbar ist, wenn eine antragstellende Person im Herkunftsstaat tatsächlich einer Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre.
Auch setzte sich der BF mit den zuletzt gemachten (hier zitierten) Angaben in Widerspruch zu seinen vor der belangten Behörde (Anm.: dem BFA) gemachten Angaben. Dort hatte er nämlich ausgesagt, dass er "in einem ganz normalen Haus inhaftiert" gewesen sei; dann seien sie (und auch der BF) 15 Tage "nur zum Beten" und "zum Koran lesen gezwungen" worden [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 7].
Während er vor dem BFA noch angegeben hatte, nur (sohin ausschließlich) zum Beten und zum Lesen des Koran gezwungen worden zu sein, gab er vor dem BVwG an, dass er zum Beten gezwungen und nach drei bis vier Tagen seiner Inhaftierung öffentlich ausgepeitscht worden sei. Dazu, persönlich ausgepeitscht worden zu sein, machte er weder vor der belangten Behörde, noch vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde entsprechende Angaben. Daraus ergibt sich eine die Glaubwürdigkeit des BF weiter untergrabende Tendenz zur Steigerung seines Vorbringens.
Auch hinsichtlich der Dauer seiner Inhaftierung verstrickte sich der BF in eklatante Widersprüche: während er vor der belangten Behörde noch von einer Dauer der Inhaftierung im Ausmaß von 15 Tagen sprach [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 7], gab er in seiner PV vor dem BVwG an, dass die Strafe nach drei bis vier Tagen vollzogen worden sei [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 13], was wiederum eine Haftdauer von 3 bis 4 Tagen nahelegt. Tatsächlich sind keine Behauptungen dahingehend feststellbar, dass er über den Strafvollzug hinaus inhaftiert gewesen wäre. Somit zeigt sich auch in diesem Zusammenhang ein weiterer, die Glaubwürdigkeit seiner Angaben in ihren Grundfesten erschütternder Widerspruch.
Auch verstrickte er sich in Widersprüche mit seinem Vorbringen vor dem BVwG, wonach der IS von ihm verlangt hätte, sich diesem anzuschließen [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 13]. Vor der belangten Behörde machte er dagegen zu keinem Zeitpunkt eine Angabe dahin, von Angehörigen des IS zum Beitritt aufgefordert worden zu sein.
Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Widersprüche und vor dem Hintergrund der vom BF anlässlich seiner PV vor dem BVwG eingestandenen Tatsache, dass er den Herkunftsstaat gegen Ende Juni 2015 mit Hilfe des IS schlepperunterstützt ausgehend von MOSSUL über vom IS kontrollierte Teile des syrischen Staatsgebietes bis an die syrisch-türkische Grenze gebracht wurde, erscheinen die vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde durch den IS motivierten Fluchtgründe völlig unglaubwürdig. Dass jemand, der zuvor vom IS inhaftiert und ausgepeitscht worden sein soll, sich von Angehörigen dieser Organisation außer Landes bringen lässt, erscheint dem erkennenden Verwaltungsgericht weder nachvollziehbar, noch glaubwürdig.
Als nicht glaubwürdig erscheinen auch seine Angaben zu einem Drohschreiben, das sein Vater, ein bereits im Jahr 2003 aus der irakischen Armee ausgeschiedener, ehemaliger Offizier, erhalten haben soll. Während er vor der belangten Behörde keine Angaben zum Zeitpunkt der Zustellung des Drohschreibens machte, versuchte er das seinem Vater angeblich erste zugestellte Drohschreiben in einen zeitlichen Zusammenhang mit einem auf das Auto seines Bruders verübten Schussattentat, bei dem sein Bruder und der Cousin des BF am 29.10.2013 ums Leben gekommen seien, zu bringen. Vor dem BVwG behauptete er, dass es zwei Monate vor der Tötung seines Bruders (nach der vorgelegten, im Verwaltungsakt einliegenden Sterbeurkunde soll der Bruder am 29.10.2013 ums Leben gekommen sein) ein Drohschreiben des Inhalts gegeben hätte: "entweder Ihr verlasst die Gegend oder Ihr gebt uns einen Betrag." Dieses Schreiben, dem nach den Angaben weder ein Absender, noch Hinweis darauf zu entnehmen waren, wohin das Geld gehen sollte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 10], hätte bei Wahrunterstellung der Angaben des BF Ende August 2013 in die Sphäre der Familie des BF gelangen müssen.
Allerdings gab er im Zuge seiner Befragung vor dem BVwG auf die Frage "Gab es zwischen dem 29.10.2013 und dem Vorfall mit dem IS, den sie vorher beschrieben haben, noch irgendein Problem, dem Sie oder Ihre Familie ausgesetzt waren?" wörtlich an: "Es war eine Bedrohung im Juli oder August 2014." Auf die Frage: "Warum haben Sie diese Bedrohung noch nicht erwähnt?" gab er wörtlich an: "Ich habe es ja schon erwähnt. Das war mit dem Kuvert mit dem Brief und der Schusspatrone darin."
Aus diesen Angaben des BF und dem Umstand, dass er im Zusammenhang mit den gegen seine Familie angeblich gerichteten Drohungen nur von einem einzigen Drohschreiben berichtete, das sich in einem Kuvert befunden haben soll, dem noch eine Patrone beigefügt gewesen sein soll, ist einerseits zu folgern, dass es sich bei dem vom BF vor dem BVwG behaupteten (anonymen) Drohschreiben nur um das oben bereits angesprochene Drohschreiben gehandelt haben kann und sollte es dieses Schreiben tatsächlich gegeben haben, dieses fast ein Jahr nach dem auf seinen Bruder verübten Schussattentat in den Besitz der Familie gelangt ist, womit ein Zusammenhang zwischen dem behaupteten Drohschreiben und dem auf seinen Bruder und den Cousin väterlicherseits verübten Schussattentat nicht hergestellt werden kann.
Dem BF ist es daher nicht gelungen, den Erhalt eines Drohschreibens (vor) dem Schussattentat und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesem und dem Schussattentat herzustellen.
Abgesehen davon widerspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung und den Denkgesetzen, dass das mit einer Geldforderung angeblich verbunden gewesene Drohschreiben weder einen Absender, noch einen Hinweis dazu enthalten haben soll, wohin der geforderte Geldbetrag gesendet werden soll, wie es der BF glauben machen wollte. Schon deshalb erscheint es dem erkennenden Verwaltungsgericht nicht glaubhaft, dass seiner der Familie tatsächlich ein Drohschreiben zugegangen wäre.
Der Diktion des angeblichen Inhalts des sehr allgemein gehaltenen Drohschreibens lässt sich weiter nicht entnehmen, dass das Drohschreiben gegen den Vater des BF, einen ehemaligen, aus dem Militärdienst im Jahr 2003 ausgeschiedenen Offizier, oder gegen die (Kern-)familie des BF gerichtet war. Sollte es dieses Schreiben je gegeben haben, woran das erkennende Verwaltungsgericht aus den oben angeführten Gründen massive Zweifel hegt, lassen sich keine Aussagen dazu machen, ob das auf den Bruder des BF bzw. dessen Cousin väterlicherseits am 29.10.2013 verübte Schussattentat politisch motiviert war, bzw. ob die Familie des BF als gesamtes (spätestens ab dem 29.10.2013) einer Gefährdung unterlag. Gegen eine solche Gefährdung spricht auch der Umstand, dass der BF und dessen Familie zumindest bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat in MOSSUL verblieben sind und der Umstand, dass nach den Angaben des BF vor dem erkennenden Verwaltungsgericht das Drohschreiben fast ein Jahr nach dem behaupteten Schussattentat in die Sphäre der Familie kam, sohin die Familie vor dem Schussattentat ein Drohschreiben nicht erhalten haben konnte.
Während der BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde noch nicht erwähnte, dass sein Bruder XXXX am 29.10.2013 bei einem Schussattentat ums Leben gekommen wäre, erwähnte er diesen Umstand erstmals im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde. Dort behauptete er, dass sein Bruder von Milizen getötet worden sei [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 6]. Die Behauptung, dass sein Bruder am 29.10.2013 durch ein Schussattentat ums Leben gekommen wäre, hielt er auch in seiner PV vor dem BVwG aufrecht und legte dazu einen Unfallbericht (Beilage ./1) vor, dem sich zwar Hinweise auf den Hergang des Attentats, nicht aber solche auf eine etwaige Täterschaft entnehmen lassen. Demnach soll sein Bruder am 29.10.2013 den von ihm gehaltenen und gelenkten PKW gefahren haben, als neben diesem (in der Gegend von XXXX) ein anderes Fahrzeug stehen geblieben sei, aus dem heraus auf das Fahrzeug des Bruders geschossen worden sei. Dabei seien der Bruder des BF, XXXX, und ein Cousin väterlicherseits ums Leben gekommen sein.
Eine weitere, in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vorgelegte Urkunde (Beilage ./2) enthält eine Niederschrift über eine Anzeige des Vaters des BF, XXXX, die dieser am 03.11.2013 gemacht hatte und die folgenden Wortlaut aufweist: "Ich der Privatankläger, XXXX, in Rente vom Militär, in MOSSUL wohnhaft, Telefon XXXXX, bezeuge hiermit die Ermordung meines Sohnes vor der Staatsanwaltschaft mit dem Datum 29.10.2013 zur genauen Uhrzeit 07:00 Uhr abends, während er zum Haus des Cousins väterlicherseits fuhr, wurde er Schüssen ausgesetzt in XXXX. Er wurde dem Gerichtsmediziner übergeben und ist gestorben. Es wird eine Anzeige gemacht, um bekannt zu machen, wer die Täter sind." Abgesehen von dieser Textierung enthält die Beilage ./2 eine Unterschrift des Vaters des BF und eines Beamten, der die Anzeige des Vaters aufgenommen und dokumentiert hatte.
In der weiter im Verwaltungsakt einliegenden, zum 03.11.2013 ausgestellten Sterbeurkunde geht hervor, dass der Bruder des BF am 29.10.2013 auf Grund von Schüssen, Organquetschungen, inneren Blutungen und einer Verletzung des Brustkorbs ums Leben gekommen sei. Die Sterbeurkunde enthält jedoch keine Angabe der Uhrzeit zum mutmaßlichen Sterbezeitpunkt des Bruders des BF. Auch dieser Urkunde lassen sich keine Hinweise auf (einen) etwaige(n) Attentäter entnehmen.
Festzuhalten ist, dass dem BF der Versuch, die Tötung seines Bruders und des väterlichen Cousins einer Miliz unterzuschieben, auf der vorgelegten Urkunden nicht gelang, da diese - wie erwähnt - keinen einzigen Hinweis auf einen Täter bzw. auf einen möglichen Täter enthalten. Selbst die Anzeige seines Vaters enthält keinen Hinweis auf einen konkreten Täter bzw. eine konkrete Täterschaft; ihr lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Familie einen Drohbrief erhalten hätte (wie es der BF vor dem BVwG behauptete) und aus diesem Grund eine Miliz des Herkunftsstaates der Täterschaft bezichtigt würde.
Das erkennende Verwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass der BF im Rahmen seiner vor dem BFA aufgenommenen Niederschrift Milizen der Täterschaft bezichtigte [BF in Niederschrift des BFA vom 21.08.2017, S. 4] und er diese Anschuldigung im Wesentlichen auch in seiner PV vor dem BVwG aufrecht hielt [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2017, S. 8]; allerdings vermochte er mit dem von ihm vermittelten unglaubwürdigen persönlichen Eindruck, der seinen widersprüchlichen Angaben geschuldet ist, das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass hinter dem Attentat auf seinen Bruder bzw. auf seinen Cousin eine Miliz stecken würde bzw. dass dieses Attentat gegen die Familie des BF gerichtet gewesen wäre.
Die Täterschaft einer Miliz erscheint dem Gericht auch deshalb nicht glaubwürdig, da der BF mit seinen Angaben zu einer Verfolgung der Familie durch (schiitische) Milizen stets vage und unsubstantiiert geblieben ist.
Abgesehen davon lässt sich den vorgelegten Urkunden kein einziger Hinweis auf den oder allfällig mehrere Täter oder ein in die Richtung einer Miliz als Täter ausgesprochener Verdacht entnehmen. In den zuletzt erwähnten Quellen finden sich keine Hinweise dahin, welcher Organisation der oder die Täter angehört haben könnten.
Wenn der BF vor dem BVwG auf die Frage, wer die Attentäter seines Bruders gewesen sein könnten, wörtlich angab: "Wir verdächtigen die ASA'IB AHL AL HAQQ" [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 8], so ist mit dieser Verdachtsäußerung eine Täterschaft dieser Miliz nicht glaubhaft gemacht, zumal der vom BF geäußerte Verdacht sehr vage und unbestimmt geblieben ist, und sich aus den vorgelegten Urkunden, insbesondere aus der vom Vater erstatteten Anzeige (Beilage ./2) ein Verdacht in diese Richtung nicht einmal ansatzweise ableiten lässt.
Diese Umstände nähren den Verdacht, dass der BF den Verdacht, dass die Miliz ASA'IB AHL AL HAQQ hinter dem Attentat auf seinen Bruder und den Cousin väterlicherseits stecken dürfte, erst während seines Aufenthaltes in Österreich - nachträglich - entwickelt hat.
Selbst wenn seine Familie bzw. sein Vater zwei Monate vor dem Todeszeitpunkt des Bruders einen Drohbrief erhalten haben sollte, woran aus den oben genannten Gründen erhebliche Zweifel bestehen, lässt sich selbst aus einem etwaigen Drohbrief der vom BF behaupteten Art kein Hinweis auf eine etwaige Täterschaft einer Miliz, vor allem nicht der Miliz ASA'IB AHL AL HAQQ, ziehen, zumal sich aus den Angaben des BF zum Inhalt des Drohschreibens ergibt, dass dieses keinen Hinweis auf einen Verfasser enthielt und auch sonst keine Anhaltspunkte erkennbar waren, die auf eine Miliz als Verfasser desselben hindeuten könnten [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 13.08.2018, S. 10].
Wie schon oben näher ausgeführt, ist es dem BF schon wegen der oben aufgezeigten Unstimmigkeiten und Widersprüche nicht gelungen, den behaupteten Erhalt eines Drohschreibens zwei Monate vor dem Todeszeitpunkt des Bruders glaubhaft zu machen.
Der Vollständigkeit halber ist noch auszuführen, dass selbst wenn es dieses Drohschreiben gegeben hätte, der BF nicht glaubhaft machen konnte, dass sein Bruder durch eine Miliz (hier: die MILIZ ASA'IB AHL AL HAQQ) ermordet wurde oder dass er bzw. seine Familie einer aktuellen Bedrohung oder Verfolgung durch eine Miliz wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe, ethnischen Gruppe oder zu einer religiösen Gruppierung ausgesetzt sein könnten. Anlassbezogen konnte weder eine konkret gegen ihn gerichtete Bedrohung, noch eine gegen den BF aktuell bestehende Gefahr der Verfolgung festgestellt werden, noch sind im Beschwerdeverfahren Anhaltspunkte hervorgekommen, die bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verfolgung des BF wahrscheinlich erscheinen ließen.
Die Feststellung, dass der BF weder von Milizen, noch von sog. "schlafenden Zellen" verfolgt wurde, war deshalb zu treffen, da er sowohl vor der öffentlichen Sicherheitsbehörde, als auch vor dem BFA und dem BVwG keine konkreten Angaben dahingehend machte, die auf eine Verfolgung bzw. Bedrohung seiner Person durch eine Organisation dieser Art hindeuten würden.
2.7. Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindun