TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/3 L502 2175645-2

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Veröffentlicht am 03.09.2018
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Entscheidungsdatum

03.09.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L502 2175645-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Irak, gegen den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.08.2018, FZ. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG rechtmäßig.

II. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte im Gefolge seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 01.02.2016 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11.10.2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn gemäß § 52 Abs. 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz des Rechtsberaters des BF vom 02.11.2017 fristgerecht in vollem Umfang Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) erhoben.

Die Beschwerde wurde wiederum nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.03.2018 mit Erkenntnis des BVwG vom 27.03.2018 vollumfänglich als unbegründet abgewiesen, das Erkenntnis erwuchs nach erfolgter Zustellung an die Verfahrensparteien mit 06.04.2018 in Rechtskraft.

2. Am 24.05.2018 stellte der BF in Deutschland einen Asylantrag, von wo er am 12.07.2018 auf der Grundlage der Dublin III-VO des EU-Rates nach Österreich überstellt wurde.

3. Am gleichen Tag stellte er einen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag) und erfolgte dazu seine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

4. Mit Verfahrensanordnung der erstinstanzlichen Behörde vom 31.07.2018 wurde ihm zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt sei seinen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

5. Am 08.08.2018 sowie 14.08.2018 wurde er an der Erstaufnahmestelle-West des BFA zu seinem nunmehrigen Antrag niederschriftlich einvernommen.

6. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 14.08.2018 wurde ihm zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt sei den ihm zukommenden faktischen Abschiebeschutz mit Bescheid gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufzuheben.

7. Am 24.08.2018 wurde ihm im Gefolge der Durchführung einer Rechtsberatung nochmals zur Absicht des BFA Parteigehör gewährt.

Im Zuge dieser Einvernahme wurde gem. § 22 Abs. 10 AsylG der mündliche Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes des BF gem. § 12a Abs. 2 AsylG verkündet und beurkundet.

Die abschließende Frage des Organwalters des BFA, ob er gegen diese Entscheidung Beschwerde an das BVwG erheben wolle, bejahte er sinngemäß.

8. Mit 29.08.2018 langte die Beschwerdevorlage des BFA beim BVwG, Außenstelle Linz, ein und wurde dies in der Folge dem BFA bekannt gegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden, sofern das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt, verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-G obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Zu A)

1. Feststellungen:

Staatsangehörigkeit und Identität des BF stehen fest.

Der Verfahrensgang im Zusammenhang mit dem ersten Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 01.02.2016 steht fest.

Fest steht auch, dass der BF am 24.05.2018 in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat und von dort nach Österreich als zuständiger EU-Mitgliedsstaat für sein Schutzbegehren überstellt wurde, wo er am 12.07.2018 einen Folgeantrag stellte.

Im gg. Verfahren über seinen Folgeantrag hat sich der BF im Wesentlichen auf individuelle Antragsgründe berufen, die er bereits im Rahmen seines Erstverfahrens vorgebracht hat. Einer in Verbindung damit ergänzend behaupteten Sachverhaltsneuerung kam kein glaubhafter Kern zu.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Situation in seinem Herkunftsstaat seit Abschluss des Erstverfahrens war nicht festzustellen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des BF, zum Gang des Erstverfahrens und des gegenständlichen Verfahrens sowie zur Antragstellung in Deutschland und Überstellung von dort nach Österreich wurden auf der Grundlage des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA getroffen.

2.2. Die Feststellungen zu den individuellen Antragsgründen des BF im gegenständlichen Verfahren auf Gewährung von internationalem Schutz gründen sich auf folgende Erwägungen mit Blick auf das Ergebnis seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und seiner Einvernahmen durch ein Organ der belangten Behörde (vgl. AS 57, AS 161 ff, AS 181 ff):

Anläßlich der Erstbefragung gab er an, dass er seinen Folgeantrag auf die Tatsache stütze, dass er ein Jahr zuvor zum Christentum konvertiert sei und bei einer Rückkehr in den Irak aus diesem Grunde um sein Leben fürchte. Nachdem eine erste Einvernahme vor der belangten Behörde wegen Sprachschwierigkeiten abgebrochen wurde, legte er in einer nachfolgenden Einvernahme dar, dass er bereits vor der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zum Christentum konvertiert sei und in seiner engeren Heimat in XXXX in der kurdischen Autonomieregion des Iraks seinen Glauben heimlich praktiziert habe, weil es bei den dort lebenden Muslimen "nicht beliebt sei, wenn man zur Kirche geht". Für den Fall einer Rückkehr in seine Heimat befürchte er, dass er von seinen dort lebenden Verwandten wegen seiner Konversion getötet werde.

Dazu ist zum einen festzuhalten, dass er bereits im ersten Verfahrensgang in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde behauptet hatte sich nach der Einreise nach Österreich dem Christentum zugewandt zu haben und dass seine Taufe in Aussicht genommen sei, während er im Beschwerdeverfahren in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG ein Taufzeugnis einer Baptistengemeinde in Österreich vorlegte. In Ansehung des nunmehrigen Vorbringens zu den Gründen für einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz war sohin zur Feststellung zu gelangen, dass er sich damit auf einen Sachverhalt, nämlich seine Konversion zum Christentum als solche, berief, der bereits Gegenstand des mit Erkenntnis des BVwG rechtskräftig abgeschlossenen ersten Verfahrensgangs war, wie auch die belangte Behörde im gg. Bescheid gemäß § 22 iVm § 12a AsylG zu Recht festhielt. Dass er im gg. Verfahren im Übrigen noch behauptete, er sei bereits vor der Ausreise aus der Heimat zum Christentum "innerlich konvertiert", stand zwar in Widerspruch zu seinem Vortrag im ersten Verfahrensgang, entfaltete in diesem Zusammenhang aber keine weitere Relevanz.

Als ergänzenden neuen Aspekt behauptete er in seiner jüngsten Einvernahme vor dem BFA noch, dass ihm bei einer Rückkehr Verfolgung durch seine Herkunftsfamilie bzw. Verwandte drohe.

Diese schon per se von ihm nicht näher begründete und insofern nicht nachvollziehbare Aussage stand darüber hinaus in diametralem Widerspruch zu seinen Aussagen im ersten Verfahrensgang, als er nicht nur in seiner Erstbefragung mit keinem Wort eine etwaige Bedrohung durch seine Verwandten ins Treffen geführt hatte, sondern vor dem BFA darüber hinaus darlegte (vgl. AS 257 ff), er habe sich in Österreich dem Christentum zugewandt und für das Studium dieser Religion in seiner Muttersprache von einem seiner Brüder aus der Heimat eine Bibel zugesandt bekommen. Sein Bruder wie auch seine Schwester seien in Kenntnis seiner Konversion, er habe ein gutes Verhältnis zu diesen. Christen stehe im Übrigen in seiner Heimat die freie Ausübung ihres Glaubens offen und würde er selbst dort bei einer Rückkehr eine christliche Kirche besuchen können. Auch in der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG äußerte er sich keineswegs dahingehend, dass er bei einer Rückkehr befürchte von seinen Verwandten verfolgt zu werden, ein - dort im Übrigen erstmals und auch nicht näher begründetes - angebliches Missverhältnis zwischen ihm und seinen Verwandten führte er alleine im Zusammenhang mit der Frage nach einer möglichen Unterbringung im Gefolge einer Rückkehr ins Treffen.

Diese Behauptung einer drohenden Verfolgung durch seine Verwandten wegen seiner Konversion zum Christentum ist in Ansehung dieser Erwägungen nicht nur bereits von der Rechtskraft des abgeschlossenen Erstverfahrens erfasst, wie das BFA auch zutreffend feststellte, unabhängig davon, ob es vom BF in diesem Rahmen releviert wurde oder nicht, geht man davon aus, dass seine Konversion, seinen früheren Ausführungen zufolge, seinen Verwandten ja damals schon bekannt gewesen sei. Der gg. Behauptung einer drohenden Verfolgung durch seine Verwandten wegen seiner Konversion fehlt darüber hinaus auch der glaubwürdige Kern, der Anlaß für eine inhaltliche Prüfung dieses Vorbringens geben könnte, steht es doch, wie oben dargelegt wurde, in diametralem Widerspruch zu seinem Vortrag im ersten Verfahrensgang.

2.3. Die Feststellungen des BVwG hinsichtlich der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat stützen sich auf die im mündlich verkündeten und beurkundeten Bescheid des BFA enthaltenen länderkundlichen Feststellungen der Behörde, denen der BF nicht substantiiert entgegengetreten ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. § 12a Abs. 2 AsylG 2005 lautet:

"Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

Gemäß § 12a Abs. 6 AsylG bleiben Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG für 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn, es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt.

§ 22 Abs. 10 AsylG lautet:

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

§ 22 BFA-VG lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

3.2. Die im Bescheid des BFA vom 11.10.2017 gegen den BF erlassene Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erwuchs mit der Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde durch das BVwG in Rechtskraft.

Dass der BF seit der Abweisung seines ersten Schutzbegehrens das österr. Bundesgebiet verlassen hat, wurde durch den im Akt einsehbaren EURODAC-Treffer in Deutschland und seine Überstellung von dort nach Österreich bestätigt.

Bereits das am 1. Juli 2011 in Kraft getretene Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 38 (FrÄG 2011), hat das System der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen neu geordnet. Gegen nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige, nicht privilegierte Drittstaatsangehörige gibt es nunmehr in Umsetzung der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungs-RL) eine einheitliche Rückkehrentscheidung, die - grundsätzlich - mit einem Einreiseverbot zu verbinden ist (vgl. ErläutRV zu diesen Bestimmungen, 1078 BlgNR

24. GP 29 ff; weiters Art 6, 7 und 11 der Rückführungs-RL).

Die Rückführungsrichtlinie gilt grundsätzlich für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Entsprechend dem Erwägungsgrund 25 der Rückführungsrichtlinie hat sich auch Dänemark für die Umsetzung der Richtlinie in sein nationales Recht entschieden. Nicht beteiligt sind nach den Erwägungsgründen 26 und 27 der Rückführungsrichtlinie allerdings das Vereinigte Königreich sowie Irland. Gemäß den Erwägungsgründen 28 bis 30 stellt die Richtlinie für Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein eine Weiterentwicklung von Bestimmungen des Schengen-Besitzstandes dar. Demgemäß sind alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer Irland und Vereinigtes Königreich, sowie die assoziierten Schengen-Staaten Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein an die Rückführungsrichtlinie gebunden.

Die gegen den BF gemäß § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung umfasst daher das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, außer Irland und Vereinigtes Königreich, sowie die assoziierten Schengen-Staaten Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein. Der BF hat dieses Hoheitsgebiet mit der erstmaligen Einreise nach Österreich am 26.03.2016 betreten und sich seither nur in Österreich und Deutschland aufgehalten, er hat das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sohin bis zur gg. Entscheidung des BFA nicht verlassen.

In Ansehung dessen war diese Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z. 1 AsylG erfüllt.

3.3. Aus den Feststellungen oben zu den nunmehrigen individuellen Antragsgründen des BF im Folgeantragsverfahren in Gegenüberstellung zu jenen im ersten Verfahrensgang war nach Maßgabe der dazu vom BVwG angestellten Erwägungen in Übereinstellung mit der belangten Behörde zur Schlussfolgerung zu gelangen, dass der Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil von ihm keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts behauptet worden ist.

BFA wie BVwG haben im Erstverfahren auch die Frage, ob dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohen würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehe, geprüft und verneint. Eine entscheidungswesentliche Änderung ist zwischenzeitlich auch dahingehend nicht eingetreten, wie sich aus den aktuellen Länderinformationen ergab, und wurde dies vom BF auch nicht substantiiert behauptet.

Es bestanden sohin keine Anhaltspunkte dafür, dass seine Abschiebung in den Irak eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeutet oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt.

Dem zufolge lagen im gg. Fall auch die Voraussetzungen für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes iSd §12a Abs. 2 Z. 2 und 3 AsylG vor.

3.4. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes durch die belangte Behörde mit mündlich verkündetem und beurkundetem Bescheid vom 24.08.2018 ist daher gemäß § 12a Abs. 2 AsylG rechtmäßig erfolgt.

3.5. Der BF wurde im Gefolge der mündlichen Verkündung und Beurkundung des gg. Bescheides befragt, ob er gegen diese Entscheidung Beschwerde an das BVwG erheben wolle, was er zwar nicht explizit zu Protokoll gab, er dahingehend jedoch aus Sicht des erkennenden Gerichtes sein fehlendes Einverständnis zum Ausdruck brachte, was auch von der anwesenden Rechtsberaterin in ihrer Äußerung unterstützt wurde. In der Folge kam es zur Beschwerdevorlage durch das BFA an das BVwG.

Die im Hinblick auf § 22 Abs. 10 AsylG damit in der gg. Sache anhängige Beschwerde war in Ansehung der og. Entscheidungsgründe als unbegründet abzuweisen.

4. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

5. Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war diese Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

6. Der Vollständigkeit halber ist wie folgt festzuahlten:

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 03.05.2018, A 2018/0003, gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm Art. 89 Abs. 2 und Art. 135 Abs. 4 BVG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, § 22 Abs. 10 AsylG 2005 (sowie eventualiter auch weitere damit in Zusammenhang stehende Bestimmungen, wie § 12a AsylG 2005) als verfassungswidrig aufzuheben. Die geäußerten Bedenken können dahingehend zusammengefasst werden, dass § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entgegen Art. 130 Abs. 1 BVG unzulässigerweise ein amtswegiges Tätigwerden des Bundesverwaltungsgerichtes vorsehen würde.

Fallbezogen wurde der Beschwerdeführer - von § 22 Abs. 10 AsylG 2005 abweichend - nach Verkündung des angefochtenen Bescheides befragt, ob er eine Beschwerde erheben wolle und die entsprechende Erklärung des Beschwerdeführers niederschriftlich festgehalten. Damit unterscheidet sich die Sachlage vom dem Beschluss vom 03.05.2018, A 2018/0003, zugrundeliegenden Anlassfall, zumal eine Beschwerde vorliegt und demnach kein rein amtswegiges Tätigwerden des Bundesverwaltungsgerichts erkannt werden kann. Sollten die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes zutreffen, sind die hier in Rede stehenden Bestimmungen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedenfalls dann einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich, wenn eine vom Beschwerdeführer zu Protokoll gegebene Beschwerde (zur Zulässigkeit dieser Vorgehensweise siehe VwGH 18.12.2015, Ra 2015/02/0169) vorliegt und aufgrund dieser Beschwerde eine inhaltliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht getroffen werden kann. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass es dem (von einem Rechtsberater im erstinstanzlichen Verfahren unterstützte) Beschwerdeführer freistand, auch nach Vorlage der Beschwerde ein zusätzliches Vorbringen im Wege einer Beschwerdeergänzung nachzureichen, wovon jedoch kein Gebrauch gemacht wurde. Das Bundesverwaltungsgericht sieht sich aus diesem Grund und ob der Umstände des Einzelfalls nicht veranlasst, ebenfalls einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu richten.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Insoweit derzeit beim VfGH ein Anfechtungsantrag des VwGH hinsichtlich des § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 Abs. 10 AsylG anhängig ist, mit dem die Frage nach der Verfassungskonformität des dort normierten Rechtsinstruments der "amtswegigen" Beschwerde releviert wurde, ist darauf zu verweisen, dass der BF im gg. Verfahren im Zuge der mündlichen Verkündung des Bescheides über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes ausdrücklich niederschriftlich dagegen eine Beschwerde erhoben hat, weshalb das gg. Beschwerdeverfahren auch nicht als "amtswegiges" anzusehen war.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,
Folgeantrag, Identität der Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L502.2175645.2.00

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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