TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/3 G305 2188808-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2018
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Entscheidungsdatum

03.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2188813-1/9E

G305 2188808-1/9E

G305 2188804-1/9E

G305 2188802-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die jeweils zum 23.02.2018 datierten Beschwerden 1.) des XXXX alias XXXX, geb. am XXXX, StA. Irak, 2.) der XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, 3.) des mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Irak und 4.) der mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, alle vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ), Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Niederösterreich jeweils vom 29.01.2018, Zl. XXXX und Zl. XXXX und gegen die Bescheide vom 30.01.2018 Zl.XXXX und Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A)

Die gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., V und VI. der angefochtenen Bescheide gerichteten Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Erstverfahren:

1.1. Die Beschwerdeführer, 1.) XXXX alias XXXX, geb. XXXX (im Folgenden: Erstbeschwerdeführer oder kurz: BF1), 2.) XXXX, geb. XXXX (im Folgenden: Zweitbeschwerdeführerin oder kurz: BF2), 3.) der mj. XXXX, geb. XXXX (im Folgenden: Drittbeschwerdeführer oder kurz: BF3) und 4.) die mj. XXXX, geb. XXXX (im Folgenden: Viertbeschwerdeführerin oder kurz: BF4) sind Staatsangehörige der Republik Irak und stellten am 02.01.2016, um 10:30 Uhr, einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am selben Tag fand eine Erstbefragung des BF1 und der BF2 vor Organen der LPD Kärnten statt.

Anlässlich dieser Erstbefragung sagte der BF1 im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass er und die Mitbeschwerdeführer am 18.12.2015 von BAGDAD aus mit dem Flugzeug nach ISTANBUL (Türkei) ausgereist seien. Dann hätten sie die Reise mit dem Bus nach DIDAM fortgesetzt, von wo aus sie mit dem Schlauchboot am 23.12.2015 auf die Insel SAMOS (Griechenland) übergesetzt seien. Von hier seien sie mit der Fähre nach ATHEN weitergereist und über die Balkanroute nach Österreich gelangt, wo sie am 02.01.2016 eingetroffen seien [BF1, AS 23ff]

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF1 an, dass er vom IS mit dem Tod bedroht worden sei, weil er Leiter einer Polizeiinspektion gewesen sei. Auch sei er von einigen Milizen (der ASA'IB AHL AL HAQQ und der HIZBULLAH) mit dem Tod bedroht worden. Er habe seine Familie genommen, um sie in Europa in Sicherheit zu bringen [BF1, AS 25].

Anlässlich ihrer Erstbefragung bestätigte die BF2 die Angaben des BF1 zur Reiseroute und führte zu den Fluchtgründen befragt, aus, dass ihr Ehegatte (Anm.: der BF1) und sie, sowie die minderjährigen Kinder vom IS mit dem Tod bedroht worden seien, weil der BF1 Leiter einer Polizeiinspektion gewesen sei. Auch seien alle von einigen Milizen mit dem Tod bedroht worden [BF2, AS 11].

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage erbrachte beim BF1 einen Treffer zu Griechenland (GR2XXXX vom 27.12.2015) [AS 27] sowie bei der BF2 und den minderjährigen Mitbeschwerdeführern ebenfalls je einen weiteren Treffer zu Griechenland (BF2: GR2XXXX vom 27.12.2015).

Die minderjährigen Beschwerdeführer stützten ihre Fluchtgründe im Wesentlichen kurz zusammengefasst auf jene des BF1, nannten aber keine eigenen Fluchtgründe.

1.2. Anlässlich einer von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) am 03.06.2016 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF1 zum Umstand, dass das BFA mit Kroatien ein Konsultationsverfahren geführt und sich Kroatien zur Führung des Asylverfahrens bereit erklärt habe, an, dass er sich in Kroatien nicht sicher fühlen würde, da es dort "Schläferzellen des IS" gebe. Auch dort würde er ständig Angst haben, getötet zu werden. Sein in Schweden lebender Bruder habe ihm geraten, in Österreich um Asyl anzusuchen [BF1, AS 165].

Die BF2 gab anlässlich ihrer am 03.06.2016 vor dem BFA stattgehabten niederschriftlichen Einvernahme an, dass sie erfahren hätten, dass die Lage für ihren Mann (Anm.: den BF1) in Kroatien ungünstig sei. Als Offizier werde er vom IS gesucht. Daher habe ihm sein Bruder empfohlen, in Österreich um Asyl anzusuchen [BF2, AS 93]. Zum Konsultationsverfahren und zur Bereitschaft Kroatiens, das Asylverfahren zu führen, gab sie für ihre Kinder, den mj. BF3 und die mj. BF4 an, dass der Erstgenannte bereits in Österreich in den Kindergarten gehe und sie das Gefühl habe, dass ihre Kinder hier eine bessere Zukunft hätten, als anderswo.

1.3. Mit jeweils zum 28.07.2016 datierten Bescheiden, Zlen. XXXX, XXXX, XXXX und XXXX, sprach die belangte Behörde aus, dass die auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Anträge der beschwerdeführenden Parteien vom 02.01.2016 ohne Eintritt in die Sache gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen werden und dass für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments Kroatien zuständig sei (Spruchpunkt I.). Darüber hinaus wurde die Außerlandesbringung der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und ausgesprochen, dass deren Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.

1.4. Gegen die angeführten Bescheide erhoben die beschwerdeführenden Parteien im Wege ihrer Rechtsvertretung die jeweils zum 12.08.2016 datierte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: so oder kurz: BVwG), worin sie erklärten, die Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge offenkundiger Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhalts anfechten zu wollen und die sie mit den Anträgen verbanden, das BVwG wolle die angefochtenen Bescheide in Stattgebung der vorliegenden Beschwerden aufheben bzw. den gegen den Bescheid erhobenen Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

1.5. Mit Erkenntnis vom 15.02.2017, Zlen. W184 2132764-1/7E, W184 2132762-1/5E, W184 2132761-1/5E und W184 2132760-1/5E behob das BVwG die in Beschwerde gezogenen Bescheide.

2. Zweitverfahren:

2.1. Am 14.12.2017 wurde der BF1 durch die belangte Behörde einer neuerlichen Befragung unterzogen, anlässlich der er auf die Frage nach seinen Fluchtgründen im Wesentlichen kurz zusammengefasst angab, dass er eine Woche, bevor der IS in der Stadt XXXX einmarschiert sei, nach XXXX ausgereist sei. Eine Woche nach seinem Aufenthalt in XXXX hätten IS-Leute über Lautsprecher der Moscheen mitgeteilt, dass jene, die bei der Regierung arbeiten, sich melden und um Verzeihung bitten sollen. Er habe das nicht gemacht, obwohl der Bruder seiner Frau und der Mann seiner Schwester sich angeboten hätten, ihn zu begleiten. Stattdessen habe er einen Freund kontaktiert, der einen PKW habe; er hätte den BF1 und dessen Familie, sowie den Bruder seiner Frau und dessen Familie nach XXXX bringen sollen. Seine Frau (Anm.: die BF2) habe zuerst nicht gehen wollen, doch habe er sie mehr oder weniger dazu gezwungen. Sie seien dann eine Woche in XXXX in einem Hotel geblieben. Dann habe ihn seine Schwester von XXXX aus angerufen und ihm gesagt, dass sein Geschäft und sein Auto beschlagnahmt worden seien und dass er getötet werde, egal, wo er sei. Er sei ein Spion und Verräter. Seine Schwester habe auch mit seiner Frau gesprochen und ihr dies erzählt. Das sei die erste Drohung gewesen. Weitere Drohungen habe er in der Türkei als SMS erhalten. In den Nachrichten habe gestanden: "Du Verräter, wir wissen wo Du bist, wir werden Dich töten. Wir werden dafür sorgen, dass Dich Deine Kinder vergessen und Dir Deine Familie nehmen." Während er angab, die erste Drohung nicht ernst genommen zu haben, habe er bei der zweiten Drohung Angst bekommen. Selbst wenn nur er getötet würde, hätten seine Kinder niemanden mehr, der sich um sie kümmern würde. Deswegen habe er das Leben seiner Familie schützen wollen und sich zur Ausreise entschlossen [BF1, AS 551f]. Über Nachfrage gab er an, dass er den Polizeidienst mit dem Einmarsch des IS im Juni 2014 beendet hätte [BF1, AS 552].

Anlässlich ihrer am 14.12.2017 vor der belangten Behörde stattgehabten Befragung gab die BF2 an, dass ihr Ehegatte (Anm.: der BF1) erst in der Türkei das erste Mal etwas von Drohungen erzählt hätte. Die letzte SMS habe er ihr im Haus ihres Bruders, in BAGDAD, in dem sie die letzten neun Monate bis zur Ausreise in die Türkei verbracht hätten, gezeigt [BF2, AS 262]. Auf die Frage, ob der BF1 auch in der Türkei noch SMS bekommen hätte, gab sie an, dies nicht zu wissen. Auf die Frage, ob sie wisse, wann er den Dienst bei der Polizei beendet habe, gab sie an, dass er zwei Jahre vor dem Einmarsch des IS mit der Arbeit bei der Polizei aufgehört habe. Nachgefragt gab sie an, dass ihre Eltern und die Familie des BF1 diesem geraten hätten, mit der Arbeit bei der Polizei aufzuhören, da es in ihrer Stadt mehrere Angriffe gegeben hätte und es immer gefährlicher geworden sei. Auch hätten sie ein weiteres Einkommen von dem Geschäft gehabt, das ihr Mann eröffnet hatte. In ERBIL angekommen hätten sie davon erfahren, dass der IS das von den beschwerdeführenden Parteien gemietete Haus und das Auto des BF1 zerstört habe [BF2, AS 262].

2.2. Mit zum 29.01.2018 datierten Bescheiden, Zlen. XXXX und XXXX und zum 30.01.2018 datierten Bescheiden, Zlen. XXXX und XXXX wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Parteien vom 02.01.2016 auf Gewährung von internationalem Schutz vom 02.01.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt I. und II.) und sprach aus, dass den beschwerdeführenden Parteien gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen sie erlassen werde (Spruchpunkt IV.), und stellte fest, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien in den Herkunftsstaat Irak zulässig sei (Spruchpunkt V) und sprach aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

2.3. Gegen die den beschwerdeführenden Parteien durch Hinterlegung am 02.02.2018 zugestellten Bescheide erhoben diese ihrer Rechtsvertretung innerhalb offener Frist im Wege Beschwerde, die sie mit den Anträgen verbanden, die Rechtsmittelbehörde wolle die angefochtenen Bescheide der Erstbehörde dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz vom 02.01.2016 Folge gegeben und ihnen der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde, in eventu die angefochtenen Bescheide beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheid an die erste Instanz zurückverweisen, in eventu ihnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, allenfalls die gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufheben, die Abschiebung nach § 46 FPG für unzulässig erklären und eine mündliche Verhandlung durchführen.

2.4. Am 12.03.2018 legte die belangte Behörde die gegen die oben näher bezeichneten Bescheide erhobenen Beschwerden und die Bezug habenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem BVwG vor und wurde die Beschwerdesache hier der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

2.5. Am 24.08.2018 fand vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, anlässlich der der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin zu ihren Gründen für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat befragt wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der im Spruch genannte BF1 (XXXX, geb. am XXXX in XXXX) ist Staatsangehöriger der Republik Irak. Er gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Seine Muttersprache ist arabisch.

Die im Spruch genannte BF2 (XXXX, geb. XXXX) ist ebenfalls Staatsangehörige der Republik Irak. Sie ist Araberin und bezeichnet sich als Angehörige der arabischen Volksgruppe. Sie ist ebenfalls Muslima sunnitischer Glaubensrichtung und kleidet sich entsprechend ihres religiösen Bekenntnisses.

Der BF1 und die BF2 sind verheiratet und haben sie die Ehe am XXXX.2010 sowohl traditionell vor einem islamischen Geistlichen, als auch vor einem Personenstandsgericht in XXXX geschlossen.

Die minderjährigen Beschwerdeführer, und zwar der mj. BF3 (mj. XXXX, geb. XXXX) und die mj. BF4 (mj. XXXX, geb. XXXX), sind ebenfalls Staatsangehörige der Republik Irak. Auch sie sind der arabischen Sprache mächtig und gehören der muslimischen Religionsgemeinschaft sunnitischer Glaubensrichtung an.

1.2. Zur Einreise der Beschwerdeführer ins Bundesgebiet und zu deren persönlichen Situation im Irak:

Die beschwerdeführenden Parteien sind gesund und nehmen keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder bzw. bewusstseinsbeeinträchtigender Wirkung.

Der BF1 besuchte sechs Jahre lang die Grundschule, drei Jahre lang die Mittelschule und drei Jahre lang die höhere technische Schule in XXXX und besuchte anschließend zwei Jahre lang die XXXX Polizeiakademie in XXXX, an der er die Ausbildung zum Polizeioffizier durchlief. Parallel dazu erlernte er den Beruf eines Malers, schloss die Lehre jedoch nicht mit einer Lehrabschlussprüfung ab. Im Herkunftsstaat arbeitete er als Polizeioffizier und verdiente pro Monat ca. 1,200.000,00 irakische Dinar (d.s. umgerechnet rund 1.000,00 US-Dollar) [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2018, S. 6]. Dass er eine Polizeiwachstube in RAWA als Direktor geleitet hätte, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.

Auch die BF2 besuchte im Herkunftsstaat sechs Jahre lang die Grundschule, drei Jahre die Mittelschule, sowie drei Jahre das Gymnasium und absolvierte anschließend ein vierjähriges Architekturstudium. Bis zu ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat war die religiösen Traditionen sich verpflichtet fühlende und dementsprechend sich kleidende BF2 nicht tätig und nahm bis zu ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat die Rolle der Hausfrau ein [PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2016, S. 6].

Der mj. BF3 ist grundsätzlich schulpflichtig, während dies auf die mj. BF4, die die entsprechenden Altersvoraussetzungen noch nicht erfüllt, nicht zutrifft. Im Herkunftsstaat war noch keiner der minderjährigen Beschwerdeführer schulpflichtig.

Zuletzt lebten die beschwerdeführenden Parteien in XXXX, das sie unmittelbar vor dem Eintreffen des IS nach XXXX und nach Verstreichen eines nicht feststellbaren Zeitraums nach BAGDAD verließen, von wo aus sie am 18.12.2015 mit dem Flugzeug nach ISTANBUL (Türkei) ausreisten. Von hier aus setzten sie ihre Reise mit dem Bus nach XXXX fort und setzten sie dann am 23.12.2015 mit dem Schlauchboot auf die Insel SAMOS (Griechenland) über, von wo aus sie mit der Fähre nach ATHEN gelangten und in Griechenland einen Asylantrag stellten [BF1, AS 27; zum EURODAC-Treffer des BF1; BF2, AS 19; zum EURODAC-Treffer der BF2] und in der Folge die Reise über die sog. Balkanroute bis nach Österreich fortsetzten, wo sie am 02.01.2016, um 10:30 Uhr, einen neuerlichen Asylantrag stellten [BF1, AS 25; BF2, AS 15]. Anlassbezogen konnte nicht festgestellt werden, wie lange sich die beschwerdeführenden Parteien in XXXX bzw. in BAGDAD aufhielten, ehe sie den Herkunftsstaat über die Türkei nach Europa verließen.

Der BF1 hat noch Verwandte im Irak, und zwar seine beiden Brüder, Ahmad und Hamed, die in einem Haushalt in BAGDAD im Bezirk XXXX leben. Darüber hinaus leben vier Schwestern des BF1 (XXXX) in BAGDAD. Zwei Schwestern (XXXX) leben in XXXX. Dass die Geschwister des BF1 bis zum Eintreffen des IS im Bezirk XXXX in XXXX gelebt hätten bzw. ein Jahr nach dem Eintreffen des IS nach BAGDAD geflohen wären, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2018, S. 7]. Die Brüder des BF1 sind verheiratet und haben Familie und gehen diese auch einer Erwerbstätigkeit nach. Bruder XXXX ist Chauffeur im Ölministerium, Bruder XXXX beliefert Krankenhäuser mit Medikamenten und Impfstoffen. Auch die Schwestern des BF1 sind verheiratet und haben eigene Kinder. Die Schwestern XXXX und XXXX sind ebenfalls erwerbstätig und im Unterrichtsministerium des Herkunftsstaates angestellt. Die Schwestern XXXX und XXXX sind Hausfrauen. Auch die beiden, in XXXX lebenden Schwestern, XXXX und XXXX, sind verheiratet und haben Kinder. Die Ehegatten der Schwestern des BF1, die sich alle ebenfalls zum muslimischen Glauben sunnitischer Ausrichtung bekennen, sind ebenfalls berufstätig, wobei manche von ihnen Staatsangestellte sind und andere wiederum privat beschäftigt sind [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2018, S. 7]. Der Ehegatte von XXXX ist Angestellter des Innenministeriums und Sekretär des Generaldirektors. Der Ehegatte von XXXX ist eine ehemalige Militärperson im Ruhestand, der bis zum Sturz des Regimes des Staatspräsidenten Saddam HUSSEIN beim Militär tätig war. Der Ehegatte von XXXX diente als Oberst in der irakischen Armee. Der Ehegatte von XXXX ist Bauunternehmer und erhält Aufträge vom irakischen Staat [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2018, S. 8].

Die BF2 hat ebenfalls vier Brüder und vier Schwestern, die im Herkunftsstaat leben. Bruder Mohammed lebt in BAGDAD, die Brüder XXXX und XXXX in XXXX und Bruder XXXX in XXXX. Alle Brüder sind verheiratet und gehen im Herkunftsstaat einer Erwerbstätigkeit nach. Bruder Mohammed arbeitet als Einkäufer und Verkäufer von Eisen und Metall. Die übrigen Brüder der BF2 arbeiten als Unternehmer in der Geldwechselbranche. Die Schwestern der BF2 sind verheiratet und haben Kinder [PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2018, S. 8].

Mit ihren im Herkunftsstaat lebenden Verwandten stehen der BF1 und die BF2 über WhatsApp bzw. Messanger bzw. im Rahmen der Handytelefonie in Kontakt [PV des BF1 und BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2018, S. 9].

Die Eltern des BF1 und der BF2 sind bereits verstorben. Sie starben in allen Fällen eines natürlichen Todes [PV des BF1 und PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2018, S. 8].

Keiner der beschwerdeführenden Parteien war im Herkunftsstaat Mitglied einer politischen Partei, einer anderen politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung oder betätigte sich oppositionell gegen den IS oder gegen eine der im Herkunftsstaat operierenden Milizen.

Niemand von den beschwerdeführenden Parteien hatte mit einer Behörde, den Gerichten oder der Polizei des Herkunftsstaates Probleme [PV des BF1 und PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2018, S. 6].

1.3. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien in Österreich:

Die beschwerdeführenden Parteien haben - außer sich selbst - keine im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen bzw. Verwandten [PV des BF1 und BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2018, S. 9].

Sowohl der BF1, als auch die BF2 sind im Bundesgebiet ohne Beschäftigung und befinden sich alle beschwerdeführenden Parteien in der Grundversorgung des Bundes. Dass sich der BF1 in Österreich schon öfter um eine Arbeitsstelle beworben hätte, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden [PV des BF1 und der BF2, Ebda., S. 10].

Die beschwerdeführenden Parteien sind - soweit ersichtlich - strafrechtlich unbescholten und weisen sie gegenwärtig eine Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf.

Der BF1 und die minderjährigen Beschwerdeführer weisen zwar Grundkenntnisse der deutschen Sprache auf, wohingegen die BF2 nicht einmal einfache Fragen in der deutschen Sprache zu beantworten wusste [Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2018, S. 9]. Ansonsten konnten bei den Beschwerdeführern keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

1.4. Zur allgemeinen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat:

1.4.1. Am Dienstag, den 10.06.2014, eroberten radikale Islamisten, organisiert unter dem Dach des ISIL - Islamic State of Iraq and Levante (später ISIS, dann IS) - die Millionenstadt MOSSUL (Ninive-Ebene), darunter das Regierungsgebäude, den Mossul International Airport und alle Polizei und Militärbasen. Kurz darauf fielen auch weite Teile der Ninive-Ebene unter die Kontrolle der Islamisten. In der südwestlich von MOSSUL gelegenen Provinz ANBAR konnten die Islamisten schon seit Anfang des Jahres eine Operationsbasis errichten und den Vormarsch in den irakischen Norden planen. Ihr Ziel war es, einen islamischen Gottesstaat in weiten Teilen Syriens und des Irak zu errichten. In MOSSUL wurde eine historische Kirche in Brand gesetzt. Mit der Einnahme von Polizeistationen und Militärbasen konnten die Kämpfer des IS schwere Waffen und Munition beschlagnahmen.

Nach ihrem Einmarsch in Mossul markierten Angehörige der IS-Truppen die Besitztümer von Minderheiten und fordern eine "Jihad-Steuer" von den wenigen verbliebenen Einwohnern. Dabei gerieten die christlichen Assyrer und Yeziden unter Druck und wurden zu Binnenflucht getrieben. In den Länderinformationen scheint nicht auf, dass muslimische Araber, darunter solche sunnitischer Glaubensrichtung, von den Angehörigen des IS unter Druck gesetzt oder gar vertrieben worden wären

(https://zavd.de/wp-content/uploads/2015/12/ZAVD-Dokumentation-Ereignisse-Irak-2014.pdf) (Stand: 23.03.2018). Auch ist anlassbezogen nicht hervorgekommen, dass der BF, der zudem über die IS-Hochburg AL RAQQA ausgereist ist, einer asylrelevanten Bedrohung durch den IS ausgesetzt gewesen wäre.

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt MOSSUL der Provinz NINAVA gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von KIRKUK, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Irak registriert.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz AL ANBAR bzw. deren Metropolen FALLOUJA und RAMADI als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSSUL, Provinz NINAVA, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von MOSSUL sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des TIGRIS sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von MOSSUL eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine, wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier ABADI MOSSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt TALLAFAR durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie eine Enklave um HAWIJA südwestlich von KIRKUK.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt KIRKUK betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz BASRA, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in ANBAR und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Anlassbezogen ist jedoch nicht hervorgekommen, dass die beschwerdeführenden Parteien einer asylrelevanten Bedrohung durch den IS nach der erfolgten Übernahme der Stadt am 10.06.2014 ausgesetzt gewesen wäre. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass es den beschwerdeführenden Parteien - selbst bei Wahrunterstellung einer asylrelevanten Verfolgung - verwehrt gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 25.08.2018)

Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq in Review Defeat of the Islamic State on the Battlefield, 03.01.2018, http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2018/01/2017-security-in-iraq-in-review-defeat_3.html (Letzter Zugriff am 25.08.2018)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016 - November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 25.08.2018).

1.4.2. Zu innerstaatlichen Fluchtalternativen der beschwerdeführenden Parteien als arabische Sunniten im Irak:

Für den Süden des Irak (BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) liegen generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. Weitere Regionen, in denen vor allem Sunniten leben, sind MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA oder ANBAR.

Im Süden des Irak leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten. Die Region Südirak hat ca. 200.000 flüchtende irakische Staatsangehörige aufgenommen. Im Regelfall können sich irakische Staatsangehörige mit einer irakischen ID-Karte in den Gebieten des Südiraks frei und ohne Einschränkungen bewegen. Basra betreffend besteht Berichten zufolge grundsätzlich auch für Binnenflüchtlinge die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems. Laut eines Berichtes der IOM haben in BASRA zudem 80% der Binnenflüchtlinge die Möglichkeit, am örtlichen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt teilzuhaben. In den meisten Gemeinden ist es auch für Frauen möglich, Berufen nachzugehen, allerdings vor allem solche, die von zuhause aus ausgeübt werden können.

Die beschwerdeführenden Parteien sind in genauer Kenntnis der Fluchtalternativen im Herkunftsstaat. Sie selbst kommen aus einem sunnitisch besiedelten (von der schiitischen Mehrheitsbevölkerung BAGDADS abgeschirmten) Stadtteil des Herkunftsstaates. Dor lebt auch ein Teil ihrer im Herkunftsstaat aufhältigen Verwandten. Anlassbezogen sind keine Umstände hervorgekommen, dass es ihnen nicht möglich wäre, dort zu leben. Darüber hinaus hätten sie die Möglichkeit in anderen - ihnen bekannten - sunnitisch mehrheitlich bzw. ausschließlich sunnitisch besiedelten Gebieten des Herkunftsstaates zu leben, darunter Provinzen in MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA und ANBAR.

Quellen:

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 26.08.2018).

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 26.08.2018)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf, (Letzter Zugriff am 26.08.2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 26.08.2018)

Es ist möglich, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL, als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragten. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region AL SULAYMANIYAH zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodass den Daueraufenthalt beantragen. In AL SULAYMANIYAH ist nach UNHCR kein Bürge notwendig, um sich hier niederlassen oder eine Arbeitsbewilligung zu können. Berichten der IOM zufolge leben 90% aller Binnengeflüchteten in AL SULAYMANIYAH in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83% Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in AL SULAYMANIYAH am Bildungssystem teilnehmen. Binnengeflüchtete haben in AL SULAYMANIYAH die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

Quellen:

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 26.08.2018)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 27.08.2018)

1.4.3. Zur Lage von Frauen und Kindern im Irak

1.4.3.1. Zur Lage von Frauen, insbesondere im Hinblick auf Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit

In der Verfassung der Republik Irak ist die Gleichstellung der Geschlechter verankert und nach Art. 49 Abs. 4 der Verfassung im Irak eine Frauenquote von 25% im Parlament (Autonomieregion Kurdistan: 30%) vorgesehen. Dadurch sind im irakischen Parlament derzeit 82 von 328 Abgeordnete Frauen. Die irakische Verfassung spricht auch in der Präambel der Verfassung davon, den Rechten der Frauen besondere Aufmerksamkeit schenken zu wollen und Art. 22 Abs. 1 der irakischen Verfassung regelt das Recht auf Arbeit für alle irakischen Staatangehörigen.

Dennoch finden diese verfassungsgesetzlichen Garantien auf einfachgesetzlicher Ebene oftmals keine entsprechende Umsetzung. Defizite bestehen insbesondere im Familien-, Erb- und Strafrecht sowie im Staatsangehörigkeitsrecht. Die Diskriminierung von Frauen ist im Irak auch im sozialen und religiösen Kontext Alltag. Vor allem in schiitisch dominierten Bereichen herrschen oftmals islamische Regeln, die auch umgesetzt werden, z. B. Kopftuchzwang an Schulen und Universitäten und durch Unterdrückung eines "westlichen" bzw. "nicht konservativen" Lebens- und Kleidungsstils. Dadurch werden die Freizügigkeit der Frauen und somit auch deren Teilnahme am öffentlichen Leben eingeschränkt. Eine Reihe von AktivistInnenplattformen, NGO¿s und andere internationale Akteure, z. B. UN Women, Iraqi Women Network, Iraqi Women Journalist's Forum und Organization of Women's Freedom in Iraq, kämpfen im Irak gegen die soziale, religiöse und rechtliche Diskriminierung und Unterdrückung der Frauen an. So arbeitet z.B. das UN Women Nationalkomitee im Irak mit der irakischen Regierung zusammen um die Ziele des Entwicklungsprogrammes der Vereinten Nationen (UNDAF) für den Referenzzeitraum 2015 - 2019 zu erreichen, zu welchem auch die Miteinbeziehung und Förderungen von Frauen und Mädchen zählen. So hat die irakische Regierung gegenüber der UNDAF die Zusage zur Förderung von Frauen und Mädchen im politischen und wirtschaftlichen Bereich auch für den Zeitraum von 2015 bis 2019 wiederholt.

Im Jahr 2014 lag die Erwerbsquote von Frauen im Irak bei ca. 14%, stieg allerdings in den letzten Jahren an und lag im Jahr 2016 bei 17,8%. Die Anzahl möglicher Betätigungsfelder für Frauen im Irak steigt stetig an, so sind Frauen nicht nur im öffentlichen Sektor tätig sondern etablieren sich, trotz der nach wie vor vorherrschenden gesellschaftlichen Ressentiments und Widerständen, zunehmend als Unternehmerinnen bzw. Eigentümerinnen von Geschäftigen (z.B. Buchgeschäften oder Kaffeehäusern) etc.

In den Jahren 2014 und 2015 kam es immer wieder zu Anschlägen auf Cafés und Restaurants in BAGDAD und BASRA, wobei der Umstand, dass dort Frauen beschäftig werden bzw. waren, oftmals als Motiv genannt wurde, jedoch auch als Vorwand gesehen wird, ein unliebsames Lokal zu schließen. Gegen die Zahlung von Schutzgeld war es Lokalbesitzern in BASRA möglich, auch Kellnerinnen einzustellen, die freizügiger angezogen waren. Grundsätzlich schützen die irakischen Gesetze Frauen, die in Kaffeehäusern oder Casinos arbeiten, es besteht seitens der irakischen Regierung ein Problembewusstsein für diese Thematik. Dennoch kommt es bei Frauen, die als Kellnerinnen arbeiten, oftmals zu Übergriffen.

Quellen:

Adnan Abu Zeed, Nightclubs, cafes still risky business for Iraqi women, 05.12.2017,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/12/nightclub-girls-club-baghdad-iraq-harassment.html#ixzz56XBcW5nl (Letzter Zugriff am 26.08.2018)

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Ergänzende Informationen zu Vorschriften zur Frauenbekleidung durch Gesellschaft und Milizen sowie Ergänzungen zur Lage von Kellnerinnen, 13.11.2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1418160/5209_1511256710_irak-mr-sog-bekleidungsvorschriften-fuer-frauen-lage-von-kellnerinnen-ergaenzende-afb-2017-11-10ke.doc (Letzter Zugriff am 27.08.03.2018)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 27.08.2018)

Mustafa Saadoun, Iraq's female booksellers turn the page on gender roles, 19.10.2017,

https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/10/iraqi-women-take-another-male-profession-in-bookstores.html (Letzter Zugriff am 27.08.2018)

UN-Women, Humanitarian actors highlight women's role in recovery and peacebuilding in Iraq, 20.09.2017, http://www.unwomen.org/en/news/stories/2017/9/news-humanitarian-actors-highlight-womens-role-in-recovery-and-peacebuilding-in-iraq (Letzter Zugriff am 27.08.2018)

UN-Women, Iraq [Stand: 2016],

http://arabstates.unwomen.org/en/countries/iraq (Letzter Zugriff am 27.08.2018)

UN-Women, UN Women meets with Women Leaders and Civil Society Organizations in Baghdad [EN/AR/KU], 02.08.2017 https://reliefweb.int/report/iraq/un-women-meets-women-leaders-and-civil-society-organizations-baghdad-enarku (Letzter Zugriff am 27.08.2018)

WKO Länderprofile, 10/2017,

http://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-irak.pdf (Letzter Zugriff am 28.08.2018)

Zahra Ali, Women's rights are under threat in Iraq, 20.11.2017, https://www.washingtonpost.com/news/monkey-cage/wp/2017/11/20/womens-rights-are-under-threat-in-iraq/?utm_term=.781f3d0fb747, (Letzter Zugriff am 28.08.2018)

1.4.3.2. Zur Lage von Kindern im Irak im Hinblick auf innerstaatlich Vertriebene

Kinder sind als Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage in den Krisengebieten des Irak betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind entweder für sich genommen von Gewalt betroffen oder dadurch, dass ihre Familienmitglieder zu Opfern von Gewalt wurden. Vor allem Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien innerhalb des Iraks flüchten, sind von besonderer Vulnerabilität. Junge Männer laufen in Krisenherden zudem Gefahr, als Soldaten rekrutiert zu werden.

Im Irak ist ein Anstieg an Kinderehen, besonders bei Binnengeflüchteten und Binnenvertriebenen, zu beobachten, da Heirat oft als Möglichkeit gesehen wird, Frauen und Mädchen zu schützen. Obwohl die gesetzlichen Regelungen einer Eheschließung vor dem Erreichen des 15. Lebensjahres entgegenstehen, werden diese Normen oftmals vor allem ländlichen und in schiitisch dominierten Gebieten oftmals nicht durchgesetzt.

Die große Zahl der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen im Nord- und Südirak haben die Kapazitäten der regionalen staatlichen Stellen und auch der vor Ort tätigen internationalen Hilfsorganisationen stark in Anspruch genommen und die Möglichkeiten der Unterbringung und Versorgung der Betroffenen stark beansprucht. Es gelingt diesen dennoch, wesentliche Aufgaben so zu erfüllen, dass die existentiellen Lebensbedürfnisse auch der hilfsbedürftigen Flüchtlinge befriedigt werden können. Zahlreiche Hilfsorganisationen leisten dabei vor Ort internationale Unterstützung und zeugen auch die zahlreichen Berichte internationaler staatlicher Quellen zur Lage von Binnenflüchtlingen und Binnenvertriebenen im Nord- und im Südirak von einem entsprechenden Problembewusstsein der Staatengemeinschaft in dieser Hinsicht.

Es kann festgestellt werden, dass immer mehr Binnenflüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren, so wird berichtet, dass, obwohl nach wie vor ca. 2,6 Millionen irakische Staatsangehörige nach wie vor Schutz in anderen Teilen des Iraks suchen, Ende des Jahres 2017 ca. 3,2 Millionen Binnenvertriebene wieder in ihre früheren Wohnorte zurückgekehrt sind. Es ist auch festzustellen, dass sich in den Gebieten, die vom IS befreit wurden, das Leben auch für Kinder wieder langsam stabilisiert. Dass Kinder in Regionen, in denen derzeit keine Kriegshandlungen gesetzt werden, z.B. in BAGDAD, ERBIL oder BASRA, von einer über die allgemeine angespannte Sicherheitslage hinausgehenden humanitären Kriegs- oder Krisensituation ausgesetzt wären, konnte nicht festgestellt werden.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 28.08.2018)

IOM, Number of Returns Exceeds Number of Displaced Iraqis: UN Migration Agency, 12.01.2018,

https://www.iom.int/news/number-returns-exceeds-number-displaced-iraqis-un-migration-agency (Letzter Zugriff am 28.08.2018)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016-November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 28.08.2018)

1.4.4. Zur medizinischen Grundversorgung im Irak

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt, so ist im Irak zwar ein qualifiziertes Ärzte- und Krankenhauspersonal vorhanden, doch sind viele Ärzte und Mitarbeiter im Gesundheitssektor aufgrund der angespannten Sicherheitslage im Irak geflohen oder haben ihre Arbeit niedergelegt. Das Gesundheitsministerium ist der Hauptanbieter im Gesundheitsbereich, das öffentliche Gesundheitssystem basiert auf einem Kostenteilungsmodell, bei dem die Regierung einen Teil der Kosten medizinischer Leistungen übernimmt und den Patienten eine geringe Gebühr in Rechnung gestellt wird. Der Mangel an politischer Stabilität und Staatssicherheit im Irak macht es schwierig, eine flächendeckende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Neben der öffentlichen Gesundheitsversorgung existiert ein privater Gesundheitssektor, welcher ebenfalls heilmedizinische Leistungen anbietet, diese können jedoch, wenn weitere Leistungen nötig werden (z.B. MRT, Medikamente oder operative Eingriffe) durchaus kostspielig sein.

Einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad sind Untersuchungen und Behandlungen im öffentlichen Sektor kostenfrei verfügbar. Nach einem IOM-Bericht gibt es ebenso öffentliche Gesundheitszentren. Neben Krankenhäusern in ERBIL sind dazu das Ainkawa Health Care Center, das Pirzeen Health Care Center oder das Shaqlawa Hospital Safin Health Care Center. Ebenso gibt es in AL SULAYMANIYAH eine Reihe öffentlicher Krankenhäuser, sowie weitere Gesundheitszentren im Umland, die jedoch im Allgemeinen schlecht ausgestattet sind und oftmals nur die notwendigste Versorgung gewährleisten können, z.B. das Bakrajo Health Center, das Kakamand Health Center oder das Sarchnar Health Center. Medizinische Versorgung ist auch im Südirak gegeben, so sind neben den Krankenhäusern in BASRA in diesem Zusammenhang das Hay Al-Mohandesin Typical Healthcare Centre und das Haji Khudair Healthcare Centre, die jedoch ebenfalls schlecht ausgestaltet sind.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad, 30. Jänner 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423351/5209_1517480519_irak-rf-mev-diverse-medikamente-und-behandlung-in-baghdad-2018-01-30-k.odt (Letzter Zugriff am 28.08.2018)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 28.08.2018)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 28.08.2018)

1.5. Zur Lage der beschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat in Zusammenhang mit den vorgebrachten Fluchtgründen:

Anlässlich seiner Erstbefragung vor den Organen der Sicherheitsbehörde brachte der BF1 vor, dass er vom (sunnitisch geprägten) IS bedroht worden sei, da er Leiter einer Polizeiinspektion war. Auch sei er von einigen Milizen (darunter der Miliz ASA'IB AHL AL HAQQ und der Miliz HIZBULLAH) mit dem Umbringen bedroht worden. Sodann habe er seine Familie genommen und sei mit ihr nach Europa ausgereist [BF1, AS 25].

Anlässlich ihrer Erstbefragung vor den Organen der Sicherheitsbehörde gab die BF2 an, das Land deshalb verlassen zu haben, weil "mein Mann und wir vom IS mit dem Tod bedroht wurden, da mein Ehemann der Leiter einer Polizeiinspektion war. Wir wurden auch von einigen Milizen (zwei davon waren ASA'IB AHL AL HAQQ und HIZBULLAH) mit dem Tod bedroht" [BF2, AS 17].

Der BF1 war auf einer Polizeiwachstube in XXXX als Polizeioffizier tätig. Allerdings konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden, dass er dieser Polizeiwachstube tatsächlich als Leiter vorgestanden hätte.

Mit den Mitbeschwerdeführern lebte der BF1 zunächst in RAWA und kurz vor der von ihnen behaupteten Binnenflucht nach XXXX und BAGDAD XXXX, wo die Familie ein Haus gemietet hatte.

Zwei Jahre, bevor der sunnitische IS in XXXX bzw. in der Heimatstadt der beschwerdeführenden Parteien,XXXX, einmarschierte, gab der BF1 seine Arbeit bei der Polizei auf, weil ihm dies wegen mehrerer Angriffe, die sich in seiner Heimatstadt ereignet hatten, von seinen eigenen Eltern, als auch von den Eltern der BF2 geraten wurde [BF2, AS 262]. Die Familie lebte in der Folge von den Einnahmen, die der BF1 aus dem Betrieb eines Geschäftes erzielte [BF1, AS 547]. Anlassbezogen konnte nicht festgestellt werden, dass er in den Jahren 2013 und 2014 als sog. ziviler Beamter noch im Polizeidienst des Herkunftsstaates gestanden wäre.

Noch bevor der IS am 16.06.2014 die Stadt XXXX bzw. die Stadt XXXX erreicht hatte, ergriff der BF1 mit seiner Familie, den mitbeschwerdeführenden Parteien, die Flucht nach XXXX, wo sie sich über einen nicht feststellbaren Zeitraum aufhielten. Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt zogen die beschwerdeführenden Parteien von XXXX nach BAGDAD weiter, wo sie sich über einen Zeitraum von neun Monaten aufhielten, bevor sie mit dem Flugzeug nach ISTANBUL ausreisten.

Dass der BF1 vom IS mit dem Umbringen bedroht worden wäre, bzw. direkte persönliche Berührungspunkte mit dieser Organisation gehabt hätte, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er während des gemeinsamen Aufenthaltes der beschwerdeführenden Parteien in XXXX bzw. in BAGDAD Droh-SMS, Droh-Anrufe oder gar ein Drohschreiben des IS erhalten hätte.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er einer Verfolgung bzw. Bedrohung durch schiitische Milizen, darunter durch die von ihm genannten Milizen ASA'IB AHL AL HAQQ oder HIZBULLAH, ausgesetzt gewesen wäre.

1.6. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:

Die beschwerdeführenden Parteien hatten mit den Behörden ihres Herkunftsstaates, der Republik Irak, weder auf Grund ihres Religionsbekenntnisses, noch auf Grund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 vor oder unmittelbar nach der Übernahme der Städte XXXX bzw. XXXX durch den IS mit dieser sunnitischen Gruppierung Probleme gehabt hätte, oder von dieser Organisation bedroht worden wäre.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er von Angehörigen des IS Drohbriefe, etwa des Inhalts "wir machen Dich fertig" oder "Deine Stunde schlägt schon" oder "wir erwischen Dich" erhalten hätte bzw. dass ihm persönlich Drohschreiben dieses oder eines allfällig anderslautenden Inhalts, zugestellt worden wären. Auch konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden, dass der BF1 seiner Ehegattin, der BF2, ein Droh-SMS gezeigt hätte, bevor die beschwerdeführenden Parteien den Irak verließen.

Ebenso wenig nicht festgestellt werden, dass die BF2 ihrem Beruf als Architektin aus ethnischen oder religiösen Gründen oder wegen ihrer Eigenschaft als Frau nicht nachgehen konnte bzw. dass sie ihrem Beruf wegen von Extremisten ausgehenden Drohungen nicht nachgehen konnte.

Die minderjährigen Beschwerdeführer (der mj. BF3 und die mj. BF4) haben keine eigenen Fluchtgründe.

Ein konkreter Anlass für ein (fluchtartiges) Verlassen des Herkunftsstaates durch den BF1, die BF2 und die minderjährigen Beschwerdeführer (den mj. BF3 und die mj BF4) konnte beschwerdegegenständlich nicht festgestellt werden. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass eine der beschwerdeführenden Parteien (hier besonders der BF1 und die BF2) vor deren Ausreise aus dem Herkunftsstaat einer individuellen Verfolgung aus den von ihnen genannten Gründen ausgesetzt gewesen wären, oder im Falle ihrer Rückkehr in den Irak der Gefahr einer individuellen Verfolgung ausgesetzt sein könnten.

Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, der Religion, ihrer Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer politischen Gesinnung ausgesetzt wären, oder dass sonstige Gründe vorlägen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstünden.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bei ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte oder sie als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung ihres Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie der durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 24.08.2018.

2.2. Zur Person und zu den Reisebewegungen der beschwerdeführenden Parteien:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum), zur Staats- und Religionszugehörigkeit sowie zum Familienstand der beschwerdeführenden Parteien getroffen wurden, beruhen diese auf den eigenen Angaben des BF1 und der BF2 in der niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde vom 02.01.2016 und den niederschriftlichen Einvernahmen vor dem BFA vom 03.06.2016 und vom 14.12.2017, den vorgelegten Unterlagen und den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde, sowie auf der Kenntnis und Verwendung der Sprache Arabisch im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme des BF1 vor dem BFA und in der vom erkennenden Gericht am 24.08.2018 durchgeführten mündlichen Verhandlung, sowie auf den vorgelegten Übersetzungen der arabischsprachigen Urkunden in die deutsche Sprache.

Die Konstatierungen zur Arbeitsfähigkeit des BF1 und der BF2, sowie zur Dauer und Art der schulischen Ausbildung und zur beruflichen Tätigkeit im Herkunftsstaat gründen auf den Angaben des BF1 und der BF2 in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA und den Angaben anlässlich der PV vor dem BVwG, denen zufolge der BF1 im Herkunftsstaat sechs Jahre lang die Grundschule, drei Jahre lang die Mittelschule und drei Jahre lang die höhere technische Schule besuchte und anschließend die im Innenministerium des Herkunftsstaates angesiedelte zweijährige Polizeiakademie in BAGDAD absolvierte, an der er die Ausbildung zum Polizeioffizier durchlief. Auf seinen Angaben in der PV vor dem BVwG basieren weiter die Feststellungen, dass er den Beruf eines Malers erlernte, die Lehre jedoch nicht mit der Lehrabschluss abschloss. Dass er im Herkunftsstaat als Polizeioffizier arbeitete und pro Monat ca. 1,200.000,00 irakische Dinar (d.s. umgerechnet rund 1.000,00 US-Dollar) verdiente, gründet auf derselben Quelle [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 24.08.2018, S. 6] und auf den (beglaubigten) Übersetzungen der vorgelegten fremdsprachigen Urkunden in die deutsche Sprache. Die Konstatierung, dass nicht festgestellt werden konnte, dass der BF1 der Polizeiinspektion XXXX als Leiter vorstand, war zu treffen, da sich aus den vorgelegten Urkunden kein Hinweis auf den BF1 als Leiter ergibt. Das BVwG übersieht nicht, dass der BF1 auch eine an den Leiter der Polizeidirektion in XXXX gerichtetes Dank- und Anerkennungsschreiben vom Juni 2008 zur Vorlage brachte; allerdings ergibt sich weder aus diesem (an keine konkrete Person gerichteten) Schreiben, noch aus den übrigen vorgelegten Urkunden ein Hinweis darauf, dass der BF1 der zuvor genannten Polizeidirektion vorgestanden hätte.

Auf den Angaben der BF2 in der PV vor dem BVwG beruhen auch die Konstatierungen, dass sie im Herkunftsstaat sechs Jahre lang die Grundschule, drei Jahre die Mittelschule, sowie drei Jahre das Gymnasium besuchte und ansc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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