TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/10 W168 2176414-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2018
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Entscheidungsdatum

10.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W168 2176414-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2017, Zahl 15-1094881403/151761797, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.06.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA-VG i. d. g. F. und §§ 52, 55 FPG i. d. g. F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

• Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach schlepperunterstützt unberechtigter Einreise am 12.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei schiitischer Moslem. Er stamme aus der Provinz Kandarhar. Im Herkunftsstaat habe er keine Ausbildung absolviert und vor Ausreise als Hilfsarbeiter (Reinigungskraft) gearbeitet. Der Beschwerdeführer sei im Iran aufgewachsen und seine gesamte Familie sei bis auf seine Schwester nach wie vor dort wohnhaft. Zur Reiseroute befragt, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er vom Iran aus über die Türkei und anschließend auf eine griechische Insel gelangt sei und sich anschließend über ihm unbekannte Länder nach Österreich begeben habe. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, dass sein Vater vor etwa 16 Jahren ein Motorrad gekauft habe, das eines Tages gestohlen worden sei. Die Polizei habe in weiterer Folge festgestellt, dass sein Vater damit Diebesgut erworben habe, da das Fahrzeug bereits auf einen anderen Eigentümer zugelassen gewesen sei. Die Verkäufer des Motorrades seien festgenommen und nach etwa zwei Jahren wieder entlassen worden. Der Beschwerdeführer sei davon überzeugt, dass diese Leute für die Ermordung seines Vaters verantwortlich seien und fürchte, nunmehr ebenfalls getötet zu werden.

Nach Zulassung seines Verfahrens erfolgte am 26.09.2017 eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Beschwerdeführer gab eingangs an, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die Einvernahme durchzuführen. Er sei gesund und nehme keine Medikamente ein. Identitätsbezeugenden Dokumente könnte dieser nicht in Vorlage bringen. Der Beschwerdeführer führte aus, dass er vor Ausreise in Kerman (Iran) in einer Mietwohnung gelebt und als Autolackierer in einer Werkstatt gearbeitet habe. Befragt, ob er im Herkunftsstaat Angehörige oder Verwandte habe, entgegnete der Beschwerdeführer, dass er eventuell entferntere Verwandte habe. Seine Familie habe im Heimatland auch keine Besitztümer mehr, da sie ein Haus nach dem Tod seines Großvaters verkauft habe.

Auf Aufforderung, einen Lebenslauf bezüglich seiner Person zu schildern, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er geschieden sei und keine Kinder habe. Er stehe zu seiner Mutter und seiner Schwester ca. ein-oder zweimal im Monat in telefonischem Kontakt und habe Freunde, welche aus dem Iran nach Afghanistan zurückgegangen seien. Einmal sei er bereits vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden und habe sich anschließend für zehn Tage in Herat aufgehalten. Der Beschwerdeführer spreche Farsi auf Muttersprachniveau und sei nach der iranischen Tradition erzogen worden.

Zum Fluchtweg befragt, brachte der Beschwerdeführer vor, vom Iran in die Türkei und anschließend nach Griechenland gelangt zu sein. Von dort habe er sich mit anderen Asylwerbern nach Österreich begeben. Die Geldsumme von 2500,- US Dollar, die er an einen Schlepper vom Iran in die Türkei bezahlt und den Betrag in Höhe von 1250,-

US-Dollar für die Weiterreise nach Griechenland, habe er teilweise selbst erspart und teilweise von seinen Geschwistern erhalten. Der Beschwerdeführer habe in keinem anderen Staat einen Asylantrag gestellt.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass sein Vater von einem anderen Afghanen ermordet worden sei, eine Woche nach seinem Tod sei seine Leiche gefunden worden. Da die Freunde seines Vaters kriminell gewesen seien, habe der Beschwerdeführer befürchtet, dass sie auch ihm etwas antun würden. Er sei daher aus Kerman (Iran) geflüchtet und habe sich in anderen Städten angesiedelt. Sein Vater sei bereits im Juni 1996 ermordet worden, die Freunde seines Vaters würden aufgrund seines persönlichen Kontaktes zu Polizisten jedoch nach wie vor befürchten, dass der Beschwerdeführer sie anzeige. Von weiteren Freunden seines Vaters habe er nämlich vernommen, dass sie jeden umbringen würden, der sie bei der Polizei verrate. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, von diesen jedoch nie persönlich bedroht worden zu sein. Zum Vorhalt, dass er im Rahmen seiner Erstbefragung zu Protokoll im Widerspruch dazu angegeben habe, dass die Verkäufer eines Motorrades seinen Vater aus Rache, dass er sie aufgrund des verkauften Diebesgutes angezeigt habe, ermordet hätten, erwiderte der Beschwerdeführer, dass diese Ausführungen auch stimmen würden und sein Vater tatsächlich ein Motorrad gekauft habe. Er habe den Polizisten erklärt, wer ihm das Fahrzeug verkauft habe und diese Personen seien in weiterer Folge auch verhaftet worden. Der Beschwerdeführer sei damals jedoch ein Kind gewesen und wisse nicht, ob sein Vater das Motorrad von Freunden oder Fremden erworben habe. Zur Frage, ob er in Afghanistan je inhaftiert worden sei, erklärte der Beschwerdeführer, dass er aufgrund seiner Drogensucht im Iran im Gefängnis gewesen sei. Die Fragen, ob er im Herkunftsstaat von der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder einer sonstigen Behörde gesucht worden sei oder in seiner Heimat von den Behörden jemals angehalten, festgenommen oder verhaftet worden sei, wurden von ihm verneint. Er habe im Heimatstaat auch nie Probleme mit den Behörden gehabt, sei kein Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen und sei von staatlicher Seite auch nie aufgrund seiner politischen Gesinnung, Rasse, Religion oder Nationalität/Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt worden. Es habe bis auf die besagten Vorfälle nie konkrete Übergriffe gegen den Beschwerdeführer gegeben. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befürchte er, dass er ganz allgemein nicht sicher wäre, jedoch keine Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden hätte. Befragt, wieso er sich nicht in einen anderen Landesteil des Irans oder nach Afghanistan begeben habe, erklärte der Beschwerdeführer, dass er über die derzeitige Situation in Afghanistan nicht Bescheid wisse und seine Aufenthaltsberechtigung im Iran nur für eine Stadt gegolten habe.

Zu den Lebensumständen in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er am 11.11.2015 in Österreich eingereist sei und nie einen gültigen Aufenthaltstitel gehabt habe. Er besuche zweimal in der Woche einen Deutschkurs leiste gemeinnützige Arbeit. Zudem spiele er mit anderen Fußball und kümmere sich um seinen Haushalt. Der Beschwerdeführer sei bislang noch keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen, wolle jedoch in Zukunft als Autolackierer arbeiten. Er beziehe Leistungen aus der Grundversorgung und wohne in einem Flüchtlingsheim. Derzeit besuche er einen Alphabetisierungskurs und wolle demnächst einen A1-Kurs besuchen. Die Fragen, ob er bereits einen Deutschkurs auf dem Niveau A2 oder einen Schulabschluss verfüge, wurden vom Beschwerdeführer verneint. Er habe in Österreich bislang auch keine Schule, Ausbildung oder Kurse absolviert und sei kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Der Beschwerdeführer habe zudem keine Familie oder Freunde ein Österreich und sei im Bundesgebiet nie Zeuge oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder Gewalt geworden.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom Beschwerdeführer eine Kopie seiner iranischen Aufenthaltskarte, der iranischen Aufenthaltskarte seiner Mutter, eine Kopie der afghanischen Tazkira seines Vaters, eine Teilnahmebestätigung der "Tiroler Soziale Dienste GmbH" vom 06.12.2016, zwei Bestätigungen eines Stadtamtes und eines Gemeindeamtes, dass der Beschwerdeführer soziale, gemeinnützige Dienste verrichtet habe und eine Bestätigung des Roten Kreuzes über die Absolvierung eines Erste-Hilfe Kurses vom 16.07.2017 vorgelegt.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Die BFA stellte fest, dass die Behörde im konkreten Fall ein Vorbringen zu beurteilen gehabt habe, welches sich ausschließlich auf den Iran, das Land des gewöhnlichen Aufenthaltes des Beschwerdeführers, beziehe. Unter diesen Gesichtspunkten sei das Vorbringen des Beschwerdeführers als konsistent zu bewerten, so dass die Behörde zu der Einschätzung gelange, dass der Beschwerdeführer seine Angaben nach besten Wissen und Gewissen gemacht habe. Doch könne dies nicht über die mangelnde asylrechtliche Relevanz seines Vorbringens hinwegtäuschen. Es könne nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat Afghanistan von staatlicher Seite bzw. von Dritten Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten habe, weshalb dem Beschwerdeführer keine wohlbegründete Furcht vor maßgeblich wahrscheinlicher Verfolgung aus einem der Gründe der GFK zusinnbar sei. Aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme habe zudem festgestellt werden können, dass er seine gesamten Gründe zur Ausreise auf den Iran, also einen Drittstaat beziehe und somit keine asylrelevante Verfolgung in seinem Herkunftsstaat Afghanistan vorgebracht habe. Weitere Fluchtgründe oder Verfolgungsgefahren seien vom Beschwerdeführer nicht hervorgebracht worden und seien auch im Rahmen des amtswegigen Ermittlungsverfahrens nicht hervorgetreten. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Rückkehrbefürchtungen, dass er Angst habe und sich in Afghanistan nicht sicher fühlen würde, habe der Beschwerdeführer nicht plausibel darlegen können, sodass diese Ausführungen als nicht glaubwürdig zu werten seien. Seine Befürchtungen würden sich lediglich auf vage Vermutungen stützen, konkrete Anhaltspunkte oder Hinweise habe dem Vorbringen des BF nicht entnommen werden können und habe er auch nicht glaubhaft darlegen können. Wie er selbst behauptet habe, habe er von staatlicher Seite nichts zu befürchten und sei gegen ihn nie irgendeine Sanktion seitens der Behörden gesetzt worden. Aufgrund der gelichbleibenden Angaben in verschiedenen Einvernahmen zu seinem Asylverfahren werde dem BF geglaubt, dass er über keine familiären und verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte in Österreich verfüge. Die Feststellung, dass er keinen Abschluss für einen Deutschkurs Niveau A2 habe, gründe sich darauf, dass er in seiner Einvernahme vom 26.09.2017 keine geeigneten Beweismittel dafür vorlegen habe können. Der Beschwerdeführer habe seine Fluchtgründe auf den Iran bezogen, sei jedoch Staatsbürger von Afghanistan und habe sich diesbezüglich somit nicht auf seinen Herkunftsstaat bezogen, weshalb seine diesbezüglichen Ausführungen nicht als entscheidungsrelevanter Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden habe können, da sich diese lediglich auf den Drittstaat beziehen würden. Die begründete Furcht vor Verfolgung müsse sich auf das Land beziehen, dessen Staatsangehörigkeit er besitze, könne den Schutz dieses Landes in Anspruch nehmen und auch in dieses Land zurückkehren. Er bedürfe keines internationalen Schutzes und sei daher auch kein Flüchtling. Relevant sei somit eine Verfolgungsgefahr nur, wenn das Heimatland oder das Land des gewöhnlichen Aufenthaltes für diese verantwortlich sei. Drohe dem Asylwerber eine Verfolgung in einem Drittstaat-möge sie dort auch von den staatlichen Organen ausgehen, so sei diese irrelevant, solange sich der Asylwerber des Schutzes seines Herkunftsstaates bedienen könne. Hinsichtlich der Sicherheits-und Versorgungslage in Afghanistan, die sich in Teilen Afghanistans als derart prekär darstellen könnten, dass sie relevant sein könnten, sei festzuhalten, dass eine derartige Gefährdung nicht für das gesamte Gebiet festzustellen sei. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen gesunden und arbeitsfähigen Mann, welchem die Teilnahme am Erwerbsleben zugemutet werden könne. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bereit und auch im Stande sei, in seinem Heimatland zu arbeiten. Die Aussage, dass er auch in einer anderen Sparte einen Job annehmen würde, zeuge von hoher Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Er habe bereits mehr als sieben Jahre Berufserfahrung gesammelt und sei auch in der Vergangenheit in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbst zu sichern. Die erkennende Behörde gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer sich auch ohne familiäre Anknüpfungspunkte in der Millionenstadt Kabul niederlassen und ein neues Leben aufbauen könnte. Es könne in seinem Fall auch davon ausgegangen werden, dass es ihm nach seiner Rückkehr möglich sein sollte, auf finanzielle Unterstützungsleistungen seiner Familie, welche im Iran aufhältig sei, zurückzugreifen. Außerdem könnte der Beschwerdeführer durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden. Der Beschwerdeführer habe in Österreich gemeinnützige Arbeit geleistet, sein Unterhalt sei in Österreich jedoch auf Dauer keinesfalls gesichert. Er habe auch einen Deutschkurs absolviert, verfüge aber nur über unzureichende Deutschkenntnisse und beziehe Grundversorgung und sei von Unterstützung abhängig. Eine derzeitige legale Arbeit, nennenswerte soziale Beziehungen oder eine etwa im Bundesgebiet absolvierte Berufsausbildung oder andere Merkmale der Integration seien nicht vorgetragen worden und seien aufgrund der kulturellen Unterschiede, der vorliegenden Sprachbarriere und des kurzen Aufenthaltes in Österreich in der Regel auch nicht nachhaltig realisierbar.

3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 09.11.2017 fristgerecht Beschwerde ein. Begründend wurde vorgebracht, dass die Behörde die umfassende Ermittlungspflicht im gegenständlichen Asylverfahren verletzt und damit das Verfahren mit Mängeln belastet, da eine ausführliche Auseinandersetzung mit der vom BF geltend gemachten Verfolgungsgefahr in Afghanistan nicht stattgefunden habe, insbesondere habe die erkennende Behörde Ermittlungen hinsichtlich Personen, die nie in Afghanistan gelebt hätten und über keinerlei Familie im Herkunftsland verfügen würden und aufgrund ihrer unterstellten politischen Gesinnung in den Fokus der Taliban geraten könnten. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien nicht vollständig und würden insbesondere die tatsächlichen Gegebenheiten im Land selbst verkennen. Sie würden zwar allgemeine Aussagen über Afghanistan beinhalten, würden sich jedoch nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen und seien dadurch als Begründung zur Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz unzureichend. Darüber hinaus unterlasse die Erstbehörde eine Abhandlung der fehlenden Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der afghanischen Behörden und handle die Situation von Rückkehrern ausschließlich in Zahlen ab, gehe aber auf die tatsächliche Situation von Personen, denen westliche Orientierung vorgeworfen werde oder die aus dem Westen zurückkehren würden, nicht ein. Über die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des afghanischen Staates würden die Länderfeststellungen keine Informationen enthalten. Es sei längst bekannt, dass staatliche Schutzmechanismen in ganz Afghanistan schwach seien bzw. gänzlich fehlen würden. Die von der Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten Länderberichte seien nicht dazu geeignet, das Vorbringen des Beschwerdeführers abschließend und umfassend beurteilen zu können. Die Feststellung, wonach dem Beschwerdeführer keine asylrelevante Bedrohung im Herkunftsstaat drohe, basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung, einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und verletze § 60 AVG. Die belangte Behörde lasse gänzlich außer Acht, dass der Beschwerdeführer noch nie in Afghanistan gewesen sei, im Iran geboren und sozialisiert worden sei, keinerlei Anknüpfungspunkte zur afghanischen Kultur habe und jetzt bereits seit zwei Jahren in Österreich lebe. Die Behörde habe somit die Entscheidung mit formeller und materieller Rechtswidrigkeit auf Grund wesentlicher Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung behaftet. Das BFA habe in seinen rechtlichen Erwägungen ebenfalls nicht ausreichend berücksichtigt, dass der BF im Iran geboren und aufgewachsen sei und besonders heimkehrende Afghanen oftmals als Verräter wahrgenommen werden würden. Dies führe oft zur Verfolgung durch die Taliban und die Schutzfähigkeit seitens der afghanischen Behörden sei im gegenständlichen Fall nicht vorhanden, weshalb dem BF daher asylrelevante Verfolgung drohe. Der Beschwerdeführer habe keinerlei Schulbildung, sei Analphabet und zudem sei zu berücksichtigen, dass sich der BF sein gesamtes Leben im Iran verbracht und sich (abgesehen von 10 Tagen) nie in Afghanistan aufgehalten habe, wo er über keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte verfüge. Der Beschwerdeführer sei um eine Integration in Österreich äußerst bemüht, versuche, Deutsch zu lernen und besuche gerade einen Alphabetisierungskurs, da er nie zur Schule habe gehen können und daher Analphabet sei. Außerdem gehe er gemeinnützigen Arbeiten nach.

4. Am 08.06.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer teilgenommen hat. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat an der Verhandlung nicht teilgenommen.

Mit dem Beschwerdeführer wurden die Situation aufgrund der mit der Ladung übermittelten aktuell vorliegenden Länderfeststellungen besprochen und diesem ausführlich Gelegenheit eingeräumt hierzu Stellung zu nehmen. Ebenso wurden im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG mit dem Beschwerdeführer seiner Befürchtungen in Bezug auf die Rückkehr, bzw. seine in Österreich gesetzten integrativen Schritte, sowie seine Zukunftserwartungen besprochen.

Im Rahmen der Verhandlung führte der Beschwerdeführer aus, dass er sich nicht in ärztlicher Behandlung befinde und sich geistig und körperlich in der Lage fühle, an der Verhandlung teilzunehmen. Der Hauptgrund, aus dem er den Iran verlassen habe, sei die Todesangst vor Feinden gewesen. Zudem hätte er im Iran jährlich seine Aufenthaltskarte verlängern müssen. Zur Frage, weshalb er in Todesangst gelebt habe, entgegnete der Beschwerdeführer, dass sein Vater von seinen Geschäftspartnern ermordet worden sei. Seine bei der Regierung eingebrachte Anzeige gegen die Täter sei ihm zum Verhängnis geworden, obwohl er damit bezweckt habe, diese zu verfolgen. Die handelnden Personen seien Drogendealer sowie Diebe gewesen und der Brief des Beschwerdeführers an die Regierung könne als Haftbefehl gegen diese gedeutet werden. Die Frage, ob er direkt bedroht worden sei, verneinte der Beschwerdeführer. Falls ihn die Mörder seines Vaters jedoch finden sollten, würden sie ihn töten.

Im Iran habe der Beschwerdeführer eine Aufenthaltskarte gehabt und er gehe davon aus, dass ihn die Mörder seines Vaters aufgrund seines Haftbefehles aus Furcht vor einer möglichen Verhaftung im gesamten Land aufgespürt hätten. Über die Gegebenheiten in Kabul wisse er nicht Bescheid, da er dort nie gelebt habe. Zum Vorhalt, dass er nie persönlich bedroht worden sei, erwiderte der Beschwerdeführer, dass man seinem Vater vor seiner Ermordung auch nicht gedroht habe. Den genannten Brief der Regierung könne der Beschwerdeführer ebenfalls nicht mehr vorweisen, die Täter würden aufgrund eines bei der Polizei aufliegenden Aktes mitsamt Fahndungsfotos jedoch weiterhin nach ihm suchen. Zur Frage, ob er Verwandte habe, die weiterhin in Afghanistan oder außerhalb Afghanistans leben würden, erwiderte der Beschwerdeführer, dass seine gesamte Familie im Iran wohnhaft sei. Zwei seiner Brüder seien als Mechaniker tätig, seine Onkeln müssten die Familie ernähren und würden daher auch Gelegenheitsjobs ausüben. Alle seien legal im Iran aufhältig, der Beschwerdeführer sei auch bis vor Kurzem mit seiner Familie im Kontakt gestanden, besitze nunmehr jedoch keine SIM-Karte mehr. Befragt, wieso seine gesamten Angehörigen im Iran unbehelligt leben könnten, erklärte der Beschwerdeführer, dass er seinen Vater im Gegensatz zu seinen Verwandten immer zu Geschäftsterminen begleitet habe und er deshalb in Gefahr sei. Im Iran sei er hauptberuflich als Karosseur tätig gewesen und habe auch diverse Gelegenheitsjobs ausgeübt. Derzeit gebe es keine konkreten Hinwiese, dass die Mörder seines Vaters den Beschwerdeführer auch gegenwärtig noch suchen würden und er könne auch keine Beweise dafür vorlegen. Den bezeichneten Brief der Regierung könne er jedoch anfordern. Auf Vorhalt, dass den Würdigungen des BFA im angefochtenen Bescheid zu Afghanistan zu entnehmen sei, dass sich Vorfälle in den Städten hauptsächlich gegen sogenannte "high profile" Personen richten würden und aufgefordert, Gründe zu nennen, weshalb er dieser Personengruppe angehöre, entgegnete der Beschwerdeführer, dass viele Städte in Afghanistan nicht erreichbar seien. Man würde bei einer Rückkehr erkennen, dass er einen Farsi Dialekt aus Kandarhar spreche und den Akzent in Kabul nicht beherrsche, weshalb der Beschwerdeführer einer Gefahr ausgesetzt sei. Zudem bestehe das Risiko, dass ein Schiit sofort von den Taliban geköpft werde. Er selbst sei in Afghanistan nie bedroht worden, da er dort nie gelebt habe, er finde als Schiit jedoch selbst in Kabul erschwerte Bedingungen vor.

Die Schleppung habe insgesamt zwischen 3500 und 4000 Euro gekostet, der Beschwerdeführer habe sich mit dieser Summe jedoch keine neue Lebensgrundlage aufbauen wollen, da er sein Leben nicht mit Geld aufwiegen könne. In Afghanistan wäre die Wahrscheinlichkeit groß gewesen, dass ihm sein Erspartes abgenommen werde.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er Mittel aus der Grundversorgung erhalten und gemeinnützige Tätigkeiten verrichte. Derzeit besuche er einen Deutschkurs, spiele in seiner Freizeit Volleyball oder Fußball und sei Mitglied in einem Verein für Eisstockschießen. In Afghanistan würde er aufgrund seines Analphabetismus keine Erwerbstätigkeit finden, zudem könnte ihn seine Familie auch nicht unterstützen. Im österreichischen Bundesgebiet habe er zwar soziale Kontakte, aber keine Freundin.

Im Rahmen der Verhandlung wurden vom Beschwerdeführer eine Teilnahmebestätigung der "Infotage für AsylwerberInnen" vom 24.10.2017, Bestätigung über gemeinnützige Tätigkeiten vom 23.05.2018, Bestätigung über einen Kursbesuch eines Deutschkurses vom 04.06.2018 sowie eine weitere Bestätigung über die Verrichtung gemeinnütziger Tätigkeiten vom 04.06.2018 und eine Bestätigung über die Absolvierung eines Turniers des Stockschützenvereins vom 02.06.2018 vorgelegt.

In einer Stellungnahme vom 08.06.2018 führte der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers aus, dass es sich bei Kabul um eine innerstaatliche Fluchtalternative handle, die jedoch für den Beschwerdefürher nicht bestehen würde. Hinsichtlich der prekären Lage in Afghanistan und der Situation bei einer Rückkehr nach Kabul wurde von der Vertretung auf den Bericht von Frau Stahlmann verwiesen. Es könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass in Afghanistan eine prekäre Sicherheitslage herrsche, vielmehr müsse davon ausgegangen werden, dass sich dieses Land in einem landesweiten innerstaatlichen Konflikt mit jederzeit in jedem Teil des Landes möglichen Kampfhandlungen und Handlungen willkürlicher Gewalt befinde, denen sich insbesondere jene Personen nicht entziehen könnten, die nicht über aktuelle Kenntnisse der lokalen Situation und über eine entsprechende Vernetzung vor Ort verfügen würden. Im Unterschied zur derzeitigen Wohnbevölkerung Afghanistans würden beim Beschwerdeführer jene aktuellen Kenntnisse von örtlichen, gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten, die unerlässlich wären, um sich den in letzter Zeit massiv angewachsenen Gefahren wirksam zu entziehen, nicht vorausgesetzt werden. Es sei vielmehr schon aufgrund der langen Abwesenheit des Beschwerdeführers aus Afghanistan davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer an diesen Kenntnissen mangele, ohne dass er in der Lage wäre, sich diese Kenntnisse rechtzeitig anzueignen. Der Beschwerdeführer wäre schon deshalb aus in seiner Person begründeten Umständen im Sinne der Judikatur besonders gefährdet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist Muslim schiitischer Ausrichtung. Seine Identität steht nicht fest. Er stammt aus der Provinz Kandarhar, ist Analphabet und lebte sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise im Iran, wo er hauptberuflich als Karosseur tätig war. Der Beschwerdeführer reiste im November 2015 illegal ins Bundesgebiet ein, wo er am 12.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Die gesamte Familie des Beschwerdeführers lebt im Iran, der Beschwerdeführer stand mit dieser bis vor Kurzem in telefonischen Kontakt.

Den Iran verließ er im Jahr 2015 aufgrund seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung, als auch einer Furcht vor Privatpersonen. Diesen Problemen im Iran kommt im gegenständlichen Verfahren keine Entscheidungsrelevanz zu.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass er auch längere Zeit im Iran gelebt hat, unmittelbar konkret und individuell bzw. dass jedem afghanischen Rückkehrer aus dem Iran physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Der Beschwerdeführer spricht Dari und Farsi, sowie Baluchi und damit jedenfalls in Afghanistan übliche Sprachen, er ist in einem afghanischen Familienverband aufgewachsen und daher daher mit der afghanischen Kultur, den Sitten und Gebräuchen vertraut. Er verbrachte den Großteil seines Lebens im Iran und ist daher mit den Gepflogenheiten eines islamischen Landes vertraut.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken konkret und individuell bedroht wurde oder bei einer Rückkehr bedroht wird bzw. dass jedem Angehörigen der Volksgruppe der Tadschiken physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in der Stadt Kabul oder Mazar-e-Sharif, besteht für den Beschwerdeführer keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation. Es besteht kein maßgebliches Risiko, dass der Beschwerdeführer in Kabul oder Mazar-e-Sharif einer asylrelevanten Verfolgung durch Privatpersonen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgesetzt ist.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung insbesondere in der Stadt Kabul, besteht für den Beschwerdeführer als alleinstehenden, gesunden und leistungsfähigen Mann im berufsfähigen im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im November 2015 durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer bezieht Mittel aus der Grundversorgung und verrichtet gemeinnützige Arbeiten. De Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer ist geschieden und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat in Österreich Deutschkurse besucht und ist Mitglied im Stockschützenverein. Er hat in Österreich keine Verwandten und keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen.

In der Beschwerde, als auch in der Verhandlung vor dem BVwG, sowie der Stellungnahme konnten keine wesentlichen, bzw. verfahrensrelevant neuen Sachverhaltselemente glaubhaft bzw. substantiiert begründet dargelegt werden, welche geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffenen Entscheidungen grundlegend in Frage zu stellen. Für die in der Beschwerde und den in den Stellungnahmen gestellten Anträge ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte.

Das Bestehen einer insgesamt besonderen Integration, bzw. von besonderen Gründen die für ein Verbleiben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechen sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5%

erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

(Grafik: Staatendokumentation gemäß Daten aus INSO o.D.)

Zivilist/innen

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

(UNAMA 7.2017)

High-profile Angriffe:

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.-5.August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In . Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh. .

Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL-KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP-Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

Politische Entwicklungen

Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten - dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).

Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).

Quellen: - BBC (18.9.2017): US sends 3,000 more troops to Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-us-canada-41314428, Zugriff 20.9.2017 - BBC (2.8.2017): Herat mosque blast: IS says it was behind Afghanistan attack,

http://www.bbc.com/news/world-asia-40802572, Zugriff 21.9.2017 - INSO - International NGO Safety Organisation (o.D.): Afghanistan - Total incidents per month for the current year to date, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017 - INSO - The International NGO Safety Organisation (2017): Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017 - NYT - The New York Times (16.9.2017): U.S. Expands Kabul Security Zone, Digging In for Next Decade, https://www.nytimes.com/2017/09/16/world/asia/kabul-green-zone-afghanistan.html?mcubz=3, Zugriff 20.9.2017 - NYT - The New York Times (25.8.2017): ISIS Claims Deadly Attack on Shiite Mosque in Afghanistan, https://www.nytimes.com/2017/08/25/world/asia/mosque-kabul-attack.html?mcubz=3, Zugriff 21.9.2017 - Reuters (13.8.2017): Senior Islamic State commanders killed in Afghanistan air strike: U.S. military, https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-airstrike/senior-islamic-state-commanders-killed-in-afghanistan-air-strike-u-s-military-idUSKCN1AT06J, Zugriff 19.9.2017

-

Reuters (6.8.2017): Kabul 'Green Zone' tightened after attacks in Afghan capital,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-security/kabul-green-zone-tightened-after-attacks-in-afghan-capital-idUSKBN1AM0K7, Zugriff 20.9.2017 - SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2017): QUARTERLY REPORT TO THE

UNITED STATES CONGRESS,

https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2017-07-30qr.pdf, Zugriff 19.9.2017 - SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (20.6.2017): Afghan national army: dod may have spent up to $28 million more than needed to procure camouflage uniforms that may be inappropriate for the Afghan environment,

https://www.sigar.mil/pdf/special%20projects/SIGAR-17-48-SP.pdf, Zugriff 20.9.2017 - The Guardian (3.8.2017): The war America can't win: how the Taliban are regaining control in Afghanistan, https://www.theguardian.com/world/2017/aug/03/afghanistan-war-helmand-taliban-us-womens-rights-peace, Zugriff 19.9.2017 - Tolonews (17.6.2017): Daesh Media Leader Killed

In Nangarhar Air Strike,

http://www.tolonews.com/afghanistan/daesh-media-leader-killed-nangarhar-air-strike, Zugriff 19.9.2017 - UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan:

Afghanistan (7.2017): Protection of Civilians in Armed Conflict; Midyear Report 2017,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_midyear_report_2017_july_2017.pdf, Zugriff 20.9.2017 - UN GASC - General Assembly Security Council (21.9.2017): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, as of September 15th 2017, https://unama.unmissions.org/report-secretary-general-situation-afghanistan-and-its-implications-international-peace-and-7, Zugriff 21.9.2017 - WT - The Washington Times (8.5.2017): Pentagon confirms Abdul Hasib, head of ISIS in Afghanistan, killed by U.S., Afghan special forces,

http://www.washingtontimes.com/news/2017/may/8/abdul-hasib-head-isis-afghanistan-killed-us-afghan/,

Zugriff 19.9.2017 KI vom 27.6.2017: Afghanische Flüchtlinge im Iran (betrifft: Abschnitt 23 Rückkehrer)

Aus gegebenem Anlass darf auf folgendes hingewiesen werden:

Informationen zur Situationen afghanischer Flüchtlinge im Iran können dem Länderinformationsblatt Iran entnommen werden (LIB Iran - Abschnitt 21/Flüchtlinge). Länderkundliche Informationen, die Afghanistan als Herkunftsstaat betreffen, sind auch weiterhin dem Länderinformationsblatt Afghanistan zu entnehmen. KI vom 22.6.2017:

Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q2.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten - gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF - Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA - Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP - Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

High-profile Angriffe:

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

(The Guardian 31.5.2017) [Anm.: man beachte, dass die Opferzahlen in dieser Grafik, publiziert am Tag des Anschlags, noch überhöht angegeben wurden]

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten- den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

Herat

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani - stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes - verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

Mazar-e Sharif

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

Taliban

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:

BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal'ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha' al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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