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19/05 Menschenrechte;Norm
BEinstG §13g;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des S R in Wels, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 17/II, gegen den Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales nach § 13 a BEinstG vom 18. Februar 1999, Zl. 44.140/56-7/98, betreffend Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten (mitbeteiligte Partei: C KG in Wels, vertreten durch Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. August 1998, Zl. 98/11/0117, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis war ein Bescheid der belangten Behörde vom 19. Februar 1998 betreffend Zustimmung zur Kündigung des Beschwerdeführers durch die mitbeteiligte Partei gemäß § 8 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes in der Fassung BGBl. Nr. 313/1992 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden.
Mit dem angefochtenen (Ersatz-)Bescheid wurde neuerlich in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides des Behindertenausschusses beim Bundessozialamt Oberösterreich vom 5. Juni 1997 die Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung des Beschwerdeführers erteilt.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 2 erster und zweiter Satz BEinstG darf die Kündigung eines begünstigten Behinderten von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss nach Anhörung näher genannter Gremien zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn dieser nicht in besonderen Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt.
Im Vorerkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Entscheidung betreffend die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten eine Ermessensentscheidung ist. Nach dem Zweck des Gesetzes, das der Eingliederung der begünstigten Person in den Arbeitsprozess und der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz dienen soll, ist es bei dieser Ermessensentscheidung Aufgabe der Behörde, das berechtigte Interesse des Dienstgebers an der Beendigung des Dienstverhältnisses und die besondere soziale Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers im Einzelfall gegen einander abzuwägen und unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu prüfen, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses oder dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes eher zugemutet werden kann. Diese aus der Zweckbestimmung des Gesetzes abgeleiteten Grundsätze haben als Richtlinie für die Handhabung des Ermessens zu dienen. Eine Ermessensprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof setzt voraus, dass alle für die Ermessensentscheidung wesentlichen tatsächlichen Umstände unter Einhaltung der maßgebenden Verfahrensvorschriften ermittelt und in der Bescheidbegründung festgestellt wurden. Von besonderer Bedeutung ist im Zusammenhang mit der Ermessensprüfung die Begründung des Bescheides.
Der Verwaltungsgerichtshof teilte in der Begründung des Vorerkenntnisses zwar die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe ein schweres Dienstvergehen (Versuch eines Diebstahles an einem Kunden) begangen. Dieses Fehlverhalten rechtfertige für sich allein aber nicht die Zustimmung zur Kündigung; dies wegen der Geringfügigkeit des versuchten Eigentumseingriffes, der Einmaligkeit eines solchen Vorfalles sowie des Umstandes, dass der Beschwerdeführer nach Zurücknahme der ausgesprochenen Entlassung noch längere Zeit bei der mitbeteiligten Partei weiterarbeitete. Der Gerichtshof brachte ferner zum Ausdruck, dass dieses Dienstvergehen in Verbindung mit anderen die Vertrauensbasis zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer untergrabenden Umständen zur Erteilung der Zustimmung zur Kündigung ausreichen könnte. Die in diese Richtung weisende Andeutung in der Begründung des Vorbescheides, beim Beschwerdeführer liege eine gewisse Aggressionsbereitschaft und Uneinsichtigkeit vor, die sich gegen seine Vorgesetzten richte, und eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Beschwerdeführer und Dienstgeber erscheine unmöglich, sei aber zu wenig substantiiert.
Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren die Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei und jenes Arbeitnehmers der mitbeteiligten Partei, der gegenüber dem Beschwerdeführer die Funktion eines mittelbaren Vorgesetzten ausgeübt hatte und aus dessen Verhältnis zum Beschwerdeführer (und umgekehrt) die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Beschwerdeführers bei der mitbeteiligten Partei geschlossen wurde (im Folgenden: Dir. H.), als Zeugen durch ihre Büroleiterin veranlasst. Sie hat ferner am 18. Februar 1999 eine fortgesetzte mündliche Verhandlung durchgeführt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides hat sie - offenbar in Reaktion auf das Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. August 1998 - festgestellt, dass der Beschwerdeführer Dir. H. mit Drohungen über die Veröffentlichung privater Schwierigkeiten ("Süchtigkeit") in der Presse einzuschüchtern versucht habe, dass er wegen seiner Unverträglichkeit nicht gemeinsam mit anderen Arbeitnehmern der mitbeteiligten Partei eingesetzt werden konnte, wobei er, als er einmal allein gewesen sei, einen Diebstahl an einem Kunden versucht habe, und so eine sinnvolle Zusammenarbeit nicht mehr erwartet werden könne. Aus drei näher umschriebenen Vorfällen ergebe sich ferner die Neigung des Beschwerdeführers zu Aggressionshandlungen.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst, dass die Beweisaufnahme im fortgesetzten Verfahren den Grundsatz der Unmittelbarkeit verletzt habe.
Die Abs. 1, 2 und 5 des § 13 g BEinstG in der Fassung BGBl. Nr. 313/1992 lauten:
"(1) Wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, dann ist eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zur Verhandlung sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.
(2) Eine Verhandlung kann unterbleiben, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erfolgen. Trotz des Verzichtes der Parteien kann eine Verhandlung durchgeführt werden, wenn der Senat es für erforderlich erachtet.
(5) Hat eine Verhandlung stattgefunden, so kann die Entscheidung nur von jenen Mitgliedern des Senates getroffen werden, die an dieser Verhandlung teilgenommen haben. Wenn sich die Zusammensetzung des Senates geändert hat, ist die Verhandlung zu wiederholen."
Daraus ergibt sich, dass im Verfahren vor der belangten Behörde insoferne der Grundsatz der Unmittelbarkeit gilt, als Zeugen und Sachverständige in einer mündlichen Verhandlung anzuhören sind, an der alle Mitglieder der Behörde, die den Bescheid beschließen, teilzunehmen haben. Dies gilt auf Grund der einfach-gesetzlichen Rechtslage unabhängig von der verfassungsrechtlichen Frage, ob der Unmittelbarkeitsgrundsatz gemäß Art. 6 MRK zu den rechtsstaatlichen Garantien im Verfahren vor Tribunalen zählt oder nicht. Durch die Materialien (466 Blg.NR. 18. GP, S. 18, wonach im § 13 g BeinstG der Unmittelbarkeitsgrundsatz verankert werden soll) wird dieses Ergebnis bestärkt.
Die Einvernahme des Beschwerdeführers und des Zeugen H. durch die Büroleiterin der belangten Behörde und die Verlesung der Aussagen in einer mündlichen Verhandlung entsprachen daher nicht dem Gesetz und stellen einen Verfahrensmangel dar. Dieser kann aber vom Verwaltungsgerichtshof aus folgenden Gründen nicht als wesentlich erkannt und zum Grund für die (neuerliche) Aufhebung des angefochtenen Bescheides herangezogen werden: In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde vom 18. Februar 1999 wurden nämlich - nach Abschluss und Protokollierung eines (in der Folge widerrufenen) Vergleiches - die in Rede stehenden Beweisaussagen verlesen, worauf die Parteienvertreter erklärten, die belangte Behörde solle ihre Entscheidung ohne weitere Berufungsverhandlung fassen. Dieses Verfahrensgeschehen ist rechtlich als Verzicht auf die Rüge des unterlaufenen Verfahrensmangels unter gleichzeitigem Verzicht auf eine weitere mündliche Verhandlung, in der der Verfahrensmangel saniert werden könnte, zu werten.
Auch die übrigen Verfahrensrügen sind nicht geeignet, die beantragte Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu bewirken. Für sie gilt teilweise das oben Gesagte, und zwar insoferne, als der Beschwerdeführer das Unterbleiben weiterer, von ihm bereits vor der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 1999 beantragter Zeugeneinvernahmen geltend macht. Zum Anderen betreffen sie Umstände, die für den Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht von entscheidender Bedeutung sind, wie etwa die Frage, ob er mit der "Entwöhnung" des Dir. H. dessen Alkoholprobleme oder dessen Spielleidenschaft gemeint habe oder aus welchen Gründen er die mündliche Verhandlung vor der Erstbehörde vom 1. Juni 1995 vorübergehend verlassen habe. Dies gilt auch für die unterschiedliche Diktion in den Aussagen des Dir. H., wonach er einmal das Gefühl gehabt habe, vom Beschwerdeführer bedroht zu werden, sich hingegen ein anderes Mal daran erinnern konnte. Dies gilt schließlich auch für den Umstand, dass sich Dir. H. geweigert habe, die Namen jener Arbeitskollegen des Beschwerdeführers zu nennen, die mit ihm angeblich nicht zusammenarbeiten wollten; Dir. H. hat dazu schlüssig ausgeführt, dass er dies im Interesse der Betreffenden getan habe.
Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999110182.X00Im RIS seit
20.11.2000