Entscheidungsdatum
13.09.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W182 2199814-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Philippinen, vertreten durch RA Dr. Werner Zach, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.06.2018, Zl. 1057245405/180378920/BMI-BFA, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides
wird gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf zwei Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 10 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF und §§ 46, 52 Abs. 9, 55 Abs. 1 - 3 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ist Staatsangehörige der Philippinen und ist 2015 mit einem von der österreichischen Botschaft in Manila ausgestellten D-Visum ins österreichische Bundesgebiet eingereist, wo ihr am 05.06.2015 eine bis zum 24.02.2016 gültige Legitimationskarte des Außenamtes für ihre Beschäftigung bei einer XXXX ausgestellt wurde.
Die BF ist nach Ablauf der Legitimationskarte im Bundesgebiet verblieben und stellte am 07.04.2017 einen schriftlichen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Niederlassungsbewilligung" nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005.
Der Antrag wurde mit Bescheid der Niederlassungsbehörde vom 10.05.2017 gemäß § 19 Abs. 1 NAG iVm § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen, weil die BF dem Erfordernis der persönlichen Antragstellung trotz Aufforderung nicht nachgekommen sei. Infolge Unzustellbarkeit der Entscheidung wurde das Verfahren mit 30.08.2017 gemäß § 19 Abs. 6 NAG eingestellt.
Laut Erhebungsbericht vom 11.11.2017 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) seitens einer Landespolizeidirektion mitgeteilt, dass die BF zwar zu keinem Zeitpunkt an ihrer Meldeadresse angetroffen werden habe können, jedoch am 11.11.2017 an der Meldeadresse eine namentlich genannte Person angetroffen werden habe können, welche bestätigt habe, dass die BF an dieser Adresse seit etwa einem Jahr wohnhaft sei, jedoch tagsüber bereits in den frühen Morgenstunden die Wohnung verlasse und erst in den späten Abendstunden wiederkomme.
Da die BF einer Ladung für den 06.12.2017 zum Bundesamt unentschuldigt keine Folge leistete, wurde ihr mit Schreiben vom 07.12.2017 das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wonach sie über kein gültiges Visum bzw. keinen Aufenthaltstitel, welcher sie zum Aufenthalt in Österreich berechtige, verfüge, mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht; eine Stellungnahme der BF erfolgte dazu nicht.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 19.01.2018 wurde der BF sodann ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 ASylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach den Philippinen zulässig ist, (Spruchpunkt III.) und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Der Bescheid wurde der BF am 23.01.2018 zugestellt und mit 21.02.2018 rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 09.03.2018 wurde seitens des Bundesamtes ein Festnahmeauftrag gegen die BF gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes sowie ein Durchsuchungsauftrag an der Meldeadresse der BF gemäß § 35 Abs. 1 BFA-VG erlassen und samt Erhebungsersuchen vom gleichen Tag an eine Landespolizeidirektion übermittelt.
Laut Bericht einer Landespolizeidirektion vom 14.04.2018 habe die BF trotz mehrerer Versuche zu unterschiedlichen Tageszeiten an ihrer Meldeadresse nicht angetroffen und auch sonst nicht telefonisch erreicht werden können. Ein Gespräch mit der anwesenden namentlich genannten Wohnungsbesitzerin habe ergeben, dass die BF seit etwa einen Monat aus der Wohnung nach unbekannt verzogen sei.
Mit Schreiben vom 09.04.2018 gab die BF die Bevollmächtigung eines anwaltlichen Vertreters bekannt.
Der an den anwaltlichen Vertreter zugestellten Ladung für den 16.05.2018 leistete die BF wiederum unentschuldigt keine Folge. Auch zu einer ihrem rechtsfreundlichen Vertreter zugestellten Verständigung vom 16.05.2018 über das Ergebnis der Beweisaufnahme gab sie keine Stellungnahme ab. In der Verständigung vom 16.05.2018 wurde ausgeführt, dass gegen die BF eine seit 21.02.2018 rechtskräftige Rückkehrentscheidung bestehe, sie der Frist für die freiwillige Ausreise, die am 07.03.2018 geendet habe, nicht nachgekommen sei, und einer Ladung für den 16.05.2018 nicht Folge geleistet habe. Sie sei seit 28.06.2016 behördlich in Österreich gemeldet, halte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, gehe keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach und sei ihrer Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen. Es werde daher beabsichtigt, eine Rückkehrentscheidung iVm mit einem auf die Dauer von 4 Jahren befristeten Einreiseverbot gegen die BF zu erlassen. Um den Sachverhalt im Lichte ihrer persönlichen Verhältnisse beurteilen zu können, wurde der BF - wie bereits mit Schreiben vom 07.12.2017 - ein Katalog an Fragen zu ihren allfälligen persönlichen und familiären Verhältnissen im Bundesgebiet sowie ihren Gründen für ihren bisherigen und weiteren Aufenthalt gestellt. Weiters wurde die BF u.a. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass sie keine Stellungnahme dazu abgebe, das Verfahren ohne Anhörung der BF aufgrund der Aktenlage fortgeführt werde.
Zuvor hatte die BF mit Schreiben vom 23.04.2018 hinsichtlich ihres Antrages vom 07.04.2017 eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG wegen Verletzung der Entscheidungspflicht eingebracht, welcher mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes vom 16.05.2018, Zl. VGW-151/063/6047/2018-2, mit Spruchpunkt I. stattgegeben wurde. Mit Spruchpunkt II. wurde der Antrag vom 07.04.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung" gemäß § 19 Abs. 1 NAG iVm § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen. Dazu wurde begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF laut Erhebungen der MA 6 - Erhebungs- und Vollstreckungsdienst am Tag des Zustellungsversuches am 25.07.2017 an ihrer Meldeadresse wohnhaft gewesen sei, und ein zweiter Zustellversuch an diese Adresse möglich gewesen wäre. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag sei sohin aufgrund der Säumnis der belangten Behörde mit 08.05.2018 auf das Landesverwaltungsgericht übergegangen. Da die BF jedoch der Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 12.04.2017 (zugestellt am 19.04.2017) zur Verbesserung des Mangels durch die Nachholung der persönlichen Antragstellung binnen einer Frist bis 05.05.2017 bis dato nicht nachgekommen sei, sei der Antrag spruchgemäß zurückzuweisen gewesen. Die Entscheidung wurde mit 28.05.2018 rechtskräftig.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 11.06.2018 wurde der BF erneut ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG nach Philippinen zulässig ist, (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Mit dem Bescheid wurde im Wesentlichen festgestellt, dass die BF, die philippinische Staatsangehörige sei, im Bundesgebiet unrechtmäßig aufhältig sei. Gegen sie bestehe eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung, wobei sie ihrer Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen sei, keine Familienangehörigen in Österreich habe und keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehe.
Zum Herkunftsland wurde u.a. festgestellt:
Sicherheitslage:
Seit der Unabhängigkeit der Republik der Philippinen am 4. Juli 1946 existiert eine Reihe virulenter politischer, wirtschaftlicher und sozialer Konflikte, die bis heute von sämtlichen Regierungen gar nicht oder nur teilweise gelöst werden konnten. Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Gruppen, die - mitunter auch bewaffnet - gegen die Zentralregierung und für unterschiedliche politische Ziele kämpfen. Nennenswert sind vor allem die kommunistische Neue Volksarmee (NPA) auf der Nordinsel Luzon und die Moro Nationale Befreiungsfront (MNLF) auf der Südinsel Mindanao, welche für einen unabhängigen Bangsamoro-Staat kämpft. Hinzu kommen muslimische Organisation, wie die Moro Islamische Befreiungsfront (MILF) (GIZ 12.2016a).
Am 2. September 2016 wurde ein Bombenanschlag auf einen Nachtmarkt in der in Ost-Mindanao gelegenen Stadt Davao verübt. Im Nachgang dieses Anschlags und aufgrund erhöhter Gefahren von terroristischen Anschlägen wurde die philippinische Polizei am 1. Dezember 2016 landesweit bis auf weiteres in eine erhöhte Alarmbereitschaft versetzt und ein "State of Lawlessness" ausgerufen. Dies erfolgte im Kontext von Gefechten der philippinischen Armee mit islamistischen Gruppen im Süden des Landes (Mindanao) sowie eines Bombenanschlags in Marawi (Mindanao) und eines vereitelten Bombenanschlags in der Nähe der Botschaft der USA in Manila. Zudem führten kommunistische Rebellen insbesondere in Mindanao erneut Anschläge und Entführungen durch. Anschläge philippinischer terroristischer Gruppierungen können sich überall im Land ereignen. Erhöhte Gefährdungen bestehen vor allem in den Großstädten des Landes an belebten Orten wie Einkaufszentren und bei Veranstaltungen mit größeren Menschenmengen (z.B. bei Festivals und Prozessionen). Auf Mindanao und in der Sulu-See ist die Gefahr jedoch besonders hoch. Unterschiedliche Gruppen von islamistischen Terroristen liefern sich in Mindanao zum Teil schwere Gefechte mit der philippinischen Armee und führen Bombenanschläge und vermehrt Entführungen von Filipinos und auch von Ausländern durch. Die in der Region operierende islamistische Terrorgruppe Abu Sayyaf ist für Entführungen und Ermordungen vor allem auf Mindanao und in der Sulu-See verantwortlich und zielt vermehrt auf ausländische Entführungsopfer. Ein Entführungsrisiko kann auch in anderen Landesteilen nicht ausgeschlossen werden. Kommunistische Rebellen der New People¿s Army (NPA) führen insbesondere in Mindanao und vereinzelt auch in anderen Regionen der Philippinen einen bewaffneten Guerillakampf gegen philippinische Sicherheitskräfte, verüben Bombenanschläge sowie Entführungen. Auch in Manila und Cebu besteht die Gefahr von Anschlägen und Entführungen. Seit einem Bombenanschlag im Jahr 2011, auf einen Reisebus in Makati, dem Geschäftszentrum von Manila, gab es mehrere Berichte über verhinderte Bombenanschläge im Großraum Manila (AA 3.3.2017).
Präsident Duterte hat Friedensprozesse mit den muslimischen und kommunistischen Rebellen in unterschiedlichen Teilen des Landes eingeleitet und Waffenstillstände geschlossen. Die Regierung hat die Moro National Liberation Front (MNLF), die Moro Islamic Liberation Fighters (MILF) sowie die kommunistischen Aufständischen der New People's Army (NPA) in ihre Friedensbemühungen einbezogen. Davon unabhängig setzt sie ihren Kampf gegen die islamistische und terroristisch operierende Abu Sayyaf fort (AA 11.2016b). Duterte kündigte jedoch im Februar 2017 den Waffenstillstand mit den kommunistischen Rebellen (DS 3.2.2017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Philippinen, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Philippinen/Innenpolitik_node.html,
-
AA - Auswärtiges Amt (3.3.2017): Philippinen, Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/PhilippinenSicherheit.html,
-
DS - Der Standard (3.2.2017): Duterte kündigt Waffenstillstand mit Kommunistischen-Rebellen,
http://derstandard.at/2000052061953/Duterte-kuendigt-Waffenstillstand-mit-kommunistischen-Rebellen-auf,
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Philippinen, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/philippinen/geschichte-staat/,
Anti-Drogen-Kampagne
Noch vor seiner Wahl versprach Präsident Duterte, den Konsum illegaler Drogen innerhalb eines halben Jahres zu beenden (NZZ 30.1.2017). Kurz nach dem Amtsantritt von Präsident Duterte am 30.6.2016 startete die Regierung eine Anti-Drogen-Kampagne, die im ganzen Land zu einer Welle von rechtswidrigen Tötungen führte. In vielen Fällen steht der Verdacht im Raum, es könnte sich um außergerichtliche Hinrichtungen gehandelt haben. Die Tötungen begannen nach dem Amtsantritt von Präsident Duterte, der sich mehrfach öffentlich dafür ausgesprochen hatte, dass Personen, die im Verdacht standen, Drogen zu konsumieren oder zu verkaufen, inhaftiert und getötet werden sollten (AI 22.2.2017; vgl. HR 2.8.2016). Die Philippine National Police (PNP) berichtet von 2.155 verdächtigten Personen, die im Rahmen der Polizei-Operationen der Anti-Drogen-Kampagne zwischen Juli und Dezember 2016 zu Tode kamen; und ungefähr 4.000 weitere Tötungen in diesem Zusammenhang, durch unbekannte Personen. Zwischen Januar und September 2016 leitete die Abteilung Internal Affairs Service der PNP von 940 Tötungen durch die Polizei in 709 Fällen interne Ermittlungen ein. Ende September 2016 gab es jedoch noch keine administrativen oder strafrechtlichen Anklagen gegen PNP-Offiziere. Ende Dezember 2016 wurden bei ca. 800 Fällen eine Anklage gegen unbekannte Personen wegen Tötung erhoben. In Zusammenhang mit der Anti-Drogen-Kampagne forderten die Behörden Rauschgiftkriminelle auf, sich bei der Polizei zu melden, um das Risiko ernsthafter Folgen zu vermeiden. In der Folge meldeten sich im Zeitraum von Juli bis Ende Dezember 2016 mehr als 980.000 Personen (laut Amnesty International 800.000 (AI 22.2.2017)) bei der Polizei. Die Mehrheit davon wurde als "surrenderees" registriert (laut offizieller Sicht haben sie sich also "ergeben") und wieder freigelassen. Laut Zivilgesellschaft und anderen Beobachtern herrscht seitdem unter den Bevölkerungsgruppen, die mit Drogen zu tun haben, ein Klima der Angst um ihr Leben (USDOS 3.3.2017).
Ende Januar 2017 wurde Dutertes Drogenkrieg unterbrochen und alle Anti-Drogen-Sondereinheiten der Polizei wurden wegen angeblich weitverbreiteter Korruption aufgelöst. Nach Berichten über schwere Vergehen der Polizei setzte der Präsident auf das Militär. Die Polizei nahm jedoch nach einem Monat offizieller Pause die Kampagne im März 2017 wieder auf (FAZ 6.3.2017; vgl. WIWO 5.2.2017; NZZ 30.1.2017). Ende Februar 2017, nach der Verhaftung der philippinischen Senatorin Leila de Lima, eine entschiedene Gegnerin von Dutertes Anti-Drogen-Politik, sind tausende Menschen dagegen auf die Straße gegangen (Kurier 25.2.2017). Inzwischen hat der Präsident angekündigt, dass er den Drogenkrieg bis zum Ende seiner Amtszeit 2022 weiterführen werde (NZZ 30.1.2017). Die Angaben zur Opferzahl der Anti-Drogen-Politik gehen, je nach Quelle, auseinander. Es wird in der Regel von 6.000 bis 7.500 Opfern berichtet (AI 22.2.2017; vgl. DS 25.2.2017; FAZ 30.1.2017; Kurier 25.2.2017, DS 20.3.2017).
Quellen:
-
AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Phillipines, http://www.ecoi.net/local_link/336601/466252_en.html,
-
DS - Der Standard (25.2.2017): Proteste gegen Drogenpolitik von Staatschef Duterte,
http://derstandard.at/2000053187571/Proteste-gegen-Drogenpolitik-von-Staatschef-Duterte,
-
DS - Der Standard (20.3.2017): Duterte bezeichnet europäische Kritiker als Verrückte,
http://derstandard.at/2000054482901/Duterte-bezeichnet-europaeische-Kritiker-als-Verrueckte,
-
FAZ - Frankfurter Allgmeine (30.1.2017): Duterte stoppt vorübergehend brutalen Anti-Drogen-Kampf, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/rodrigo-duterte-plant-abschaffung-der-anti-drogen-einheiten-14798211.html,
-
FAZ - Frankfurter Allgemeine (6.3.2017): Polizeichef: "Das ist Krieg",
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/philippinen-polizei-nimmt-anti-drogen-kampagne-wieder-auf-14911259.html,
-
HR - Human Rights (2.8.2016): Länderinformation: Menschenrechte in den Philippinen,
http://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/philippinen/,
-
Kurier (25.2.2017): Manila: Proteste gegen Dutertes Anti-Drogen-Politik,
https://kurier.at/politik/ausland/manila-proteste-gegen-dutertes-anti-drogen-politik/248.540.533,
-
NZZ - Neue Züricher Zeitung (30.1.2017): Duterte setzt auf das Militär,
https://www.nzz.ch/international/drogenkrieg-auf-den-philippinen-polizei-kuendigt-interne-saeuberungen-an-ld.142577,
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Philippines, http://www.ecoi.net/local_link/337289/480060_de.html,
-
WIWO - Wirtschafts-Woche (5.2.2017): Militäreinsatz gegen Junkies, http://www.wiwo.de/politik/ausland/philippinen-schicken-soldaten-gegen-die-bevoelkerung-militaereinsatz-gegen-junkies-/19350210.html
Rechtsschutz/Justizwesen
Die philippinische Judikative basiert auf US-amerikanischem bürgerlichem Recht. Die gültige Verfassung aus dem Jahre 1987 enthält eine Bill of Rights, wonach der Grundsatz der Verfassungsgerichtsbarkeit gilt. Das heißt, die Rechte sind für jeden Bürger beim Obersten Gerichtshof, dem Supreme Court, einklagbar. Das betrifft im Prinzip auch staatliche Gesetze, die als nicht verfassungskonform gelten. Der Oberste Gerichtshof besteht aus 15 Richtern, welche vom Präsidenten auf Vorschlag eines Richterrates, des Judicial and Bar Council, ernannt werden und die bis zu ihrem 70. Lebensjahr im Amt bleiben. Der Sandiganbayan entspricht einem Sondergericht, das sich mit Korruptionsfällen befasst, in die Regierungsbeamte verstrickt sind. Bezüglich Rechtsstaatlichkeit besteht das Problem nicht im Fehlen von Gesetzen, sondern eher in deren Umsetzung. Da bis dato die eigentliche Macht im Staate in den Händen nur weniger politisch potenter und sehr wohlhabender landbesitzender Familien und Großunternehmen liegt, ist es für den "Normalbürger" kaum möglich, sich gegen diese mächtigen Interessen zu stemmen (GIZ 12.2016a). Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor und die Angeklagten haben das Recht auf eine faire öffentliche Verhandlung. Diese Rechte werden in der Regel zwar durchgesetzt, aber nicht immer rechtzeitig. Aufgrund der Korruption durch Vetternwirtschaft, persönliche Verbindungen und Schmiergeldzahlungen bleiben wohlhabende und einflussreiche Personen oft straffrei. Personalmangel, ineffiziente Verfahren und lange Verzögerungen aus verfahrensrechtlichen Gründen wirken weiterhin hemmend auf das Justizwesen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 11.2016b). Ein weiteres Problem stellt das nicht effektive Zeugenschutzprogramm dar (GIZ 12.2016a).
Menschenrechtsorganisationen berichten, dass das Zeugenschutzprogramm der Justizbehörde aufgrund fehlender Finanzierung, verfahrensbedingter Verzögerungen und des Scheiterns wegen dem Zweifel an der Effektivität des Programms oft nicht in der Lage ist, für die Betroffenen den entsprechenden Schutz zu gewährleisten. Die Kommission für Menschenrechte bietet ein solideres Zeugenschutzprogramm an, das aufgrund der Opfer der von der Regierung durchgeführten Anti-Drogen-Kampagne überbelastet ist. Dem Ombudsmann sind auch Fälle von Polizeimissbrauch und Korruption bekannt, in denen die Opfer und die Zeugen, aber manchmal auch deren Familien, aufgrund deren mangelhaften Zusammenarbeit mit der Behörde unter Druck gesetzt werden (USDOS 3.3.2017).
Die Bemühungen des Obersten Gerichtshofs werden weiterhin fortgesetzt, um schnellere Verfahren gewährleisten zu können, um Amtsvergehen zu reduzieren, um die Leistungsfähigkeit der Judikative zu erhöhen und das Vertrauen der Öffentlichkeit ins Justizwesen zurückzugewinnen (USDOS 3.3.2017). Die Europäische Kommission und die philippinische Regierung führen schon seit 2006 (wie z.B. EPJUST, EPJUST II) verschiedene gemeinsame Projekte durch, um den Justizsektor auf den Philippinen zu stärken. Bis 2019 läuft das aktuellste Kooperationsprogramm zwischen der Europäische Union und den Philippinen unter dem Titel GOJUST (Governance in Justice) (EEAS 23.2.2017; vgl. BC 6.2016).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Philippinen, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Philippinen/Innenpolitik_node.html,
-
BC - British Council (6.2016): GOJUST: contributing to inclusive growth in the Philippines,
https://www.britishcouncil.org/partner/international-development/news-and-events/contributing-to-inclusive-growth-in-Philippines,
-
EEAS - European External Action Service (23.2.2017):
https://eeas.europa.eu/delegations/philippines/21223/eu-and-justice-sector-coordinating-council-launch-gojust-programme-23-february_en,
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Philippinen, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/philippinen/geschichte-staat/
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Philippines, http://www.ecoi.net/local_link/337289/480060_de.html
Sicherheitsbehörden
Die Nationale Polizei der Philippinen (Philippine National Police, PNP) ist für die innere Sicherheit im größten Teil des Landes zuständig und sie ist dem Department of the Interior and Local Government (DILG) untergeordnet. Das Militär (Armed Forces of the Philippines, AFP) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, aber in konfliktbetroffenen Regionen wird es auch für die innere Sicherheit (besonders in den Regionen von Mindanao) eingesetzt. Die AFP ist dem Verteidigungsministerium unterstellt. Gouverneure, Bürgermeister und andere lokale Beamte haben einen erheblichen Einfluss auf die regionalen Polizeieinheiten, darunter auf die Ernennung der obersten Polizeibeamten auf Bezirks- und kommunaler Ebene; Bereitstellung von Ressourcen etc., was oft zur Korruption und Bestechung führt. Die PNP mit einer derzeitigen Stärke von 168.000 Mann wird weiterhin durch institutionelle Defizite und Korruption gekennzeichnet. Weiters wurde die PNP sowohl von nationalen als auch von internationalen Menschenrechtsgruppen wegen ihrer Rolle in Duterte¿s Anti-Drogen-Krieg (Operation Double Barrel) kritisiert (USDOS 3.3.2017). Die Regierungsmechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch und Korruption in der Polizei sind weitgehend ineffektiv. Obwohl die Korruption unter den Regierungs- und Sicherheitskräften vom Präsident Duterte öffentlich verurteilt wurde, wurden die Aufsichtsmechanismen unzureichend ausgestattet und der Aufwand um korrupte Sicherheitsbeamten ins Visier zu nehmen, war gering. Von Januar bis August erhielt der Ombudsmann 181 Beschwerden über 294 Fälle von Menschenrechtsverletzungen (Tötungen, Verletzungen, rechtswidrige Verhaftungen, Folter) infolge von angeblichen militärischen und polizeilichen Einsätzen; im Großteil der Fälle, 92%, handelt es sich um Sicherheitsbeamte der unteren Dienstgrade. Im August standen alle Fälle noch zur weiteren Untersuchung offen. Weiters gibt es keine Verurteilungen von hochrangigen Polizei- oder Militärbeamten (USDOS 3.3.2017).
Die Polizei setzte 2016 weiterhin unnötige und unverhältnismäßige Gewalt ein. Im April löste sie in Kidapawan unter Einsatz von Schusswaffen eine Demonstration von 5.000 Bauern auf, die angesichts einer Dürre Reislieferungen forderten und eine Straße blockierten. Dabei wurden mindestens zwei Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt. In einem im Juni 2016 veröffentlichten Bericht stellte die Menschenrechtskommission der Philippinen fest, dass die Polizei mit exzessiver und ungerechtfertigter Gewalt gegen die Demonstrierenden vorgegangen war. Bis zum Jahresende war jedoch noch kein Polizist dafür zur Rechenschaft gezogen worden. Im Oktober 2016 ging die Polizei mit brutaler Gewalt gegen eine Kundgebung vor der US-Botschaft vor, zu der Organisationen indigener Bevölkerungsgruppen aufgerufen hatten. Ihr Protest richtete sich gegen die militärische Nutzung und Vereinnahmung ihres angestammten Landes. Mindestens zwei Personen wurden verletzt, als ein Polizeifahrzeug Demonstrierende überfuhr (AI 22.2.2017). Es wurden jedoch Bemühungen fortgesetzt, um die PNP zu reformieren und zu professionalisieren. Neben der verbesserten Ausbildung, den erweiterten Gemeinschaftsinitiativen und den Gehaltserhöhungen wurden menschenrechtliche Themen in die Kurse für Polizisten integriert und das Büro für Menschenrechte der PNP führte landesweite Routinetrainings zum Thema menschenrechtliche Verantwortlichkeit in der Polizeiarbeit durch (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
-
AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Phillipines, http://www.ecoi.net/local_link/336601/466252_en.html
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Philippines, http://www.ecoi.net/local_link/337289/480060_de.html
Folter und unmenschliche Behandlung
Obwohl das Gesetz solche Praktiken verbietet, kam es zu Übergriffen durch die Sicherheitskräfte und die Polizei. Die Kommission für Menschenrechte (CHR) untersuchte bis August 2016 33 Fälle von angeblichen Foltervorwürfen begangen durch Sicherheitskräfte, hauptsächlich in Untersuchungshaft. Im gleichen Zeitraum dokumentierte die NGO Task Force Detainees of the Philippines (TFDP) fünf Fälle von Folter mit elf Opfern.
Im März 2016 wurde ein Polizist für schuldig befunden, einen Busfahrer gefoltert zu haben; er wurde zur Höchststrafe von zwei Jahren und einem Monat Gefängnis verurteilt. Dies war die erste Verurteilung auf der Grundlage des Antifoltergesetzes aus dem Jahr 2009. Viele weitere Personen warten jedoch noch immer darauf, dass man auch in ihren Fällen die Täter zur Verantwortung zieht. 2014 sammelte Amnesty International 55 Zeugenberichte von Menschen, die seit 2009 Folter durch Polizeibeamte erlitten haben. Psychischer Missbrauch wurde illegal im Rahmen des Anti-Folter-Gesetzes besonders in Drogenfällen ausgeübt (USDOS 3.3.2017). Ein Gesetzentwurf zur Einrichtung eines nationalen Präventionsmechanismus gegen Folter wurde 2016 nicht weiterverfolgt. Im Mai zeigte sich der UN-Ausschuss gegen Folter besorgt über Folter durch die Polizei. Er forderte die Philippinen nachdrücklich auf, alle geheimen Hafteinrichtungen zu schließen, in denen Gefangene - unter ihnen auch Minderjährige - Folter und andere Misshandlungen erleiden (AI 22.2.2017).
Quellen:
-
AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Phillipines, http://www.ecoi.net/local_link/336601/466252_en.html
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Philippines, http://www.ecoi.net/local_link/337289/480060_de.html
Korruption
Das Gesetz sieht zwar Strafen für Korruption durch Beamte vor, aber es gibt weiterhin Berichte, dass korrupte Praktiken ungestraft bleiben. Um die Korruption zu bekämpfen, wurden das unabhängige Amt des Ombudsmanns, das Gericht für Anti-Korruption, und eine Revisionskommission errichtet. Obwohl 2016 alle drei Einheiten unterbesetzt waren, konnten sie sowohl miteinander als auch mit der Öffentlichkeit aktiv zusammenarbeiten und somit ihre beschränkten Ressourcen effektiv einsetzen. Bis zum August 2016 erreichte der Ombudsmann 44 Verurteilungen gegen Beamte in 210 Korruptionsfällen, darunter gegen einen ehemaligen Kongressabgeordneten und die frühere Bürgermeisterin des Distrikts Bukidnon (USDOS 25.6.2015). Die Philippinen liegen im 2016 Corruption Perceptions Index von Transparency International mit einer Bewertung von 35 (von 100) (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 101 (von 176) (je höher, desto schlechter). 2015 war das Land mit Bewertung 35 auf Platz 95 (von 167) (TI 2015/2016).
Quellen:
-
TI - Transparency International (2015): Corruption Perceptions Index, http://www.transparency.org/cpi2015;
-
TI - Transparency International (2016): Corruption Perceptions Index,
http://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016,
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Philippines, http://www.ecoi.net/local_link/337289/480060_de.html
Allgemeine Menschenrechtslage
In den Philippinen werden die Menschenrechte grundsätzlich durch zahlreiche Gesetze geschützt. Zudem hat das Land die wichtigsten völkerrechtlichen Vereinbarungen zum Schutze der Menschenrechte ratifiziert. Im Zuge des unter Präsident Duterte geführten "Krieg gegen Drogen" ist es zu einer hohen Zahl von Tötungen durch Sicherheitskräfte gekommen. Während Menschenrechtsverteidiger in diesem Zusammenhang von schweren Menschenrechtsverletzungen sprechen, hat die Polizei nach Angaben der philippinischen Regierung in Notwehr getötet. Außerhalb des "Krieges gegen Drogen" kommt es zu Menschenrechtsverletzung (wie z.B. sogenannte extralegale Tötungen, Körperverletzungen, Entführungen, Folter). Die juristische Aufklärung bekanntgewordener Fälle verläuft meist schleppend. Verurteilungen sind selten. Die Philippinen wurden 2011 und erneut für 2016 in den UN-Menschenrechtsrat gewählt. Das Verfahren des Universal Periodic Review (UPR) durchliefen sie zuletzt 2012. 2011 trat das Land außerdem dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs bei, als bisher einziges asiatisches Land neben Japan (AA 11.2016b).
Die größten Menschenrechtsprobleme auf den Philippinen betreffen außergerichtliche Tötungen durch nationale, regionale und lokale Beamte sowie durch Aufständische. Immer wieder begehen unbekannte Täter und mutmaßliche Milizen Morde an Journalisten, Richtern, Rechtsanwälten und Angehörigen von indigenen Gemeinschaften. Mangelnde Ressourcen im Justizsystem haben zur Folge, dass nur wenige Ermittlungs- und Gerichtsverfahren geführt werden und überlang dauern. Bei Menschenrechtsverletzungen herrscht ein Klima der Straflosigkeit. Machtmissbrauch und Korruption sind entsprechend weit verbreitet. Seit der Wahl des neuen Präsidenten Rodrigo Duterte im Mai 2016 haben sich die Probleme nochmals massiv verschärft; insbesondere die außergerichtlichen Hinrichtungen von Kleinkriminellen und Verdächtigen im Drogenhandel sind sprunghaft angestiegen. In den Südphilippinen schwelt immer noch ein bewaffneter Konflikt mit separatistischen islamischen Gruppen. Es kommt immer wieder zu Folter und Missbrauch von Häftlingen durch Sicherheitskräfte und die Polizei. Obwohl ein Antifoltergesetz vorliegt, bleiben die Verbrechen meist straflos. Auch sind mehrere Fälle des Verschwindenlassens bekannt. Trotz eines Gesetzes gegen das Verschwindenlassen erging noch kein entsprechender Schuldspruch. Frauen, LGBT-Personen, Personen mit Behinderungen und Angehörige einiger indigener Gruppen werden diskriminiert. Die sexuellen und reproduktiven Rechte der Frauen sind stark eingeschränkt. Es wird von sexueller Ausbeutung von Kindern, Kinderarbeit und Menschenhandel berichtet. Die Philippinen gründeten 2014 einen Ausschuss zur Feststellung der Ansprüche von Opfern von Menschenrechtsverletzungen, die während des unter der Regierung Marcos ausgerufenen Kriegsrechts begangen worden sind. Zehntausende Opfer machten Ansprüche auf Entschädigung geltend (HR 2.8.2016).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Philippinen, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Philippinen/Innenpolitik_node.html,
-
HR - Human Rights (2.8.2016): Länderinformation: Menschenrechte in den Philippinen,
http://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/philippinen/
Haftbedingungen und Todesstrafe
In den Gefängnissen herrschen oft schlechte, potentiell lebensbedrohliche Umstände und sie sind häufig überfüllt (USDOS 3.3.2017). Durch die Einlieferung weiterer Häftlinge im Rahmen des Antidrogenkriegs, verschärfte sich das Problem der Überbelegung noch weiter (AI 22.2.2017). Außerdem verfügen die Haftanstalten in einigen Fällen über unzureichende sanitäre Einrichtungen und es fehlt an Nahrung und adäquater medizinischer Versorgung. Es kommt zu Missbrauch durch Wärter und andere Insassen, aber die meisten Gefangenen weigern sich, aus Angst vor Vergeltung, eine formale Beschwerde einzureichen (USDOS 3.3.2017).
Die Todesstrafe ist im Juni 2006 gesetzlich abgeschafft worden (AA 3.3.2017). Elf Jahre nach ihrer Abschaffung hat das philippinische Parlament mit großer Mehrheit die Wiedereinführung der Todesstrafe für Drogendelikte beschlossen. Damit will die Regierung von Präsident Rodrigo Duterte die Drogenkriminalität zurückdrängen. Hinrichtungen sollen demnach durch den Strang, Erschießen oder eine Giftspritze durchgeführt werden. Die Strafe gilt nicht zwingend für alle Drogendelikte und auch nicht für früher unter Todesstrafe stehende Verbrechen wie Verrat und Vergewaltigung. Der Senat muss dem Gesetz noch zustimmen. Gegner der Todesstrafe planen eine Anfechtung vor dem Obersten Gerichtshof (DS 7.3.2017; vgl. FAZ 7.3.2017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (3.3.2017): Philippinen, Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/PhilippinenSicherheit.html,
-
AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Phillipines, http://www.ecoi.net/local_link/336601/466252_en.html,
-
DS - Der Standard (7.3.2017): Philippinisches Parlament für Einführung der Todesstrafe,
http://derstandard.at/2000053744338/Philippinisches-Parlament-fuer-Einfuehrung-der-Todesstrafe,
-
FAZ - Frankfurter Allgemeine (7.3.2017): Philippinisches Parlament stimmt für Todesstrafe,
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/praesident-der-philippinen-duterte-will-todesstrafe-einfuehren-14913470.html,
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Philippines, http://www.ecoi.net/local_link/337289/480060_de.html
Grundversorgung und Wirtschaft
Seit einigen Jahren verzeichnen die Philippinen ein auch im asiatischen Vergleich überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum von 6% bis über 7%. Allerdings hat das beeindruckende Wirtschaftswachstum nicht zu einer Verringerung der massiven Armut geführt. Auch heute lebt etwa ein Viertel der ca. 100 Millionen Filipinos in Armut. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung liegen weiterhin bei über 20% (AA 11.2016b). Die philippinische Wirtschaft weist eine deutliche Zweiteilung auf: Moderne Elektronik-Industrie und boomender Dienstleistungssektor auf der einen Seite, Armut und Subsistenzlandwirtschaft andererseits. Hinzu kommt ein Entwicklungsgefälle zwischen Manila, die vielerorts den Entwicklungsstand eines Schwellenlandes widerspiegelt, und den wirtschaftlich rückständigeren Provinzen. Die Landwirtschaft beschäftigt rund ein Drittel aller Arbeitskräfte, ihr Anteil am Sozialprodukt beträgt jedoch nur noch etwa 15%. Die Industrie trägt ca. ein Drittel zur Entstehung des Sozialprodukts bei. Ein wichtiges Standbein ist dabei die Elektronik-Industrie. Ein großes Potential bietet außerdem der Tourismus, zumal die Entwicklung des Tourismus hoch oben auf der Prioritätenliste der Regierung rangiert. Die Ungleichheit bei der Einkommensverteilung ist hoch. Und es ist der philippinischen Regierung trotz des starken Wirtschaftswachstums nicht gelungen, die Armut im Lande spürbar zu reduzieren. Nach Angaben der Weltbank stagniert sie bei rund 25%. Die Armut ist in den Philippinen regional unterschiedlich verteilt, insbesondere in ländlichen Gebieten ist sie wesentlich höher als in den Städten. Die ärmste Provinz liegt im muslimischen Teil der Philippinen (Autonome Region im muslimischen Mindanao, ARMM). Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung bleiben drängende Probleme. Die Arbeitslosenquote auf den Philippinen ist nach offiziellen Angaben relativ moderat und lag in den letzten Jahren recht stabil bei ca. 7%. Nur ca. 55% aller Beschäftigten sind im formalen Sektor tätig. Der Rest ist als Dienstleister im Haushaltsbereich, als Aushilfskräfte in der Landwirtschaft u.s.w. tätig. Dem nur leichten bis stagnierenden Rückgang der Arbeitslosigkeit steht ein starker Anstieg der Unterbeschäftigung gegenüber (ca. 23%). Außerdem verlassen über 1 Mio. Menschen jährlich das Land, um im Ausland Arbeit zu suchen - mit zunehmender Tendenz. Die Entsendung von Gastarbeitern ins Ausland hilft zwar einerseits, den heimischen Arbeitsmarkt zu entlasten und Devisen zu erwirtschaften. Sie führt andererseits aber zu einer immer ausgeprägten Konzentration unterqualifizierter Arbeitnehmer im Inland, die sich in einem Mangel an Facharbeitern im Lande niederschlägt (AA 11.2016c).
Die sozialen Sicherheitsnetze sind nach wie vor deutlich unterentwickelt. Große Einkommensunterschiede sowie eine hohe Armutsrate schränken die soziale und politische Beteiligung ein. Daneben stellen den Staat die geographischen Gegebenheiten der Inselgruppe und die schlechte Infrastruktur in den ländlichen Regionen vor große Herausforderungen in Hinsicht der Beseitigung sozioökonomischer Disparitäten. Neben der verbesserten Infrastruktur ist seit 2007 ein Conditional-Cash-Transfer-Programm (CCT) unter den Namen Pantawid Pamilyang Pilipino Program (4Ps) ein wichtiges Instrument, um das starke Wachstum und die niedrige Inflation zu beibehalten. Derzeit werden im Rahmen des Programms Mio. 3 Mio. von
5.2 Haushalten finanziell unterstützt. So erhalten Mütter regelmäßige Beihilfen in der Höhe von etwa 33 $, abhängig davon, ob ihre Kinder die Schule besuchen oder ob sie Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen erhalten. Laut einer Studie ist das philippinische CCT eines der effizientesten sozialen Sicherheitsnetze, da es nur 0,5% des GDP kostet, jedoch 15 Mio. Einwohner erreicht (BTI 2016). Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte kritisierte, dass auf den Philippinen nur 13% der Arbeitnehmer den Mindestlohn erhielten und bestimmte Berufsgruppen von der Zahlung des Mindestlohns ausgenommen waren (AI 22.2.2017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (11.2016c): Philippinen, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Philippinen/Wirtschaft_node.html,
-
AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Phillipines, http://www.ecoi.net/local_link/336601/466252_en.html,