TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/20 W193 1437983-2

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Veröffentlicht am 20.09.2018
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Entscheidungsdatum

20.09.2018

Norm

AsylG 2005 §55 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52

Spruch

W193 1437983-2/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Michaela RUSSEGGER-REISENBERGER über die Beschwerde des XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2016, Zl. 821404610-1559669, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.09.2018 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und Ii. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz auf Dauer für unzulässig erklärt.

II. Dem Beschwerdeführer wird gemäß § 55 Abs. 2 Asylgesetz 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung " für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

I.1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF), Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 04.10.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.10.2012 gab der BF an, dass er am 01.01.1998 geboren worden sei, der Volksgruppe der Tadschiken angehöre und Moslem sei. Er stamme aus Ferishghani Miana in Afghanistan. Er habe 4 Jahre lange eine inoffizielle Schule in einer Moschee besucht. Zuletzt habe er als Straßenarbeiter gearbeitet. Sein Vater sei Polizist unter der Regierung von Najiboloh gewesen. Nachdem die Taliban an die Macht gekommen seien, habe sein Vater nicht mehr weiter als Polizist arbeiten wollen und er habe begonnen bei den Jamiat Eslami unter Ahmadshah Mosud zu arbeiten und habe gegen andere islamistische Parteien gekämpft. In ihrem Dorf gäbe es verschiede Anhängergruppen die sich untereinander streiten. Der Vater des BF habe das schwer zu spüren bekommen, wegen seiner Tätigkeit in der Vergangenheit. Außerdem gäbe es in der Nähe Kämpfe mit den Taliban. Deshalb habe sein Vater beschlossen, dass der BF Afghanistan verlassen solle. Bei einer Rückkehr befürchte er durch die Taliban rekrutiert zu werden.

I.3. Am 02.05.2013 wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) und in Anwesenheit eines Dolmetschers niederschriftlich einvernommen und gab dabei an, dass er 14 Jahre alt sei. Infolge wurde seitens des BFA eine Altersfeststellung in Auftrag gegeben.

Bei einer weiteren Einvernahme am 31.05.2013 führte der BF erneut aus, 14 Jahre alt zu sein. Das BFA teilte ihm daraufhin das medizinisch festgestellte Mindestalter von 19,7 Jahren mit, was der BF jedoch bestritt.

Am 20.08.2013 fand eine weitere Einvernahme durch den zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) und in Anwesenheit eines Dolmetschers statt. Hierbei führt der BF aus, er habe weniger als 2 Jahre lang die Schule besucht und sei im Straßenbau tätig gewesen. Seine Familie lebe noch im Heimatort. Mit seiner Mutter stehe er im telefonischen Kontakt. Sein Vater sei Kommandant in XXXX gewesen. Als Karzai an die Macht kam, sei er aber kein Kommandant mehr gewesen. Es habe dann Probleme mit Menschen im Heimatdorf gegeben, weil der Vater ihnen Unrecht angetan habe. Die Polizei sei zu ihnen nachhause gekommen und habe nach Waffen gesucht. Sie hätten behauptet sein Vater arbeite mit den Taliban zusammen. Sein Vater sei nur einmal im Monat nachhause gekommen und habe einen langen Bart gehabt. Der Vater habe aber über durch Herausgabe der Telefonnummer des Arbeitgebers beweisen können, dass er nicht für die Taliban arbeite. Der Cousin des Vaters sei Mullah in einer Moschee gewesen und habe gegen die Amerikaner und für die Taliban gepredigt. Die Polizei habe ihn dann beim Legen von Minen erwischt, weshalb er jetzt im Gefängnis in Kabul sei. Weil der BF so oft beim Cousin des Vaters zuhause gewesen sei und auch in dessen Moschee gebetet habe, hätten die Leute der Polizei erzählt, dass auch er mit dem Cousin des Vaters zusammenarbeite. Die Polizei habe dann nach ihm gesucht. Als der Vater davon erfuhr, habe er beschlossen, dass der BF das Land verlassen solle. Die Feinde des Vaters seien alle sehr reich und die Polizei bestechlich. An diesen Vorwürfen sei ein Mann beteiligt gewesen, der dem Vater die Schuld am Tod dessen Sohnes gegeben habe, da sein Vater diesen Sohn mit in den Krieg genommen habe. Deshalb habe dieser Mann zu seinem Vater gesagt, dass der BF ebenso sterben müsse.

I.4. Mit Bescheid vom 13.09.2013, Zl. 12 14.046-BAG, wurde der Antrag des BF internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen und der BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

I.5. Über die gegen den Bescheid vom 13.09.2013 erhobene Beschwerde entschied das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 06.10.2014, Zl. W208 1437983-1/6E, indem es die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. als unbegründet abwies und den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt III. gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behob und zur neuerlichen Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an die Behörde zurückverwies.

I.6. Am 28.06.2016 wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) und in Anwesenheit eines Dolmetschers ergänzend niederschriftlich einvernommen.

I.7. Mit hiergegenständlichem Bescheid vom 28.06.2016, Zl. 821404610-1559669, wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 nicht erteilt und gegen ihn nach 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt i.), sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt II.).

I.8. Gegen den angeführten Bescheid vom 28.06.2016 erhob der BF mit Schreiben vom 14.07.2016 wegen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht die eingebrachte Beschwerde samt dazugehörigen Verwaltungsakten.

I.9. An der am 17.09.2018 durch das Bundesverwaltungsgericht durchgeführten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung nahm der BF teil. Auch der im Spruch genannte bevollmächtigte Vertreter nahm an der Verhandlung teil. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete bereits mit Schreiben zur Beschwerdevorlage auf die Teilnahme an der Verhandlung.

Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari u.a. zu seinem gesundheitlichen Befinden, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seinen persönlichen Verhältnissen und seinem Leben in Afghanistan, seinen Familienangehörigen, seinen Fluchtgründen und seinem Leben in Österreich ausführlich befragt.

Als Beilagen zum Protokoll der mündlichen Verhandlung wurde ein Konvolut an Unterlagen (etc.) des BF genommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest und geht das Bundesverwaltungsgericht von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

II.1.1. Zum Beschwerdeführer und seinen Fluchtgründen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist mittlerweile Christ in der kurdischen Freikirche. Er stammt ursprünglich aus dem Distrikt XXXX, Dorf XXXX. Der BF hat in Afghanistan wenige Jahre lang eine Schule besucht.

Der BF hält sich seit Oktober 2012 in Österreich auf. Im Bundesgebiet verfügt er über keinerlei Familienangehörige.

Der BF verfügt über soziale Kontakte in Österreich und war bisher aktiv um Integration in die Österreichische Gesellschaft bemüht.

Der BF hat am 21.11.2017 das ÖSD Zertifikat A2 bestanden und hat von 14.09.2015 bis zum 08.07.2016 die Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in XXXX als außerordentlicher Schüler besucht.

Der BF hat seit 30.05.2017 einen KulturPass, der ihn berechtigt, österreichische Museen kostenlos zu besuchen, wovon er bereits mehrmals Gebrauch gemacht hat.

Der BF hat zwei arbeitsrechtliche Vorverträge jeweils vom 15.09.2018 vorgelegt, welche ihm zusichern, bei zwei verschiedenen Supermärkten in XXXX als Hilfsarbeiter beschäftigt werden zu können.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

II.2.1. Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in den den BF betreffenden und dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, insbesondere in die Befragungsprotokolle;

-

Befragung des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 17.09.2018;

-

Einsicht in die im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten Unterlagen;

-

Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

II.2.2. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie den Verfahrensakten des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2.3. Die Feststellungen zur Identität, Nationalität und Volksgruppenzugehörigkeit des BF, zu seinen Familienverhältnissen, seiner geringen Ausbildung in Afghanistan sowie zur Herkunftsprovinz und zum Aufenthaltsort vor seiner Ausreise nach Österreich stützen sich auf die eigenen plausiblen Angaben des BF im Rahmen des Verfahrens vor der belangten Behörde und dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

II.2.4. Der BF zeichnet sich durch gute Sprachkenntnis der deutschen Sprache mittlerweile auf dem Niveau A2 aus und war in der Lage, nähere Dokumente und Nachweise einer Integration oder diesbezüglicher Versuche vorzulegen. Der BF hat im November 2017 das ÖSD Zertifikat A2 bestanden. Er hat Einstellungszusagen zweier Supermärkte in XXXX vorlegen können.

Aus dem im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck des BF geht jedenfalls hervor, dass dieser jedenfalls eine Lebensweise anstrebt, welche ihm eine Arbeit ermöglicht und eine Eingliederung in die österreichische Gesellschaft erleichtert.

II.2.5. Dass der BF in Österreich strafrechtlich unbescholten ist, ergibt sich aus den in den Akten des Bundesverwaltungsgerichts einliegenden Strafregisterauszug vom 07.09.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). § 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.2. Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt.

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der BF befindet sich seit 2012 im Bundesgebiet. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen daher nicht vor, weil der Aufenthalt des BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der BF Opfer von Gewalt wurde. Weder hat der BF das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der BF ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

§ 9 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei der Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat-und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29.9.2007, B 1150/07; 12.6.2007, B 2126/06; VwGH 26.6.2007, 2007/01/479; 26.1.2006, 2002/20/0423;

17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194;

Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl-und Fremdenrecht K15 ff zu § 9 BFA-VG).

Hierbei ist neben diesen (beispielhaft angeführten) Kriterien, aber auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt rechtswidrig oder lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VfGH 12.6.2007, B 2126/06; VfGH 29.9.2007, B 1150/07-9; VwGH 24.4.2007, 2007/18/0173; VwGH 15.5.2007, 2006/18/0107, und 2007/18/0226).

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005, sondern zB. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Im Fall des BF, der ledig ist und keine Kinder hat, sind weder Hinweise für das Bestehen eines Familienlebens des BF in Österreich noch für eine sonstige ausreichend intensive Beziehung des BF zu einer ihm in Österreich besonders nahestehender Personen hervorgekommen. Ein schützenswertes Familienleben des BF liegt in Österreich somit nicht vor.

Weiters ist zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben des BF eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK).

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EuGRZ 2006, 554, Sisojeva ua. vs. Lettland). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff, aber auch VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten, so im Ergebnis auch VfGH 12.06.2013, U485/2012). Die Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, stellen keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale dar (Hinweis E 26. November 2009, 2008/18/0720). Auch die strafgerichtliche Unbescholtenheit (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 6 FrPolG 2005) vermag die persönlichen Interessen des Fremden nicht entscheidend zu stärken (VwGH 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029). Vom Verwaltungsgerichtshof wurde im Ergebnis auch nicht beanstandet, dass in Sprachkenntnissen und einer Einstellungszusage keine solche maßgebliche Änderung des Sachverhalts gesehen wurde, die eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 MRK erfordert hätte (vgl. VwGH 19.11.2014, Zl. 2012/22/0056; VwGH 19.11.2014, Zl. 2013/22/0017).

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

Der unbescholtene BF lebt seit 04.10.2012 - somit nahezu sechs Jahre - durchgehend im österreichischen Bundesgebiet und hat sich in diesem Zeitraum von Beginn an um eine umfassende Integration bemüht. In dieser Zeit entwickelte der BF ein schützenswertes Privatleben in Österreich, von welchem sich das erkennende Gericht insbesondere im Rahmen der abgehaltenen mündlichen Verhandlung durch Einsichtnahme in die vorgelegten Beweismittel und die Anhörung und Befragung des BF zu überzeugen vermochte.

Der BF verfügt über eine Arbeitszusagen zweier Supermärkte in XXXX und hat von 14.09.2015 bis zum 08.07.2016 die Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in XXXX als außerordentlicher Schüler besucht.

Aus seiner Arbeit wird der BF künftig ein regelmäßiges Einkommen lukrieren, mit dem er sich das Leben in Österreich finanzieren kann. Er hat seinen Arbeitswillen bereits durch das Bemühen um Arbeitszusagen unter Beweis gestellt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der BF zudem glaubhaft dar, künftig weitere Integrationsschritte setzen zu wollen. Er zeigte sich am Leben in Österreich und seinen Werten interessiert und ist ein freundlicher, am Kontakt mit Österreichern interessierter hilfsbereiter Mann mit Schuleifer. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass der BF seinen Lebensunterhalt künftig unabhängig von staatlichen Unterstützungsleistungen bestreiten kann.

Der BF hat die bisher in Österreich verbrachte Zeit erfolgreich genutzt, um sich in vielerlei Hinsicht in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Die vorgelegten Beweismittel belegen die Integration des BF in die österreichische Gesellschaft. Er hat nachgewiesen, dass er eine ÖSD Deutschprüfung auf dem Niveau A2 abgelegt hat und spricht deutsch. Der BF konnte sich im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht mit der erkennenden Richterin gut auf Deutsch verständigen. In den vorgelegten Beweismitteln werden die Deutschkenntnisse des BF positiv erwähnt und konnte sich die erkennende Richterin davon in der mündlichen Verhandlung selbst einen Eindruck machen. Der BF hinterließ insgesamt von seinem Auftreten her einen höflichen und eifrigen Gesamteindruck.

Durch die Bemühungen des BF, sich durch legale selbständige Arbeit die Mittel zu seinem Unterhalt zu beschaffen sowie seine bisherigen - von Erfolg gekrönten - Bemühungen um das Erlangen der deutschen Sprache, hat der BF deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er seine Integration hier in Österreich intensiv betreibt und auch bereits von einem ausreichenden Grad an Integration ausgegangen werden kann.

Festzuhalten ist auch, dass der BF über die gesamte Zeit hindurch unbescholten geblieben und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, wobei die strafgerichtliche Unbescholtenheit allein die persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib in Österreich gemäß der verwaltungsgerichtlichen Judikatur nicht entscheidend zu verstärken vermag (vgl. VwGH 25.2.2010, 2010/0018/0029).

In die Interessenabwägung ist auch die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat mit einzubeziehen, wobei die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852ff.). Zwar hat der VwGH zum Ausdruck gebracht, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukommt (vgl. dazu VwGH 30.7.2015, 2014/22/0055; VwGH 23.06.2015, 2015/22/0026; VwGH 10.11.2010, 2008/22/0777, VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479), weshalb die Aufenthaltsdauer des BF im Rahmen der Interessenabwägung insofern nicht nachteilig ausschlägt. Eine in einem sechs Jahre liegenden Zeitraum erlangte Integration infolge intensiver Integrationsbemühungen kann die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen. Die Annahme eines "Automatismus", wonach ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Vorliegen einer Aufenthaltsdauer von nur drei Jahren "jedenfalls" abzuweisen wäre, wird von der höchstgerichtlichen Judikatur als verfehlt erachtet (vgl. dazu insbesondere VwGH 30.7.2015, 2014/22/0055; VwGH28.1.2016, Ra 2015/21/0191-6; VfGH 6.6.2014, U45/2014).

Im gegenständlichen Fall kann keineswegs davon ausgegangen werden, dass der BF die in Österreich verbrachte Zeit nicht genützt hätte, um sich sozial und beruflich zu integrieren. Das Gegenteil ist der Fall: der BF sich während seines Aufenthalts seit Oktober 2012 - wie oben ausgeführt - überaus intensiv und sehr erfolgreich bemüht, sich umfassend zu integrieren. Zudem vermag das Verhalten des BF nicht nahezulegen, dass von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch ihn auszugehen ist. Der BF hat einen entsprechend hohen Grad der Integration in sprachlicher und gesellschaftlicher Hinsicht erreicht, der sich vor allem im erfolgreichen Erwerb von Deutschkenntnissen und in der umfassenden Teilnahme am sozialen und beruflichen Leben manifestiert.

Berücksichtigt man all diese Aspekte, so überwiegen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung im gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt die aus den erwähnten Umständen in ihrer Gesamtheit erwachsenden privaten Interessen des BF am Verbleib im österreichischen Bundesgebiet und an der Fortführung seines bestehenden Privatlebens in Österreich die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens. Eine Rückkehrentscheidung gegen den BF würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erweisen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die drohende Verletzung des Privatlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind. Die Rückkehrentscheidung würde daher unverhältnismäßig in das Privatleben des BF eingreifen und war daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auszusprechen, dass die Rückkehrentscheidung gegen den BF auf Dauer unzulässig ist.

II.3.5. Erteilung des Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung ":

Die Arten und Form der Aufenthaltstitel, welche Drittstaatsangehörigen aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werden, sind im § 54 AsylG normiert. Dieser lautet:

§ 54 AslyG (1) Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werden Drittstaatsangehörigen erteilt als:

1. "Aufenthaltsberechtigung plus", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt,

2. "Aufenthaltsberechtigung", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt,

3. "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt.

(2) Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 sind für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen. Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 Z 1 und 2 sind nicht verlängerbar.

(3) Den Verlust und die Unbrauchbarkeit eines Aufenthaltstitels sowie Änderungen der dem Inhalt eines Aufenthaltstitels zugrunde gelegten Identitätsdaten hat der Drittstaatsangehörige dem Bundesamt unverzüglich zu melden. Auf Antrag sind die Dokumente mit der ursprünglichen Geltungsdauer und im ursprünglichen Berechtigungsumfang, falls erforderlich mit berichtigten Identitätsdaten, neuerlich auszustellen.

(4) Der Bundesminister für Inneres legt das Aussehen und den Inhalt der Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 Z 1 bis 3 durch Verordnung fest. Die Aufenthaltstitel haben insbesondere Name, Vorname, Geburtsdatum, Lichtbild, ausstellende Behörde und Gültigkeitsdauer zu enthalten; sie gelten als Identitätsdokumente.

(5) Die Bestimmungen des 7. Hauptstückes gelten nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

§ 55 AsylG wurde neu gefasst und normieren dessen verba legalia seit 1.10.2017 wie folgt:

§ 55. Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 IntG erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt (Z1), einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt (Z2), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z3), einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z4) oder als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

§ 11 Abs. 2 Integrationsgesetz lautet:

(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

Gemäß der Übergangsbestimmung des Art. 81 Abs. 36 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl I 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren. Mit dem BGBl I 68/2017 (Titel: Bundesgesetz, mit dem ein Integrationsgesetz und ein Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz erlassen sowie das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden) wurde das Integrationsgesetz erstmalig erlassen, welches mit 9.7.2017 in Kraft trat.

Der BF konnte im Verfahren keinen Nachweis über den Besuch eines Werte- und Orientierungskurses des ÖIF mit der umseitigen Integrationserklärung vorlegen, hat aber von 14.09.2015 bis zum 08.07.2016 die Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in XXXX als außerordentlicher Schüler besucht und dient dies als Nachweis, dass der BF Kenntnis von den Werten der Republik Österreich erlangt hat und somit die grundlegenden Prinzipien des Zusammenlebens in Österreich anerkennt und respektiert.

Der BF erlangte ein ÖSD-Zertifikat A2 am 21.11.2017. Dieses Datum liegt nach dem Inkrafttreten des Integrationsgesetzes, welches mit BGBl I 68/2017 erlassen wurde und mit 09.07.2017 in Kraft trat. Daher ist im gegenständlichen Fall die Übergangsbestimmung des Art. 81 Abs. 36 NAG nicht maßgeblich, wonach das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt gilt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a idF vor dem BGBl I 67/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGBl I 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Dem BF ist daher eine "Aufenthaltsberechtigung" gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 zu erteilen.

Hierbei sind die Bestimmungen des § 58 AsylG, welcher die Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln regelt, zu beachten. § 58 AsylG lautet auszugsweise wie folgt:

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem BF den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005 auszufolgen. Der BF hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 mitzuwirken.

Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II.3.6. Zum Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltsdauer, Ausbildung, Integration,
Interessenabwägung, Privatleben, Rückkehrentscheidung auf Dauer
unzulässig, Sprachkenntnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W193.1437983.2.00

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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