TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/20 W120 2205557-1

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Veröffentlicht am 20.09.2018
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Entscheidungsdatum

20.09.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W120 2205557-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian Eisner über die Beschwerde des XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2018, XXXX, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird - soweit diese sich gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides richtet - stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich dieses Spruchpunktes ersatzlos behoben.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 04.01.2010 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt V.). Gemäß § 13 Abs 2 Z 1 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 11.06.2013 verloren habe (Spruchpunkt VI.) Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 und 4 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

In Spruchpunkt IV. erkannte die belangte Behörde gemäß § 18 Abs 1 Z 1 und 2 BFA-VG der Beschwerde gegen die Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung ab.

3. Gegen den obgenannten Bescheid der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher ua beantragt wurde, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

4. Die belangte Behörde legte die Akten betreffend das vorliegende Verfahren mit Schriftsatz vom 11.09.2018, hg. eingelangt am 13.09.2018, dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 04.01.2010 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Die letzte Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde erfolgte am 10.06.2015.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 07.08.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt V.). Gemäß § 13 Abs 2 Z 1 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 11.06.2013 verloren habe (Spruchpunkt VI.) Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 und 4 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

In den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Situation des Beschwerdeführers bei dessen Rückkehr nach Afghanistan wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan über familiäre bzw. soziale Anknüpfungspunkte verfüge, in Kabul ein Großonkel des Beschwerdeführers lebe und der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr mit finanzieller Unterstützung seitens seiner Familie rechnen könne. Ferner wurde von der belangten Behörde feststellend festgehalten, dass die "Angaben zur Dauer Ihrer schulischen Ausbildung in der Heimat [...] widersprüchlich [waren] und [...] den Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden" konnte, der Beschwerdeführer die Möglichkeit habe, Rückkehrunterstützung in Anspruch zu nehmen und "Hilfe vor Ort in der Stadt Herat zu erhalten".

Die belangte Behörde legte der vorliegenden Entscheidung das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 zugrunde; dem Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde keine Parteiengehör zu den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat im angefochtenen Bescheid gewährt.

In Spruchpunkt IV. erkannte die belangte Behörde gemäß § 18 Abs 1 Z 1 und 2 BFA-VG der Beschwerde gegen die Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

2. Beweiswürdigung:

Diese Ausführungen gründen sich auf die jeweils erwähnten Entscheidungen, Unterlagen und Schriftsätze, welche Teil der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verfahrensakten sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 161/2013, mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (vgl. insbesondere § 1 BFA-VG).

3.2. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung von der belangten Behörde aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

§ 18 Abs 5 BFA-VG verpflichtet das Bundesverwaltungsgericht dazu, über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs 1 BFA-VG bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden. Ausgehend davon ist die korrekte Vorgangsweise, über die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung binnen einer Woche mit Erkenntnis abzusprechen (vgl. jüngst VwGH 13.12.2017, Ro 2017/19/0003).

3.3. Mit Bescheid vom 07.08.2018 erkannte die belangte Behörde ua gemäß § 18 Abs 1 Z 2 und Z 3 BFA-VG der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.), da schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen würden, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle und der Beschwerdeführer durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht habe.

3.4. In der vorliegenden Beschwerde wurde hinsichtlich des Spruchpunktes über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nur eine "Anregung" zur Zuerkennung aufschiebender Wirkung formuliert und damit - offenbar in Anbetracht des Gesetzeswortlautes ("von Amts wegen") - bewusst kein auf Spruchpunkt IV. bezogener Beschwerdeantrag gestellt.

Die belangte Behörde legte der vorliegenden Entscheidung das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 zugrunde; dem Beschwerdeführer wurde durch die belangte Behörde keine Parteiengehör zu den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat im angefochtenen Bescheid gewährt.

In den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Situation des Beschwerdeführers bei dessen Rückkehr nach Afghanistan wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan über familiäre bzw. soziale Anknüpfungspunkte verfüge, in Kabul ein Großonkel des Beschwerdeführers lebe (arg. "Onkel Ihrer Mutter") und der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr mit finanzieller Unterstützung seitens seiner Familie rechnen könne. Ferner wurde von der belangten Behörde feststellend festgehalten, dass die "Angaben zur Dauer Ihrer schulischen Ausbildung in der Heimat [...] widersprüchlich [waren] und [...] den Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden" konnte, der Beschwerdeführer die Möglichkeit habe, Rückkehrunterstützung in Anspruch zu nehmen und "Hilfe vor Ort in der Stadt Herat zu erhalten".

In der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides wurde wiederum ausgeführt, dass es sich bei der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, Wardak/Maidan Wardak, um einer der volatilen Provinzen Afghanistans handle, weshalb für den Beschwerdeführer aufgrund der zu erwartenden finanziellen Unterstützung seines Onkels in Kabul (arg. "Ihres in Kabul lebenden Onkels") und seines älteren Bruders eine innerstaatliche Fluchtalternative angenommen werden könne.

Aus der dem Bundesverwaltungsgericht zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage, kann vor dem Hintergrund der dem Beschwerdeführer nicht eingeräumten Möglichkeit der Stellungnahme zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat (eine durch die belangte Behörde eingeräumte Möglichkeit der Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Länderfeststellungen am 21.10.2011 und am 08.07.2015 ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht ausreichend) und die diesbezüglichen Auswirkungen auf seine persönliche Rückkehrsituation (die mangels Aktualität der Angaben des Beschwerdeführers insbesondere zu seinem familiären Rückhalt aufgrund der letzten Einvernahme vor der belangten Behörde am 10.06.2015 sowie aufgrund von fehlenden Feststellungen zur Schulbildung und Berufserfahrung - arg. "Ihre Angaben zur Dauer Ihrer schulischen Ausbildung in der Heimat [...] konnten den Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden." - und von widersprüchlichen Feststellungen - arg. "Onkel Ihrer Mutter" und "Ihres in Kabul lebenden Onkels" vom Bundesverwaltungsgericht nicht beurteilt werden kann) sowie angesichts der kurzen Entscheidungsfrist eine Verletzung der genannten, durch die EMRK garantierten Rechte bei einer Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Afghanistan nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht - so wie im Spruch des angefochtenen Bescheides ausgesprochen wurde - auf § 18 Abs 1 Z 1 und 2 BFA-VG stützt, sondern - gemäß den Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung - auf § 18 Abs 1 Z 2 und 3 BFA-VG. Ferner stellte der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß der Niederschrift zur Erstbefragung am 04.01.2010 und nicht - so im Spruch des angefochtenen Bescheides festgehalten - am 08.01.2010.

3.5. Eine mündliche Verhandlung entfiel, weil über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres Verfahren und unverzüglich zu entscheiden ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl Nr 10/1985 idF BGBl I Nr 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs 4 B-VG idF BGBl I Nr 22/2018 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. jüngst VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich. Die Rechtslage ist eindeutig und die vorliegende Entscheidung folgt der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, ersatzlose Behebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W120.2205557.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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