Entscheidungsdatum
21.09.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
L504 2204876-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb., StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. Medin AKYÜREK, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2018, XXXX, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrenshergang
Die beschwerdeführende Partei [bP] verfügte als türkischer Staatsangehöriger zuletzt in Österreich über einen Aufenthaltstitel gem. NAG, Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit, mit Gültigkeit bis 20.10.2017. Vor Ablauf der Gültigkeitsdauer brachte sie bei der MA 35 einen Verlängerungsantrag ein.
Mit Schreiben vom 25.04.2018 teilte die Behörde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gem. § 25 Abs 1 NAG mit, dass sie die Ansicht vertritt, dass eine allgemeine Erteilungsvoraussetzung gem. § 11 NAG, nämlich der Nachweis des Lebensunterhaltes durch legale Mittel, nicht gegeben ist. Die bP ist türkischer Staatsbediensteter, als solcher Seelsorger bei einer islamischen Kultusgemeinde in Österreich und verstößt die Finanzierung des Seelsorgerdienstes gegen das IslamG.
Im Zuge des vom Bundesamt auf Grund der Mitteilung gem. § 25 NAG eingeleiteten Ermittlungsverfahrens für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zog die bP am 11.07.2018 durch ihren Rechtsfreund bei der MA 35 diesen Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels gem. NAG zurück und ersuchte das Bundesamt - unter Hinweis auf die erfolgte Zurückziehung des Antrages - in Folge um Einstellung des aufenthaltsbeendenden Verfahrens, da die bP bereits wieder in die Türkei zurückgekehrt sei.
Das Bundesamt setzte das Verfahren fort und hat nunmehr auf Grundlage des § 52 Abs 4 Z1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass nachträglich Versagungsgründe gem. § 11 Abs 2 Z 1, 3 und 4 NAG bekannt wurden, die der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels vom 21.10.2016 entgegen gestanden wären.
Gem. § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei; gem. § 55 Abs 1-3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung; gem. § 53 Abs 1 iVm Abs 2 FPG wurde ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Dagegen wurde innerhalb offener Frist durch den Rechtsfreund der bP Beschwerde erhoben. Zusammengefasst wird darin im Wesentlichen das Nichtvorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen bestritten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat zentral durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.
1. Feststellungen (Sachverhalt)
Die bP ist türkischer Staatsangehöriger und wurde ihr zuletzt am 21.10.2016 vom Magistrat der Stadt St. Pölten ein bis 20.10.2017 gültiger Aufenthaltstitel gem. NAG, Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit, rechtskräftig erteilt.
Sie verrichtet als türkischer Beamter in Österreich eine seelsorgerische Tätigkeit (Imam) bei einer türkischen Kultusgemeinde.
Am 05.09.2017 stellte die bP bei der MA 35 der Stadt Wien einen Verlängerungsantrag.
Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens teilte die Behörde mit Schreiben vom 25.04.2018 dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gem. § 25 Abs 1 NAG mit, dass die bP keine Aussagen zur Herkunft der Bezahlung der seelsorgerischen Leistungen gemacht hat und damit eine allgemeine Erteilungsvoraussetzung gem. § 11 NAG nicht vorliegt. Die bP gab bei der Aufenthaltsbehörde dazu im Rahmen des Parteiengehörs keine Stellungnahme ab.
Am 11.07.2018 hat die bP den Verlängerungsantrag bei der MA 35 zurückgezogen und gleichzeitig das Bundesamt um Einstellung des aufenthaltsbeendenden Verfahrens ersucht. Dies mit dem Hinweis, dass die bP ohnedies bereits das Land verlassen hat, was unbescheinigt blieb.
Das Bundesamt hat daraufhin die gegenständliche Entscheidung getroffen und die Rückkehrentscheidung nunmehr auf § 52 Abs 4 Z1 FPG gestützt. Sie argumentierte ua., dass bereits bei Erteilung des letzten Aufenthaltstitels mehrere Versagungsgründe bestanden hätten.
Das Bundesamt hat keine hinreichenden Ermittlungen und Feststellungen getroffen um nachvollziehbar darlegen zu können, dass "nachträglich" ein Versagungsgrund gem. § 11 Abs 1 und 2 NAG eingetreten ist oder bekannt wurde, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre.
Sie hat damit den maßgeblichen Sachverhalt für ihre Entscheidung nicht bzw. nicht hinreichend ermittelt.
2. Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung
(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
(6) [....]
(7) [....]
(8) [....]
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Ergänzend zu obigen Ausführungen ist aber auch die jüngste Judikatur des EuGH zu erwähnen, der in seinem Urteil vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 sich ua. mit der Frage, ob nationale Bestimmungen, welche dem Verwaltungsgericht die amtswegige Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts (anstelle der Behörde) - bei entsprechender Untätigkeit der Behörde - der in der europarechtlichen Judikatur geforderten Objektivität bzw. Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Gerichts entgegenstehen.
Nach seiner Ansicht können die Gerichte nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C 390/12, EU:C:2014:281) diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.
Der EuGH führte weiter aus, dass die Art. 49 und 56 AEUV, wie sie insbesondere im Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C 390/12, EU:C:2014:281), ausgelegt wurden, im Licht des Art. 47 der Charta dahin zu interpretieren sind, dass sie einer nationalen Verfahrensregelung, nach der in Verwaltungsverfahren das Gericht, bei der Prüfung des maßgeblichen Sachverhalts die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache von Amts wegen zu ermitteln hat, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung nicht zur Folge hat, dass das Gericht an die Stelle der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu treten hat, denen es obliegt, die Beweise vorzulegen, die erforderlich sind, damit das Gericht eine entsprechende Prüfung durchführen kann. Hinsichtlich des Rechts nach Art. 47 Abs. 2 der Charta auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht umfasst der Begriff der "Unabhängigkeit", die der Aufgabe des Richters innewohnt, nämlich zwei Aspekte. Der erste, externe, Aspekt setzt voraus, dass die Stelle vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteilens ihrer Mitglieder im Hinblick auf die ihnen unterbreiteten Rechtsstreite gefährden könnten (Urteil vom 9. Oktober 2014, TDC, C-222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der zweite, interne, Aspekt steht mit dem Begriff der "Unparteilichkeit" in Zusammenhang und bezieht sich darauf, dass hinsichtlich der Parteien des Rechtsstreits und ihren jeweiligen Interessen an dessen Gegenstand ein gleicher Abstand gewahrt wird. Dieser Aspekt verlangt, dass Sachlichkeit obwaltet und neben der strikten Anwendung der Rechtsnormen keinerlei Interesse am Ausgang des Rechtsstreits besteht (Urteil vom 9. Oktober 2014, TDC, C-222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Was das Zusammenspiel zwischen der den nationalen Gerichten nach dem nationalen Recht obliegenden Pflicht, in den bei ihnen anhängigen Rechtssachen den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, und dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), anbelangt, ist in den Rn. 50 bis 52 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen worden, dass die nationalen Gerichte nach dem Unionsrecht eine Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen eine restriktive Regelung erlassen worden ist und durchgeführt wird, auf der Grundlage der Beweise vornehmen müssen, die die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vorgelegt haben.
Diese Gerichte können nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie - wie die Generalanwältin in den Nrn. 51 bis 56 und 68 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat - nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben.
Die Ausführungen des EuGH beziehen sich zwar auf ein Verwaltungsstrafverfahren, sie sind nach ho. Ansicht in ihren sich daraus ergebenden Grundsätzen zu der Rolle des Verwaltungsgerichtes im Verhältnis zu jener der ermittelnden Behörde jedoch auch im gegenständlichen Fall anwendbar.
Im Lichte einer GRC-konformen Interpretation der verfassungsrechtlichen Bestimmungen, wonach das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden hat, finden diese demnach jedenfalls dort ihre Grenze, wenn das Gericht an die Stelle der zuständigen belangten Behörde zu treten hätte, der es eigentlich obliegt, dem Gericht die Beweise, iSd Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts, vorzulegen. Wird diese Grenze überschritten ist das Gericht ermächtigt - wenn nicht sogar iS obiger, vom EuGH aufgezeigter Grundsätze verpflichtet - eine kassatorische Entscheidung iSd § 28 Abs. 3 VwGVG zu treffen.
Einzelfallbezogen ergibt sich hier Folgendes:
Die bP verfügte auf Grund der Antragstellung (05.09.2017) vor Ablauf ihres Aufenthaltstitels für die Dauer des Antragsverfahrens über ein Aufenthaltsrecht gem. § 24 Abs 1 NAG. Das Bundesamt hat in Folge einer Mitteilung gem. § 25 NAG, die das nunmehr zurückgezogene Verlängerungsverfahren betraf, zum Anlass genommen eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs 4 Z1 FPG zu erlassen, da "die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gem. § 11 Abs 2 Z 1, 3 und 4 NAG nicht erfüllt wären, die aber auch im Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels vorliegen müssten".
(1) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2, so hat die Behörde gegebenenfalls nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(2) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Behörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen.
(3) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels besondere Erteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles, hat die Behörde den Antrag ohne weiteres abzuweisen.
Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder
6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und
7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.
(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn
1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder
2. der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.
(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.
(6) Die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 und 4 mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) erbringen zu können, muss ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein.
(7) Der Fremde hat bei der Erstantragstellung ein Gesundheitszeugnis vorzulegen, wenn er auch für die Erlangung eines Visums (§ 21 FPG) ein Gesundheitszeugnis gemäß § 23 FPG benötigen würde.
§ 52 Abs 4 Z 1 FPG geht zusammengefasst davon aus, dass die Aufenthaltsbehörde einen NAG Aufenthaltstitel (hier vom 21.10.2016 bis 20.10.2017) erteilt hat und nachträglich Tatsachen eintreten oder bekannt werden, die einen Versagungsgrund gem. § gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG bilden, die der Erteilung dieses Aufenthaltstitels entgegengestanden wären.
Wie nachfolgend dargestellt, lässt sich aber weder aus der Begründung des Bescheides noch aus dem Akteninhalt nachvollziehen, welche konkreten Tatsachen, die einen Versagungsgrund gem. § 11 Abs 1 und 2 NAG bilden, erst "nachträglich eingetreten sind oder bekannt wurden", also Umstände, die nicht schon zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Aufenthaltstitel vorgelegen wären.
Das IslamG war bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung (21.10.2016) über diesen Aufenthaltstitel in Kraft (seit 31.03.2015) und die hier maßgeblichen, gesetzlichen fremdenrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen gleichlautend. Es ist aus der Begründung und dem Akteninhalt auch nicht ersichtlich, dass etwa nachträglich Bescheinigungsmittel bekannt wurden, die einen Versagungsgrund bilden würden.
In der Begründung führt das Bundesamt aus, dass auf Grund der Verständigung der Niederlassungsbehörde gem. § 25 Abs 1 NAG nun die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs 4 Z 1 FPG in Bezug auf den zuletzt erteilten Aufenthaltstitel zu prüfen sei. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach dieser Bestimmung seien gegeben, weil die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gem. § 11 Abs 2 Z 1, 3 und 4 NAG nicht erfüllt wären und der Verlängerungsantrag am 11.07.2018 zurückgezogen worden sei. Die Ziffer 4 des § 52 Abs 4 FPG komme durch die Zurückziehung nicht mehr in Frage, da kein Verlängerungsantrag mehr anhängig sei.
Angemerkt wird seitens des BvWG, dass sich aus dem Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister ergibt, dass die bP vor der Zurückziehung des Verlängerungsantrages am 11.07.2018 offensichtlich am 19.06.2018 bei der Aufenthaltsbehörde einen (neuen) Antrag gestellt hat und ihr die MA 35 eine Bestätigung gem. § 24 NAG ausgestellt hat. Weiters scheint im Register "rechtmäßiger Aufenthalt NAG vorhanden" auf. Bezüglich dieses Verfahrens ist keine Mitteilung gem. § 25 NAG an das Bundesamt aktenkundig.
Die gegenständliche Mitteilung gem. § 25 NAG - in Bezug auf den am 05.09.2017 gestellten Verlängerungsantrag welcher am 11.07.2018 zurückgezogen wurde - nimmt das Bundesamt als Grundlage, um im Wesentlichen daraus ihr Sachsubstrat für die Beurteilung des Nichtvorliegens der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gem. § 11 Abs 1 u. 2 NAG für den zuletzt am 21.09.2016 erteilten NAG-Aufenthaltstitels zu schöpfen.
Diese Aktenteile nehmen jedoch im Wesentlichen nur auf den letztlich zurückgezogenen Verlängerungsantrag Bezug und kommt hier die Aufenthaltsbehörde auch nur zum Ergebnis, dass lediglich der Nachweis eines unbedenklichen Lebensunterhaltes nicht erbracht wurde. Die anderen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen wurden von der Behörde nicht in Streit gezogen.
Die von der Aufenthaltsbehörde zitierten Bescheinigungsmittel aus dem NAG Verfahren beziehen sich im Wesentlich auch inhaltlich und zeitlich nur auf dieses Verlängerungsverfahren, dessen verfahrenseinleitende Antrag letztlich zurückgezogen wurde.
Das Bundesamt geht in der Begründung der fehlenden allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gem. § 11 NAG davon aus, dass die juristische Person gegen § 6 Abs 2 IslamG verstößt und der Aufenthalt der bP als türkischer Seelsorger öffentlichen Interessen widerstreitet und daher die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet wäre. Die Beendigung des Aufenthaltes der bP sei notwendig, um die öffentliche Ordnung iSd § 6 Abs 2 IslamG wiederherzustellen. Die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs 2 Z 1 iVm Abs 4 Z 1 NAG sei daher nicht (mehr) gegeben.
Nach - zum Zeitpunkt der Erteilung des gegenständlichen Aufenthaltstitels bereits in Kraft getretenen Norm des § 6 IslamG - dieser Bestimmung hat die Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit einer Religionsgesellschaft und Kultusgemeinde im Inland zu erfolgen. Eine laufende Finanzierung von Personalkosten aus dem Ausland und der Einsatz öffentlicher Bediensteter, unabhängig in wessen Diensten sie stehen, ist daher unzulässig. Nach den Materialien ist Schutzzweck der Norm die Wahrung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgesellschaft und Kultusgemeinde zur Wahrung der Unabhängigkeit der Religion, zB vor staatlichem Einfluss:
"Abs. 2 konkretisiert den Grundsatz der Selbsterhaltungsfähigkeit einer Religionsgesellschaft, wie in § 4 angeführt. Dieser Grundsatz ist dem österreichischen Religionsrecht schon seit 1874 innewohnend und zeigt sich unter anderem in der Regelung des § 5 AnerkennungsG oder § 2 OrthodoxenG. Der Begriff des Bestandes hat auch in das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit religiöser Bekenntnisgemeinschaften Eingang gefunden und soll zur Verbesserung der Rechtsklarheit durch diese Bestimmung ergänzt werden. Zuwendungen aus dem Ausland sind dabei nicht grundsätzlich unzulässig, solange es sich um keine laufenden Finanzierungen, unabhängig davon, ob Geld oder Sachleistungen (einschließlich lebender Subventionen) vorliegen, handelt. Eine einmalige Schenkung wäre mit diesem Wortlaut vereinbar. Wenn daraus ein laufender Ertrag, beispielweise zu einer Finanzierung von bestehenden Personalkosten, erzielt werden soll, so wäre eine Schaffung einer inländischen Stiftung, entweder nach dem Privatstiftungsrecht oder allenfalls einer religiösen Stiftung auf der Grundlage der Verfassung der Religionsgesellschaft nach § 6 iVm § 23 Abs. 4 möglich. Entscheidend für die Frage, ob es sich um eine zulässige inländische Finanzierung handelt, wären dann der Sitz der Stiftung und der Wohnsitz der Stiftungsorgane. Der Einsatz öffentlicher Bediensteter in Ausübung eines Dienstverhältnisses, unabhängig davon in wessen Diensten sie stehen, als Mitarbeiter, Geistliche, Seelsorger, Funktionsträger uä. wäre jedenfalls unzulässig. Zur Frage der Reichweite der inneren Angelegenheiten hat die Rechtsprechung festgehalten, dass diese naturgemäß nicht erschöpfend aufgezählt werden könnten und nur unter Bedachtnahme auf das Wesen der Religionsgesellschaft nach deren Selbstverständnis erfassbar wären (VfSlg. 11.574/1987; VfSlg. 16.395/2001). Dem folgend weist die Literatur darauf hin, dass eine taxative Aufzählung sämtlicher innerer Angelegenheiten nicht möglich ist und führt dabei die "Vermögensverwaltung und Sammlungen" sowie "Kirchenbeitrag und Abgaben", nicht aber die Mittelaufbringung an. Aufgrund der unterschiedlichen Sachlagen bei einzelnen Religionen, die schon grundsätzlich die Vergleichbarkeit einschränken, ergeben sich rechtspolitische Gestaltungsfreiräume. Diese Räume sind zu nutzen um auf die Möglichkeiten und bestimmte Aspekte unterschiedlicher Religionen Bedacht zu nehmen. Es soll daher die Finanzierung der gewöhnlichen Tätigkeiten, wie bei allen anderen Kirchen und Religionsgesellschaften, zur Wahrung der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von ausländischen Einrichtungen ausschließlich durch finanzielle Mittel aus dem Inland erfolgen. Die Wahrung der Selbstständigkeit von Kirchen und Religionsgesellschaften ist nicht nur ein legitimes Ziel sondern stellt darüber hinaus eine Aufgabe des Staates zur Wahrung der Unabhängigkeit der Religionen, zB von staatlichem Einfluss, dar. Die Notwendigkeit dazu ergibt sich einerseits aus Art. 15 StGG und andererseits daraus, dass die Kirchen und Religionsgesellschaften mit der Durchführung des Religionsunterrichts gemäß Art. 14 Abs. 5a B-VG staatliche Zielsetzungen umsetzen."
Abgesehen davon, hat das Bundesamt zu diesem Verfahren keine Ermittlungen vorgenommen wie die Finanzierung zum Zeitpunkt der Entscheidung der Aufenthaltsbehörde nachgewiesen wurde. Eine gewisse Indizwirkung für die Unbedenklichkeit in diesem Punkt, könnte das Unterlassen einer Mitteilung gem. § 25 NAG durch die Aufenthaltsbehörde sein. Letztlich hätte es aber dazu konkreter Ermittlungsschritte der Behörde bedurft.
Da das IslamG bereits zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Aufenthaltsbehörde in Kraft war und somit schon damals von der Aufenthaltsbehörde zu berücksichtigen war, bedürfte es einer konkreten Darlegung des Bundesamtes, welche Fakten nunmehr "nachträglich", also nach der Erteilung, bekannt wurden oder eintraten und einen Versagungsgrund iSd § 11 Abs 2 Z 1 iVm Abs 4 Z 1 NAG herbeizuführen geeignet sind.
Abgesehen davon, dass die Behörde zum konkreten Verfahren keine Ermittlungen tätigte, scheint sie zudem jene (aktuellen) Nachweise zum Bestehen eines alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes, welche die sachlich zuständige Aufenthaltsbehörde ursprünglich offenkundig für unbedenklich bzw. ausreichend hielt, selbst nun für unzureichend zu erachten. Diese Abweichung ist weder aus der Begründung noch aus der Aktenlage nachvollziehbar. Insbesondere ergibt sich aus den Ermittlungen des Bundesamtes nicht, welche konkreten Unterlagen die bP damals im Verfahren zum Nachweis des Krankenversicherungsschutzes vorgelegt hat.
Auch hier lässt es das Bundesamt im Dunkeln, welche Fakten nunmehr "nachträglich", also nach der Erteilung, bekannt wurden oder eingetreten wären und einen Versagungsgrund iSd § 11 Abs 2 Z 3 NAG herbeizuführen geeignet sind.
Auch hinsichtlich des Nachweises der Mittel zum Unterhalt hat das Bundesamt keine Ermittlungen getätigt, was damals als Nachweis erbracht wurde. Die zur Beurteilung der Erteilungsvoraussetzungen sachlich zuständige Aufenthaltsbehörde hielt sie damals - trotz bestehendem IslamG - offenkundig für unbedenklich, da eine Mitteilung gem. § 25 NAG nicht erfolgte und der Aufenthaltstitel erteilt wurde. Auch hier unterlässt es das Bundesamt offenzulegen welche Fakten nunmehr "nachträglich", also nach der Erteilung, bekannt wurden oder eingetreten wären und einen Versagungsgrund iSd § 11 Abs 2 Z 4 iVm Abs 5 NAG herbeizuführen geeignet sind.
Die Behörde hat somit keine bzw. keine hinreichenden Ermittlungen getätigt, um feststellen zu können, dass nachträglich ein Versagungsgrund gem. § 11 Abs 1 und 2 NAG eingetreten ist oder bekannt wurde, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegen gestanden wäre.
Da die Spruchpunkte II. bis IV. das Bestehen einer Rückkehrentscheidung voraussetzen, sind auch sie von der Zurückverweisung mitumfasst.
Trotz der Einrichtung von Außenstellen des BVwG ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des BVwG und des BFA eine Weiterführung des Verfahrens durch das BVwG im Sinne des § 28 Abs. 2 u 3 VwGVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist bzw. zu keiner wesentlichen Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens führt. So ergäbe sich etwa für das BVwG hier die Verpflichtung eine Verhandlung durchzuführen, dies zudem in einem Mehrparteienverfahren. Schon daraus ergibt sich ein wesentlicher Mehraufwand gegenüber einem Verfahren vor dem Bundesamt in einem Einparteienverfahren. Das Bundesamt verfügt auch hinsichtlich der Anzahl von Entscheidern über wesentlich höhere personelle Ressourcen als das BVwG.
Es handelt sich hier um derart krasse Ermittlungsmängel, dass letztlich von einer "Delegation" des wesentlichen Ermittlungsverfahrens an das BVwG gesprochen werden kann und damit zur Zurückverweisung berechtigt, wenn nicht sogar iSd zitierten Ansicht des EuGH verpflichtet.
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthalt im Bundesgebiet, Ermittlungspflicht, Kassation,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L504.2204876.1.00Zuletzt aktualisiert am
26.11.2018