TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/21 G305 2189305-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.09.2018
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Entscheidungsdatum

21.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2189305-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch den VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, Alserstraße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 29.01.2018, Zl.: XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 20.07.2015, 15:30 Uhr, stellte der zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal ins Bundesgebiet gelangte und hier nicht zum Aufenthalt berechtigte XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. Irak (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF) vor Organen der LPD Wien einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 21.07.2015, wurde er ab 09:30 Uhr durch ein Organ der LPD Wien einer Erstbefragung unterzogen, anlässlich der der unverheiratete und kinderlose Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt, angab, dass er seine Heimat verlassen hätte, da er Alkohol verkauft habe. Einen Monat vor seiner Ausreise soll sein Motorrad, das er für die Auslieferung des Alkohols verwendet haben wollte, in Brand gesteckt worden sein. Er habe daraufhin Angst um sein Leben bekommen und sei geflüchtet [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 21.07.2015, S. 5]. Weitere Fluchtgründe nannte er nicht. Im Rahmen seiner Erstbefragung erteilte er überdies eine detaillierte Auskunft zu seiner Fluchtroute.

3. Am 10.11.2017 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) niederschriftlich einvernommen und machte er auch im Rahmen dieser Einvernahme Angaben zu seinen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, die sich im Wesentlichen kurz zusammengefasst auf den Verkauf von Alkohol erstreckten. Demnach sollen, als er wieder einmal an einem Fluss Alkohol verkaufte, zwei Autos zu ihm gekommen sein. Sodann seien er und sein Freund festgenommen worden. Sie hätten ihre Hände mit einem Seil gefesselt. Als sie sie zum Auto brachten, hätten sie sein Motorrad vor seinen Augen mit Benzin angezündet. Sie hätten ihn zu einem zerstörten Gebäude gebracht. Dort sei er mit einem Rasiermesser gefoltert und überall verletzt worden. Als er geschrien und über ihre Religion geschimpft habe, hätten sie ihm auf den Hinterkopf geschlagen, woraufhin er bewusstlos geworden sei. Als er wieder zu sich kam, sei er im Kofferraum eines Autos gewesen. Sie hätten ihn dorthin zurückgebracht, wo sie ihn festgenommen hätten. Das verbrannte Motorrad sei auch noch dort gewesen. Am nächsten Tag seien die Eltern seines Freundes gekommen und hätten ihn über ihren Sohn, der tot in der Nähe einer Brücke abgelegt worden sei, befragt [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 9f]. Die Frage, ob er noch weitere Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates habe, verneinte er.

4. Mit Bescheid vom 29.01.2018, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 21.07.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak ab (Spruchpunkt I.) und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn erlassen werde (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.). Darüber hinaus wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

5. Gegen diesen, dem BF am 06.02.2018 zugestellten Bescheid erhob dieser im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung am 28.02.2018 Beschwerde, die er mit den Anträgen verband, die Rechtsmittelbehörde möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass seinem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben werden möge und ihm der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden möge (1.), in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückverweisen (2.), in eventu den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt werde (3.), allenfalls die gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG wider ihn erlassene Rückkehrentscheidung aufheben (4.), in eventu feststellen, dass seine Abschiebung in den Irak nicht zulässig sei (5.), in eventu ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG erteilen (6.), und eine öffentliche, mündliche Verhandlung anberaumen, damit er seine Fluchtgründe vor unabhängigen RichterInnen noch einmal persönlich und unmittelbar schildern und glaubhaft machen könne (7.).

6. Am 15.03.2018 legte die belangte Behörde die gegen den Bescheid vom 29.01.2018 erhobene Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht vor. Hier wurde die Beschwerdesache der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

7. Am 14.09.2018 wurde vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF, seines Rechtsvertreters und Dolmetschers für die Muttersprache des BF durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX, geb. XXXX) und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft schiitischer Glaubensrichtung. Seine Muttersprache ist arabisch [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 4].

Er ist ledig und hat weder eigene, noch an kindesstatt angenommene Kinder, sohin keine Sorgepflichten. Er hat im Bundesgebiet bzw. im Unionsgebiet weder Verwandte, noch nahe Angehörige [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 5]. Er lebt in einem Flüchtlingslager in XXXX.

Ob und wie lange er im Herkunftsstaat die Schule besuchte, und bejahendenfalls welche Schule(n) er genau besuchte, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden [Ebda., S. 5; BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 5].

Seinen Angaben zufolge arbeitete er zunächst bis zum Jahr 2009 in einem Restaurant auf einem amerikanischen Stützpunkt und verteilte das Essen an Soldaten. Sodann arbeitete er als Innendekorateur auf Baustellen. Ob er im Herkunftsstaat tatsächlich Alkohol verkaufte, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.

1.2. Die im Herkunftsstaat lebende Kernfamilie des BF lebt (bis auf seine Schwester XXXX, die in BAGDAD lebt) in der Stadt XXXX. Die Kernfamilie des BF besteht aus dem Vater des BF, dem zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1966 geborenen XXXX, und der zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1972 geborenen Mutter des BF, XXXX, sowie aus dessen vier Brüdern, und zwar dem zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1994 geborenen XXXX, dem zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1997 geborenen XXXX, dem zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2001 geborenen XXXX und dem zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2008 geborenen XXXX, und den beiden Schwestern, der zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1992 geborenen XXXX und der zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2003 geborenen XXXX [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 4].

Ob und bejahendenfalls welchem Beruf die Eltern des BF nachgehen, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 7; BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 7].

Sein Bruder XXXX arbeitet ebenfalls als Dekorateur auf Baustellen und sein Bruder XXXX ist Soldat in der irakischen Armee und dort in der Flugabwehr tätig. Bruder XXXX geht zur Schule. Welcher (Erwerbs-)tätigkeit sein Bruder XXXX konkret nachgeht, konnte dagegen nicht festgestellt werden. Auch konnte nicht festgestellt werden, was seine Schwester XXXX konkret macht. Seine Schwester XXXX ist dagegen verheiratet und lebt in BAGDAD [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 7].

Mit seinen im Herkunftsstaat lebenden Verwandten steht der BF über Viber in regelmäßigem Kontakt [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 7]

Bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat lebte er in einer im Eigentum seines Vaters stehenden Eigentumswohnung in XXXX. In dieser Eigentumswohnung lebt der in XXXX aufhältige (oben näher bezeichnete) Teil seiner Kernfamilie [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 16].

Der BF ist unverheiratet, kinderlos und hat keine Sorgepflichten [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 4; PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 5].

1.3. Im Herkunftsstaat gehörte er weder einer politischen Partei, noch einer anderen politischen Bewegung, oder bewaffneten Gruppierung an. Ebenso gehörte kein Mitglied seiner Familie politischen Partei an.

Mit den Behörden, den Gerichten oder der Polizei des Herkunftsstaates hatte er kein Problem. Gegen ihn bestehen keine aktuellen staatlichen Fahndungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden des Herkunftsstaates [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 5; BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 9]. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat vorbestraft wäre.

Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat Probleme wegen seiner Zugehörigkeit zur Ethnie der Araber, oder Probleme auf Grund seines Religionsbekenntnisses gehabt hätte [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 9]

Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er bei seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat, die er nach eigenen Angaben am 20.02.2015 von BAGDAD aus mit dem Flugzeug nach ISTANBUL (Türkei) angetreten haben will [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 5f], Probleme gehabt hätte.

1.4. Tatsächlich konnte jedoch nicht festgestellt werden, wann er - ausgehend vom Flughafen BAGDAD - in die Türkei ausgereist ist und wo er in der Türkei dem Flugzeug entstiegen ist [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 21.07.2015, S. 3; BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 6].

Jedoch ist als feststehend anzunehmen, dass er zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2015 aus dem Irak ausgereist ist, in der Türkei ankam und zu einem ebenfalls nicht feststellbaren Zeitpunkt desselben Jahres ausgehend von IZMIR mit dem Schlauchboot schlepperunterstützt zur griechischen Insel CHIOS übersetzte, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde. Über die "Balkanroute" setzte er seine Reise über den Landweg fort, bevor er zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2017 ohne Reisedokument und schlepperunterstützt, sohin illegal, ins Bundesgebiet einreiste und hier am 20.07.2015, 15:30 Uhr vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde einen Asylantrag stellte [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 21.07.2015, S. 3f und S. 2; PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 6].

Am 21.07.2015 wurde er ab 09:30 Uhr einer Erstbefragung durch Organe der öffentlichen Sicherheitsbehörde unterzogen.

1.5. Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

1.6. Er hat keine im Bundesgebiet lebenden bzw. hier aufhältigen Verwandten bzw. hier lebende bzw. aufhältige nahe Angehörige [Angaben des BF in der Erstbefragung vom 21.07.2015, S. 3; PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 8].

Es konnten keine Anhaltspunkte in Hinblick auf eine berufliche oder soziale Aufenthaltsverfestigung des BF im Bundesgebiet festgestellt werden. Er geht im Bundesgebiet keiner Beschäftigung nach und lebt von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 8]. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er im Bundesgebiet einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen würde.

Er besitzt Grundkenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A1 [Ebda., S. 8].

1.7. Beschwerdegegenständlich konnte nicht festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat einer Verfolgung oder Bedrohung durch schiitische Milizen ausgesetzt gewesen wäre.

Bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat ging er dort einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit als in einem Bauunternehmen angestellter Dekorateur nach und errichtete Mauerabdeckungen bzw. Innenabdeckungen in Häusern und Gebäudedecken. Aus dieser Tätigkeit brachte er ca. 300 US-Dollar pro Monat ins Verdienen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass ihm von seinen Dienstgebern kein Gehalt ausgezahlt worden wäre und er deshalb darauf angewiesen gewesen wäre, einer anderen Tätigkeit nachzugehen [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 14].

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat tatsächlich mit Alkohol gehandelt hätte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 14; BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 6].

Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er wegen des Handels mit alkoholischen Getränken von Privatpersonen [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 9ff] bzw. von Angehörigen einer Organisation, wie der ASA'IB AHL AL HAQQ oder der JAISH AL MAHDI, sohin einer schiitischen Miliz entführt und/oder misshandelt worden wäre, weil er mit Alkohol gehandelt haben soll [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 12].

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres gemeinsam mit seinem Freund wegen des von ihnen betriebenen Alkoholhandels entführt und anschließend misshandelt worden wäre.

Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass sein Freund bei diesem Vorfall getötet worden wäre.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er von der Familie seines Freundes mit dem Umbringen bedroht worden wäre bzw. die Familie des Freundes dem BF bzw. dessen Kernfamilie Blutrache geschworen hätte.

Es steht fest, dass er weder die von ihm behauptete Entführung und die behauptete anschließende Misshandlung durch unbekannte Personen, noch eine Bedrohung durch die Familie seines Freundes XXXX der Polizei des Herkunftsstaates zur Anzeige brachte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 12].

Abgesehen davon konnte auch nicht festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat aus Gründen seiner tatsächlichen bzw. vermuteten sexuellen bzw. geschlechtlichen Orientierung bedroht oder verfolgt worden wäre. Anhaltspunkte dahingehend, dass er homosexuell oder bisexuell sein könnte, stelle er selbst in Abrede [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 18ff; BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 11f].

1.8. Am Dienstag, den 10.06.2014, eroberten radikale Islamisten, organisiert unter dem Dach des ISIL - Islamic State of Iraq and Levante (später ISIS, dann IS) - die Millionenstadt Mossul (Ninive-Ebene), darunter das Regierungsgebäude, den Mossul International Airport und alle Polizei und Militärbasen. Kurz darauf fielen auch weite Teile der Ninive-Ebene unter die Kontrolle der Islamisten. In der südwestlich von Mossul gelegenen Provinz Anbar konnten die Islamisten schon seit Anfang des Jahres eine Operationsbasis errichten und den Vormarsch in den irakischen Norden planen. Ihr Ziel war es, einen islamischen Gottesstaat in weiten Teilen Syriens und des Irak zu errichten. In Mossul wurde eine historische Kirche in Brand gesetzt. Mit der Einnahme von Polizeistationen und Militärbasen konnten die Kämpfer des IS schwere Waffen und Munition beschlagnahmen.

Nach ihrem Einmarsch in Mossul markierten Angehörige der IS-Truppen die Besitztümer von Minderheiten und fordern eine "Jihad-Steuer" von den wenigen verbliebenen Einwohnern. Dabei gerieten die christlichen Assyrer und Yeziden unter Druck und wurden zu Binnenflucht getrieben.

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mossul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Iraks registriert.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, um damit Stärke zu demonstrieren.

Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordirak, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen durch die genannten Ereignisse ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

1.8.1. Schiitische Milizen im Irak:

Der Name "Volksmobilisierungseinheiten" bzw. Al-Hashd al-Shaabi, englisch: Popular Mobilization Units (PMU) oder Popular Mobilization Forces bzw. Front (PMF)) bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig fast ausschließlich schiitische Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Schätzungen zufolge haben die Volksmobilisierungseinheiten zwischen 60.000 und 140.000 Mann unter Waffen. Die Entstehung des Milizenbündnisses kann als Reaktion auf die irakische Offensive des sog. "Islamischen Staates" (IS) verstanden werden und ist somit eng mit dessen militärischen Erfolgen und territorialen Gewinnen verquickt: Im Sommer 2014 drang die Terrororganisation in den Irak ein und nahm am 10. Juni erst Mossul und danach weite Teile der Provinzen Ninewah, Salahuddin, Anbar, Diyala und Kirkuk ein; wenig später waren auch die Städte Erbil und Bagdad in Gefahr (Süß 21.8.2017).

Die reguläre irakische Armee war dem IS nicht gewachsen, weshalb der damalige Ministerpräsident Nuri al-Maliki am 11. Juni zur Mobilisierung einer "Reservearmee" aufrief. Außerdem ließ der führende irakische schiitische Gelehrte Ayatollah Ali Sistani am 13. Juni ein islamisches Rechtsgutachten (fatwa) verlautbaren, in dem er alle jungen Männer dazu aufrief, sich den Sicherheitskräften zum Schutz von Land, Volk und heiligen Stätten des Irak anzuschließen. Infolge der Fatwa schrieben sich tausende junge schiitische Männer auf Freiwilligenlisten ein, schlossen sich jedoch nicht Armee oder Polizei, sondern bereits existierenden oder neu formierten schiitischen Milizen an. Zwei Tage später bildete die irakische Regierung ein Komitee der Volksmobilisierung, das dem Ministerpräsident Haidar al-Abadi untersteht und vom Nationalen Sicherheitsberater Falih al-Fayyad geleitet wird. Die wahren Kräfteverhältnisse sind allerdings schon daran abzusehen, dass die Gründung durch das irakische Innenministerium verkündet wurde:

Dieses unterstand bis Juli 2016 der Führung des "Badr-Politikers" Muhammad al-Ghabban, die dominante Kraft im Innenministerium und damit der eigentliche irakische Führer des Milizenbündnisses ist jedoch Hadi al-Amiri. Mehrere Milizen stehen außerdem politischen Parteien nahe.

Innerhalb der zahlreichen, meist lokal organisierten Gruppen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten können im Wesentlichen drei Gruppen ausgemacht werden: Erstens schon länger aktive Milizen, die infolge der Fatwa tausende neue Rekruten hinzugewannen (Badr-Organisation, Asa'ib Ahl al-Haqq, Kata'ib Hizbullah und Saraya as-Salam). Zweitens gibt es solche schiitischen Formationen, die ab Juni 2014 entstanden (bspw. Kata'ib al-Imam Ali) und drittens einige kleinere sunnitische Milizen (Süß 21.8.2017).

1.8.1.1. Die wichtigsten Milizen innerhalb der PMF:

Die Badr-Organisation ist die älteste schiitische Miliz im Irak und gleichermaßen die mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran. Sie orientiert sich an der Tradition Khomeinis und der Staatsdoktrin Irans. Hervorgegangen ist sie aus dem Badr-Korps, das 1983/84 als bewaffneter Arm des "Hohen Rates für die Islamische Revolution im Irak" gegründet wurde und von Beginn an den iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) unterstellt war. Mit der Namensänderung in Badr-Organisation wurde das Korps zum politischen Akteur. Als sich der Rat in "Irakischer Islamischer Hoher Rat" umbenannte und sich gleichzeitig vom Iran distanzierte, gelang es Badr, sich als wichtigster Verbündeter Irans im Irak zu etablieren und trennte sich 2009 schließlich vom Hohen Rat. Die Badr-Organisation wird von Hadi al-Amiri angeführt und gilt heute als die bedeutendste Teilorganisation und dominierende Kraft des Milizenbündnisses. Sie ist besonders mächtig, weil sie Kontrolle über das irakische Innenministerium und damit auch über die Polizeikräfte besitzt; ein Großteil der bewaffneten Kräfte der Organisation wurde ab 2005 in die irakische Polizei aufgenommen. Sie soll über etwa 20.000 bis 50.000 Mann verfügen und arbeitet mit Kata'ib Hizbullah zusammen. Unklar ist jedoch, ob die genannten Zahlen ausschließlich Kämpfer oder auch sonstiges Personal umfassen, denn die Badr-Organisation ist Miliz und politische Partei in einem. Badr war bisher an allen wichtigen militärischen Auseinandersetzungen in den Provinzen Diyala, Salah ad-Din, Anbar und Ninewah beteiligt; ihr militärisches Hauptquartier befindet sich im Militärlager Camp Ashraf nördlich von Bagdad. In Diyala verfügt Badr außerdem über ein Territorium, das sich zu einer eigenständigen Machtbasis im Sinne eines "Staates im Staate" ausbauen lässt (Süß 21.8.2017).

Die Kata'ib Hizbullah (Bataillone der Partei Gottes, Hizbullah Brigades) entstanden im Zuge der Umbenennung des Badr-Korps in Badr-Organisation und bekämpften im Gegensatz zu diesem die US-Truppen. Sie wurden 2007 von Abu Mahdi al-Muhandis gegründet und werden auch von diesem angeführt. Die Miliz kann als Eliteeinheit begriffen werden, die häufig die gefährlichsten Operationen übernimmt und vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv ist. Ihre Personalstärke ist umstritten, teilweise ist die Rede von bis zu 30.000 Mann. Die Ausrüstung und militärische Ausbildung ihrer Mitglieder sind besser als die der anderen Milizen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten. Kata'ib Hizbullah arbeiten intensiv mit Badr und der libanesischen Hizbullah zusammen und gelten als Instrument der iranischen Politik im Irak. Die Miliz wird von den USA seit 2009 als Terrororganisation geführt (Süß 21.8.2017).

Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Asa'ib Ahl al-Haqq unternahm den Versuch, sich als politische Kraft zu etablieren, konnte bei den Parlamentswahlen 2014 allerdings nur ein einziges Mandat gewinnen. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist wie die Badr-Oganisation und Kata'ib Hizbullah vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, weil besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Ihr Befehlshaber Khaz'ali ist einer der bekanntesten Anführer der Volksmobilisierungseinheiten (Süß 21.8.2017).

Saraya as-Salam (Schwadronen des Friedens, Peace Brigades) wurden im Juni 2014 nach der Fatwa Sistanis auf Anweisung von Muqtada as-Sadr gegründet und sollten möglichst viele der Freiwilligen vereinigen. Die Gruppierung kann de facto als eine Fortführung der ehemaligen Mahdi-Armee bezeichnet werden. Diese ist zwar 2008 offiziell aufgelöst worden, viele ihrer Kader und Netzwerke blieben jedoch aktiv und konnten 2014 leicht wieder mobilisiert werden. Quellen sprechen von einer Gruppengröße von 50.000, teilweise sogar 100.000 Mann, ihre Schlagkraft ist jedoch mangels ausreichender finanzieller Ausstattung und militärischer Ausrüstung begrenzt. Dies liegt darin begründet, dass Sadr politische Distanz zu Teheran wahren will, was in einer nicht ganz so großzügigen Unterstützung Irans resultiert. Das Haupteinsatzgebiet der Miliz liegt im südlichen Zentrum des Irak, wo sie vorgibt, die schiitischen heiligen Stätten zu schützen. Ebenso waren Saraya as-Salam aber auch mehrfach an Kämpfen nördlich von Bagdad beteiligt (Süß 21.8.2017).

Auch Kata'ib al-Imam Ali (Bataillone des Imam Ali, Imam Ali Batallions) ist eine der Milizen, die im Juni 2014 neu gebildet wurden. Sie sticht hervor, weil sie sich rasant zu einer schlagkräftigen Gruppe entwickelte, die an den meisten wichtigen Auseinandersetzungen im Kampf gegen den IS beteiligt war. Dies lässt auf eine beträchtliche Kämpferzahl schließen. Die Funktion des Generalsekretärs hat Shibl az-Zaidi inne, ein früherer Angehöriger der Sadr-Bewegung. Zaidi steht in engem Kontakt zu Muhandis und den Pasdaran, weshalb die Miliz intensive Beziehungen zur Badr-Organisation, Kata'ib Hizbullah und den iranischen Revolutionsgarden unterhält. Die Miliz betreibt außerdem wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit, wodurch ihr Bekanntheitsgrad schnell gestiegen ist. Vor allem der Feld-kommandeur Abu Azrael erlangte durch Videos mit äußerst brutalen Inhalten zweifelhafte Berühmtheit. Die Gruppe scheint Gefangene routinemäßig zu foltern und hinzurichten (Süß 21.8.2017).

1.8.1.2. Generell kann innerhalb der Volksmobilisierung eine Dominanz der älteren Milizen und ihrer Anführer Amiri, Muhandis und Khaz'ali ausgemacht werden. Die personelle Führung des Milizenbündnisses übernimmt dabei eine Trias: Anführer ist Abu Mahdi al-Muhandis, Kommandeur der Kata'ib Hizbullah und enger Verbündeter Badrs und der iranischen Revolutionsgarden. Als eigentlicher starker Mann hinter Muhandis gilt allerdings Hadi al-Amiri, Anführer der Badr-Organisation. Einfluss übt außerdem Qasim Suleimani aus, umstrittener Kommandeur der zu den iranischen Revolutionsgarden gehörigen Quds-Brigaden. Der Iran versorgt die irakischen Milizen mit Geld und Waffen und bildet ihre Kämpfer gemeinsam mit der libanesischen Hizbullah im Iran, im Irak und im Libanon aus. Viele der Milizen vertreten deshalb folgerichtig eine islamistische Ideologie, die sich an jener des Irans orientiert. Der Iran nutzte die Gründung der Volksmobilisierung 2014 auf diese Weise dafür, ihren Einfluss im Irak erheblich zu steigern. Die größten Milizen innerhalb der Volksmobilisierung hängen dabei so stark vom Iran bzw. den iranischen Revolutionsgarden ab, dass sie als Instrument des Nachbarstaates bezeichnet werden können. Auch eine personelle Verbundenheit ist vorhanden: Muhandis und Amiri haben ihre engen Beziehungen zum Iran mehrmals selbst bestätigt. Allerdings gibt es neben besonders eng an den Iran angebundenen Milizen (Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah) auch solche, die zwar ressourcenmäßig vom Iran abhängig sind, aber eine gewisse Distanz zum Iran aufweisen (Saraya as-Salam).

Obwohl das Milizenbündnis unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die Volksmobilisierung dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Ministerpräsidenten als Oberkommandierendem unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017).

In der Tat scheint es sich so zu verhalten, dass innerhalb der PMF die radikal-schiitischen Gruppen mit Bindungen zum Iran die dominierenden Kräfte sind (Posch 8.2017).

1.8.1.3. Konfessionelle Zusammensetzung der PMF-Milizen:

Der absolute Großteil der PMF- Milizen besteht aus Schiiten, es gibt jedoch durchaus auch Sunniten, Christen oder sogar Jesiden in den Reihen der schiitischen Milizen [abhängig von der jeweiligen Miliz], bzw. gibt es auch gemischte Milizen, oder auch eigene Sunniten- oder Christen-Milizen (Lattimer 26.4.2017; Al-Monitor 21.8.2017) (Letzter Zugriff am 22.07.2018).

Quellen:

Al-Monitor (21.8.2017):Turkey fumes as Sinjar Yazidis declare 'democratic autonomy',

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/08/independence-iraqi-kurdistan-referendum-opposition.html#ixzz4qlVEYvfy, (Letzter Zugriff am 18.09.2018)

Lattimer, Mark - Director of the Ceasefire Cetre for Civilian Rights (26.4.2017): EASO COI Meeting Report Iraq, Practical Cooperation Meeting 25.- 26. April, Brussels, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/IRQ_Meeting_Report.pdf, (Letzter Zugriff am 18.09.2018)

Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504517740_bfa-staatendokumentation-ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31.pdf (Letzter Zugriff am 18.09.2018)

1.8.2. Nach den vorliegenden Länderinformationen stellt sich die Sicherheitslage in den Provinzen im schiitisch dominierten Süden des Landes relativ entspannt dar. Dort, wo allfällig Gewalt stattfindet, ist diese nicht terroristischer, sondern krimineller, politischer und "tribaler" (stammesbezogener) Natur. Die Provinz Basra war nicht direkt von der Offensive der Gruppe Islamischer Staat (IS) im Juni 2014 betroffen, und es gab dort keine direkten Auseinandersetzungen zwischen IS-Kämpfern und irakischen Truppen (CGRS-CEDOCA 29.5.2015). Allerdings wurden seit Beginn der Kämpfe gegen den IS irakische Sicherheitskräfte aus Basra und weiteren südlichen Provinzen abgezogen und zum Kampf gegen den IS an die Front versetzt. Das hat im Süden zu einem Anstieg von Stammesauseinandersetzungen geführt.

1.9. Beschwerdegegenständlich hat der BF weder eine asylrelevante Bedrohung durch die Polizei bzw. die Behörden oder die Gerichte des Herkunftsstaates, noch durch eine (oder mehrere) schiitische Miliz(en) behauptet bzw. glaubhaft gemacht.

In der Erstbefragung gab er an, dass er seine Heimat wegen des Verkaufs von Alkohol verlassen hätte und dass sein Motorrad, mit dem er den Alkohol ausgeliefert haben wollte, in Brand gesteckt worden sei. Darauf hin hätte er um sein Leben gefürchtet und sei geflüchtet [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 21.07.2015, S. 5].

Vor der belangten Behörde brachte er vor, dass er von unbekannten Personen entführt und misshandelt worden wäre, als er an einem Fluss mit Alkohol gehandelt hätte. Sie hätten auch das Motorrad in Brand gesteckt. Am nächsten Tag sei seine Familie von den Angehörigen seines Freundes XXXX aufgesucht worden, weil dieser Freund tot aufgefunden worden sei und man ihm die Schuld am Tod des Freundes gegeben hätte, und hätten die Angehörigen XXXX den Tod des BF gewollt. Deshalb sei er ausgereist [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 9f].

Im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG wollte der BF Glauben machen, dass die Entführer einer Organisation angehörten, die er einer schiitischen Miliz, und zwar der ASA'IB AHL AL HAQQ oder der JAISH AL MAHDI oder der SARJA AL SALAM zurechnen wollte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 12]. Einen Zusammenhang zwischen dem von ihm behaupteten Vorfall und einer Verbindung der angeblichen Entführer mit einer der zuvor genannten schiitischen Milizen vermochte der BF dagegen nicht glaubhaft zu machen.

Aus den vorliegenden Länderinformationen zum Herkunftsstaat des BF sind Hinweise dazu, dass schiitische Milizen gegen Angehörige der schiitischen Glaubensrichtung, der auch der BF angehört, systematisch vorgehen würden bzw. vorgegangen wären, nicht enthalten.

Auch die vom BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, den Organen des BFA und im Rahmen seiner PV vor dem BVwG präsentierten Fluchtgeschichten lassen einen Schluss in diese Richtung nicht zu.

Während sich die Angehörigen seiner Kernfamilie aktuell weiterhin in XXXX aufhalten, mit denen er über Viber in regelmäßigem Kontakt ist [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 6ff], reiste er zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2015 ausgehend vom Flughafen BAGDAD über die Türkei nach Europa aus.

Beschwerdegegenständlich kam nicht hervor, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.

1.9.1. Zu den möglichen Fluchtalternativen als schiitischer Araber:

Als aus den südlichen Provinzen des Irak stammendem Araber sunnitischer Glaubensrichtung steht ihm de facto sämtliche im Süden des Irak gelegenen Provinzen, einschließlich der mehrheitlich von Schiiten bewohnten Stadtteile Bagdads als mögliche Fluchtalternative offen, darunter insbesondere die Städte bzw. Provinzen Al Nasiriya, Al Amara, Najaf, Hilla, Al Kut.

Quellen:

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf (Letzter Zugriff am 19.09.2018)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 19.09.2018)

1.9.2. Anlassbezogen konnte nicht festgestellt werden, dass der BF mit den Behörden des Herkunftsstaates auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme gehabt hätte.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er vor seiner Ausreise einer individuellen Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen ausgesetzt gewesen wäre, oder er im Falle seiner Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein könnte.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt wäre, oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstünden.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte oder er als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die daraus gezogenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, den beigeschafften länderkundlichen Informationen und den amtswegig eingeholten Auskünften.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität des BF (XXXX, geb. XXXX), Staatsangehörigkeit Irak, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit (Muslim schiitischer Glaubensrichtung) Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Konstatierungen, sowie auf seinen diesbezüglichen Angaben, die er anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gemacht hatte [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 3] und den damit übereinstimmenden Angaben, die er im Rahmen seiner vor dem BVwG stattgehabten PV gemacht hatte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 4]. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen Verfahren.

Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zu seiner weiteren Reiseroute und zu seiner Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus den Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde, und den Angaben, die er im Rahmen seiner vor dem BVwG stattgehabten PV gemacht hatte. Allerdings ergab eine vergleichende Betrachtung seiner Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde und dem BVwG, dass der angegebene Zeitpunkt zur Ausreise divergierend dargestellt wurde.

So hatte er vor den Organen der belangten Behörde auf die Frage 9.1., wann und womit er den Herkunftsstaat verließ, angegeben, dass er diesen vor zwei Monaten mit dem Flugzeug verlassen hätte. Auf die Frage 9.9. "Geben Sie die konkrete Reiseroute mit Nennung der verwendeten Verkehrsmittel von ihrer Heimat bis nach Österreich an" gab er ebenfalls an, dass er seine Heimat vor zwei Monaten legal mit dem Flugzeug verlassen hätte [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 21.07.2015, S. 3]. Geht man vom Befragungszeitpunkt [21.07.2015] aus, ist die Ausreise unter Berücksichtigung allfälliger zeitlicher Unschärfen in dem von Mitte Mai 2015 bis Ende Mai 2015 gelegenen Zeitraum zu verorten.

Dagegen gab er vor dem BVwG auf die Frage zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat an, dass er am 20.02.2015 ausgereist wäre [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 5]. Es war daher zu konstatieren, dass nicht festgestellt werden kann, wann er aus dem Herkunftsstaat ausgereist ist.

Die vergleichende Betrachtung seiner vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde und im Rahmen seiner PV vor dem BVwG gemachten Angaben machte eine weitere Divergenz deutlich, die sich auf den Ort seiner Ankunft in der Türkei bezieht. Zunächst ist vorauszuschicken, dass allen Schilderungen gemein ist, dass er als Verkehrsmittel für seine Ausreise das Flugzeug wählte. Vor dem BVwG gab er ergänzend an, seine Ausreise vom internationalen Flughafen in BAGDAD aus angetreten zu haben. Während er vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde angegeben hatte, den Flug in ISTANBUL beendet zu haben [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 21.07.2015, S. 3], gab er im Rahmen seiner vor dem BVwG stattgehabten PV an, nach dem Flug aus dem Herkunftsstaat in ANKARA angekommen zu sein[PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 6]. Es war daher zu konstatieren, dass nicht festgestellt werden kann, wo der BF in der Türkei ankam.

Die vergleichende Betrachtung seiner Angaben zur Erwerbstätigkeit seines Vaters sind ebenfalls inkonstistent und in Verbindung mit den oben bereits aufgezeichneten Divergenzen geeignet, dem erkennenden Verwaltungsgericht einen unglaubwürdigen persönlichen Eindruck des BF zu vermitteln. So hatte er vor dem BFA angegeben, dass sich sein Vater den Lebensunterhalt als Polizist verdient habe, und die wirtschaftliche Situation der Familie mittelmäßig gewesen sei. An einer anderen Stelle gab er dagegen an, dass er bereits seit dem Jahr 2014 in Pension sei [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 7]. Vor dem BVwG gab er dagegen auf die Frage, was sein Vater und seine Mutter beruflich machen, an, dass seine Eltern ohne Arbeit seien [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 7]. Aus diesen Angaben lässt sich vielmehr ein Hinweis auf eine Arbeitslosigkeit der Eltern erkennen, als dass der Vater, wie er vor dem BFA Glauben machen wollte, bereits in Pension wäre. Angesichts seiner stets gleich gebliebenen Angaben zum Geburtsjahr des Vaters [Anm.: 1966; siehe dazu BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 7; PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 7] ist davon auszugehen, dass der Vater des BF zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 1966 geboren wurde. Ausgehend vom Geburtsjahr war dieser daher im Jahr 2014 erst 48 Jahre alt, sodass die Angabe, dass dieser bereits in Pension sein könnte selbst im Irak - ohne Hinzutritt entsprechender Gesichtspunkte, wie etwa eine Invalidität - unglaubwürdig erscheint.

Darüber hinaus fällt eklatant auf, dass auch seine zum Schulbesuch gemachten Angaben nicht stimmen. So gab er vor der belangten Behörde an, dass er 12 Jahre lang die Schule besucht hätte. Dann gab er an, dass sein Schulbesuch zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2008 geendet hätte [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 5]. In der vor dem BVwG stattgehabten PV gab er dagegen an, dass er "nur 6 Jahre lang die Grundschule besucht" hätte. Anschließend habe er noch die zweijährige Abendschule besucht, diese jedoch nicht abgeschlossen [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 5]. Unter Berücksichtigung dieser vor dem BVwG gemachten Angaben will er nur acht Jahre lang die Schule besucht haben, womit er sich zu seinen vor dem BFA gemachten Angaben in einen erheblichen Widerspruch setzte.

Inkonsistent und in sich widersprüchlich sind auch seine Angaben zum behaupteten Alkoholverkauf geblieben. So hatte er anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde angegeben, dass er zwei Jahre lang (illegal) Alkohol verkauft hätte [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 6]. Dagegen gab er anlässlich seiner vor dem BVwG stattgehabten PV an, lediglich ein Jahr lang Alkohol verkauft zu haben [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 13]. Weiter gab er vor dem BFA an, dass er keine Arbeit gehabt hätte, und deshalb dem (illegalen) Verkauf von Alkohol nachgegangen wäre [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 6]. Anlässlich seiner PV vor dem BVwG sagte er aus, dass er bis zu seiner Ausreise als Dekorateur beschäftigt war und als solcher Mauerabdeckungen bzw. Innenabdeckungen in Häusern montierte und Gebäudedecken errichtete. Hier gab er auf die Frage, warum er mit Alkohol gehandelt habe, an, dass ihnen die Bauunternehmer kein Geld ausgezahlt hätten, weshalb er auf diese Tätigkeit angewiesen gewesen sei [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 14]. Mit diesen Angaben, die eine parallele Erwerbstätigkeit aus nichtselbständiger Arbeit als Dekorateur und selbständiger Erwerbstätigkeit als Händler alkoholischer Getränke nahelegen würde, setzte er sich jedoch in einen eklatanten Widerspruch zu seinen Angaben vor der belangten Behörde, demzufolge das Motiv für den Alkoholhandel einerseits in einer behaupteten Arbeitslosigkeit, andererseits in behaupteten Vorenthaltungen des Anspruchslohns während einer bestehenden Beschäftigung bestanden haben soll.

Im Rahmen seiner vor dem BVwG stattgehabten PV gab er auf die Frage "Ist es Ihnen persönlich vor dem von Ihnen geschilderten Vorfall passiert, dass sie als Alkoholverkäufer erwischt wurden, gefoltert wurden und den Alkohol über den Kopf geschüttet bekamen?" an, dass das nicht der Fall gewesen sei und seine Freunde erwischt und geschlagen worden seien. An einer anderen Stelle gab er an, immer wieder gehört zu haben, dass ein Alkoholverkäufer erwischt und geschlagen worden sei und ihm der Alkohol über den Kopf geschüttet worden wäre [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 15]. Diese zuletzt zitierten - mit den in der Beschwerdeschrift auf Seite 4 auszugsweise zitierten Länderinformationen über den Umgang mit Personen, die Alkohol verkaufen, in Widerspruch stehenden - Angaben und die oben aufgezeigten Widersprüche erwecken beim erkennenden Gericht erhebliche Zweifel daran, dass sich der BF seinen Lebensunterhalt bzw. einen Teil seines Lebensunterhalts mit dem Verkauf von Alkohol verdient haben könnte. Es waren daher die entsprechenden Konstatierungen zu treffen.

Vor der belangten Behörde gab der BF auch an, dass er mit seinem - von ihm als homosexuell bezeichneten - Freund ein paar Mal Geschlechtsverkehr gehabt haben soll. Auf Nachfragen stellte er eine eigene Homosexualität jedoch explizit in Abrede [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 11]. Im Gegensatz dazu versuchte er sich in der vor dem BVwG stattgehabten PV zunächst als bisexuell darzustellen und dass er deswegen einer Verfolgung im Herkunftsstaat unterliegen könnte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 18]. Nach genauer Befragung relativierte er diese Angabe später zu seiner angeblichen - bisexuellen - Neigung, indem er angab, dass er nicht zur Homosexualität neige und sich als heterosexuell bezeichne und nur mit Frauen Geschlechtsverkehr haben wolle [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 20 und 21]. Im Gegensatz zu seinen Angaben vor dem BFA, denenzufolge er mit seinem Freund ein paar Mal Geschlechtsverkehr gehabt haben wollte, gab er vor dem BVwG in der Folge an, dass er mit diesem lediglich ein einziges Mal Geschlechtsverkehr gehabt habe. Das sei im alkoholisierten Zustand passiert und habe er diesen einen einzigen Geschlechtsverkehr anschließend als "nicht schön" empfunden. Außer diesem einen einzigen Geschlechtsverkehr habe er nach seinen eigenen Angaben keinen Geschlechtsverkehr mehr mit einem Mann gehabt [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 19f]. Im Lichte seiner eigenen, vor dem BVwG getätigten Angaben ist beim BF nicht einmal ansatzweise von einer etwaigen Homosexualität oder Bisexualität auszugehen. Der mit seinem Freund ein einziges Mal vollzogene Geschlechtsverkehr ist weniger als Ausdruck einer geschlechtlichen Neigung, sondern vielmehr als "Ausrutscher" unter Alkoholeinfluss (ohne Hinterlassung eines bleibenden Eindrucks) zu werten.

Wie schon die oben angeführten Darstellungen ist auch diese Geschichte geeignet, Zweifel an der Glaubwürdigkeit des BF zu erzeugen, zumal sie - was die Anzahl der angeblich mit seinem Freund vollzogenen Geschlechtsakte betrifft - ebenfalls inkonsistent und widersprüchlich geblieben ist. Zudem setzte er sich selbst in seiner vor dem BVwG stattgehabten PV innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit selbst in Widerspruch zu seinen Angaben, indem er zunächst noch angegeben hatte, bisexuell zu sein und diese Angabe nach genauer Befragung dahingehend relativierte, dass er sich selbst als heterosexuell bezeichne und nur mit Frauen Sex haben wolle [vgl. die Angaben des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 18 und S. 21].

2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Die zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates getroffenen Konstatierungen beruhen im Wesentlichen auf den widersprüchlichen Angaben des BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde [BF in Protokoll der Erstbefragung vom 21.07.2015, S. 5], auf seinen, eine deutliche Tendenz zur Steigerung gezeigt habenden Angaben vor der belangten Behörde anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 9ff] und auf seinen Angaben vor dem erkennenden BVwG, die überwiegend inkonsistent und - in der vergleichenden Betrachtung - in entscheidenden Punkten in sich widersprüchlich geblieben sind.

Anlässlich seiner Erstbefragung durch Organe der öffentlichen Sicherheitsbehörde stützte er seine Fluchtgründe auf den behaupteten Verkauf von Alkohol und dass ein Monat vor seiner Ausreise, das Motorrad, mit dem er den Alkohol ausgeliefert haben wollte, in Brand gesteckt worden sei. Daraufhin habe er Angst um sein Leben bekommen und sei geflüchtet [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 21.07.2015, S. 5].

Vor der belangten Behörde erfuhr seine Fluchtgeschichte insofern eine Steigerung, als er diesmal vorbrachte, von den Insassen zweier Autos gefesselt, entführt und am Körper misshandelt worden zu sein. Mit ihm sei auch sein Freund entführt worden, der am nächsten Tag nahe einer Brücke in seiner Nähe tot abgelegt worden sei. Die Verantwortung am Tod seines Freundes hätten ihm dessen Eltern zugeschoben und hätten diese an ihm Rache nehmen wollen. Die Entführung und die Zerstörung des Motorrades gab er hier mit dem 18.02.2015 an [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 9f]. Vor dem BFA gab er weiter an, den Herkunftsstaat am 20.02.2015 verlassen zu haben [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 7].

Abgesehen davon, dass er zum Zeitpunkt des Verlassens des Herkunftsstaates unterschiedliche Zeitpunkte angegeben hatte [vor den Organen der Sicherheitsbehörde: Mitte bis Ende Mai 2015 - BF in Erstbefragungsprotokoll vom 21.07.2015, S. 3; vor dem BFA:

20.02.2015 - BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S.7], setzte er sich damit in Widerspruch zu seinen eigenen, zum Zeitpunkt des behaupteten Vorfalles in Bezug auf seine Ausreise gemachten Angaben.

Seinen Angaben vor dem BFA zufolge soll er bereits zwei Tage nach dem Vorfall ausgereist sein. Vor den Organen der Sicherheitsbehörde hatte er noch angegeben, dass sein Motorrad ein Monat vor seiner Ausreise in Brand gesteckt worden sei. Schon diese Angaben lassen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Fluchtgeschichte aufkommen, zumal der BF sowohl vor dem BFA als auch vor dem BVwG die Zerstörung seines Motorrades auf den Tag der von ihm behaupteten Entführung verortete und er keine Behauptung dahin erhob, ein weiteres Motorrad besessen zu haben, das ebenfalls in Brand gesteckt worden sein könnte.

Unter dem Gesichtspunkt des angeblich durch einen Brandanschlag zerstörten Motorrades zeigt der Vergleich der vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde und dem BFA präsentierten Fluchtgeschichten ein diesbezüglich deutlich gesteigertes Vorbringen vor dem BFA auf, das für sich allein schon geeignet ist, den Wahrheitsgehalt der präsentierten Fluchtgeschichten in Zweifel zu ziehen. Während vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde "nur" das angeblich in Brand gesteckte Motorrad des BF den Fluchtgrund darstellte [BF in Erstbefragungsprotokoll vom 21.07.2015, S. 5], kamen vor dem BFA zu dem angeblich in Brand gesteckten Motorrad eine Entführung seiner Person und der seines Freundes die Angst hinzu, dass er von den Entführern und von der Familie seines angeblich getöteten Freundes erwischt werden könnte [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 12].

Vor dem BFA gab er an, dass er und sein Freund nach der behaupteten Festnahme zu einem zerstörten Gebäude gebracht worden seien [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 9]. Anlässlich seiner vor dem BVwG stattgehabten PV gab er dagegen an, dass er in einen Rohbau gebracht worden sei [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.09.2018, S. 10]. Für jemanden, wie dem BF, der angab, im Herkunftsstaat als Dekorateur am Bau tätig gewesen zu sein, muss es möglich sein, zwischen einem zerstörten Gebäude und einem Rohbau zu unterscheiden. Hätte die behauptete Entführung tatsächlich stattgefunden, hätte er diese unterschiedlichen Angaben zum Gebäudetyp, den selbst ein bautechnischer Laie zu unterscheiden weiß, nicht tätigen dürfen.

Vor dem BFA behauptete der BF, dass er mit einem Rasiermesser gefoltert worden sei [BF in Niederschrift des BFA vom 10.11.2017, S. 9]. Vor dem BVwG sprach er davon, mit einem Teppichmesser g

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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