TE Bvwg Beschluss 2018/9/24 W241 2205121-1

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Veröffentlicht am 24.09.2018
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Entscheidungsdatum

24.09.2018

Norm

AsylG 2005 §5 Abs1
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W241 2205121-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , staatenlos, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.08.2018, Zahl 1186944610/180340370, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge BF) brachte nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 09.04.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) einen Antrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge AsylG), ein.

2. Eine EURODAC-Abfrage ergab eine erkennungsdienstliche Behandlung der BF im Rahmen einer Asylantragsstellung in Dänemark am 28.10.2014.

3. Im Zuge der Erstbefragung am 09.04.2018 gab die BF an, sich zuerst elf Monate im Libanon befunden zu haben und dann von Oktober 2014 bis Mai 2017 in Dänemark gewesen zu sein. Danach wäre sie freiwillig ausgereist und hätte ca. ein Jahr in der Türkei gelebt, bis sie nunmehr nach Österreich gereist sei. Hier lebe ihr Sohn in Wien, sie wolle bei diesem bleiben.

Die BF legte abschließend einen türkischen Mietvertrag vom 15.05.2017 vor.

4. Am 13.04.2018 wurde eine Anfrage gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), an Dänemark gestellt.

In der Anfrage wurde zum Reiseweg der BF ausgeführt, dass diese angegeben hätte, von 2014 bis Mai 2017 in Dänemark gewesen zu sein. Dann hätte sie Dänemark verlassen und wäre über die Türkei nach Österreich gereist.

5. Mit Schreiben vom 24.04.2018 teilten die dänischen Behörden mit, dass Dänemark der Wiederaufnahme der BF nach Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zustimme.

6. Im Rahmen zweier Einvernahmen am 16.05.2018 und 01.08.2018 legte die BF erneut den Mietvertrag und eine Zahlungsbestätigung vor und gab zusammengefasst an, dass sie am 07.05.2017 in der Türkei eingereist sei und das Land im März 2018 wieder verlassen habe. Sie hätte in der Stadt XXXX in der Straße XXXX , Nummer XXXX , Hausnummer XXXX , gelebt, Bekannte hätten ihr dort eine Wohnung besorgt. Sie hätte nach Syrien zurückwollen, da dies aber nicht möglich gewesen wäre, hätte sie sich einen Schlepper gesucht, der sie mit einem Auto über unbekannte Länder nach Österreich gebracht hätte. Ferner machte die BF Angaben zu den Vermietern und ihrem Aufenthalt in der Türkei.

7. Aus dem von der BF vorgelegten Mietvertrag geht hervor, dass die BF in " XXXX " von 15.05.2017 bis 15.11.2017 eine Wohnung gemietet hat.

8. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 06.08.2018 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Dänemark für die Prüfung des Antrags gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Die Außerlandesbringung der BF wurde gemäß § 61 Abs. 1 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der BF nach Dänemark gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass von einer Zuständigkeit Dänemarks ausgegangen werde, da sich die BF in den beiden Einvernahmen mehrfach betreffend ihren Aufenthalt in der Türkei widersprochen hätte. Sie hätte daher einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten außerhalb der EU nicht glaubhaft belegen können - so läge der Mietvertrag nur in Kopie vor und könne leicht im Internet ausgedruckt werden. Auch hätte Dänemark eine Übernahme ihrer Person abgelehnt, wenn es sich für die Prüfung des Asylverfahrens nicht zuständig gefühlt hätte.

9. Gegen den angeführten Bescheid richtet sich die mit 03.09.2018 fristgerecht eingebrachte Beschwerde der BF an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG).

10. Die Beschwerdevorlage an die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG erfolgte am 06.09.2018.

11. Mit Beschluss des BVwG vom 10.09.2018 wurde der Beschwerde der BF die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenord-nung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß an-zuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegan-genen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl § 75 Abs 18 AsylG 2005 idF BGBGl I 2013/144).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Aufhebung des angefochtenen Bescheids:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offen-kundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) lauten:

Art. 3 Abs. 1:

"(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaats-angehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird."

Art. 7 Abs. 1 und 2:

"(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt."

Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO lautet: "Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."

Art. 18:

"Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen."

Art. 19:

"Übertragung der Zuständigkeit

(1) Erteilt ein Mitgliedstaat dem Antragsteller einen Aufenthaltstitel, so obliegen diesem Mitgliedstaat die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1.

(2) Die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1 erlöschen, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d, um dessen/deren Aufnahme oder Wiederaufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, die betreffende Person ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels.

Ein nach der Periode der Abwesenheit im Sinne des Unterabsatzes 1 gestellter Antrag gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.

(3) Die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben c und d erlöschen, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d, um dessen/deren Wiederaufnahme er ersucht wurde, nach Rücknahme oder Ablehnung des Antrags das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines Rückführungsbeschlusses oder einer Abschiebungsanordnung verlassen hat.

Ein nach einer vollzogenen Abschiebung gestellter Antrag gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst."

§ 21 Abs. 3 BFA-VG lautet:

"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

2.1. Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung der gegenständlichen Verfahren beziehungsweise der Zuständigkeit Dänemarks ist eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.6.2012, U462/12); dies freilich, sofern maßgeblich, unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich, vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-63/15, Mehrdad Ghezelbash/Niederlande sowie vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-155/15, Karim.

Im Rahmen der Entscheidung C-63/15, Mehrdad Ghezelbash/Niederlande, wurde insbesondere ausgesprochen, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO dahingehend auszulegen ist, dass ein Antragsteller auf internationalen Schutz im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III der Dublin III-VO festgelegten Zuständigkeitskriteriums sowie einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO geltend machen könne und sich die korrekte Anwendbarkeit der Kriterien der Dublin III-VO sohin als im Rechtsweg überprüfbar erweise (siehe auch VwGH 23.6.2016, Ra 2016/20/0069, Rz 17). Der EuGH erwog, dass die Kontrolle der richtigen Anwendung der Zuständigkeitskriterien in dem Rahmen vorzunehmen ist, der durch Art. 22 Abs. 4 und 5 vorgegeben ist. Diese Bestimmung sieht vor, dass das Beweiserfordernis nicht über das für die ordnungsgemäße Anwendung der Verordnung erforderliche Maß hinausgehen sollte und in Ermangelung förmlicher Beweismittel der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit anerkennt, wenn die Indizien kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, um seine Zuständigkeit zu begründen.

2.2. Im vorliegenden Fall wurde von der BF bereits in der Erstbefragung behauptet, dass sie nach ihrer Asylantragsstellung in Dänemark 2014 und Erhalt einer negativen Entscheidung Dänemark verlassen und in die Türkei gereist sei. Dort hätte sie sich von Mai 2017 bis Ende März 2018 aufgehalten, ehe sie sich zu einer schlepperunterstützten Flucht nach Österreich entschlossen hätte. Damit wäre jedoch die aufgrund des am 28.10.2014 in Dänemark gestellten Asylantrages grundsätzlich bestehende Zuständigkeit Dänemarks gemäß Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO erloschen. Die Beweislast liegt in diesen Fällen beim ersuchten Mitgliedstaat.

Nun befindet sich ein Antragsteller in ähnlich gelagerten Fällen - so wie auch im vorliegenden Fall - nicht in der Verfügungsgewalt des Mitgliedstaates, der das Erlöschen der Zuständigkeit zu beweisen hat. Im Sinne des allgemeinen unionsrechtlichen Gebotes der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten hat der ersuchende Mitgliedstaat - gegebenenfalls nach näherer Befragung des Antragstellers - jedwedes Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO relevante Vorbringen dem ersuchten Staat (wohl mit einer Darlegung aller vorgelegten Nachweise und gegebenenfalls einer nachvollziehbaren Glaubwürdigkeitseinschätzung) mitzuteilen. Nur auf diese Weise ist es dem ersuchten Mitgliedstaat auch möglich, informiert das allfällige Vorliegen des Endigungstatbestandes des Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO beurteilen zu können, wodurch die formelle Zuweisung der Beweislast an ihn inhaltlich gerechtfertigt ist.

Im gegenständlichen Fall gab die BF bei der Erstbefragung unter Vorlage eines türkischen Mietvertrages an, sich etwa zehn Monate in der Türkei aufgehalten zu haben. Es ist aus dem vorliegenden Akt nicht ersichtlich, dass Dänemark über diesen Umstand ausreichend informiert worden wäre, zumal das BFA in der Anfrage am 13.04.2018 lediglich ausführte, die BF sei laut eigenen Angaben von 2014 bis Mai 2017 in Dänemark gewesen und dann über die Türkei nach Österreich gereist, ohne den von der BF behaupteten zehnmonatigen Aufenthalt in der Türkei und den vorgelegten Mietvertrag zu erwähnen.

Unabhängig vom tatsächlichen Wahrheitsgehalt der Angaben der BF - so wurden vom BFA zutreffenderweise Widersprüche in den Aussagen der BF festgestellt - und der Echtheit der vorgelegten Unterlagen ist somit festzuhalten, dass es das BFA im Verfahren unterlassen hat, dem ersuchten Staat - entweder bereits im Zuge der Anfrage am 13.04.2018 oder nach den beiden Einvernahmen der BF - das relevante Vorbringen (gegebenenfalls mit einer nachvollziehbaren Glaubwürdigkeitseinschätzung) umgehend mitzuteilen und die vorgelegten Unterlagen anzuführen, um eine Beurteilung durch Dänemark zu ermöglichen.

Die dänischen Behörden wurden daher nicht ordnungsgemäß in die Lage versetzt, das eventuelle Erlöschen ihre Zuständigkeit entsprechend zu beurteilen.

2.3. Die belangte Behörde wird somit den ersuchten Mitgliedsstaat über die Aussagen der BF und die vorgelegten Beweismittel informieren müssen, damit Dänemark das allfällige Vorliegen des Endigungstatbestandes des Art. 19 Abs. 2 Dublin III-VO ausreichend prüfen kann.

2.4. Im Hinblick darauf, dass eine Ergänzung des vorliegenden Sachverhaltes und damit verbunden die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, war gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG der Beschwerde stattzugeben und der bekämpfte Bescheid zu beheben.

3. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben, zumal sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen eindeutig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt beantwortet werden konnten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen trifft § 21 Abs. 3 BFA-VG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Informationspflicht,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W241.2205121.1.01

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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